Am Holocaust-Gedenktag: Porträts von NS-Überlebenden in Leipzig geschändet
Am Tag des Holocaust-Gedenkens wurden in Leipzig mehrere Porträts von Überlebenden geschändet. Die Bilder gehören zu einer Ausstellung im Hauptbahnhof, die am Sonnabend eröffnet wurde.
„Es ist eine Katastrophe“, sagt Luigi Toscano, „das tut einfach nur weh.“ Der Fotograf steht auf dem Querbahnsteig des Leipziger Hauptbahnhofes. 120 Porträts von Opfern der NS-Diktatur sind hier zu sehen, weitere 20 draußen, am Willy-Brandt-Platz. „Gegen das Vergessen“, ist der Titel der Ausstellung. Doch bevor die Foto-Installation an diesem Sonnabendnachmittag aus Anlass des Holocaust-Gedenktages offiziell eröffnet wurde, haben Unbekannte mehrere der großflächigen Porträts geschändet.
Allein im Bahnhofsgebäude wurden zwei Bilder beschädigt, berichtet Toscano. Mindestens drei weitere beschmierte Fototafeln sind draußen noch zu sehen. Auf die Aufnahme eines Mannes, dessen Eltern im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau interniert waren und nach dem Todesmarsch in Mauthausen ermordet wurden, schmierten die Täter ein Hitlerbärtchen. Ebenso wie auf das Porträt eines Österreichers, dessen Familie der Kristallnacht zum Opfer fiel. „Die Farbe lässt sich nicht einfach wegwischen“, sagt der Künstler. „Die Bilder müssen ausgetauscht werden.“
Wie vor Ort zu erfahren war, haben Ermittler inzwischen erste Aufnahmen von Überwachungskameras im Hauptbahnhof gesichert. Darauf sollen zwei Tatverdächtige zu sehen sein. Ob auch verwertbare Aufnahmen vom Willy-Brandt-Platz vorliegen, ist bislang unklar. Dort ist ebenfalls eine Videoüberwachung installiert, weil der Bereich als Kriminalitätshotspot und Treffpunkt der Drogendealerszene gilt. Wie Polizeisprecherin Sandra Freitag auf LVZ-Anfrage sagte, hat der polizeiliche Staatsschutz die Ermittlungen übernommen. Ein politischer Hintergrund der Taten gilt als wahrscheinlich. Auch die Bundespolizei ist involviert, weil diese für den Bereich des Hauptbahnhofes zuständig ist.
Manches deutet darauf hin, dass die Fotos nicht zufällig im Vorbeigehen beschädigt wurden. Nach Informationen des Ausstellungsmachers sprechen die offenbar identische Farbe und auch die Art der jeweiligen Schmierereien dafür, dass hinter den Übergriffen auf dem Willy-Brandt-Platz und auf dem Querbahnsteig des Hauptbahnhofes womöglich dieselben Täter stecken könnten. Erst vor zwei Wochen war die Installation, die in der Elsterstraße an den jüdischen Fußballclub SK Bar Kochba erinnert, von Unbekannten stark beschädigt worden.
Übergriffe zuvor schon in Wien und Baden-Württemberg
Übergriffe auf seine viel beachteten Installationen seien bisher absolute Ausnahmen, so Luigi Toscano. Im September vorigen Jahres beschmierte ein Teenager in einer Schule in Baden-Württemberg Toscano-Fotos von Nazi-Opfern mit NS-Symbolen. 2019 waren bei seiner Ausstellung in Wien Porträts von Holocaust-Überlebenden mit Hakenkreuzen beschmiert und zerschnitten worden. Angesichts des Krieges in Nahost und der Bedrohungslage auch in Deutschland hätten Behörden in Vorbereitung der Leipziger Ausstellung ebenfalls Sicherheitsbedenken geäußert, berichtete der Fotograf gegenüber der LVZ. Noch am Freitag sagte er: „Ich hoffe, dass in Leipzig nichts passiert.“
Nun sind erste Bilder besudelt worden, noch ehe die Exposition überhaupt eröffnet wurde. Und das ausgerechnet am Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Zum 79. Mal jährt sich in diesem Jahr die Befreiung des KZ Auschwitz. „Mir hat heute ein Mann geschrieben, es sei doch klar gewesen, dass so etwas in Leipzig passiert“, erzählte der Fotograf. „Ich antwortete ihm, dass es nicht an der Stadt Leipzig liegt oder an Sachsen, da muss man differenzieren. Es es sind einzelne Menschen, die so etwas tun.
Die Bilder von Luigi Toscano sind hingegen noch bis zum 18. Februar im Hauptbahnhof zu sehen.
Mark Daniel 12.01.2024
Gedenkstele für jüdischen Leipziger Fußballclub Bar Kochba geschändet
In der Leipziger Elsterstraße haben Unbekannte die Gedenkstele an den jüdischen Fußballclub Bar Kochba geschändet. Der auf einer Tafel abgebildete Fußballer wurde gewaltsam entfernt. Vermutet wird ein antisemitisches Motiv.
Die Installation, die in der Elsterstraße an den jüdischen Fußballclub SK Bar Kochba erinnert, ist von Unbekannten stark beschädigt worden. Henry Lewkowitz, einer der Initiatoren der Gedenkstele, erfuhr davon am Mittwoch.
Die Nachricht kam vom neuen Wohnungswirtschafter der Immobilie an der Elsterstraße 7: Der auf einer Aluminiumplatte abgebildete Fußballer in Schusstechnik – eine Arbeit von Künstler Michael Fischer-Art – wurde gewaltsam entfernt. Lewkowitz, Geschäftsführer des Erich-Zeigner-Hauses, wird nun Anzeige bei der Polizei erstatten.
2018 eingeweiht
Im Juli 2018 hatten Mitstreiter und er die Gedenkstele eingeweiht, im Beisein der aus Tel Aviv angereisten Tochter von Hermann Bernhard Rafe, der in den 1930er-Jahren für den jüdischen Leipziger Fußballclub SK Bar Kochba stürmte.
Die Installation erinnert an das frühere Jugendhaus und die Geschäftsstelle von Bar Kochba in der Elsterstraße 7. Beides wurde von der Gestapo in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 verwüstet. „Viele Vereinsmitglieder wurden verhaftet und inhaftiert, mussten fliehen, verloren ihre Heimat oder wurden ermordet“, heißt es in der Inschrift auf der zugehörigen Gedenktafel.
„Eine Reihe antisemitischer Straftaten“
Als Ursache für die Schändung der Stele vermutet Lewkowitz einen antisemitischen Hintergrund. „Mir macht das große Sorge“, sagt er. „Der Vorfall reiht sich in eine Liste antisemitischer Straftaten und darf nicht unwidersprochen bleiben.“ Vor ein paar Jahren sei das Objekt schon einmal beschmiert worden, konnte aber schnell gereinigt werden.
Durch Spenden will der Erich-Zeigner-Verein die Reparatur der Installation finanzieren. Die Kosten schätzt er auf 2000 Euro. Auf seiner Homepage und den Social-Media-Seiten ruft der Verein nun zur Unterstützung auf. Am Freitag gab Leipzigs Linke-Fraktionschef Sören Pellmann bekannt, dass sich seine Partei mit 300 Euro aus dem Spendenfonds der Fraktion beteilige.
Mahnung aus der Linken-Fraktion
„Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass der Faschismus in Deutschland wieder auf nahrhaften Boden trifft“, mahnt Pellmann. Nicht zuletzt die kürzlich bekanntgewordene geheime Konferenz von AfD-Politikern mit Personen aus der rechtsextremen Szene müsse „uns endlich wachrütteln“.
Auch Küf Kaufmann, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde, ist entsetzt. „Die Beschädigung ist nicht nur ein Beweis für die Ignoranz und den Zynismus derjenigen, die diesen Vandalismus begangen haben“, sagt er gegenüber der LVZ. „Es ist auch eine zutiefst bedauerliche Episode in unserem Alltag, die uns zeigt, dass die Geschwüre der ,alten Krankheiten‘ noch lange nicht geheilt sind. Ihre erneuten Ausbrüche sind nicht weniger gefährlich als die alten.“