„Alter Gasthof“ in Staupitz ist verkauft: Das will der neue Eigentümer künftig machen

Das Gerichtsurteil zum Alten Gasthof in Staupitz bei Torgau erinnerte nochmal an die Rechtsrock-Vergangenheit. Doch inzwischen ist das Lokal verkauft. Der neue Eigentümer setzt auf neue Töne.

Gerüchte gab es schon länger: Der „Alte Gasthof“ in Staupitz sei verkauft. Doch bestätigen wollte es niemand. Nach dem jüngsten Gerichtsurteil zugunsten des ehemaligen Eigentümers tritt der Nachfolger nun aber an die Öffentlichkeit: Ja, sagt er, er habe den Gasthof im November gekauft. Bereits im April konnte er damit beginnen, das Lokal umzubauen. Und statt Rechtsrock werde es künftig Discos, Parties mit bekannten DJs, Familien- und Vereinsfeiern und Tanztees geben.

„Kommen Sie gern vorbei“, lädt mich eine freundliche Stimme am anderen Ende der Leitung ein. „Es ist noch alles Baustelle, aber Sie können sich umschauen.“ Etwas betreten parke ich wenig später vor dem Gasthof an der Durchgangsstraße, der von außen so ungastlich wie seit Jahren aussieht – die Fenster mit Rollläden verrammelt, kein Eingangsbereich, der den Gast willkommen heißt, kein Lebenszeichen, nirgends.

Der Mann öffnet die Hintertür: „Sie waren sicher noch nie hier“, sagt er, macht eine einladende Geste, deutet ins Innere und lächelt. Nein, natürlich nicht – zu den Rechtsrock-Konzerten der extremsten Sorte, die hier stattfanden, hatten nur gesinnungsfeste Gäste Zutritt. Selbst wenn ich gewollt hätte, ich wäre nie hineingekommen. Manchmal war ich auf der Durchfahrt durch Staupitz einer gewaltigen Polizeipräsenz begegnet. Dann fand wieder ein Rechtsrock-Konzert statt, mit einem Großaufgebot an Einsatz- und Mannschaftswagen auf den Zufahrtsstraßen rundherum. Mehr nicht.

Nun also trete ich ein in das Reich, in dem Feiernde einst volksverhetzende Lieder mitgrölten und dazu gern mal den rechten Arm hoben. Über der Theke noch die alten Preistafeln für Getränke, die enthemmten, ansonsten vieles schon im neuen Glanz: Große, bunte Wandgemälde, eine goldglitzernde Tapete, Vorrichtungen für die aufwendige Lichtanlage, die sich hier zu Pop, Schlager oder House drehen soll, breite Sofas zum Chillen, zum Schutz noch mit Folie abgedeckt, dazwischen Farbtöpfe, Leitern, Pinsel. „Die braune Wand dort überstreichen wir gerade“, sagt der Mann und deutet verschmitzt auf eine dunkle Vertäfelung.

„Gibt nichts für junge Leute“

Es soll möglichst nichts mehr erinnern an die braune Vergangenheit, in der die Gäste des „Alten Gasthofs“ 15 Jahre lang schwelgten. Der neue Eigentümer, ein Mann in mittleren Jahren aus der Region, möchte mit dem, was war, nichts zu tun haben. „Wir wollen hier etwas für die Jugend, für Kinder, für die mittlere Generation und die Älteren aufziehen“, sagt er. So wie in den Anfangsjahren des „Alten Gasthofs“, als dieser schon mal ein ganz normaler Landgasthof war.

Der neue Besitzer entstammt einer Familie, die in der Umgebung bekannt ist. Disco, DJ, Live-Auftritte, Entertainment für Feiern aller Art waren und sind ihr Metier, seit Jahrzehnten. Doch seinen Namen möchte er vorerst nicht nennen. Es hat den Anschein, also wolle er etwas Zeit zwischen seiner Person, seiner Geschäftsidee und der Rechtsrock-Location verstreichen lassen – Zeit, die Erinnerungen vertreibt. „Wenn die Leute Staupitz hören, denken die doch sofort an Rechtsrock.“

Nun hat er das Gefühl, dass das vor wenigen Tagen ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichts und das mediale Echo wie eine Woge über ihm zusammenschlagen. „Ich bekomme so viele Anfragen“, sagt er. „Alle wollen wissen: Was ist denn bei Euch los?“ Immer wieder müsse er beruhigen: Nein, er wolle weiterhin nur ein Tanzlokal für Jung und Alt eröffnen. Nicht mehr und nicht weniger. Das Urteil zur entzogenen Gaststättenerlaubnis betreffe den ehemaligen, inzwischen verzogenen Eigentümer. Es habe nichts mit ihm zu tun.

Schatten der Vergangenheit, die belasten. Woher nimmt er da den Mut für einen Neustart – zumal in Zeiten, da gerade in der Disco-Branche die Sorgen zugenommen haben? „Ja, es ist nicht einfacher geworden“, stellt er fest. „Die Menschen halten ihr Geld zusammen.“ Andererseits habe die schwindende Tanzlust Amüsier-Wüsten hinterlassen. „Schauen Sie sich in den Dörfern der Umgebung um“, sagt er. „Überall haben Gaststätten und Tanzsäle zugemacht. Manchmal haben Betreiber schon wegen der teuren Brandschutzauflagen aufgegeben. Jetzt gibt es kaum noch etwas. Wenn junge Leute feiern wollen, müssen sie nach Leipzig.“

Viel Zeit und Geld investiert

Auch für die übrigen Generationen sehe es mau aus: Ob das nun Rentner sind, die noch Zeiten erlebt haben, da man seine große Liebe beim „Tanztee“ im Landgasthof fand, oder Menschen der mittleren Generation, die sich voller Wehmut an durchtanzte Disconächte erinnern. An Zeiten, da man seinen Partner noch nicht auf einer Dating-Plattform, sondern eher auf einer verschwitzten Tanzfläche fand. Wo können sie sich noch amüsieren?

Das möchte er ändern. Tatkräftig unterstützt von der Familie, ist er bereits seit einem halben Jahr dabei, dem „Alten Gasthof“ wieder neues Leben einzuhauchen. Es ist der Saal, der bereits vom Vorbesitzer für Konzerte genutzt wurde, weshalb er über die nötige Brandschutzeinrichtung verfügt. „Aber ansonsten war das ein Loch hier“, stellt der zupackende Mann fest. Viel Zeit und Geld habe er bereits reingesteckt – und eine ebenso große Kraftanstrengung liege noch vor ihm.

Demnächst will er einen benachbarten, etwa 60 Quadratmeter großen Raum herrichten, um den Saal für größere Veranstaltungen erweitern zu können. Geplant ist Anfang 2024 auch eine freundliche Umgestaltung der Fassade sowie im rückwärtigen Bereich ein kleiner Freisitz, wo auch gegrillt werden könnte. Komplett erneuert wurden bereits die Sanitäranlagen und der Eingangsbereich, wo anthrazitfarbenen Fliesen mit weißen Wänden kontrastieren.

„Wir haben schon viele Anfragen“

„Tatsächlich haben wir jetzt schon viele Anfragen“, freut sich der Eigentümer. Ob nun Feiern für Familien, Landfrauen, Kinder oder Faschingsvereine: Viele hätten schon mal vorgefühlt, wann es denn losgehe. Es sei von Vorteil, dass der Name seiner Familie in der Region bekannt sei: „Die wissen, wofür wir stehen.“ Vorerst würden die Vorgaben gelten, an die auch der Vorbesitzer gebunden war, also maximal 230 Gäste und zehn größere Konzerte pro Jahr. „Wir sind mit der Torgauer Stadtverwaltung in gutem Kontakt“, sagt er. „Alles, was wir hier machen, ist abgestimmt. Man hat uns signalisiert, dass man unserem Vorhaben positiv gegenüber steht.“

Und dann, wenn endlich alles geschafft sei, werde er mich nochmal einladen, seinen vollen Namen nennen und sich auch fotografieren lassen, verspricht er. Im Frühjahr vielleicht schon, wenn die letzten braunen Schmuddelecken in frischen Farben leuchten.


05.12.2023

Rechtsrock-Konzerte: Gerichtsbeschluss überrascht Sachsens Innenminister

Im Torgauer Ortsteil Staupitz (Landkreis Nordsachsen) können weiter Neonazis feiern. Ein Dämpfer für Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) und seine Strategie, Rechtsextemen mit Verwaltungskniffen die Stirn zu bieten.

Konzerte, zu denen Neonazis aus ganz Deutschland anreisen, Hitlergrüße zeigen, „Sieg Heil“ rufen: Eigentlich sollte das in Staupitz der Vergangenheit angehören. Doch im „Alten Gasthof“ des Torgauer Ortsteils könnte es künftig genauso weitergehen.

Der Grund ist die jüngste Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bautzen, die auch Sachsens Innenminister Armin Schuster beschäftigt. „Das ist ziemlich überraschend“, sagte der CDU-Politiker auf Nachfrage während einer Pressekonferenz.

Seit 15 Jahren organisiert Andreas B. rechtsextreme Konzerte im „Alten Gasthof“. Der Verfassungsschutz trug einiges zusammen, über das, was sich hier abspielte. Immer wieder kam es zu Straftaten, B. griff nicht ein. Weil er als unzuverlässig galt, entzog ihm der Landkreis Nordsachsen im Februar 2023 die Gewerbeerlaubnis.

B. wehrte sich juristisch. Nachdem er vor dem Verwaltungsgericht Leipzig gescheitert war, wandte er sich an die nächste höhere Instanz. Das Oberverwaltungsgericht bemängelt nun nicht die Entscheidung an sich, sondern die Art und Weise, wie sie zustande kam. Aus Sicht der Richter hätte der Verfassungsschutz seine Informationen nicht an die Polizei und die Gaststättenaufsicht weitergeben dürfen. Die Folge: B. darf seine Gaststätte vorerst weiterbetreiben.

Reichsbürger und Rechtsextreme: Eine Herausforderung für Kommunen

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist ein Dämpfer für Innenminister Schuster und seine Strategie, Rechtsextremen mit Verwaltungskniffen die Stirn zu bieten. Neonazis, aber auch Reichsbürger vom „Königreich Deutschland“ besitzen im Freistaat mittlerweile mehrere Immobilien, organisieren groß angelegte Feste und Konzerte. Nicht immer lassen sich diese verbieten, vor allem wenn sich alle Beteiligten anscheinend an die Regeln halten. Eine Herausforderung für lokale Verwaltungen.

Das Innenministerium hat deshab in Zusammenarbeit mit der Landesdirektion Sachsen ein Netzwerk aufgebaut. Experten in Sachen Gewerbe- und Baurecht tauschen sich aus mit Polizei und Verfassungsschutz. Die Landesdirektion hat auch noch mal personell aufgestockt. Das Experten-Netzwerk soll Landkreise und Kommunen bei der Suche nach wirksamen Strategien beraten. So war es auch in Staupitz, wo versucht wurde, das Treiben mithilfe des Gewerberechts zu unterbinden.

Wie es jetzt weitergeht, ist unklar. Weder der Landkreis noch die Landesdirektion wollen sich über konkrete Schritte in Sachen Staupitz äußern. Man müsse sich erst mal über das Urteil beugen, sagt Armin Schuster. Der Innenminister versucht, Zuversicht auszustrahlen. „Es gibt eine Reihe von Ideen“, sagte er auf der Pressekonferenz. Doch dabei, das hat der aktuelle Fall gezeigt, muss an jedes Detail gedacht werden.