Statement zur Demoabsage Eisenach 18.11.2023

Gemeinsames Statement zur Demoabsage 18.11. „Ihr kreigt uns nicht klein – rechte Strukturen zerschlagen“ von „A.L.ESA“ und „Solidarisches Kollektiv Eisenach“.

Gegen jeden Antisemtismus – muss praktisch werden. Wir laufen nicht mit Antisemit*innen

Wir haben die für morgen geplante Demonstration „Ihr kriegt uns nicht klein – Rechte Strukturen zerschlagen“ in Eisenach kurzfristig abgesagt. Dem vorausgegangen sind intensive Diskussionen und das Durchspielen verschiedener Möglichkeiten, mit der Situation umzugehen, die letztlich zur Absage der Demonstration führte. Uns ist die Entscheidung, die Demonstration abzusagen und insbesondere, sie so kurzfristig abzusagen, sehr schwer gefallen, haben wir doch Wochen und Monate auf diese Demonstration hingearbeitet. Und wir haben uns darauf gefreut, euch, die ihr mit uns Zusammen in Eisenach gegen die rechte Hegemonie vor Ort und gegen staatliche Repression, gegen Rassismus, Antisemitismus und für einen konsequenten Antifaschismus auf die Straße gehen wolltet, zu sehen. Daher wollen wir euch folgend die Gründe, die für unsere Absage der Demonstration ausschlaggebend waren, darstellen. Damit wollen wir auch in eine Diskussion innerhalb antifaschistischer Strukturen eintreten, wie mit vergleichbaren Situationen in der Zukunft besser umgegangen werden kann.

Gegen rechte Hegemonie und staatliche Repression

Über die Situation in Eisenach selbst müssen wir an dieser Stelle nichts mehr sagen, ihr alle wisst, wie Eisenach in den letzten Jahren ein Zentrum rechter Strukturen war, die gut verankert sind und mit Gewaltdrohungen und Angriffen gegen Linke in Eisenach vorgehen. Mit manchen von euch stehen wir darüber seit längerem in Austausch, andere haben darüber auf den Mobi-Veranstaltungen zur Demonstration gehört oder in der Presse gelesen, nicht zuletzt in der Berichterstattung über die rechte Schlägerbande „Knockout 51“. Das Motto der Demonstration, „Ihr kriegt uns nicht klein“, sollte zum Ausdruck bringen, dass wir in Eisenach trotzdem weitermachen, trotz der Angriffe, trotz der Morddrohungen, trotz der weitgehend ignoranten Stadtgesellschaft und auch trotz Polizei und Staatsanwaltschaft, die sich in Thüringen allzu oft mit hanebüchenen Vorwürfen gegen Antifas richten, während Nazis für schwere Gewaltdelikte wieder und wieder mit Einstellungen oder milden Bewährungsstrafen davonkommen. Diese Stoßrichtung der Thüringer Polizei und Justiz haben wir in Thüringen zuletzt vor einer guten Woche erlebt, als es in mehreren Bundesländern zu Hausdurchsuchungen kam, um Aktivist*innen zu kriminalisieren, die auf der 1.-Mai-Demonstration in Gera dieses Jahr auf der Straße waren.

Man kämpft nicht mit Antisemit*innen gegen den Faschismus

Für den Demonstrationsaufruf bekamen wir viel Zuspruch, und wir konnten erwarten, dass sich diesmal auch überregional Aktivist*innen an der Demonstration beteiligen, zumeist aus Strukturen, mit denen wir im kontinuierlichen Austausch stehen oder hinter deren antifaschistischer Arbeit wir solidarisch stehen. Vor acht Tagen, am 10. November, veröffentlichte dann die Gruppe „Young Struggle“ einen Aufruf zu unserer Demonstration. „Young Struggle“ war einigen von uns ein Begriff, andereren nicht. Man muss aber nicht viele Worte über diese Organsation verlieren: Am 6. November veröffentlichte sie auf ihrer Website einen Text, in dem sie die antisemitischen Massaker vom 7. Oktober als „überraschenden revolutionären Schritt gegen den Kolonialstaat Israel“ feierten. Den Mord an über 1200 Menschen – unter ihnen Alte ebenso wie Säuglinge -, der von Vergewaltigungen und Leichenschändigungen begleitet wurde, nennt „Young Struggle“ eine „historisch[e] Offensive, die von den palästinensischen Widerstandskräften initiiert wurde“. Bereits am 10. Oktober hatte „Young Struggle“ erklärt, dass es sich um einen legitimen „Befreiungsschlag“ handeln würde.
Uns hat dieser unverhohlene Antisemitismus, diese völlige Empathielosigkeit gegenüber den Opfern und die Bereitschaft, die Mörder der Hamas als ‚Widerstand‘ zu feiern, erschüttert. Wir selbst haben unterschiedliche Positionen in der innerlinken Debatte um den Nahostkonflikt und das Vorgehen des israelischen Militärs, aber untrennbar verbindet uns die antifaschistische Gewissheit: Wir demonstrieren nicht mit Antisemit*innen – dass gilt heute, dass galt aber auch schon vor den Massakern vom 7. Oktober und der an sie anschließenden globalen Welle von antisemitischen Anfeindungen und Gewalt. Entsprechend haben wir am 12. November öffentlich erklärt, dass „Young Struggle“ und andere antisemitische Gruppen auf unserer Demonstration unerwünscht sind, unabhängig davon, ob sie sich selbst für links oder antifaschistisch halten oder nicht. „Young Struggle“ reagierte auf diese Klarstellung damit, dass sie meinte, uns als „pseudo linke Handlanger des Kapitals“ und als „Antideutsche“ verunglimpfen zu können und mit der Ankündigung, dennoch zu unserer Demonstration anzureisen.
Uns vorzuwerfen, wir würden „rassistische Hetze gegen Migrant:innen begründen“ weil wir Antisemitismus klar benennen, ist ein billiger Versuch, den Kampf gegen Rassismus und gegen Antisemitismus gegeneinander auszuspielen. Wir aber lassen uns nicht spalten und es fällt uns nicht schwer, gleichzeitig gegen Abschiebungen, Rassismus aktiv zu sein und die Verherrlichung der Hamas zu bekämpfen.“

Die Ausladung nicht zu akzeptieren offenbart, dass es „Young Struggle“ nicht um Solidarität und Unterstützung antifaschistischer Strukturen in Eisenach geht, sondern um die Durchsetzung der eigenen politischen Agenda auf Kosten lokal und regional engagierter Antifaschist*innen.

Wir wollen und können uns auf den Staat nicht verlassen

Wir standen jetzt vor der schwierigen Wahl: Hätten wir die Demonstration durchgeführt, wäre eines von zwei Szenarien eingetreten. Entweder wir hätten „Young Struggle“ auf unserer Demonstration geduldet. Sie hätten dies als Sieg in ihrem Kampf für die Normalisierung des Antisemitismus innerhalb linker Strukturen verbuchen können, und wir hätten bewiesen, dass unsere Positionierung gegen Antisemitismus eine für uns unbedeutende Randposition ist. Wir wären mit Antisemit*innen zusammen die Straße gegangen und hätten damit nicht nur etwa die Bedürfnisse und Sicherheit unserer jüdischen Aktivist*innen ignoriert, sondern auch alles verraten, wofür wir diese Demonstration organisiert haben.
Oder wir hätten „Young Struggle“ vor Ort aus der Demonstration ausgeschlossen. Das wir uns für einen solchen Ausschluss weder auf die Polizei verlassen wollen noch können ist klar, wir hätten diesen Ausschluss also selbst umgesetzt. „Young Struggle“, kampfbereit gegen angebliche ‚Pseudolinke‘ und ‚Antideutsche‘, hätte vor Ort die Konfrontation gesucht und diese Konfrontation auch bekommen – auch das wäre ein Ausdruck konsequenten Antifaschismus unsererseits gewesen. Die anwesende Polizei hätte allerdings auf diese Gelegenheit nur gewartet, um in unsere Demonstration hineinzugehen, wie sie es am 1. Mai in Gera getan hat. Das Ergebnis wäre gewesen: noch mehr Repression gegen antifaschistische Strukturen in Thüringen, mehr Hausdurchsuchungen, mehr Verfahren – und damit letztlich eine Schwächung des Antifaschismus in Eisenach und Thüringen.

Es bleibt viel zu tun

Wir haben uns also entschieden die Demonstration abzusagen, weil unter den Bedingungen, wie sie durch „Young Struggle“ geschaffen wurden, die Demonstration ihre Ziele nicht mehr erreichen konnte. Die einzige vernünftige Entscheidung die uns blieb, war es, uns in den letzten Tagen in schwierigen Diskussionen dazu durchzuringen, die Demonstration abzusagen. Wir werden diese Entscheidung und den Prozess, wie wir zu ihr gekommen sind und wie wir zukünftig in Bündnissen agieren in den kommenden Wochen aufarbeiten. Uns sind dabei auch Fehler unterlaufen, zu denen wir uns an gegebener Zeit und Stelle in solidarischen Diskussionen mit euch äußern werden.
Eines möchten wir jedoch bereits jetzt schon klarstellen: „Young Struggle“ hat sich zu keinem Zeitpunkt offen als Organisation an unserem Bündnis beteiligt. Zutreffend ist, dass eine Person, bei der sich im Nachhinein herausstellte, dass sie zu einer Untergruppe von „Young Struggle“ gehört, an einigen Vorbereitungstreffen teilgenommen hat. Die Zugehörigkeit legte die Person nicht offen. Diese Art von Unterwanderung und intransparenten Agieren zeigt den Politikstil von „Young Struggle“. Wir hätten an der Stelle deutlicher nachfragen müssen und werden die Fehler unsererseits aufarbeiten.

Eines ist für uns klar:
Die Nazis in unserer Stadt freut es, und im Flieder Volkshaus wird dieser Tage sicher das ein oder andere Mal auf „Young Struggle“ und das gemeinsame Feindbild Israel angestoßen werden. Dennoch gilt: „Ihr kriegt uns nicht klein“, weder Nazis, noch Staat, noch linke Antisemit*innen. Antifaschismus in Eisenach bleibt notwendig, darum kämpfen wir weiter und freuen uns über kritisch-solidarische Unterstützung bei dieser Aufgabe.

 

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