Demonstrierende besetzen Bühne – Proteste bei Lesung von Alice Schwarzer in Leipzig
Beim Auftritt von Alice Schwarzer am Mittwochabend in Leipzig haben mehrere Personen gegen Aussagen der Autorin über transgeschlechtliche Personen demonstriert. Die Polizei griff ein, die Lesung konnte mit Verspätung beginnen.
Bei einer Lesung von Alice Schwarzer am Mittwochabend in der Leipziger Stadtbibliothek haben mehrere Menschen gegen die Autorin demonstriert und zeitweise das Podium besetzt. Sie prangerten unter anderem Schwarzers Aussagen zur Transgeschlechtlichkeit an. Aus dem Publikum gab es teilweise aggressive Reaktionen gegen die Demonstrierenden. Nach dem Eintreffen der Polizei räumten die etwa 30 Protestierenden den Saal. Die Veranstaltung konnte gegen 19.30 Uhr mit einer halben Stunde Verspätung beginnen. Vor der Stadtbibliothek hatte die Polizei bereits erhöhte Präsenz gezeigt.
Der Protest unmittelbar vor Beginn der Veranstaltung, bei der Alice Schwarzer aus ihrer Autobiographie lesen wollte, war nicht die erste Kritik. Im Vorfeld hatten 33 Autorinnen und Autoren in einem offenen Brief gefordert, den Abend aus dem Programm des Literarischen Herbstes zu nehmen. Als Grund dafür nannte die Gruppe „transfeindliche, rassistische und misogyne Aussagen und Publikationen“ von Alice Schwarzer. Mit dem Auftritt werde Hass eine Bühne gegeben, erklärten zwei der Unterzeichnenden gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Des Weiteren kritisierten sie, dass zu diesen Themen „kein produktiver Dialog“ bei der Lesung entstehen könne, da auch der Moderator Alice Schwarzer nicht neutral gegenüberstehe – er ist ihr Verleger. Die Autorin nahm im LVZ-Interview Stellung zu den Vorwürfen.
Gereizte Stimmung bereits vor Einlass zur Lesung
Schon vor dem Einlass in den Saal war die Stimmung im Vorzimmer der Bibliothek sehr gereizt. Kurz nach Öffnung der Türen zum Oberlichtsaal, in dem die 200 angemeldeten Zuhörerinnen und Zuhörer ihre Plätze finden konnten, entrollte die Gruppe Demonstrierender mehrere Fahnen und Transparente. Darunter eine Flagge, die nicht-binäre Menschen repräsentiert. Die kleine Gruppe überwiegend junger Menschen skandierte beim Einlaufen in den Raum „Were are here, we are queer“ und „Eure Kinder werden so wie wir, eure Kinder werden alle queer“.
Das Publikum reagierte gereizt und teilweise aggressiv mit Gegenrufen. In der Folge nahmen die Protestierenden auf dem Podium Platz. Bei Ausrufen wie „Keine Bühne für Rassismus“ gab es Gelächter aus dem Publikum. An mehreren Stellen abseits des Podiums entbrannten Diskussionen über Feminismus und Transgeschlechtlichkeit. Schließlich betraten Polizisten den Saal, woraufhin die insgesamt friedlichen Demonstrierenden die Bühne räumten und unter Applaus aus dem Saal geführt wurden. Vor der Stadtbibliothek warteten währenddessen über ein dutzend Mannschaftswagen der Polizei auf die knapp 30 Demonstrierenden.
Verleger Malchow zitiert Salman Rushdie
Nach einer kurzen Wartezeit wurde Alice Schwarzer, ebenfalls unter Applaus, angekündigt und betrat den Saal gemeinsam mit ihrem langjährigen Verleger Helge Malchow. Nach einem Vorwort der Organisatorin des Literarischen Herbsts darüber, wie wichtig es sei auch streitbaren Meinungen eine Bühne zu geben, ergriff Malchow das Wort. Der Verleger las einen Ausschnitt der Rede von Salman Rushdie vor, die er kürzlich bei der Verleihung des Deutschen Buchpreises zum Thema Meinungsfreiheit gehalten hatte.
Schließlich übergab Malchow der Autorin das Wort. Alice Schwarzer zeigte sich betont gelassen und reagierte auf den Protest mit den Worten: „Es ist so weit, wir haben Redeverbot.“ Sie sprach dennoch weiter und betonte, dass sie sich seit den 1970er Jahren auch solidarisch mit Transpersonen gezeigt habe. „Seitdem ist aber einiges passiert. Aber das wissen die natürlich nicht. Die wissen nichts und lesen nichts“, so Schwarzer in Richtung der Protestierenden. Anschließend begann Alices Schwarzers Lesung.
Schwarzer steht in der Kritik: „Trans sein ist Mode“
Die 80-Jährige las Passagen aus ihrer aktuellen Autobiographie. Darin beschreibt sie unter anderem ihren Weg, der Anfang der 1970er Jahre nach Paris zur Frauenbewegung führte.
Das Thema Transgeschlechtlichkeit wurde erst durch eine Frage aus dem Publikum erneut aufgegriffen. Ihre Haltung zum Selbstbestimmungsgesetz und zu ihren Äußerungen wie etwa „Trans sein ist Mode“, wurde bereits im Vorfeld viel kritisiert. Dazu Schwarzer am Mittwochabend: „Ich halte den Gesetzesentwurf für unverantwortlich den jungen Leuten gegenüber. Darüber sollte man reden dürfen, ohne gleich als transphob verleumdet zu werden.“