„Tag X“: Durchsuchung in Grimma – Ermittlungen gegen Grimmaer Sozialarbeiter wegen Tweets – Vorwurf der Gefährdung

Der Grimmaer Tobias Burdukat hat das Foto eines Staatsanwaltes verbreitet, der während des Leipziger „Tag X“ im Einsatz war. Nun ermittelt der Staatsschutz, sein Handy ist beschlagnahmt worden. Die Linken-Landtagsabgeordnete Köditz sieht darin einen Einschüchterungsversuch.

Tobias Burdukat kennt man in Grimma als engagierten Sozialarbeiter, als ehemaligen Linken-Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters. Er ist einer, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält, rechtsextreme Strukturen thematisiert, aber auch Polizei und Justiz ziemlich scharf angeht – vor allem in sozialen Netzwerken. Nun ist Burdukat in das Visier der Sicherheitsbehörden geraten.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat ein Verfahren eingeleitet wegen der Weitergabe personenbezogener Daten, die eine Gefährdung für die betroffene Person mit sich bringen können. Bei einer Verurteilung drohen bis zu drei Jahren Haft. Die Ermittlungen leitet die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes (LKA). Am Freitag durchsuchten Beamte die Wohnung von Burdukat in Grimma.

Tweets mit Foto eines Staatsanwalts verbreitet

Auslöser der Ermittlungen waren mehrere Tweets, die der 40-Jährige entweder selbst geschrieben oder weiterverbreitet hatte. Darin geht es um einen Staatsanwalt, der am „Tag X“ in Leipzig, nach der Einkesselung von etwa 1000 Menschen vor Ort auftauchte, mit Sturmhaube und Kapuze.

Die Vermummung zum Eigenschutz sorgte für heftige Kritik bei Juristen und Politikern. Doch dabei blieb es nicht. Bei Twitter machten Name und Bild des Staatsanwalts die Runde. Auch Burdukat verbreitete dessen Foto aus einer Juristenzeitschrift, versehen mit dem Kommentar: „Hier auch mal ohne Maske – falls er euch in den leeren Gassen Grimmas mal über den Weg läuft.“ Der ursprüngliche Tweet sowie andere Beiträge sind mittlerweile gelöscht.

„Da es um einen Staatsanwalt geht, hat das Verfahren eine besondere Bedeutung“

Burdukat wird vorgeworfen, persönliche Informationen über den Staatsanwalt verbreitet zu haben, Angaben zum angeblichen Wohnort, zu seinen familiären Verhältnissen. „Es besteht eine erhebliche Gefahr, dass gewaltbereite Twitter-Nutzer aus der linken Szene aufgrund der Tweets des Beschuldigten Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit des geschädigten Staatsanwalts und seiner Familie verüben werden“, heißt es in einer Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft.

Auf die Verbreitung der persönlichen Daten des Staatsanwalts, der vor allem in der Abteilung Staatsschutz tätig ist, reagierte die Anklagebehörde in Leipzig zuletzt mit einem ungewöhnlich emotionalen Statement. Dass sie nun nicht selbst das Verfahren leitet, hat etwas mit der eigenen Betroffenheit zu tun – aber auch dem Fall an sich.

„Da es um einen Staatsanwalt geht, hat das Verfahren eine besondere Bedeutung“, sagt Sabine Wylegalla, Sprecherin bei der Generalstaatsanwaltschaft. Dass die Staatsschutzabteilung des LKA, zuständig für Straftaten im Extremismusbereich, die Ermittlungen leitet, begründet Wylegalla mit den Verbindungen zum Demonstrationsgeschehen am 3. Juni in Leipzig.

Handy als Beweismittel beschlagnahmt

Die Linken-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz hält das ganze Vorgehen für „völlig überzogen“. „Es ist, als würde man hier mit Kanonen auf Spatzen schießen“, sagt die Landespolitikerin. Köditz sieht einen „Einschüchterungsversuch“ gegen Engagierte wie Burdukat. Der ist nicht nur in Grimma bekannt: Er hatte 2016 die „Goldene Henne“ gewonnen und 2019 den Sächsischen Förderpreis für Demokratie erhalten.

Stellt sich also die Frage, warum die Generalstaatsanwaltschaft nach der Hausdurchsuchung nur zögerlich Informationen herausgegeben, Raum für Spekulationen geboten hat: „Wir machen keine politische Arbeit. Wir sind Strafverfolger. Gerade weil der Beschuldigte so bekannt ist, mussten wir das Interesse der Medien als vierte Gewalt mit einem möglichen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrechte abwägen“, sagt Wylegalla.

OBM Berger: Burdukat ist Opfer und Täter

Burdukat, der in seiner Heimatstadt ein erfolgreiches Jugendprojekt konzipierte, ist derzeit schwer zu erreichen: Die Polizei hat sein Handy beschlagnahmt. Es gilt als Beweismittel. Im Gespräch mit einem Leipziger Blog kritisiert Burdukat das Vorgehen, vor allem weil den Ermittlern bekannt war, dass es sich bei dem Verfasser der Tweets um ihn handelt.

„Eine telefonische Gefährderansprache hätte an dieser Stelle auch gereicht“, sagt er. Den Kommentar mit den „leeren Gassen Grimmas“ will er nicht als Hinweis auf den Wohnort des Staatsanwalts verstanden wissen, sondern als „Synonym für die Tristesse“: „Das war dumm formuliert.“

Grimmas Oberbürgermeister Matthias Berger (parteilos) will das so nicht stehen lassen. Er kennt Burdukat schon lange, schätzt dessen Einsatz für die Stadt, aber: „Tobias hat sich in einer linken Internetblase radikalisieren lassen. Insofern ist er Opfer der sozialen Netzwerke. Aber er ist auch Täter. Ein Aufruf zur Gewalt – ob von links oder rechts – ist nicht hinnehmbar. Ich habe volles Vertrauen in die Ermittlungsorgane.“

LVZ