Festnahme bei Demo: Polizei und Innenminister entschuldigen sich bei Juliane Nagel

Die Leipziger Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke) wurde am Donnerstag bei einer Demo von Beamten mit Schmerzgriffen festgesetzt und im Gewahrsam befragt – obgleich sie als Mitglied des Parlaments besonderen Schutz genießt. Jetzt reagiert die Polizei.

Nachdem die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke) am Donnerstag bei einer Demo in Leipzig in Handschellen abgeführt worden war, haben sich Leipzigs Polizeipräsident René Demmler und Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) am Freitag mit ihr getroffen und entschuldigt. Abgeordnete des Landtages dürfen laut Sächsischer Verfassung (Artikel 55) nur mit Einwilligung des Landtages festgenommen oder festgehalten werden. Laut Nagel passierte die vorübergehende Festsetzung am Donnerstag trotz Wissens der Beamten um ihre Funktion. Wie ein Polizeisprecher sagte, sei inzwischen das Landeskriminalamt (LKA) mit den weiteren Ermittlungen im Fall betraut worden.

Nagel erklärte gegenüber der LVZ, sie sei am Freitagvormittag zum Gespräch in die Polizeidirektion eingeladen worden. „Es wurde sich dafür entschuldigt, dass der Beamte trotz Wissens um meine Funktion als Landtagsabgeordnete so gehandelt hat“, sagte Nagel. Eine Bestätigung, dass das Gespräch stattgefunden hat und dass die Aktion unter Umständen falsch gewesen ist, gab es auch von der Polizei: „René Demmler hat klar gemacht, dass – sollte der Vorwurf stimmen – dass das Vorgehen nicht professionell und angemessen gewesen ist. Es wurde um Entschuldigung gebeten“, so Behördensprecher Olaf Hoppe.

Abgeordnete mit Schmerzgriffen abgeführt und festgesetzt

Juliane Nagel hatte am Donnerstag als Anmelderin eine Demo mit dem Titel „Kämpfe verbinden, für ein besseres Morgen“ vom Johannisplatz bis in den Clara-Zetkin-Park begleitet. Nach Ende der Proteste seien einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer herausgegriffen und abgeführt worden. „Ich habe eine polizeiliche Maßnahme beobachtet, in der eine sehr junge Frau und ein schwarzer Mensch identitätsbehandelt wurden. Dort wurde mir signalisiert, dass die Beamten wissen, wer ich bin“, so die Linkenpolitikerin. Sie habe sich über die Aktion beschweren wollen. „Ein Beamter hat mich daraufhin rabiat verbal belegt und weggestoßen. Anschließend wurde mir dann der Vorwurf gemacht, ich hätte ihn tätlich angegriffen.“

Wie unter anderem auch in einem Webvideo zu erkennen ist, wurde die Leipziger Landtagsabgeordnete mit Hilfe von Schmerzgriffen zu einem Polizeiauto gebracht und ihr dort Handschellen angelegt. Nagel wurde dann auch in das Fahrzeug gesetzt. „Der Beamte im Auto hat mir erklärt, ihm sei egal, dass ich Landtagsabgeordnete bin“, so die Politikerin gegenüber der LVZ. Sie sei zu einer Bearbeitungsstelle in der Nähe gefahren worden, wo bereits mehrere andere, ebenfalls festgesetzte Personen warteten. „So viel ich weiß, hat man mich dann aufgrund der Intervention meiner Anwältin entlassen.“

Wie der Tatvorwurf gegen sie zustande gekommen sei, kann sich die Linkenpolitikerin nicht erklären. „Ich wurde von dem Beamten weggeschubst und weiß nicht genau, was passiert ist. Ich bin mir aber sicher, dass ich ihn nicht geschlagen oder anderweitig tätlich angegriffen habe.“

Berliner Polizisten involviert – Aufrufe zur Gewalt registriert

Die Polizei selbst will sich aufgrund der inzwischen beim LKA auch gegen die beteiligten Beamtinnen und Beamten geführten Ermittlungen nicht zu den Vorwürfen äußern. Sprecher Olaf Hoppe sagt aber: „Wir als Leipziger Polizei kennen natürlich Juliane Nagel und wissen, dass sie eine Landtagsabgeordnete ist. Die Berliner Kollegen, die an diesem Tag dort im Einsatz waren, wussten das aber möglicherweise nicht.“

Er verweist zudem auf eine demnach insgesamt aggressive Situation vor Ort. „Aufgrund mehrerer Normenverstöße war es geboten, einzuschreiten. Während des Aufzugs wurden unter anderem die Rufe ’Gebt dem Bullen was er braucht, neun Millimeter in den Bauch’, ’Bullenschweine’ sowie ’Tod und Hass der Soko Linx’ registriert.“ Zudem habe es Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, wie beispielsweise Vermummungen gegeben.

In einer am Freitag veröffentlichen Pressemitteilung der Polizei ist einerseits davon die Rede, dass Juliane Nagel als Leiterin mehrfach auf die Versammlung eingewirkt habe, Vermummungen abzulegen und die Versammlungsauflagen einzuhalten. Kurz darauf hätten die Beamtinnen und Beamten dann „eine bis dahin unbekannte weibliche Person“ in Gewahrsam genommen, bei der sich erst später herausgestellt habe, es handele sich um Juliane Nagel.

Aus Sicht der in Leipzig häufig auf Protesten tätigen Linken-Politikerin sei die Veranstaltung am Donnerstag mit etwa 170 Personen lange Zeit friedlich verlaufen – trotz des unverhältnismäßig großen Polizeiaufgebots. „Die Jugenddemo zum Kindertag wurde bereits vor zwei Monaten angemeldet und hatte auch keinen Kontext zum geplanten ’Tag X’ in Leipzig. Trotzdem gab es offenbar einen sehr eskalativen Ansatz bei der Polizei“, so Nagel weiter.

Kritik am Polizeivorgehen von SPD, Grünen und Linken

Der SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas bezeichnete die Videobilder vom Vorfall als „sehr irritierend“. Er kündigte eine „Nachbetrachtung im Innenausschuss“ an. Der Grünen-Innenexperte Valentin Lippmann erklärte, ein solches Vorgehen gegen eine Versammlungsleiterin, die zugleich Landtagsabgeordnete ist, sei „indiskutabel“.

Die Linken-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz sprach von einer womöglich auch gewollten Eskalation der Polizei und Polizeiführung bei der Demo am Donnerstag und einer vorherigen am Mittwoch. Rico Gebhardt, Fraktionschef der Linken im Sächsischen Landtag schrieb: „Ich hoffe, dass die Polizei Sachsen ihren Kolleginnen und Kollegen mal erklärt wie man mit einer Landtagsabgeordneten des Sächsischen Landtags umgeht. So nicht.“