Ausschreitungen befürchtet – Sachsen Innenminister warnt vor „Tag X“ in Leipzig – linke Gruppe ruft zu Gewaltlosigkeit auf

Am 3. Juni soll in Leipzig eine Demo für die wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagte Lina E. stattfinden. Sachsens Innenminister spricht von einem Szenario, dass eine enorme Zahl von Polizeikräften verlange, „um die Lage beherrschen zu können.“ Es wird nicht die einzige Demo im Kontext bleiben. Das Leipziger LinXXnet ruft zur Gewaltlosigkeit auf.

Das erste Juni-Wochenende ist eines mit vielen Veranstaltungen in Leipzig – diverse Sport- und Kultur-Events werden erneut Tausende in die Messestadt locken. In gewisser Hinsicht tritt das alles aber nun in den Schatten eines außergewöhnlichen „Szenarios“, wie es Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) nennt. Aus dem ganzen Bundesgebiet und über die Grenzen hinaus wird für einen selbst ernannten „Tag X“ in Leipzig mobilisiert – als Reaktion auf die wahrscheinliche Verurteilung der Aktivistin Lina E. am 31. Mai in Dresden.

Seit dieser Termin bekannt ist, werden im Netz Aufrufe verbreitet, sich einer Demo am 3. Juni im Leipziger Stadtteil Connewitz anzuschließen. Zusammen soll es von dort bis zum Hauptbahnhof gehen. „Bereitet euch gut vor und kommt alle nach Leipzig, gemeinsam werden wir unsere Solidarität gegen ihre Repression auf den Straßen sichtbar machen“, heißt es unter anderem. Die Veranstalter haben eine Webseite mit Informationen in deutscher und englischer Sprache geschaltet, im Netz gibt es bereits Solidaritätsbekundungen, Fotos von gewillten Teilnehmenden auch aus dem Ausland. Von Gewalt ist in dem Aufruf zur Demo nicht die Rede – dafür gab es in den Wochen zuvor aber auch martialische Ankündigungen auf anderen Portalen.

Sachsens Innenministerminister Schuster wollte am Freitag an der tschechischen Grenze eigentlich mit Deutschlands Ressortchefin Nancy Feaser (SPD) über sein Dauerthema Migrationspolitik reden. Aber auch bei diesem Treffen ging der Blick schon voraus in die Messestadt: „Die Gesellschaft in Leipzig sollte wissen: Das, was wir an Versammlungen in Leipzig sonst gewohnt sind, hat nichts mit dem zu tun, was nun angekündigt und mobilisiert wird“, betonte Schuster. Gewaltbereite und extremistische Aktivisten würden sich auf dem Weg nach Leipzig machen, mutmaßte er. Das übersteige auch alles, was die Stadt sonst gewohnt sei. „Ich glaube sogar, dass sich die üblichen Gruppierungen, die in Leipzig normalerweise demonstrieren, vielleicht sogar fernhalten werden. Ich würde es sogar empfehlen.“

Connewitzer LinXXnet ruft zur Gewaltlosigkeit auf

Davon will beispielsweise die einflussreiche Connewitzer Initiative LinXXnet nichts wissen – auch sie ruft zur Beteiligung an den Protesten am 3. Juni auf, sieht beim Prozess gegen die Leipzigerin Lina E. auch die gesamte linke Szene der Stadt kriminalisiert. Gleichzeitig mahnt die Gruppe aber auch zur Gewaltlosigkeit: „Militantes Auftreten und Gewalt sind nicht unsere politischen Mittel“, heißt es in einem offenen Brief. Das LinXXnet wünscht sich von den Organisatoren der Demo, „dass sie Leipzig und Connewitz nicht ’zerkloppen’ und wir ebenfalls an der Versammlung teilnehmen können.“

Auf die sächsische Polizei sieht Innenminister Schuster am 3. Juni allemal eine sehr schwierige Situation zukommen. „Wir werden sehr viel Kräfte aus Deutschland brauchen, um die Lage zu beherrschen“, sagte er am Freitag in Richtung Nancy Faeser. Um dann schnell hinterher zu schieben: „Und wir bekommen sie auch.“ Zumal es parallel zu den Protesten auch noch ein brisantes Fußball-Landespokalfinale in Leipzig abzusichern gilt. Sachsens Innenminister hatte zuvor an den Sächsischen Fußballverband (SFV) und dessen Chef Hermann Winkler appelliert, die Partie in Probstheida doch besser zu verlegen. Bislang wurde er aber nicht gehört.

Proteste auch am Mittwoch – Stadt spricht von komplexer Lage

Allein bei der Demo zum „Tag X“ in Connewitz rechnen die Behörden mit einer mittleren vierstelligen Zahl von Teilnehmenden. Möglich ist, dass noch weitere Demos an diesem Tag folgen. Bislang hat die Versammlungsbehörde der Stadt Leipzig von sechs angezeigten Veranstaltungen Kenntnis – allesamt nicht im Kontext mit Lina E, hieß es. Offiziell bekannt ist dagegen bereits ein Protestmarsch noch am Tag der Urteilsverkündung am 31. Mai in Leipzig, ausgehend vom Osten in die City. Dazu kommen laut Aufrufen auch eine Demo auf dem Augustusplatz sowie eine weitere am 1. Juni auf dem Johannisplatz.

Fragt man aktuell in der Behörde zum Stand der Dinge nach, sind die tiefen Stirnfalten quasi durchs Telefon zu spüren: Von einer äußerst komplexen und dynamischen Lage mit ungewissem Ausgang ist die Rede. Von noch zu führenden Kooperationsgesprächen ebenso, aber auch von möglichen anderen Maßnahmen. Dazu könnte die Einrichtung von Sperrzonen, auch von massiven Anreisekontrollen und anderen Beschränkungen in der Stadt gehören. Am kommenden Dienstag wollen die Sicherheitsbehörden dazu zur finalen Beratung zusammentreten, heißt es.

Dann wird sich wohl auch die Gesamtlage im Bund noch weiter konkretisiert haben. Denn Leipzig mag zwar der Hotspot der Proteste am 3. Juni werden, ist aber längst nicht der einzige Ort, an dem sich Menschen mit Lina E. solidarisieren wollen. Sachsens Innenminister Schuster und Amtskollegin Faeser haben sich dazu am Freitag auch mit dem Bundeskriminalamt ausgetauscht. „Man muss schon überall aufpassen“, so Schuster.