Fe-mi-nis-mus …mehr als Akronyme bilden!

Uns quält ein Unbehagen. Ein Unbehagen über den Umgang untereinander in der feministischen Szene. Wir beobachten, dass statt Kritik häufig Ausschluss geübt wird und infolgedessen kaum noch Möglichkeit zur Auseinandersetzung miteinander besteht. Stattdessen wird die eigene Meinung als allgemein gültige und vor allem richtige verkauft, die doch bitte alle zu teilen haben. Oftmals wird dabei zur Diskreditierung und klarer Standortdefinition anderen Feministinnen vorgeworfen eine „TERF“ zu sein. Wir wollen uns in diesem Beitrag daher insbesondere mit diesem Begriff und dem damit verbundenen Vorwurf auseinandersetzen. Wir werden darlegen, was wir an ihm als schwierig erachten und die Frage aufwerfen, ob wir diesen Begriff überhaupt (noch) für treffend halten.

Der Vorwurf eine „TERF“ zu sein trifft aktuell viele Feministinnen. Er trifft uns als Frauen, cis wie trans, die sowohl solidarisch mit Trans[1]-Personen sind, als auch dafür einstehen, Frau als politisches Subjekt nicht unter den Tisch fallen zu lassen.

Genannter Vorwurf kann aber auch ganze Vereine und Einrichtungen treffen. Diskussionen zu Begründungen für diese Behauptungen werden, mit Verweis auf ein vermutetes Absprechen des Existenzrechts von Trans-Personen, unterbunden. Mutmaßungen über vermeintliche transfeindliche Inhalte führen zu vorschnellen Schlüssen, die dann in den wohlwollend abnickenden Resonanzraum, zum Beispiel auf Social Media, geschrieben werden. Warum aber sagt niemand was dagegen? Ist es innerhalb der radikalen Linken in Leipzig tatsächlich mehrheitsfähig und indiskutabel geworden beispielsweise das Conne Island als „ein ideologisch festgefahrenes Zentrum des Rechtspopulismus“ zu bezeichnen, welches „aktiv an der Verschlechterung der Lage marginaler Gruppen“[2] arbeiten würde? Oder sagt niemand was dagegen, weil man so selbst zur „TERF“ und dann der (Telegram-) Gruppe verwiesen wird?

Unser Eindruck ist, dass sich viele bereits aus feministischen Debatten zurückgezogen haben, weil dogmatische Stimmen in letzter Zeit immer lauter geworden sind. Neben vielfachen TERF-Anschuldigungen machen grade vor allem „Feministinnen“ Welle, die die größte Gefahr für Frauen in der Anwesenheit von Trans-Personen und dem Kampf um ihre rechtliche Emanzipation sehen; deren „Feminismus“ nicht unabhängig von einer binären Geschlechterordnung zu denken ist.

Also sitzen wir zwischen den Stühlen. Und es ist verdammt unbequem! So wenig Lust wir auf das teils autoritäre Gebaren von Akteur_innen haben, die sich als queerfeministisch verstehen, genauso wenig wollen wir den transfeindlichen Aussagen vermeintlicher Radikalfeministinnen Platz in feministischen Debatten einräumen.

Unser Anliegen ist, deutlich zu machen, dass es mehr gibt als das scheinbare Schwarz-Weiß von „Queerfem“ und „TERF“. In diesem Beitrag schauen wir uns genauer an, wen eigentlich der Vorwurf TERF trifft und erklären, was uns daran so wütend macht.

Wer ist TERF?

Mit dem Akronym „TERF“ (Trans-Exclusionary Radical Feminist, dt. Trans-ausschließende radikale Feministin) wurden ursprünglich Radikalfeministinnen bezeichnet. Also Feministinnen, die Geschlecht als eine biologische Tatsache betrachten und überzeugt sind, dass Frauen aufgrund ihres biologischen Geschlechts die unterdrückte Klasse im Patriarchat bilden. Dabei ist zu bemerken, dass der Rolle von biologischem Geschlecht auch innerhalb radikalfeministischer Diskurse unterschiedliche Bedeutung beigemessen wurde. „TERF“ war zunächst die Beschreibung derjenigen Position, die Trans-Personen dabei unter Bezug auf biologisches Geschlecht nicht anerkennen konnte und wollte.

Hass und Hetze gegen queere Menschen, insbesondere Trans-Menschen, nehmen weltweit in besorgniserregendem Maße zu. Linke und feministische Organisierung muss das anerkennen und klar solidarisch Haltung zeigen. Das ist leider nicht immer der Fall! Im Zuge der soeben genannten allgemeinen und globalen Zunahme an Hass und Hetze sind auch in linksradikalen Kontexten unsolidarische oder eindeutig transfeindliche Stimmen lauter geworden. Nicht alle davon lassen sich einwandfrei dem Radikalfeminismus als feministische Strömung zuordnen, stimmen jedoch darin überein, dass sie unter Bezug auf biologisches Geschlecht Trans-Personen von feministischen Kämpfen ausschließen. Teilweise ist dabei eine regelrechte Fixierung gegeben, in welcher der „feministische“ Kampf sich darin erschöpft, insbesondere gegen Trans-Frauen zu hetzen und zum Beispiel das längst überfällige Selbstbestimmungs-Gesetzesvorhaben als Gefahr für Frauenschutzräume zu rahmen.

Doch scheint es uns, als spiele es bei der Verwendung des Begriffes keine Rolle mehr, ob jemand „trans ausschließend“ in Erscheinung tritt und (Radikal-)Feministin ist, obwohl doch beides zusammen den Inhalt des Akronyms darstellt. Er ist zunehmend unscharf geworden, denn es werden unterschiedlichste Positionen in einen Topf geworfen: Beispielhaft anführen kann man hier die auf dem vermeintlich natürlichen Geschlecht verharrende Position der Biologin Marie-Luise Vollbrecht als auch offen transfeindliche Aussagen der AfD-Politikerin Beatrix von Storch sowie Überlegungen zum politischen Subjekt Frau der Feministin Koschka Linkerhand. Alle drei werden – zu unserem Erschrecken – unter Rückgriff auf den Begriff „TERF“ gleichgesetzt. Damit ist er schon seit einer Weile zum Problem geworden, da er in seiner Breite keine bestimmte Position einfängt und sogar Positionen gleichsetzt, die sich widersprechen und weit voneinander entfernt liegen. Es braucht allerdings einen scharfen Begriff und ein argumentatives Fundament, um Kritik üben zu können. Was rechts oder transfeindlich ist muss benannt und für andere nachvollziehbar kritisiert werden. Wenn sich jedoch Feministinnen für Belange einsetzen, die in unserer Gesellschaft mehrheitlich dem weiblichen Subjekt zugeordnet werden, heißt das noch lange nicht, dass Trans-Personen daraus ausgeschlossen sind.

Die Schlussfolgerung, jemand sei eine „TERF“ ist für uns zu oft nicht nachvollziehbar. Einerseits liegt das an der beschriebenen begrifflichen Unschärfe, andererseits an fehlenden oder schlecht nachvollziehbaren Erklärungen. „TERF“-Vorwürfe entspringen unserer Erfahrung nach, insbesondere in linken Kontexten, oft persönlichen Gefühlen oder Bedürfnissen nach konfliktfreien Räumen. Darin werden subjektive Aussagen durch den Sprechort in ihrer Relevanz gewertet und politische Schlüsse daraus gezogen, die dann nicht mehr besprech- oder verhandelbar sind. Durch den Bezug auf Sprechort und Identität sind TERF-Vorwürfe auch sehr häufig mit dem Vorwurf verbunden, diejenigen hätten diskriminierend und gewaltvoll gehandelt. Innerhalb dieses Verständnisses heißt das neben der Verwendung eines ausgedehnten Gewaltbegriffs, dass es klar benennbare Betroffene und Täterinnen gibt. Das macht unterschiedliche Positionen innerhalb eines politischen Konfliktes zusätzlich unverhandelbar, da mit der Begründung der Betroffenheit Zweifel und Gegenrede, gegen die vermeintlich „richtigen“ (queer-) feministischen Positionen, moralisch unterbunden werden. Während Erfahrungen und Gefühle zweifellos einen Platz in politischen Debatten brauchen, müssen doch die politischen Implikationen, die daraus gezogen werden, diskutierbar bleiben. Inzwischen hält es kaum jemand mehr für nötig, die gezogene Schlussfolgerung, jemand sei eine „TERF“, zu erklären oder diesen Schluss für andere nachvollziehbar zu machen. Und das verlangt auch niemand mehr. Jeder Widerspruch, jede Bitte um Erklärung könnte als Zweifel ausgelegt werden. Und jeder Zweifel weckt Verdacht auf der falschen Seite, auf der Seite der „Täterinnen“ zu stehen. In diesem Sinne fungiert der Begriff „TERF“ vor allem als Abgrenzung gegen jede unliebsame Position. Feministische Politik ist damit nicht mehr zu machen. Im Ergebnis sind die (queer)feministischen autoritären Ansagen kurzfristig zwar in der Lage ihr Interesse durchzusetzen, die Befolgung aber bleibt abhängig vom schlechten Gewissen anderer, das von der Angst getrieben ist, als antifeministisch zu gelten, zur „falschen“ Seite zu gehören.

Bei uns hat sich der Eindruck verstetigt, dass es inzwischen ein klares Freund-Feind-Schema gibt, in welchem Ambivalenzen zu verschwinden drohen. Alles, was nicht der eigenen Meinung entspricht wird ausgeschlossen. Dabei reicht schon ein falscher „Like“ auf Social Media oder der Vorwurf der Kontaktschuld, um selbst „Täterin“ zu sein. Diese fehlende Ambiguitätstoleranz, also die mangelnde Fähigkeit, nicht unmittelbar auflösbare Widersprüche sowie Kritik am eigenen Standpunkt bis zu einem gewissen Grad auszuhalten, trägt zu dem beschriebenen Klima bei.

Eine von anderen bereits geäußerte Beobachtung und Kritik, die wir teilen, ist der Umstand, dass nahezu ausschließlich (Cis-)Frauen als „TERFs“ angegriffen werden. Das erweckt in Auseinandersetzungen rund um Transfeindlichkeit den Eindruck, als wäre ebendiese ein vorwiegend weibliches Problem. Das bestätigt sich allerdings weder beim Blick in die Mehrheitsgesellschaft noch beim Blick in die radikale Linke; stellt sich jedoch als sehr bequemer Umstand für Cis-Männer dar. Denn die können Transfeindlichkeit so als ein Problem begreifen, was nicht bei ihnen selbst, sondern vorwiegend bei (insbesondere linken und feministischen) Frauen zu finden ist und gleichzeitig so ihrem inneren Bedürfnis Befriedigung verschaffen, Frauen abzuwerten. Hier zeigt sich ein Problem, welches feministische Politik insgesamt plagt: Cis-Männer und Männlichkeit geraten aus dem Fokus, während es in queerfeministischen Kontexten zunehmend Bemühungen gibt, (weiße) Cis-Frauen aufgrund ihres Sprechorts allein als Gewalt ausübende Gruppe zu markieren und sich dadurch hauptsächlich an anderen Feministinnen abzuarbeiten anstatt männliche und rechte Gewalt in den Fokus der Kritik zu rücken.

Außerdem hinterlässt das essentialistische Moment, was dem Akronym „TERF“ innewohnt, selbst bei präziser und nachvollziehbarer Verwendung des Akronyms einen bitteren Geschmack. Denn so wird nicht eine Position oder Haltung problematisiert und Gegenstand von Kritik, sondern eine Person oder Personengruppe. Dass das einer solidarischen und kritischen Debattenkultur alles andere als zuträglich ist, liegt auf der Hand.

Die Ineinssetzung von „TERFs“ und Faschismus

Darüber hinaus stellen wir fest, dass es immer wieder zu Rhetoriken kommt, in welchen sogenannte „TERFs“, also vermeintlich oder tatsächlich transfeindlich eingestellte Personen, in eine unmittelbare Nähe oder einen Zusammenhang von Faschismus oder faschistischen Einstellungen gebracht werden. Wir halten das in den allermeisten Fällen für falsch und gefährlich:

Zum einen wird so der Radikalfeminismus als feministische Strömung wie selbstverständlich in die Nähe des Faschismus gerückt. Es scheint uns bei aller berechtigten Kritik an radikalfeministischen Positionen und ihren mitunter transfeindlichen Implikationen alles andere als naheliegend zu sein, ihn als Handlanger einer faschistischen Bedrohung zu deuten. Im Zuge der besorgniserregenden Zunahme von trans- und queerfeindlicher Hetze, sind auch „feministische“ Akteur_innen bereitwillig Teil eines Backlash gegen Trans-Rechte geworden. Über ihre reaktionären Bemühungen, die rechtliche Emanzipation von Trans-Personen zu verhindern, verlieren einige jegliche Berührungsangst mit christlich-fundamentalistischen und offen rechten Gruppierungen. Solchen Entwicklugnen muss sich aktiv entgegengestellt und einer kritischen Analyse unterzogen werden. Der Faschismusbegriff jedoch wird inflationär genutzt, ohne der Komplexität des Themas Rechnung zu tragen. Faschistische Bewegungen und Herrschaft sind komplexe Phänomene und können nicht auf das Beharren einer biologischen Zweigeschlechtlichkeit reduziert werden, wie es beispielsweise von Gegner_innen des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes ins Feld geführt wird.

Es ist darüber hinaus sehr gefährlich, wenn das Akronym „TERF“ als Bezeichnung für Personen mit weit auseinanderliegenden und sogar unvereinbaren Positionen herangezogen wird. Das passiert inzwischen leider ständig. Wir haben bereits beschrieben, dass sowohl die AfD-Politikerin Beatrix von Storch als auch Koschka Linkerhand als „TERFs“ bezeichnet worden sind. Hier liegt nicht nur das bereits erläuterte begriffliche Problem vor. In dem Moment, wo man als Feministin so nah an eine mittlerweile regelmäßig offen rechts agierende Partei gerückt wird, liegen darin schwere Implikationen für sich als antifaschistisch begreifende Kontexte. Dann ist sehr schnell nicht mehr „nur“ von Diskursausschluss, Hausverbot oder dem Rausschmiss von einer Party die Rede, sondern dann werden diejenigen zum legitimen Ziel antifaschistischer Gewaltpraxis. Denn mit Faschos redet man nicht, Faschos kriegen auf die Fresse! Dementsprechend ist es keine Überraschung, dass der Spruch „TERFs boxen!“ inzwischen auf Häuserwänden, auf Stickern und auf Demoplakaten (z.B. am 8. März in Leipzig) zu lesen ist. Die Kritik an transfeindlichen Inhalten weicht der Darstellung, man habe sich entweder einer queerfeministischen Avantgarde anzuschließen oder müsse als rechts bekämpft werden.

Wir wollen alle möglichst moralisch handeln, insbesondere innerhalb der linken Szene. Nochmal größer ist der Druck unter Feministinnen – wie sehr haben wir das Gebot verinnerlicht, möglichst niemanden zu verletzen, die eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen und unseren Ärger bloß nicht zu vehement oder raumgreifend zu äußern. Die Gefahr und damit verbundene Sorge möglicherweise etwas Falsches zu sagen, lässt viele verstummen oder verleitet sie dazu, sich zu den „brenzligen Themen“ lieber nicht mehr zu äußern. Verständlicherweise. In Gesprächen mit Freundinnen hat sich uns immer mehr gezeigt wie rau und beängstigend das Klima in der feministischen Szene geworden ist.

Wir wollen jedoch kein blindes Befolgen von Regeln und Verboten, sondern gemeinsames Handeln auf Grundlage von Einsicht und Empathie. Das bedeutet, dass wir an uns den Anspruch stellen müssen, Erfahrungen, Bedürfnisse und Erwartungen erklären zu können, und dass die politischen Schlüsse daraus diskutierbar bleiben und in ihrer Richtung nicht eindeutig sind. Weder wollen wir unsere Differenzen unter den Teppich kehren, noch wollen wir unsere Interessen durch Autorität und Dominanz durchsetzen.

Wir plädieren aus den dargelegten Gründen dafür, das Akronym „TERF“ fallenzulassen. Es ist völlig klar, dass es möglich bleiben muss und zugleich bitter nötig ist, Positionen, Haltungen und Aussagen – und in bestimmten Fällen sicherlich auch Personen – als transfeindlich zu erkennen und auch so zu benennen; dass es dafür den Begriff „TERF“ braucht, halten wir für zweifelhaft.

Wir wollen dazu aufrufen, anstatt sich gegenseitig dauerhaft zu beharken, Cis-Männer wieder mehr in den Fokus zu rücken; denn als wir zuletzt nachgeguckt haben, waren es immer noch Cis-Männer, die Frauen und Queers erniedrigen, vergewaltigen und ermorden. Und das kommt unserer Wahrnehmung nach in linksradikalen Auseinandersetzungen in letzter Zeit entschieden zu kurz. Darüber hinaus brauchen wir für einen aussichtsreichen Kampf gegen regressive, menschenfeindliche Entwicklungen ein scharfes und gemeinsames Verständnis von relevanten Kategorien und Begriffen; unter anderem und im Besonderen von Transfeindlichkeit und Faschismus.


[1] Wir verwenden „Trans“ als Sammelbegriff. Insofern sind nicht-binäre Personen ebenso gemeint wie Trans-Männer und Trans-Frauen.

[2]https://linksjugendleipzigost.wordpress.com/2022/12/16/redebeitrage-gegen-vortrag-conneisland/