Amtsgericht Torgau – Hooligan nach Ausschreitungen im Pokal auf der Anklagebank

Fußballfans außer Rand und Band: Auch für erfahrene Polizisten waren die Ausschreitungen nach dem Pokalhalbfinale erschreckend. Ein junger Hooligan muss sich jetzt vor dem Amtsgericht Torgau verantworten.

Torgau. Ein Mann rüttelt mit entblößtem Oberkörper an dem Bauzaun, möchte rüberspringen, brüllt irgendetwas, das Gesicht ist wutverzerrt, direkt vor ihm hinter dem Gitter eine Polizeikette, dazu Wasserwerfer und fliegende Geschosse: Eine Szene wie aus dem Bürgerkrieg. Ist aber nur das unrühmliche Ende eines Fußballspiels, das den 26-jährigen Ralf S. (alle Namen geändert) aus Mockrehna auf die Anklagebank führte.

Dort sitzt er nun, rein äußerlich ein unauffälliger junger Mann, der etwas betreten vor sich hin schaut und mit dem entfesselten Hooligan auf dem Video rein optisch wenig gemein hat. Das mag daran liegen, dass die zur Last gelegte Tat immerhin sechs Jahre zurück liegt – eine außergewöhnlich lange Zeit für einen Strafprozess.

„Sowas ist nicht an der Tagesordnung“

Die Videosequenzen, die im Gerichtssaal gezeigt wurden, geben jedenfalls einen kleinen Einblick in die Schattenseiten der Fußball-Welt da draußen, wenn sich nach dem sportlichen Wettkampf ein gewalttätiges Kräftemessen zwischen Krawall-Fans mit der Polizei anschließt. Hier ging es um das unrühmliche Halbfinale im Sachsenpokal zwischen FC Lok Leipzig und dem FV Bischofswerda im 26. März 2017.

„Ich hab ja schon einiges erlebt“, sagt einer der beteiligten Polizisten, Volker Z. „Aber solche Ausschreitungen sind nicht an der Tagesordnung.“ Die Videos legen davon ein beredtes Zeugnis ab. Grölende Lok-Fans wollen nach dem Spiel das Spielfeld stürmen, versuchen, den Bauzaun zu überwinden und zerlegen einen Ausschankwagen, der sich vor dem Gästeblock befand.

„Zum Glück rechtzeitig evakuiert“

„Zum Glück waren die Mitarbeiter nicht mehr da drin“, schildert der Getränkeunternehmer Harald F. „Als klar war, was hier gleich abgeht, sind sie unter Polizeischutz aus dem Fan-Block geleitet worden.“ Mit roher Gewalt öffnete eine Horde Fans die geschlossenen Klappen des Wagens. Was die enthemmten Jungmänner in die Hände bekamen, rissen sie heraus: Die Kasse, Bierfässer, Plasteflaschen mit Grillsoßen, Toastbrot. All das schmissen sie johlend den Polizisten entgegen, die mit Wasserwerfern antworteten.

Mittendrin in dieser sinnlosen Gewaltorgie Ralf S., erkennbar unter anderem an einem auffälligen schwarzen Hut. Auf einer späteren Videosequenz ist er dann noch mit einer gelb-blauen Sturmhaube sowie einem Fan-T-Shirt zu sehen. Die Video-Spezialisten im Beweissicherungsdienst der Polizei haben mit Zeitlupen-Sequenzen und roten Markierungen alles getan, um Ralf S. der Anonymität der Masse zu entreißen.

Der Polizist Volker Z. stand Ralf S. am Bauzaun offenbar direkt gegenüber. „Wir sollten verhindern, dass der Mob aufs Spielfeld rennt“, erläuterte der Beamte. Aber er musste sich nicht nur vor fliegenden Bierfässern, Senftuben und Weißbrotscheiben in Acht nehmen. Auch Beleidigungen war er fortlaufend ausgesetzt. „Du Fotze“ soll Ralf S. dem Beamten unter anderem entgegengeschleudert haben. „Dabei guckte er mir direkt in die Augen.“

Der Sachschaden war enorm. Harald F. sagte, dass ein Ausschankwagen rund 50 000 Euro koste. Bei diesem Spiel seien gleich zwei Wagen demoliert worden. Auch der Bauzaun wurde beschädigt.

Die Staatsanwaltschaft wirft Ralf S. unter anderem Sachbeschädigung, Beleidigung und einen Verstoß gegen das Vermummungsverbot vor. Das Urteil wurde aber noch nicht gesprochen. Denn der junge Mann aus Mockrehna ist zugleich angeklagt, mit anderen Fußballfans am Tag der Sachsen 2018 eine Prügelei in der S-Bahn von Torgau nach Eilenburg angefangen zu haben. Beide Verfahren wurden verbunden. Der Prozess wird fortgesetzt.


27.09.2018 Von Edgar Lopez LVZ

Rechtsextremer Hintergrund? – Eilenburg: Staatsschutz ermittelt nach S-Bahn-Schlägerei
Am 8. September kam es in Eilenburg in einer S-Bahn zu einer Schlägerei. Nun äußert sich die Staatsanwaltschaft Leipzig im Gespräch mit der LVZ zum aktuellen Ermittlungsstand und liefert ein mögliches Motiv für die Gewalttat.

Eine Schlägerei in einer S-Bahn am Rande des Tags der Sachsen sorgte in Eilenburg für mehrere Verletzte und eine längere Unterbrechung des Bahnverkehrs zwischen Torgau und Leipzig. Die Geschehnisse haben mittlerweile einige Kreise gezogen und den Staatsschutz auf den Plan gerufen, wie ein Sprecher der Bundespolizei in Leipzig auf Nachfrage erklärt.

Konkret richten sich „die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei im Zusammenhang mit den Ereignissen vom 8. September sowohl gegen bekannte als auch bisher unbekannte Personen“, erklärt Staatsanwalt Ricardo Schulz, Sprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig. Ermittelt werde derzeit unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Ermittlungen zu möglichen Hintergründen und Motiven der Taten dauern zwar noch an, allerdings erklärt Schulz auch:

„Soweit der Verdacht Bestand hat, dass im Zug durch einzelne Personen der sogenannte Hitler-Gruß gezeigt worden sein soll, kann von einer politisch rechtsgerichteten Motivation ausgegangen werden.“ Dies würde auch erklären, warum der Staatsschutz die Ermittlungen an sich genommen hat. Weitere Details wollen die Behörden bisher nicht bekannt geben.

Rechte „Fake-News“

Unterdessen verbreitet ein Nutzer mit dem Namen „Paul Paulinsky“ und dem Profilbild des Eilenburger NPD-Stadtrates Paul Rzehaczek die Behauptung, dass es sich bei der Schlägerei um einen linken Überfall gehandelt habe. Unter den Kommentierern ist auch Alexander S. Aus Eilenburg, der mutmaßlich am rechtsextremen Überfall auf den Leipziger Stadtteil Connewitz beteiligt war und sich demnächst dafür vor Gericht verantworten muss. Mehrere mutmaßliche Augenzeugen in den sozialen Medien Facebook und Twitter berichten ebenfalls, dass es sich bei dem Angriff, um einen rechtsextremen Angriff handelte. Mehrere mutmaßliche Augenzeugen berichten dagegen in den sozialen Medien Facebook und Twitter, dass es sich um eine rechtsextreme Tat gehandelt habe.

Die Bahn schweigt

Rückblick: 8. September. Tag der Sachsen in Torgau. Auf dem Rückreise-Verkehr nach Leipzig kommt es in einer vollen S-Bahn zu einer Schlägerei. Dabei werden mehrere Personen verletzt, wie Augenzeugen berichten. Am Anfang ist davon die Rede, dass „zehn junge Männer zunächst verbal, dann körperlich aufeinander losgegangen“ seien. Ebenso hätten sie Sitze demoliert und Unbeteiligte verletzt, wie es in einer MDR -Mitteilung heißt, der zuerst von den Geschehnissen berichtet. „Wegen des Zwischenfalls in Eilenburg-Ost und des damit zusammenhängenden Polizeieinsatzes am 8. September wurden die Züge zwischen 21.35 Uhr und 22.27 Uhr in Fahrtrichtung von Torgau nach Eilenburg in Torgau beziehungsweise Mockrehna zurückgehalten“, bestätigt ein Sprecher der Bahn. Weitere Fragen möchte das Unternehmen aufgrund laufender Ermittlungen nicht beantworten.

Augenzeugen berichten

Der Grüne-Landtagsabgeordnete Wolfram Günther saß in der betroffenen S-Bahn und schildert der LVZ seine Sicht der Dinge: „Schon auf dem Bahnsteig ist mir eine Gruppe von fünf bis zehn jungen Männern aufgefallen.“ Sie hätten bullig auf ihn gewirkt, trugen kurze Haare, schwarze Kapuzenpullover und erinnerten ihn an Hooligans aus dem Fußballspektrum. Bereits in der Bahn hätten sie sich fortlaufend anderen Leuten gegenüber geäußert, sie abwertend als „Zecken“ und „schwule Sau“ bezeichnet.

Einen Halt vor Eilenburg-Ost hätten sie dann angefangen, sich in der vollgestopften Bahn ins mittlere Abteil des Zuges zu drängeln. Auf einmal gab eine es Rangelei. Es sei geschlagen und geschrien worden. Die Umstehenden redeten auf sie ein, dass sie aufhören sollen, weil Frauen und Kinder in direkter Nähe seien. „Ein großer Mann tauchte dann auf und es gelang ihm, die Leute zu trennen. Trotzdem wurde er dabei verletzt“, berichtet Günther. Er habe eine blutige Nase davongetragen. Wie sich später herausstellte, sei der Mann Polizist außerhalb des Dienstes gewesen. Seine Frau, auch Polizistin, war ebenso an der Schlichtung beteiligt.

Der Zug hält in Eilenburg-Ost, erzählt der Abgeordnete: „Die Gruppe ist raus und direkt an einer anderen Tür wieder rein und hat dort weiter auf die Opfer geschlagen.“ Als sie dann doch die Bahn verlassen, kann Günther noch beobachten, wie auf einem anderen Gleis eine Person mit langen Haaren zusammengetreten wurde. Bilanz: Der Seitengriff eines Stuhls sei abgebrochen worden. Ein unbeteiligter, älterer Mann habe einen blutigen Kratzer im Gesicht erlitten und seine Brille sei kaputtgegangen, weil er direkt an eine Scheibe gedrückt worden sei. „Ich weiß nicht, was vorher genau los war, aber in der Bahn sind die Angreifer immer wieder gezielt zu den Kontrahenten hingegangen“, so Günther.

Polizei dementiert verzögerten Einsatz

Ungefähr zur selben Zeit, wie die S-Bahn zum Stehen kommt, wird auch das Führungs- und Lagezentrum der Polizei Leipzig über den Notruf informiert, dass es in der S-Bahn eine Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen geben soll, so eine Sprecherin der Polizeidirektion Leipzig. Die Polizeidirektion gibt den Sachverhalt an die Bundespolizei weiter und nachdem bekannt wird, dass der Zug in Eilenburg-Ost hält und sich Personen mutmaßlich außerhalb des Zuges aufhalten würden, begeben sich Einsatzkräfte der Bundespolizei und der Polizeidirektion Leipzig dorthin.

Der Streifendienst des Polizeireviers Eilenburg, trifft gegen 21.40 Uhr im Bereich des Bahnhofsgeländes ein und veranlasst sofort die ersten Maßnahmen. Die angeforderten Kräfte der Bundespolizei kommen gegen 21.45 Uhr, so die Polizeisprecherin. Die Polizei widerspricht damit den aussagen Wolfram Günthers, dass sie erst eine gute Stunde später am Tatort eintraf: „Aufgrund der nach Eintreffen vor Ort außerhalb des Zuges sofort durchzuführenden Maßnahmen mag der Eindruck von Personen im Zug entstanden sein, dass keine Polizei komme beziehungsweise diese über eine Stunde gebraucht hätte, bis sie da war.“