Untreue Ehefrauen und Mitarbeiter auf Abwegen: Ein Privatdetektiv erzählt aus seinem Berufsalltag
Bekannte TV-Formate hätten hinten und vorne nichts mit seiner Arbeit zu tun, sagt Patrick Kurtz. Im Interview erzählt der Detektiv von seinem Berufsalltag, von einem seiner ersten Fälle in Eilenburg, von seltsamen Anfragen und negativen Erfahrungen mit Polizeibehörden.
Delitzsch/Eilenburg/Bad Düben. Patrick Kurtz ist Detektiv. Mit seinen Kollegen observiert er Menschen in Leipzig, Mitteldeutschland und manchmal auch bundesweit. Unter den Klienten waren schon Politiker, ehemalige Fußballnationalspieler und bekannte TV-Persönlichkeiten. Wir sprachen mit dem 33-Jährigen über Klischees und den wirklichen Berufsalltag von Privatermittlern. Über einen seiner ersten Fälle in Eilenburg und den Kontakt zum Attentäter von Hanau.
Herr Kurtz, wollten Sie schon immer Detektiv werden?
Nein, das hat sich sehr spontan ergeben. Mir war überhaupt nicht bewusst, dass das ein Beruf ist, den man in Deutschland ausüben kann. Und man auch seinen Lebensunterhalt damit bestreiten kann. Während ich zwei Studiengänge überbrücken musste, bin ich auf eine Stellenanzeige gestoßen für einen Praktikumsplatz, der extrem gut vergütet war. Im Bereich von 1300 bis 1700 Euro. Auf diese Weise bin ich auf den Beruf aufmerksam geworden.
Haben Sie sich schon mal eine Perücke aufgesetzt? Und wie sieht es mit Wechselkleidung aus?
Ja habe ich. Wechselkleidung sollte man bei einer Observation dabeihaben, denn es ist wichtig, sich an das Umfeld anzupassen. Auf einer Baustelle sollte man sich auch entsprechend kleiden. Es ist dann was ganz anderes, wenn man zu einem Abend-Dinner geht und da eine Observation durchführt. Je mehr Outfits, desto besser. Dann ist man abgesichert für spontane Änderungen der Observationssituation.
Es gibt verschiedene Scripted Reality Formate im Fernsehen, wie „Die Trovatos“ oder „Carsten Stahl“. Für wie realistisch halten Sie das, was dort gezeigt wird?
Viele Leute, die bei uns anrufen, erwarten von unserer Arbeit das, was sie da gesehen haben. Das ist unsinnig und grob irreführend. Das hat hinten und vorne nichts mit dem tatsächlichen Berufsalltag zu tun, den wir haben.
Was ist denn anders an ihrem Berufsalltag?
Was wir an rechtlichen Beschränkungen haben, darüber wird bei den Trovatos hinweg gegangen. Bei Carsten Stahl umso mehr. Mit Richtmikrofonen abzuhören, ist verboten in Deutschland. Bei Observationssituationen sind die Autos der Verfolger immer extrem nahe an ihren Zielpersonen und damit wahnsinnig auffällig. Die Sendungen sind sowohl von der Rechtslage unsinnig, als in der technischen Darstellung.
Was kostet Detektivarbeit?
74 Euro die Stunde. Bei vier Stunden Mindesteinsatzzeit. Und es gibt eine Auftragsgrundgebühr. Die günstigsten Fälle fangen so bei 500 Euro an, wenn wir von Observation sprechen. Bei bloßer Recherche liegen wir bei etwa 180 Euro.
Gibt es bestimmte Fähigkeiten, die man als Privatermittler haben sollte?
Je anpassungsfähiger man ist, desto besser. Das geht einher mit Grips und Kreativität. Die braucht man zum Beispiel, um einen Vorwand zu finden, der es einem ermöglicht unauffällig Informationen zu erfragen. Man braucht auf Observationen auch eine Menge Ausdauer. Sich beschäftigen zu können, ohne Konzentrationsfähigkeit einzubüßen, ist nicht leicht, wenn den ganzen Tag nichts passiert. Oder die äußeren Bedingungen nicht optimal sind, weil es zum Beispiel sehr kalt oder heiß ist. Das kann schon eine Strapaze sein und erfordert Widerstandsfähigkeit.
Ist man als Ermittler alleine in einer Observation?
Optimalerweise zu zweit. Wir nehmen aber auch Fälle an, bei denen nur ein Ermittler bezahlt wird, wenn es die Situation wirklich zulässt. Aber das sind dann auch nur Aufträge, mit denen wir uns wohlfühlen. Die Mehrzahl der Fälle findet schon mit zwei oder mehreren statt. Die sitzen dann aber in getrennten Fahrzeugen und stehen in ständiger Kommunikation miteinander.
Was sind in Ihrer Arbeit die meisten Fälle, die beauftragt werden?
Im privaten Bereich lautet der Klassiker: Untreueverdacht. Ansonsten haben wir auch mit Unterhalts- und Sorgerechtsermittlung zu tun, aber das kommt nicht so häufig vor. Adressermittlungen werden ganz oft beauftragt. Und im wirtschaftlichen Bereich die Mitarbeiterüberwachung. Wenn zum Beispiel Krankenzettel eingereicht werden, obwohl die Person gar nicht krank ist. Oder zusätzlich in einer anderen Firma arbeitet, womöglich sogar bei der Konkurrenz.
Können Sie sich an konkrete Aufträge in Nordsachsen erinnern?
Einmal wurde ich von einer Firma beauftragt, einen Mitarbeiter zu observieren, der möglicherweise noch für eine Konkurrenzfirma arbeitete. Das kann eine ziemlich heftige Vertragsstrafe nach sich ziehen. Ich habe also ein Autohaus in Eilenburg observiert und einige Tage gewartet, bis er auftaucht. Erst am letzten Tag habe ich ihn entdeckt. Das war einer meiner ersten Fälle und deswegen auch ein tolles Erfolgserlebnis. Besonders, weil er sich so lange Zeit gelassen hat, bis er zum Vorschein kam, wodurch sich meine Vergütung erhöht hat.
Haben Sie schon mal Fälle aufgegeben?
Ja, besonders wenn nicht zu erwarten ist, dass etwas bei rumkommt. Da fällt mir ein Auftrag in Leipzig ein. Ich sollte eine Frau beobachten, weil ihr Lebensgefährte dachte, sie habe eine Affäre. Insgesamt 26 Tage folgte ich ihr nach der Arbeit. Immer ist sie schnurstracks nach Hause gegangen. Es gab überhaupt keine Kontakte mit Männern. Es ließ sich einfach nicht mehr rechtfertigen, ihr weiter zu folgen, weil es keine hinreichenden Verdachtsmomente gab.
Man könnte sagen: Das was Sie machen ist Stalking.
Wenn es einem darum geht, Stunden zu kloppen, um maximale Summen abzurechnen, statt ein Ergebnis zu liefern, geht es in Richtung Schnüfflerei. Da würde ich zustimmen.
Gibt es Aufträge, die Sie gar nicht erst annehmen?
Ja, dafür gibt es auch konkrete rechtliche Grenzen. Wir dürfen nur Aufträge annehmen, bei denen ein „berechtigtes Interesse“ besteht. Weil wir immer in die Persönlichkeitsrechte eingreifen. Wir hatten auch schon merkwürdige Sachen, mit denen wir nichts zu tun haben wollten. Fälle, die Berührungspunkte mit Gewalttaten hatten.
Welche Berührungspunkte mit Gewalttaten meinen Sie?
Wenn wir Zielpersonen im Frauenhaus finden. Dann kann man dem Auftraggeber, vor dem sie geflüchtet ist, natürlich nicht einfach ihre Adresse weitergeben. Wir hatten auch Berührungspunkte mit dem Attentäter von Hanau. Der hat sich mit einem meiner Ermittler ein paar Monate vor seiner Tat getroffen und hat sein Manifest in Teilen präsentiert. Das hat trotzdem nicht dafür gesorgt, dass bei dem Kollegen die Alarmglocken klingelten. Das zeigt, wie viele solcher Spinner uns täglich kontaktieren. Wenn wir die alle anzeigen, würde uns die Polizei nicht mehr für voll nehmen.
Haben Sie nach dem Attentat die Polizei kontaktiert und Informationen geliefert?
Wir haben die Polizei kontaktiert und dann zwei Tage gewartet, aber nichts mehr von denen gehört. Obwohl das eine Angelegenheit von nationaler Brisanz war. Erst nachdem wir zur Presse gegangen sind, hat sich die Polizei gemeldet. Dass die Behörden Sachverhalte nicht ernst nehmen, die ihnen gemeldet werden, ist leider ein Phänomen, das man deutschlandweit sieht. Das ist natürlich in jeder Polizeidirektion anders, aber es gibt schon verdammt viele Behörden, an denen die Leute verzweifeln mit ihren Anliegen. Gerade Leipzig ist da ein bekanntes Beispiel. Da habe ich schon sehr merkwürdige Sachen erlebt. Dass Beweismittel plötzlich aus der Asservatenkammer verschwunden sind und solche Späße.
Wie ist der Job mit der Familienzeit vereinbar?
Meine Observationen waren nie wahnsinnig lang. Seitdem ich im administrativen Bereich tätig bin, arbeite ich sowieso von zu Hause. Es ist aber tatsächlich so, dass viele Kollegen in unserer Branche Einzelgänger sind, oft unverheiratet und ohne Kinder.
Abschließende Frage: Sind Sie schon mal aufgeflogen?
Ja. Ein einziges Mal. Da hat die Zielperson einen Tipp bekommen von einem der Bauern, der eines der umliegenden Felder bestellt hat, dass da jemand auf der Lauer liegt. Obwohl wir Kilometer vom Haus der Zielperson entfernt waren, wusste er ganz genau, dass wir die beiden waren, die ihn observiert haben. Der Stand dann irgendwann an meinem Autofenster, hat dagegen geklopft und gesagt: „Ihr könnt die Observation jetzt einstellen.“ Das Schöne ist, dass er hinterher so unvorsichtig geworden ist, dass wir ihn doch noch überführen konnten.