Nach Colditzer Drogen-Razzia: Ralf N. landet im Haftkrankenhaus

Die Spur des beschuldigten 66-Jährigen führt nach Naunhof. Dort hatte er als Fleischer gearbeitet und soll schon damals mit dem Gesetz in Konflikt geraten sein.

Frank Schröter spricht von einer „ordentlichen Hausnummer“. Was die 225 Kollegen von Zoll und Bundespolizei bei der Razzia sicherstellten, sei ein großer Erfolg: „Allein schon die unschädlich gemachten 5,5 Kilo Crystal – da reden wir von einer halben Million Euro“, sagt der Mann vom Zollfahndungsamt Dresden.

Auch die 2600 Pflanzen der ausgehobenen Cannabisplantage entsprächen einer Größenordnung, mit der man es sehr selten zu tun bekomme, sagt Schröter. Wie berichtet, stehen der Colditzer Ralf N. (66) sowie seine beiden Söhne Uwe (35) und Andreas (38) im Verdacht, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben.

Laut dem Chemnitzer Oberstaatsanwalt Wolfgang Klein habe zudem der Verdacht bestanden, einer der Tatverdächtigen verfüge illegal über eine scharfe Schusswaffe. Daher sei eine Spezialeinheit des Zolls (ZUZ), vergleichbar mit dem SEK oder der GSG 9, zum Einsatz gekommen, sagt Behördensprecher Schröter auf LVZ-Anfrage.

Hund in letzter Instanz erschossen

Nach LVZ-Informationen habe man den 66-jährigen Ralf N. zunächst in ein Haftkrankenhaus gebracht. Schröter bestätigt das: „Er klagte über Unwohlsein. Es war sicher die Aufregung.“ Seinen Aussagen zufolge, sei bei dem Zugriff ein Wachhund derart aggressiv gewesen, dass die Kollegen das Tier in letzter Instanz erschießen mussten.

Alle drei Beschuldigten säßen aktuell ganz bewusst in verschiedenen Justizvollzugsanstalten ein, informiert Ingrid Burghart, Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Chemnitz. Die Trennung sei üblich, damit sich die Familienmitglieder in der U-Haft nicht begegnen und womöglich Absprachen treffen können, hieß es.

Indes haben LVZ-Recherchen ergeben, dass Ralf N. aus Naunhof stammt. Als M. trat er dort mit dem Spitznamen Hattat in Erscheinung. Er war Fleischer und wohnte in der Leipziger Straße. Kritiker erinnern sich daran, dass er schon damals mit dem Gesetz kollidiert sei und auch einen SEK-Einsatz verursacht haben soll.

Dagegen beschreibt ihn ein Naunhofer, der ihm auch später noch nahe stand, als hilfsbereit und fleißig, als „einen stolzen Opa“, der an Geburtstagen nicht nur die Enkel bespaße, sondern auch deren Kindergartengruppen. „Er hat auch kein Alkohol mehr getrunken, wollte bewusst erleben, wie die Kindeskinder groß werden.“

„Führende Nazis in der Region“

Im krassen Kontrast dazu äußert sich Grimmas Linken-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz, in ihrer Fraktion Sprecherin für antifaschistische Politik: „Vater und Söhne gelten als führende Nazis in der Region.“ Sie hätten einen ganzen Ort terrorisiert. Wie gefährlich sie seien, bewiesen auch die sieben beschlagnahmten Waffen samt Munition.

Schon vor Jahren habe sie auf die Situation in Colditz aufmerksam gemacht, sagt Köditz, die eine lückenlose Aufklärung fordert. Es wäre nicht der erste Fall, dass Naziaktivitäten aus Drogengeschäften finanziert würden, so Köditz. Wegen der rechten Konzerte und Übergriffe galt Colditz lange als brauner Hotspot in Sachsen.

Angela Lau war dort 16 Jahre Pfarrerin. Sie initiierte Friedensgebete und Gesprächsformate. Unvergessen die damalige Einladung des Vereins „Courage“ an die Familie N. „Vater und älterer Sohn waren auch gekommen“, erinnert sich Lau. Mit dem damaligen Bürgermeister Manfred Heinz, der Polizei und einem Stadtrat erörterten wir das Thema Rechtsextremismus.“

Sie fürchte, dass die Kirche in der jetzigen Situation nicht vermitteln könne, sagt die Pfarrerin, inzwischen im Geithainer Land zu Hause. Man habe manches erreicht: „Doch in dem Fall hilft kein Gespräch mehr. Das ist Sache der Polizei. Und es ist gut, dass sie aktiv wird.“ Denn hier gehe es um mögliche Kriminalität, weniger um politische Überzeugungen.

Besonders gefährliche Droge

Andreas Rohr ist Arzt und Leiter des Psychosozialen Dienstes im Gesundheitsamt. Er behandelt auch Drogenkranke. Entsprechend aufmerksam verfolgt er die Berichterstattung zur Razzia: „Crystal macht sehr schnell abhängig, weil recht günstig, für einen großen Kreis erschwinglich und deshalb weit verbreitet.“

Schon beim ersten Konsum könne es zu Halluzinationen kommen, die sich nicht mehr steuern ließen. Über einen längeren Zeitraum führe Crystal oft zu Psychosen und Ängsten, so Rohr. Nervenzellen im Gehirn würden geschädigt, Hirnblutungen, Nieren- und Zahnschäden seien keine Seltenheit, das Schlaganfall-Risiko nehme zu.

Er sei im Vorfeld nicht über die Razzia informiert worden, sagt der Colditzer Bürgermeister Robert Zillmann (parteilos). Die Details habe er der LVZ entnommen. Offensichtlich war die Operation so geheim, dass weder die örtliche Polizei noch die sonst für Colditz zuständige Staatsanwaltschaft Leipzig involviert waren.

Ingrid Burghart, Sprecherin der Regie führenden Staatsanwaltschaft in Chemnitz: „Das liegt nur daran, weil sich einer der Durchsuchungsorte im Territorium unseres Zuständigkeitsbereiches befand.“ Um welchen Ort es sich dabei gehandelt haben soll, verriet sie nicht.

Die Ermittlungen gingen weiter, sagt Zollfahnder Schröter. Die konfiszierten Handys, Computer sowie Luxuskarossen der Marken Lamborghini und Mercedes Benz G-Klasse AMG müssten nun ausgewertet werden. Und er fügt hinzu: „Solange es kein rechtskräftiges Urteil gibt, gilt wie immer die Unschuldsvermutung.“