Diskussion um Drohne bei Chemie-Spiel: Fans wegen erneuter Überwachung genervt

Beim Spiel gegen den Chemnitzer FC flog zum vierten Mal in dieser Saison eine Drohne der Polizei bei einem Spiel der BSG Chemie Leipzig in der Luft. Die Fans haben es satt und bringen eine Prüfung der Rechtmäßigkeit ins Spiel.

Leipzig. Was flog denn da? Bei der Partie der BSG Chemie gegen den Chemnitzer FC kreiste von Spielbeginn bis Stunden nach dem Abpfiff ein unbemanntes Fluggerät der Polizei über dem Alfred-Kunze-Sportpark. „Unzählige Fans sind während des Spiels zu mir gekommen und haben mich gefragt, was es mit der Drohne auf sich hat“, erklärt Sebastian Kirschner, Mitarbeiter für die BSG beim Leipziger Fanprojekt gegenüber der LVZ. Tatsächlich war die Drohne am sehr grauen Himmel auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Die Fans, die auf der überdachten Holztribüne Platz genommen hatten, konnten sie gar nicht wahrnehmen. Erst mit der einbrechenden Dunkelheit blinkte das Fluggerät rot über dem AKS.

Für die Drohne Marke Sensocopter machte Leipzigs Polizeisprecher Olaf Hoppe auf Anfrage weder zur Einsatzzeit noch zu den angefallenen Betriebskosten konkrete Angaben. Aufgabe des technischen Geräts sei die „grundsätzliche Lenkung und Leitung“ des Polizeieinsatzes sowie die Unterstützung bei der Strafverfolgung gewesen. Festgestellt wurde auch tatsächlich eine Straftat. Die Sachbeschädigung fiel laut Hoppe allerdings in den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizeiinspektion. Ein Tatverdächtiger sei gestellt worden.

Alle Drohneneinsätze in Sachsen bei Chemie-Spielen

Es handelte sich um den vierten Drohneneinsatz seit September 2022 in Leutzsch. Das geht aus der Antwort von Sachsens Innenminister Armin Schuster auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz (Die Linke) hervor. Die Politikerin hatte Informationen zum Einsatz von Flugdrohnen durch die Polizei des Freistaats für 2022 erbeten. In der Auflistung fanden sich schließlich drei Fußballspiele, alle unter Beteiligung der BSG. Beim Pokalduell gegen den 1. FC Lok (25. September) flog die Drohne 291 Minuten, beim Regionalligaspiel gegen Carl Zeiss Jena (7. Oktober) 270 Minuten. Beide Partien fanden in Leutzsch statt. Beim Derby im Bruno-Plache-Stadion (16. Oktober) wurden 230 Einsatzminuten gezählt. Macht insgesamt 13 Stunden zusätzliche Überwachung von Fans im und um das Stadion.

„Drohneneinsätze stellen grundsätzlich Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar“, betont Björn-Henrik Lehmann, Pressesprecher der Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten Juliane Hundert auf die LVZ-Anfrage zum Drohneneinsatz bei Fußballspielen. Daher sind Ermächtigungsgrundlagen wichtig, die das Sächsische Polizeivollzugsdienstgesetz, im Speziellen der Paragraph 57 bietet.

Komplexe Gesetzeslage ermöglicht Drohneneinsätze

Nach dem ersten Absatz kann ein Einsatz „bei abstrakten Gefahren“ erfolgen. Dabei können „Übersichtsbildübertragungen angefertigt werden, wenn und soweit dies wegen der Größe der Veranstaltung oder Ansammlung oder der Unübersichtlichkeit der Lage zur Lenkung und Leitung eines Polizeieinsatzes im Einzelfall erforderlich ist.“ Wichtig: Eine Identifikation von Personen findet nicht statt. Die Übertragung darf nicht aufgezeichnet werden.

Absatz zwei besagt, dass die Polizei personenbezogene Daten „durch den offenen Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen von Personen erheben kann, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie innerhalb absehbarer Zeit eine ihrer Art nach konkretisierte Straftat begehen werden, durch die Personen, Sach- oder Vermögenswerte gefährdet werden, oder dass von ihnen sonstige erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen.“

Da es sich um „den offenen Einsatz technischer Mittel“ handelt, zu denen unbemannte Flugkörper wie Drohnen zählen, ist die Polizei verpflichtet, auf deren Einsatz hinzuweisen. „Konkret bedeutet das, dass betroffene Personen (ohne Weiteres) erkennen können müssen, dass die Polizei filmt und welcher Art die Aufnahmen sind“, erläutert Lehmann. Die Beamtinnen und Beamten können nicht einfach davon ausgehen, dass wie beim Spiel gegen den CFC alle fast 5.000 Gäste ihren Blick vom Spielfeld gen Himmel heben, um eine Drohne zu erspähen. „Die Polizei muss situativ und vor Ort aktuell über ihre Maßnahme informieren oder die Drohne erkennbar kennzeichnen.“

BSG-Fans erwägen gerichtliche Prüfung

Nachgefragt bei der Leipziger Polizei erklärt Pressesprecher Olaf Hoppe dazu: „Es erfolgen Informationen in der Sicherheitsberatung des betroffenen Vereins und teilweise auch Lautsprecherdurchsagen im Stadion.“ Am 12. März wurde eine öffentliche Durchsage, die die Fans auf die Überwachung per Drohne hätte hinweisen können, allerdings von den Fans nicht wahrgenommen.

Die Anhängerinnen und Anhänger in Leutzsch sind inzwischen dennoch sensibilisiert beim Thema. „Aktuell überlegen einige von ihnen, zusammen mit einem Anwalt, die Rechtmäßigkeit des Drohneneinsatzes durch ein Gericht überprüfen lassen“, so Sebastian Kirschner.