Polizistin geschlagen: Richter schickt Zwickauer Stadtrat Sven Georgi ins Gefängnis
Bei einem „Corona-Spaziergang“ in der Zwickauer Innenstadt im Dezember 2021 verletzte der mehrfach vorbestrafte Kommunalpolitiker Sven Georgi, der Gründungsmitglied der „Freien Sachsen“ ist, eine 27-jährige Polizistin mit einem Schlag. Im Berufungsprozess setzte es jetzt eine dicke Überraschung.
Martin Kohlmann ist in Form. Der Anwalt und Kopf der rechtsextremen „Freien Sachsen“ fragt in seinem Plädoyer, ob der Staatsanwalt betrunken sei, weil der kurz vorher in seinem Schlusswort sinngemäß von einer Täter-Opfer-Umkehr gesprochen hatte, die die Verteidigung praktiziere. An anderer Stelle lobt Kohlmann die Rechtssprechung im deutschen Kaiserreich. Geholfen hat ihm seine Verfassung nichts. Sein Mandant muss nach Lage der Dinge ins Gefängnis.
Wollte der Angeklagte wirklich nur helfen?
Ein bemerkenswertes Urteil. Bei Kohlmanns Mandanten handelt es sich um den parteilosen Zwickauer Stadtrat Sven Georgi (53), der ebenfalls im Vorstand der „Freien Sachsen“ sitzt. In der ersten Instanz vor dem Amtsgericht war Georgi noch mit zehn Monaten auf Bewährung davongekommen. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung gingen seinerzeit in Berufung. Kohlmann will diesmal einen Freispruch. Die Staatsanwaltschaft fordert elf Monate mit Bewährung. Richter Torsten Sommer geht aber darüber hinaus und verurteilt Georgi am Donnerstag in der Berufungsverhandlung unter anderem wegen eines tätlichen Angriffs auf eine Vollstreckungsbeamte zu einer einjährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung.
Sitzungssaal 241, Landgericht Zwickau, Sven Georgi sitzt in Jeans und rotem Pullover neben Anwalt Kohlmann auf der Anklagebank. Der Stadtrat kennt diese Position, immerhin hat er schon mehrfach vor Gericht gesessen. Der Richter verliest zehn Einträge aus dem Bundeszentralregister. Es geht um Diebstahl, Körperverletzung, Trunkenheit im Verkehr, Fahrerflucht, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und auch sexuelle Nötigung. Jetzt präsentiert sich Georgi als Opfer roher Polizeigewalt, das nur Hilfe leisten wollte. „Es ist seine Art, anderen zu helfen“, sagt Kohlmann. Georgi nickt.
Was war an dem Dezemberabend 2021 passiert? Nach einer angemeldeten Kundgebung auf dem Hauptmarkt gegen die Coronaschutzmaßnahmen der Bundesregierung machte sich eine Gruppe von 100 Personen auf den Weg, um den Dr.-Friedrichs-Ring entlang zu laufen. Offenbar um die Konfrontation mit der Polizei zu suchen. Der Marsch hätte nach den damaligen Corona-Bestimmungen nicht stattfinden dürfen. In der Nähe eines Supermarktes kam es zum Zusammenstoß mit den Beamten. Einige aus der Gruppe wollten eine Polizeikette durchbrechen. Richter Sommer wird Georgi in seiner Urteilsbegründung als einen „der Rädelsführer“ bezeichnen. Es kam zu einem Handgemenge zwischen Georgi und einer Polizistin (27). Dabei gab es einen Schlag des Kommunalpolitiker gegen die Frau. Die Beamte erlitt Verletzungen. Vor Gericht sagt Georgi sinngemäß, er habe nur deshalb die Polizeikette durchbrechen wollen, um einem anderen „Spaziergänger“ zur Seite zu stehen, der laut um Hilfe geschrien habe. Seine Hand habe er gegen die Beamte erhoben, um sich vor der Flasche Pfefferspray zu schützen, mit der die Polizistin gedroht habe.
Richter: Habe keinen Hilferuf gehört
Dann läuft im Gerichtssaal ein Video, das die Szenen zeigt. Für den Staatsanwalt ist klar, dass der Angeklagte zielgerichtet zuschlägt. „Eindeutig“, kommentiert er. Verteidiger Kohlmann will dagegen keinen Angriff gesehen haben, dafür aber eine Nothilfesituation für seinen Mandanten. Der Demonstrant, dem Georgi zu Hilfe habe eilen wollen, sei durch Polizeigewalt in Bedrängnis geraten, argumentiert Kohlmann. Und fordert Freispruch. Richter Sommer ist offenbar auch kein Freund der Coronaschutzmaßnahmen. „Man kann die ja tatsächlich für Schwachsinn halten“, sagt er. Aber das sei in diesem Fall nicht die Frage, die Beamten hätten einen Auftrag gehabt. Zu Georgi sagt Sommer schließlich: „Wir haben jetzt alle das Video gesehen. Und ich habe auch nichts von einem Hilferuf gehört.“ Für sein Urteil hat der Richter auch das Vorstrafenregister von Georgi berücksichtigt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ob Georgi in Revision geht, ist offen.
17.02.2023
Das Landgericht Zwickau schickt den mehrfach vorbestraften Stadtrat für ein Jahr ins Gefängnis, weil er eine Polizistin geschlagen und verletzt hat. Zwickauer Kommunalpolitiker fordern Sven Georgi zum Rücktritt auf. Einer sagt: „Er ist eine Schande für die Stadt.“ Aber Georgi wird wohl Stadtrat bleiben.
Oberbürgermeisterin Constance Arndt (Bürger für Zwickau) hat das Urteil gegen den parteilosen Stadtrat Sven Georgi begrüßt und ihn indirekt dazu aufgefordert, sein Mandat niederzulegen. „Er hat seine Hand gegen die Polizei und damit gegen den Rechtsstaat erhoben. Das ist nicht zu billigen“, sagte Arndt am Freitag der „Freien Presse“. Sie fände es richtig, wenn Georgi den Stadtrat verlassen würde. Er solle erst einmal sein eigenes Leben in die Reihe bekommen, sagte Arndt weiter.
Georgi zu einjähriger Haftstrafe verurteilt
Georgi, seit 2019 fraktionslos im Zwickauer Stadtrat und zudem Mitglied im Vorstand der rechtsextremen „Freien Sachsen“, war am Donnerstag vor dem Landgericht Zwickau in zweiter Instanz zu einer einjährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden, weil er bei einem sogenannten „Corona-Spaziergang“ am 27. Dezember 2021 eine Polizistin (27) tätlich angegriffen und verletzt hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Georgi bleibt die Revision vor dem Oberlandesgericht, bei dem es indes zu keiner neuen Beweisaufnahme kommen wird. Aufgabe des OLG ist, Urteile auf Rechtsfehler zu überprüfen. Inzwischen hat Georgis Strafverteidiger Kohlmann mitgeteilt, dass er den Gang vor das Dresdener Gericht antreten wird.
Arndt: Stadtrat hat sich an Recht und Ordnung zu halten
Bei der Strafzumessung seien Georgi „auch die vielen Vorstrafen auf die Füße gefallen“, hatte Richter Torsten Sommer seine Entscheidung begründet. So war der Stadtrat in den vergangenen Jahren unter anderem wegen Diebstahls, Körperverletzung, Trunkenheit im Verkehr, Fahrerflucht, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und auch sexueller Nötigung verurteilt worden. „Wer für ein Stadtratsmandat kandidiert, dem sollte klar sein, dass er sich an Recht und Ordnung zu halten hat“, sagte OB Arndt.
Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass Georgi seinen Sitz im Stadtrat behält, zumindest bis zum Ablauf der Wahlperiode im kommenden Jahr. Von allein wird er seinen Hut kaum nehmen, so die allgemeine Einschätzung. Eine entsprechende Medienanfrage beantwortete Georgi nicht. Die Rechtslage macht es indes unmöglich, Georgi das Mandat wegen der Gefängnisstrafe zu entziehen. Formaljuristisch handelt es sich bei den Delikten, die Georgi im Zusammenhang mit dem Angriff auf die Polizistin vorgeworfen wurden, um keine Verbrechen. „So scheidet ein automatischer Verlust des Stadtratsmandates aus“, teilt das Rechtsamt der Stadt Zwickau auf Nachfrage mit. Eine weitere Prüfung sei nicht notwendig, heißt es weiter. Auch ein Ordnungsgeld wegen einer groben Verletzung seiner Mandatsträgerpflichten – in Betracht kämen 500 Euro – kann die Stadt nach Lage der Dinge nicht verhängen, weil Georgi bei den Ereignissen im Dezember 2021 wohl augenscheinlich nicht offiziell in seiner Funktion als Stadtrat aufgetreten ist.
SPD-Stadtrat Juraschka: „Eine Schande für unsere Stadt“
SPD-Stadtrat Jens Juraschka fordert dennoch den sofortigen Rücktritt Georgis als Mitglied dieses Gremiums. „Er ist eine Schande für unsere Stadt“, sagt Juraschka am Freitag. Wenn der vielfach Vorbestrafte Rückgrat und nur einen Hauch von Anstand hätte, würde er sein Mandat sofort niederlegen. Juraschka sprach auch an, dass es in Verbindung mit der Aufstellung von Kandidaten für bestimmte Wahlen im Vorfeld mehr Transparenz geben sollte. Juraschka regt daher das Vorlegen von Führungszeugnissen an.
Auch der Grünen-Stadtrat Martin Böttger zeigt sich nach dem Urteil erleichtert. „Aber jetzt sollte er die Konsequenzen ziehen und aus dem Stadtrat verschwinden. Der Richter hat es ja in seiner Urteilsbegründung gesagt: Georgi war einer der Rädelsführer bei den Ereignissen am 27. Dezember, als die sogenannten Spaziergänger eine Polizeikette durchbrechen wollten“, sagt Böttger. Stadtrat Wolfgang Wetzel (ebenfalls Grüne) sagt: „Ich verstehe dieses Urteil als ein klares Signal unserer Justiz: Bis hier hin und nicht weiter!“ Schon Ende 2021 hatte die Ratfraktion SPD/Grüne/Tierschutzpartei Konsequenzen gefordert. Alle anderen Fraktionen mit Ausnahme der AfD hatten sich angeschlossen.