NSU-Dokuzentrum: Erste Vorschläge für Ausrichtung liegen vor

Ein Verein hat Eckpunkte vorgestellt, wie die Aufarbeitung des NSU-Komplexes aussehen könnte. Dazu gehören Ausstellungen, Bildungsarbeit und Forschung – und zwei Standorte in zwei Städten.

Soll der NSU-Komplex in einem Dokumentationszentrum aufgearbeitet und erforscht werden? Diese Frage ist in Zwickau seit Jahren höchst umstritten. Seit sich das sächsische Justizministerium und die Ampel-Koalition im Bund zu dem Projekt bekannt haben, sind die Chancen für eine Umsetzung auf jeden Fall gestiegen.

Umgang mit Rassismus soll thematisiert werden

Nun sind erstmals Ideen vorgestellt worden, wie ein solches Dokumentationszentrum aussehen könnte. Der Verein RAA Sachsen hat im Rahmen eines vom Freistaat geförderten Projektes eine Machbarkeitsstudie angefertigt. Die komplette Studie soll laut Dana Schlegelmilch, Co-Projektleiterin beim RAA, voraussichtlich im Mai dem Justizministerium übergeben und anschließend veröffentlicht werden. Einige Auszüge wurden aber bei einem Bürgerdialog zu der Frage, wie die Stadt Zwickau künftig mit dem NSU-Erbe umgehen soll, bereits erläutert.

Aus der Präsentation, die der „Freien Presse“ vorliegt, gehen mehrere Eckpunkte hervor. „Das Dokumentationszentrum versteht sich als Institution, die gemeinsam mit lokalen Initiativen das Lernen aus dem NSU-Komplex ermöglicht. Dafür stellt es der Stadtgesellschaft personelle Ressourcen, Seminarräume und Materialien zur Verfügung“, heißt es darin. Demnach sollen sich Besucher des Dokuzentrums sowohl in Dauer- als auch in Wechselausstellungen informieren können; die Perspektive der Betroffenen und der Umgang mit Rassismus sollen dabei eine besondere Stellung einnehmen. Bildungsarbeit ist ebenso vorgesehen wie eine weitere Erforschung der NSU-Taten und des Umfelds der Rechtsterroristen. Die Dokumentationsstätte soll eine Bibliothek beherbergen sowie einen geschützten Raum, der von Betroffenen rechter Gewalt gestaltet wird.

Gedenkort am Schwanenteich soll einbezogen werden

Auch zur Frage des Standortes gibt es eine Aussage: „Zwickau und Chemnitz bilden mit Blick auf den NSU-Komplex einen gemeinsamen Erfahrungsraum: Es braucht spezifische Angebote in beiden Städten“, formulieren die Verantwortlichen des RAA Sachsen. In Zwickau soll der Gedenkort am Schwanenteich, wo für jedes der NSU-Opfer ein Baum gepflanzt wurde, mit einbezogen werden. In der Muldestadt hielten sich Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am längsten im Untergrund auf, von hier aus begingen sie alle ihre Morde. In Chemnitz, wo es bislang keinen Gedenkort gibt, lebten die Rechtsterroristen von 1998 und 2000, überfielen dort Banken, Supermärkte und Postfilialen.

Co-Projektleiterin Schlegelmilch betont, dass mit dem Konzept noch keine Festlegungen getroffen worden seien. „Die Studie ist nur ein Vorschlag. Die Entscheidungen trifft letztlich die Politik.“ Die Verantwortlichen im Bund, im Freistaat und in den beiden Kommunen müssen zudem Fragen klären, die bislang noch völlig offen sind: Wo konkret in Zwickau und Chemnitz könnten Standorte des Dokuzentrums entstehen? Wie groß sollen sie sein? Und mit welchem Personal werden sie ausgestattet?

Entgegengesetzte Positionen im Stadtrat

Beim vierteiligen Bürgerdialog in Zwickau, der in dieser Woche zu Ende geht, wurde deutlich, dass ein Kompromiss zwischen Befürwortern und Gegner eines Dokuzentrums unrealistisch erscheint. Zu gegensätzlich sind die Positionen.

Stadtrat und Landtagsabgeordneter Gerald Otto (CDU) prophezeit, dass Forschung zum NSU-Komplex keinen weiteren Erkenntnisgewinn bringen werde. „Was soll da herauskommen, was nicht schon herausgekommen ist?“, fragt er mit Blick auf Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern. Am Untersuchungsausschuss im sächsischen Landtag war Otto selbst beteiligt. Er ergänzt, das Image Zwickaus sei durch die NSU-Verbrechen schon genug geschädigt worden. Verfechter eines Dokuzentrums argumentieren hingegen, Zwickau könne das Image als „Täterstadt“ nur verändern, wenn man sich mit dem NSU-Komplex aktiv auseinandersetze. Linken-Stadtrat René Hahn, der sich seit Jahren für eine Aufarbeitung einsetzt, begrüßt die Ergebnisse der Studie. „In den vorgestellten Eckpunkten findet sich vieles von dem wieder, was mir wichtig ist.“