Verbindungen zum Fall Lina E. – Brutale Angriffe: Ungarns Polizei sucht zwei mutmaßliche Linksextremisten aus Leipzig

Linksextremisten haben am Rande von Neonazi-Aufmärschen in Budapest mehrere Menschen brutal attackiert. Die ungarische Polizei sucht nach zwei Verdächtigen aus Leipzig. Es gibt auch Verbindungen zum Fall Lina E.

Budapest/Leipzig/Berlin. Jedes Jahr feiern Rechtsextreme aus ganz Europa in Ungarn die deutsche Wehrmacht, die Waffen-SS und ihre Kollaborateure – mit Aufmärschen und Hitlergrüßen. Anlass ist ein 1945 gescheiterter Versuch von Hitlers Armee, aus dem von russischen Soldaten umstellten Budapest auszubrechen. „Tag der Ehre“, so nennen die Neonazis das. Es ist für sie auch ein wichtiges Vernetzungstreffen.

Regelmäßig reisen dazu auch Gegendemonstranten in die ungarische Hauptstadt Budapest. Dieses Jahr hat es dabei mehrere brutale Übergriffe gegeben – auf Menschen, die beim „Tag der Ehre“ dabei waren oder von denen die Angreifer das zumindest annahmen. Vier der mutmaßlichen Täterinnen und Täter hat die Budapester festgenommen, drei davon sitzen noch in Haft, darunter ein Mann aus Berlin. Ihm droht bei einer Verurteilung in Ungarn eine mehrjährige Gefängnisstrafe. So wie er kommen noch weitere Verdächtige aus Deutschland. Zwei von ihnen sucht die Budapester Polizei öffentlich – beide leben in Leipzig.

Was passiert ist, davon berichtete die ungarische Polizei auf einer Pressekonferenz. Ende vergangener Woche gab es demnach vier gezielte Attacken auf Menschen, die militaristisch gekleidet waren – also so, wie viele Teilnehmer des „Tags der Ehre“. Bei den Attacken seien acht Menschen verletzt worden, mehrere davon schwer. Der ungarischen Polizei zufolge habe die Gruppe der Angreifer aus 10 bis 15 Mitgliedern bestanden, etwa die Hälfte davon Frauen. Die mutmaßlichen Tatwaffen, darunter ein Schlagstock und ein Gummihammer, präsentierte die ungarische Polizei online in einem Video.

Verhafteter aus Berlin soll zur Gruppe um Lina E. gehört haben

Im Internet sind zudem Aufnahmen einer Überwachungskamera aufgetaucht, die eine der Taten zeigen. Darauf ist zu sehen, wie ein Mann mit einer Flecktarn-Hose über einen Platz läuft. Von hinten nähern sich ihm acht Menschen, einer schlägt dem Mann auf den Kopf – offenbar mit einem Teleskopschlagstock. Danach, der Mann liegt am Boden, wird er von mehreren Personen traktiert. Andere aus der Gruppe der Angreifer beobachten die Umgebung, schirmen Passanten ab. Nach etwa 20 Sekunden rennen die Täter weg, einer versprüht dabei offenbar Pfefferspray.

Die Attacke ähnelt denen, die der Gruppe um Lina E. aus Leipzig vorgeworfen werden. Sie muss sich derzeit vor dem Oberlandesgericht Dresden verantworten. Und tatsächlich gibt es nach LVZ-Informationen eine Verbindung, über die zuerst die Zeitung „Die Welt“ berichtet hatte: Einer der in Ungarn Festgenommenen ist der 29 Jahre alte Tobias E. aus Berlin. Er soll im Dezember 2019 bei einem Angriff auf einen rechtsextremen Kneipenwirt in Eisenach dabei gewesen sein, der der Gruppe um Lina E. zugerechnet wird. Nach dieser Tat wurde Tobias E. zusammen mit Lina E. und weiteren Verdächtigen vorläufig festgenommen. Angeklagt wurde er in dem Zusammenhang bislang noch nicht, die Ermittlungen gegen ihn laufen noch. Eine der Polizei bis zu den Angriffen in Budapest noch nicht bekannte Wohnung von Tobias E. in Berlin haben unter anderem Beamte der Soko Linx beim Landeskriminalamt Sachsen am Mittwoch durchsucht.

Verdächtige aus Leipzig bekannt bei sächsischer Polizei

Zwischen den Verdächtigen aus Leipzig und der Gruppe um Lina E. sieht die Polizei nach LVZ-Informationen bislang keine Verbindungen. Die ungarische Polizei sucht nach dem 20 Jahre alten Martin S. und nach der 22 Jahre alten Clara W.. Martin S. stammt aus Leipzig, Clara W. aus Schleswig-Holstein, lebt aber ebenfalls in Leipzig. Beide sind der sächsischen Polizei nach LVZ-Informationen zwar schon im Umfeld politisch links motivierter Straftaten aufgefallen. Dabei sei es aber nicht um schwere Taten gegangen.

In rechten Netzwerken werden die Festnahmen in Ungarn gefeiert. Anders als in Deutschland seien die ungarischen Behörden konsequent gegen „Antifa-Terror“ vorgegangen, heißt es von den rechtsextremen „Freien Sachsen“. Ungarn wird von einer Koalition unter Führung der rechtskonservativen Partei Fidesz regiert. Nach den Angriffen in Budapest forderten Politiker noch weiter rechts stehender Parteien eine Einstufung der „Antifa“ als Terror-Organisation. Ihre Ermittlungserfolge inszeniert die Budapester Polizei generell mit Videos im Netz – dieses Mal etwa mit Aufnahmen der mutmaßlichen Budapester Täter.