Tour abgesagt – Neonazi-Vorwürfe gegen Thüringer Band „Weimar“: Was steckt dahinter?

Eine Spiegel-Recherche deckt die rechtsradikale Vergangenheit einiger Mitglieder der Metal-Band „Weimar“ auf. Daraufhin wird die Tour abgesagt – darunter auch der Auftritt in Leipzig. Was steckt dahinter?

Nachdem der „Spiegel“ vergangene Woche unter dem Titel „Wie Universal demokratiefeindliche Rocker groß machte“ über die Thüringer Metal-Band Weimar berichtet hat, ging alles ganz schnell. Es dauerte nur wenige Stunden, da war die geplante Tour – darunter auch ein Auftritt im Täubchenthal Leipzig – abgesagt und sämtliches Material von YouTube und Spotify verschwunden. Denn die Vorwürfe des Magazins wiegen schwer.

Zwei Mitglieder der Band, die ausschließlich maskiert auftritt, sollen sich früher in rechtsradikalen Kreisen bewegt haben, wie der „Spiegel“ berichtet. Konstantin P., der sich als Band-Mitglied Till Schneider nennt, sei in den 90ern Mitglied einer Neonazi-Band gewesen; Christian P. soll ebenfalls Teil einer rechtsextremen Band und zudem beim „Nationalen Widerstand Weimar“ gewesen sein. In der Band agiere er unter dem Synonym Richard Wegnar. Beide waren damals dem Bericht zufolge im Visier des Verfassungsschutzes.

Tour- und Festival-Absage

Das erste Album von Weimar, „Auf Biegen & Brechen“, stieg im Mai 2022 auf Platz fünf in die Charts ein. Als Vertriebspartner fungierte der weltgrößte Musikkonzern Universal. Der stellte nach Bekanntwerden der Vorwürfe die Zusammenarbeit ein, seitdem ist die Musik der Band nicht mehr auf den offiziellen Kanälen zu finden.

Auch die Tour wurde abgesagt: Der unter anderem für die Auftritte in der Dresdener Reithalle (28. April) und im Leipziger Täubchenthal (29. April) verantwortliche Veranstalter „In Move“ aus Chemnitz teilte dazu mit: „Es stehen politisch mehr als bedenkliche Vergangenheiten im Raum. Diese waren uns bislang nicht bekannt und laufen unseren Überzeugungen zuwider. Wir stehen gegen Rassismus, Antisemitismus und Faschismus und teilen diese Auffassung mit Euch.“ Auch die Veranstalter des Full-Force-Festivals, wo die Band im Juni auftreten sollte, reagierten prompt: Man sei getäuscht worden. „Uns als Festival wurde von mehreren Seiten glaubwürdig versichert, dass Weimar eine Band ist, die zwar bewusst mit provokanten Texten spielt, aber sich von Rechtsextremismus aktiv distanziert und zivilgesellschaftlich engagiert.“

So reagiert die Band „Weimar“

Laut einem nach der Tour-Absage veröffentlichten Statement der Band auf Facebook ist dies auch der Fall. Man distanziere sich „ausdrücklich von Gewalt, Extremismus jedweder Form, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Homophobie und dem fatalen, sich bis heute zu wiederholen scheinenden Irrglauben der Geschichte, dass manche Menschen besser seien als andere“, teilt die Band dort mit.

Auch gestehen Christian P. und Konstantin P. in dem Statement „eine politisch rechtsmotivierte Vergangenheit“ ein, ergänzen jedoch: „Nicht korrekt ist, dass wir nach wie vor in der rechtsextremen Szene aktiv sind. Diesen Vorwurf weisen wir vehement zurück! Weder wir noch unser Umfeld sind in der rechten Szene aktiv!“ Und weiter: „Es tut uns leid, dass wir unsere Vergangenheit nicht klar gegenüber unseren Fans und Partnern kommuniziert haben“.

Auf LVZ-Anfrage, warum dies nicht geschehen sei, antwortet die Gruppe: „Für die beiden Betroffenen war dieses Kapitel lange abgeschlossen. Es lag ihnen fern, dieses Kapitel wieder zu öffnen. Noch ferner lag es ihnen, Menschen dort mit reinzuziehen, die damit rein gar nichts zu tun hatten und bis heute haben. Bei Weimar sollte es um die Musik gehen und nicht um die Menschen dahinter.“

Interpretationssache?

Dass Universal, In Move und das Full Force erst als Reaktion auf den „Spiegel“-Artikel die Zusammenarbeit mit Weimar beendeten, liegt nicht daran, dass bei solchen Unternehmen alles ungeprüft durchgewunken wird. Denn auf die Inhalte der Musik schaut man genau. Und die lassen im Falle von Weimar keinen unmittelbaren Schluss auf eine mutmaßlich rechtsradikale Gesinnung zu.

Zum Song „Von Wölfen und Ratten“ etwa schreibt der „Spiegel“, es handele sich um „jene Tiere, mit denen Nationalsozialisten gern sich und Juden verglichen haben. In dem Lied sind die Wölfe das Licht und Ratten der Schatten.“ Songtext und Musikvideo lassen jedoch auch eine andere Lesart zu, sich als Statement gegen Diskriminierung verstehen. Laut der dem Video voranstehenden Texttafel will man mit dem Lied „ein Zeichen gegen Homophobie und Ausgrenzung von Menschen im Allgemeinen“ setzen.

Vorwurf der Neonazi-Band gerechtfertigt?

Die Musik von Weimar ist martialisch, platt, es schwingen Lokalpatriotismus und bisweilen verschwörerische Töne mit, wenn es in „Alles Lüge“ etwa heißt, die Medien seien „allesamt manipuliert und gekaufte Marionetten“. Die Attitüde der Band pendelt zwischen Punk und (ein wenig mehr) Querdenken. Sie selbst nennt das gesellschaftskritisch, andere nennen es rechts oder Musik für die Querdenker-Szene. Ob Weimar damit aber gleich den Stempel „Neonazi-Band“ verdient hat, ist fraglich.

Selbst wenn man diesen Vorwurf an der Vergangenheit von Christian P. und Konstantin P. festmacht, die nach eigenem Bekunden damit abgeschlossen haben, so haben kleinere Veranstalter in der Musikbranche in der Regel nicht die Möglichkeit, dies mit einer tiefgreifenden Recherche in den Biografien von Künstler zu überprüfen.

Das Team des Täubchenthals, wo Weimar ursprünglich auftreten sollte, habe sich zwar – wie üblich bei einer neuen Band – über Musik, Inhalte und die Gruppe selbst informiert. Doch ebenso herrsche in der langjährigen Zusammenarbeit mit Agenturen wie In Move ein gewisses Vertrauensverhältnis. „Das klappt auch zu 99 Prozent“, sagt Sebastian Ganze vom Täubchenthal und nimmt das Unternehmen aus Chemnitz in Schutz: „Alle wissen, dass rechte Sachen bei uns nicht laufen.“ Hätte der Veranstalter – entgegen obiger Aussage – entsprechende Kenntnisse gehabt, hätte er nicht das Täubchenthal für die Tour gebucht.

Ob und wie es für Weimar weitergeht, ist schwer abzusehen. Die Gruppe stellt auf LVZ-Anfrage klar: Die Zusammenarbeit mit Universal sei eingestellt, die Tour werde definitiv nicht stattfinden. Dies gilt auch für das für Mai geplante dreitägige Festival „Weimar Festspiele“ in Bad Berka (Thüringen), bei dem rund 15 weitere Bands auftreten sollten. Im dortigen Festival-Guide wurde rassistischen, verfassungsfeindlichen und sonstigen rechtswidrigen Symbolen, Äußerungen und Ähnlichem übrigens noch eine klare Absage erteilt.