Stadt Leipzig kauft ehemaliges Hostel am Hauptbahnhof als Notschlafstelle für Wohnungslose

Seit fünf Jahren ist die Stadt auf der Suche nach einem Haus für eine zentral gelegene Notschlafstelle für wohnungslose Menschen. Nun ist ein Objekt gefunden. Doch der Preis, den Leipzig dafür zahlt, liegt weit über dem Verkehrswert.

Immer mehr Menschen in Leipzig leben auf der Straße. Besonders im Umfeld des Hauptbahnhofes suchen Obdachlose Tag und Nacht unter Mauervorsprüngen und Überdachungen, neben Portalen oder in der Straßenunterführung Schutz vor Regen, Wind und Kälte. Dem will die Kommune jetzt mit dem Ausbau von städtischen Übernachtungskapazitäten begegnen.

Seit fünf Jahren schon plant das Rathaus im Umfeld des Hauptbahnhofes die Einrichtung einer Notschlafstelle. Das sind Orte, die Obdachlose spontan aufsuchen, nur für die Nacht kurzfristig und kostenlos, ohne Anmeldung und irgendwelche Formalitäten nutzen können.

Nun hat die Kommune ein dafür passendes und zentral gelegenes Objekt gefunden. Seit Jahresanfang ist die Stadt nach Angaben aus dem Sozialamt Eigentümerin des Gebäudes in der Kurt-Schumacher-Straße 41. Darin befand sich bis zu seiner Schließung im Jahr 2020 das Hostel Central Globetrotter. Seitdem steht das Gebäude leer. Zum Kaufpreis äußerte sich die Behörde aus Gründen der Vertraulichkeit nicht.

Inbetriebnahme für 2025 geplant

Nach LVZ-Informationen hatte der Grundstücksverkehrsausschuss des Stadtrates in einer nicht öffentlichen Sitzung dem Kauf der Immobilie zum Preis von 2,4 Millionen Euro zugestimmt – allerdings nur mit einer knappen Mehrheit. Denn im Verkehrswertgutachten war das Objekt auf lediglich 1,1 Millionen Euro taxiert. Doch zu dem Preis war der Eigentümer wohl nicht bereit zu verkaufen.

Weitere 1,7 Millionen Euro will die Stadt nun in die Sanierung des Gebäudes stecken. In diesem Jahr werde dafür der erforderliche Planungs- und Baubeschluss für den Stadtrat erarbeitet. „Erst damit kann eine realistische Kostenberechnung für die Umbauarbeiten aufgestellt werden“, teilte das Sozialamt auf LVZ-Anfrage mit. Wenn alles gut läuft, könnte dann Anfang 2024 der Umbau beginnen. Im Sozialamt geht man gegenwärtig von einer Inbetriebnahme des Hauses Anfang 2025 aus.

40 Personen sollen dort künftig Platz finden. Für den Betrieb veranschlagt die Stadt jährlich vorerst 730.000 Euro – das entspricht 50 Euro pro Person und Nacht. Die Einrichtung selbst soll nicht durch die Kommune, sondern durch einen freien Träger betrieben werden. Ein Betreiberkonzept werde ebenfalls noch in diesem Jahr ausgearbeitet.

Laut dem vom Stadtrat im November beschlossenen Fachplan Wohnungsnotfallhilfe sollen neben 30 kostenfreien Notschlafplätzen auch Plätze für Obdachlose entstehen, die dort für längere Zeit bleiben – allerdings für Unterbringung und Verpflegung wie in jedem Übernachtungshaus einen Obolus entrichten müssen.

Diese Unterkünfte für Obdachlose gibt es in Leipzig

Bislang gibt es in Leipzig lediglich acht Notschlafplätze, die sich aktuell im Übernachtungshaus für Männer in der Torgauer Straße 290 befinden. Die Schlafgelegenheiten (zwei Vier-Bett-Zimmer) werden bislang allerdings nur im Winter angeboten. Einen solchen Kälteschutz für Frauen gibt es aktuell in Leipzig nirgendwo.

In der Kurt-Schumacher-Straße werden die Notschlafstellen dann künftig ganzjährig zur Verfügung stehen – und zwar für Männer und Frauen.

Für Obdachlose existieren in Leipzig verschiedene Unterkünfte. Das Übernachtungshaus für wohnungslose Männer in der Rückmarsdorfer Straße 5/7 wird derzeit saniert und danach über 85 Plätze verfügen. Als Ersatz dient aktuell ein Objekt in der Torgauer Straße 290 mit 165 Plätzen. In der Scharnhorststraße 27 befindet sich ein Übernachtungshaus für Frauen mit 24 Plätzen. Beide Einrichtungen sind täglich von 16 bis 8 Uhr und am Wochenende sowie an Feiertagen ganztägig geöffnet. Darüber hinaus gibt es noch Unterkünfte für Obdachlose mit Sucht- und psychischen Erkrankungen.

Ausgaben für Wohnungsnothilfe um 1,4 Millionen Euro gestiegen

Die Zahl der Obdachlosen in Leipzig hat sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht, der Bedarf an Plätzen in Notunterkünften verdoppelt. So wurden nach einer Erhebung des Sozialamtes im Jahr 2021 am Tag durchschnittlich 80 wohnungslose Menschen – davon 17 Frauen – auf der Straße lebend angetroffen. 2019 waren es noch 54 Personen. In den Notunterkünften für Obdachlose waren im Jahr 2021 täglich im Schnitt 282 Personen untergebracht, rund 100 mehr als noch 2017. Nach Angaben des Finanzdezernats stiegen die Ausgaben allein im Bereich der Wohnungsnothilfe im vergangenen Jahr um 1,4 Millionen Euro.


LVZ 12.11.2022

Leipzig will Übernachtungshäuser für Obdachlose ganztägig öffnen

Der Stadtrat hat ein Paket an Maßnahmen beschlossen, damit Menschen nicht auf der Straße leben müssen. Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 die Obdachlosigkeit in Leipzig zu überwinden.

Die Stadt Leipzig will die Übernachtungshäuser für Obdachlose künftig ganztägig betreiben. Der Ausbau der Versorgungsstrukturen ist Teil eines Wohnungsnothilfeplanes, den der Stadtrat am Donnerstagabend beschlossen hat. „Wir hoffen, unserem Ziel, Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030 zu beenden, damit ein gutes Stück näher zu kommen“, sagte Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD). „Die Vermeidung von Wohnungsverlust und der Erhalt von bezahlbarem Wohnraum werden aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes immer dringlicher.“

Bislang sind die Notunterkünfte in der Rückmarsdorfer Straße (für Männer) und in der Scharnhorststraße (für Frauen) reine Übernachtungsstellen und nur von 16 bis 8 Uhr geöffnet. Im kommenden Jahr wird die Stadt nunmehr Kriterien entwickeln, unter welchen Bedingungen die Übernachtungshäuser ab dem Jahr 2025 ganztägig offen bleiben können, welche Strukturen und finanziellen Mittel dafür notwendig sind. Ab 2025 soll das neue Angebot dann in einen dreijährigen Testlauf gehen.

Krefft: „Abschied von der bevormundenden Fürsorge“

„Wir sind einen sehr großen Schritt vorangekommen“, lobte Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Krefft. „In seinen Inhalten und Maßnahmen verabschiedet sich dieser Plan von einer bevormundenden Fürsorge und wird zu einem Instrument der akzeptierenden und emanzipativen Sozialpolitik.“

Der Wohnungsnothilfeplan enthält für die kommenden vier Jahre insgesamt 29 Maßnahmen, die in Kooperation von Politik und Verwaltung, freier Träger der Wohlfahrtshilfe, Jobcenter und Polizei sowie erstmals auch unter Beteiligung von Obdachlosen entwickelt wurden. Sie sollen dazu beitragen, Wohnraum zu erhalten und Wohnungsverlust zu vermeiden, den Zugang zu Hilfsleistungen vereinfachen und die gestiegenen Bedarfe berücksichtigen. Darunter befinden sich verschiedene Präventionsmaßnahmen wie beispielsweise umfangreichere Beratungs- und Informationsangebote sowie die Erweiterung der Kapazitäten zur Notunterbringung obdachloser Frauen und Menschen mit psychischen Erkrankungen sowie die Etablierung einer Wohnschule für junge Menschen. Es ist aber auch geplant, Obdachlosen leichter Zugang zu Mobilität zu verschaffen, etwa durch Beratungen zum Leipzig-Pass. Das Budget für Fahrkarten, die Straßensozialarbeiter und Tagestreffs an Obdachlose aushändigen können, soll auf jährlich 3000 Euro erhöht werden. Mindestens 1,9 Millionen Euro will die Kommune so zusätzlich bis zum Jahr 2026 für die Wohnungsnothilfe zur Verfügung stellen.

Kommune gibt im Jahr 7,5 Millionen Euro für Obdachlose aus

Allein in diesem Jahr belaufen sich die Ausgaben der Kommune für die Unterbringung und Betreuung von Obdachlosen auf 7,5 Millionen Euro. „Es gibt in Leipzig ein tragfähiges und ausdifferenziertes Hilfesystem für Wohnungslose in den Bereichen Prävention, Notversorgung und Nachsorge, das in den letzten Jahren deutlich verbessert und ausgebaut werden konnte“, erklärte Sozialbürgermeister Fabian. Unter anderem wurden das Modellprojekt Eigene Wohnung aufgelegt, ein Housing-First-Angebot mit insgesamt 25 Plätzen, das nunmehr auf 50 Plätze aufgestockt wird. Zudem wurden ein Hilfebus in Dienst gestellt, der obdachlose Menschen in den Abendstunden aufsucht und zur Nutzung der Notunterkünfte einlädt, und die Bahnhofsmission personell gestärkt.

Täglich 282 Personen in Übernachtungshäusern

Dennoch habe sich insbesondere seit Beginn der Corona-Pandemie der Bedarf an Plätzen in den Notunterkünften verdoppelt, nehme auch die Nachfrage nach Gesundheits- und Pflegeleistungen zu, sagte Fabian. Im Schnitt wurden 2021 täglich 282 Personen in Notunterkünften für Obdachlose untergebracht, etwa 100 mehr als noch 2017.

Prävention müsse daher nach den Worten von Linken-Stadträtin Juliane Nagel an erster Stelle stehen. „Es braucht bezahlbaren Wohnraum und Hilfeangebote bei drohendem Wohnungsverlust, vielleicht brauchen wir das in den nächsten Monaten noch stärker“, sagte sie. Zudem mahnte sie städtische Unterstützung für Menschen an, die Wohnraum mieten wollen, aber durch Schufa-Einträge oder Mietschulden keine Chance bekommen. „Hier muss mehr geschehen“, sagte Nagel.