Kampfsport in Großdisco – „Ostdeutschland kämpft“: Rechtsextreme sind in Dölziger Disko Sax willkommen

In der Großraumdisco Sax im Schkeuditzer Ortsteil Dölzig (Nordsachsen) steigen normalerweise Abi-Feiern und Motto-Partys. Doch Anfang Februar treffen sich dort bekannte Neonazis zum Kampfsport.

Leipzig/Schkeuditz. Die Großraumdiskothek Sax hat den Charme einer Lagerhalle: Ein unscheinbarer grauer Kasten mitten im Gewerbegebiet des Schkeuditzer Ortsteils Dölzig (Nordsachsen). Doch an den Wochenenden steigen hier Mega-Partys. Selten kommen sie ohne Motto aus, heißen „Adios gute Vorsätze“, „Shake your Bamba“ oder „Abi XXL“. Und für die Gäste lässt man sich ganz schön was einfallen: Besondere DJs treten auf, die Partygäste spielen Minigolf oder tanzen im Schaumbad. Für den 5. Februar, da ist im Sax wieder ein besonderes Event geplant. Ein Motto gibt es – getanzt wird aber diesmal nicht, sondern geboxt. Mit bloßen Fäusten.

Bei „Ostdeutschland kämpft“ soll fast ein Dutzend Kämpfer aus verschiedenen Bereichen gegeneinander antreten, darunter auch rechtsextreme Gewalttäter. Auf dem dazugehörigen Plakat sind Martin K. und Brian E. zu sehen, wie sie sich halbnackt in Pose werfen. K. und E. waren beide 2016 beim Angriff auf den linksalternativen Stadtteil Connewitz dabei. K. hat sich die Parole der Waffen-SS „Ruhm und Ehre“ quer über das Schlüsselbein tätowieren lassen. Auf dem Plakat ist der Schriftzug leicht verdeckt. Ebenso das Tattoo des Kämpfers Dennis R. – der Schriftzug eines rechtsextremem Labels.

Warum bietet eine Diskothek wie das Sax diesen Männern eine Bühne?

Heiko van Vliet ist der Betreiber des Sax und er ist kampfsportbegeistert. Er habe sich schon mal den einen oder anderen Fight angeschaut, erzählt er am Telefon. Die Veranstaltung in seiner Diskothek bezeichnet er als „ordentlich angemeldeten Kampf, mit Ringrichter und Arzt“. Auf die rechtsextremen Teilnehmer angesprochen, sagt er: „Für mich sind das vor allem Sportler. Kann sein, dass da ein paar Rechtsradikale dabei sind. Aber soll ich denen den Eintritt verwehren, die Veranstaltung absagen?“

Es sind eher rhetorische Fragen, die van Vliet da stellt. „Ostdeutschland kämpft“ findet seit Jahren im Sax statt, Martin K. und Brian E. standen bereits 2018 im Ring. Schon damals hat die politische Gesinnung der Kämpfer keinen gekümmert. Weder van Vliet, noch den Veranstalter, der aus dem Sicherheitsgewerbe stammt.

„Bei der Auswahl spielt das Können eine Rolle – nicht die politische Ausrichtung“

Beworben wird das Event auf Facebook von einem Account, der sich „Black-Rainbow – P.E.A.S“ nennt – Namen zweier Security-Firmen, die es so aber nicht mehr gibt. Alexander Faust war Gesellschafter bei Black Rainbow und hat das Sax für die Veranstaltung angemietet, wie er am Telefon bestätigt. Van Vliet und er kennen sich schon ziemlich lange. Seit der Eröffnung des Sax 1998 kümmern sich dort Mitarbeiter aus dem Umfeld von Black Rainbow um die Sicherheit. Auf die rechtsextremen Kämpfer angesprochen, reagiert Faust so ähnlich wie der Diskotheken-Besitzer: „Bei der Auswahl der Leute spielt das Können eine Rolle, die Gewichtsklasse – nicht die politische Ausrichtung.“ Ob er jetzt immer ein Führungszeugnis anfordern solle? Auf den Hinweis, dass einer wie Martin K. seine Gesinnung auf dem Körper trägt, erklärt Faust: „Ruhm und Ehre“, das käme doch auch von den Gladiatoren. Auf Martin K. lässt Faust nichts kommen, er ist ein langjähriger Freund. „Sonderklasse“, wie der 51-Jährige sagt.

Wenn man Heiko van Vliet und Alexander Faust so zuhört, dann geht es hier tatsächlich vor allem um Sport, um Männerfreundschaften. Sicherheitsbehörden und Rechtsextremismus-Experten haben jedoch einen anderen Eindruck. Der sächsische Verfassungsschutz beobachtet schon länger, dass der Kampfsport innerhalb der Szene zunehmend an Bedeutung gewinnt. Neonazis würden lokale Kampfsportgruppen gründen; bemühten sich, professionelle Strukturen für ihr Training zu schaffen, heißt es in einer Einschätzung. Ziel sei vorrangig „die Vorbereitung auf Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner“ sowie die „Rekrutierung“ – auch über entsprechende Veranstaltungen.

In den vergangenen Jahren gab es vor allem in Sachsen immer wieder entsprechende Events, den „Kampf der Nibelungen“ oder das „Tiwaz“. Bei den Kämpfen traten Rechtsextreme aus verschiedenen Ländern gegeneinander an, rechtsextreme Labels verkauften CDs oder Klamotten. Zu den Unterstützern des „Kampfes der Nibelungen“ gehörte die NPD. Es war eine Veranstaltung von Neonazis für Neonazis. Nicht unbedingt vergleichbar mit „Ostdeutschland kämpft“, bei der längst nicht alle Kämpfer aus der Szene kommen, es offizielle Vorverkaufsstellen gibt, Sponsoren, die erst mal harmlos wirken. Eine Table-Dance-Bar ist darunter, aber auch Handwerksbetriebe gehören zu den Unterstützern.

„Es geht darum, die Verbindungen zu stärken, aber auch ums Geld“

Und trotzdem sagt Robert Claus: „Hier geht es auch um Gewalt und um eine Kampfansage.“ Der Journalist beschäftigt sich schon länger mit Kampfsport: mit dem klassischen Boxen, aber auch mit Mixed Martial Art, bei dem verschiedene Stile kombiniert werden. Er weiß, dass Teile der kommerziellen Kampfsportszene keine Berührungsängste haben. Claus hat sich in der Vergangenheit viele Kämpfe angeschaut. Dass im Sax laut Veranstaltungsplakat nur weiße Männer antreten, findet er ziemlich ungewöhnlich. „Im klassischen Kampfsport sind sehr viele Migranten aktiv. Offenbar hat man sich bewusst dagegen entschieden, entsprechende Kämpfer einzuladen“. Claus verweist auch auf den Titel. „Ostdeutschland gilt schon länger nicht mehr nur als Region, sondern auch als Identität, die es zu verteidigen gilt; besonders in der rechtsextremen Szene.“

Für Journalist Claus ist das, was im Sax passiert, vor allem ein Netzwerktreffen: von Kampfsportlern, Rechtsextremen, Security-Mitarbeitern, der regionalen Hooligan-Szene. „Es geht darum, die Verbindungen zu stärken, aber auch ums Geld.“ Die Kämpfer bekommen Gagen. Wie hoch die sind, das will Veranstalter Alexander Faust nicht sagen. Er ist auf jeden Fall stolz, dass die Tickets innerhalb weniger Tage weg waren. 600 Leute, so schätzt Faust, werden am 5. Februar zuschauen, wenn die Kämpfer im Sax in den Ring treten. Brian E. wird nicht dabei sein, er hat sich krankheitsbedingt abgemeldet. Martin K. dagegen, der rechtsextreme Gewalttäter, ist weiterhin gemeldet.


Kommentar: Rechtsextreme bei Kampfsport-Event: Von wegen harmlos

Ginge es bei einer anstehenden Kampfveranstaltung in der Dölziger Discothek Sax wirklich nur um Sport, würde man rechtsextreme Gewalttäter ausschließen, anstatt sie zu hofieren – findet LVZ-Reporterin Antonie Rietzschel.

Zwei, drei Neonazis, was macht das schon? So verteidigen die Veranstalter des Kampfsport-Events „Ostdeutschland kämpft“ die Teilnahme rechtsextremer Gewalttäter. Damit davon kommen lassen sollte man sie jedoch nicht. Seit Jahren warnen Sicherheitsbehörden und Experten vor der Bedeutung des Kampfsports in der rechtsextremem Szene. Seit Jahren bietet man im Sax Männern eine Bühne, die nicht nur ihre Kräfte messen wollen. Die ihr Können auch abseits des Rings einsetzen.

Martin K. und Brian E. waren dabei, als mehr als 200 Rechtsextreme in Connewitz einfielen, Schaufenster zerschlugen, Menschen angriffen. Man muss nicht lange suchen, um das herauszufinden. Im Fall von Martin K. reicht ein Blick auf das Schlüsselbein, um sich über dessen Gesinnung klar zu werden: „Ruhm und Ehre“ steht da in Frakturschrift, die Parole der Waffen-SS.

Wenn es den Veranstaltern wirklich ernst ist, mit dem Sport, dann würden sie solche Leute ausschließen und nicht vor großem Publikum auftreten lassen, Gagen bezahlen. Hinter der vermeintlichen Naivität steckt Strategie: Denn selbst wenn man die Veranstaltung in den sozialen Medien öffentlich bewirbt, will man kein Aufsehen, unter sich bleiben – das hat jahrelang auch gut funktioniert. Zu gut.