Presse-Rückblick: Silvesterkrawalle in Connewitz
29.07.2021 LVZ
Mehr als eineinhalb Jahre nach den Silvester-Ausschreitungen am Connewitzer Kreuz in Leipzig sucht die Polizei immer noch nach den Tätern. Eine Belohnung von 90.000 Euro soll nun dabei helfen. Diese Summe lobt das das sächsische Landeskriminalamt (LKA) seit Donnerstag für sachdienliche Hinweise zur Identifizierung der Angreifer aus.
In der Nacht vom 31. Dezember 2019 auf den 1. Januar 2020 kam es laut Polizeiangaben ab 0.15 Uhr am Connewitzer Kreuz in Höhe der Karl-Liebknecht-Straße 167 zu Angriffen auf Polizeibeamte, bei welchen drei Einsatzkräfte aus einer Gruppe von dunkel gekleideten Personen heraus mit massiver körperlicher Gewalt angegriffen und verletzt wurden. Hierbei kam es unter anderem zu Tritten gegen die Köpfe von zwei Polizeibeamten. Einer der beiden Polizisten wurde so schwer verletzt, dass er operiert werden musste.
Ermittlungen wegen versuchten Mordes
Laut Aussage der Polizei nahmen die Täter bei ihrem Handeln lebensgefährliche Verletzungen und auch den möglichen Tod der beiden angegriffenen Beamten zumindest billigend in Kauf. Die Staatsanwaltschaft Leipzig ermittelt deshalb wegen des Verdachts des versuchten Mordes in zwei Fällen. Daran änderte auch ein Video aus besagter Silvesternacht nichts, das die Wochenzeitung „Zeit“ einige Tage nach der Tat veröffentlichte.
Täter trotz Fahndungsaufrufen noch nicht gefasst
Trotz öffentlicher Fahndungen sei es bisher noch nicht gelungen, die Schuldigen zu ergreifen, so der Sprecher des LKA Sachsen, Kay Meier. Die Belohnung sei nun „ein weiterer Schritt, um alles zu versuchen, der Täter habhaft zu werden“. Sollten mehrere Privatpersonen mit Hinweisen zur Täterermittlung beitragen, werde der Betrag nach der Bedeutung der jeweiligen Informationen aufgeteilt.
Wer Informationen zu den Tätern oder Personen aus deren Umfeld hat, die mutmaßlichen Täter vor, während oder nach der Tat beobachtet hat oder im Besitz von Video- oder Bildaufnahmen ist, auf welchen die Tat oder Hinweise auf diese abgebildet sind, der kann sich unter der Telefonnummer an das Landeskriminalamt Sachsen wenden, oder an jede andere Polizeidienststelle.
Von Tobias Wagner
09.07.2021 LVZ
Auseinandersetzungen am Connewitzer Kreuz – Reden hilft: Connewitzer und Polizisten im Online-Gespräch über Silvester 2019
In der Reihe „Polizei – Staat – Zivilgesellschaft“ beschäftigen sich drei Vorstandsmitglieder des SPD-Ortvereins Leipzig-Süd und ihre Gäste mit den Ausschreitungen Silvester 2019 am Connewitzer Kreuz. Ihnen geht es darum, wie eine Eskalation der Gewalt künftig vermieden werden kann. Diesmal waren zwei Polizisten eingeladen.
Leipzig. „Mit Bullen redet man nicht“ – ein Satz, der als ungeschriebenes Gesetz wie auch als Forderung in Leipzig-Connewitz nicht nur aus der linksautonomen Szene kommt. Er fällt auch in gemäßigteren Kreisen, vor allem von denen, die die Silvesternacht 2019 am Connewitzer Kreuz erlebt haben. Sie steht noch immer als unrühmliches Beispiel für Eskalation zwischen Polizei und Bevölkerung, und um sie geht es auch in der Online-Gesprächsreihe „Polizei – Staat – Zivilgesellschaft“ vom SPD-Ortsverein Süd. In der letzten Folge tauschten sich am Donnerstagabend zwei Vorstandsmitglieder mit zwei Repräsentanten der Polizei aus.
Am Ende der gut 60 Minuten ist klar: Es kann ziemlich produktiv sein, mit „Bullen“ zu reden – unter Einbeziehung der alten Erkenntnis, dass der Ton die Musik macht. Nadine Berger und Marco Rietzschel, beide Augenzeugen der Krawallnacht und des teilweise heftigen Durchgreifens der Einsatzkräfte, möchten zusammen mit Mitstreiterin Catrice Toporski einen Dialog voranzutreiben, um Verhärtungen zu lockern. Polizeisprecher Olaf Hoppe und Robert Conrad von der Bereitschaftspolizei signalisierten ebenfalls, dass ausschließlich das Miteinander-Reden Aussicht auf Änderung bietet.
Conrad erzählt von der Herausforderung, bei Großdemonstrationen den Druck von beiden Seiten abzubekommen – vom Veranstalter wie dem Gegner. „Anfeindungen und Sprüche wie ,Na, du Arschloch’ gilt es auszuhalten“, sagt er und betont, dass das in seinem Zug funktioniere. Dieses „Ich kann nur für mich sprechen“, auf das sich Hoppe ebenfalls bezieht, beinhaltet natürlich auch: Eine Garantie für kollektive Selbstbeherrschung kann es nicht geben – weder bei Polizistinnen und Polizisten mit kurzer Zündschnur noch bei Connewitzerinnen und Connewitzern oder Besucherinnen und Besuchern am Kreuz, die schon mit klarer Konfrontationshaltung am Kreuz stehen.
Auf die Frage, wie es generell zur verhärteten Ablehnung gegenüber Uniformierten kommen konnte, antwortet Hoppe: „Negative Erlebnisse mit der Polizei bleiben eher haften als positive.“ Auch beim Reden über das Erscheinungsbild zeigt sich ein schwer zu lösendes Dilemma: Helm und martialisch wirkende Montur der Bereitschaftspolizei erhöhen die Antipathie, sind für Hoppe und Conrad jedoch unverzichtbar, um vor Angriffen besser geschützt zu sein.
Polizeisprecher Hoppe: „Es gibt keine guten Straftaten“
Berger und Conrad kennen sich bereits durch das von der LVZ initiierte Streitgespräch vom September 2020. Erneut appelliert die Connewitzerin an mehr Besonnenheit bei den Einsatzkräften. Sprecher Hoppe wiederum wünscht sich von der Bevölkerung, sich von Krawallmachern zu distanzieren, die Steine werfen und die Aggression schüren. „Es muss eine Ächtung in der Gesellschaft stattfinden – denn es gibt keine guten Straftaten.“ Kommt die Sprache auf die oft geäußerte Einschätzung, die Polizei greife auf Demos von links härter durch als beispielsweise bei den so genannten „Querdenkern“, drückt sich der Polizeisprecher um eine klare Antwort. Jede Demo stehe für sich, sagt er.
Fazit des Abends: Veränderungen sind möglich, wenn nicht nur das Verhalten der anderen Seite kritisch reflektiert wird, sondern auch das eigene. Dabei hilft der Dialog. Das nächste Gespräch der Reihe übrigens soll im Herbst in größerem Rahmen stattfinden, analog und mit mehreren Beteiligten.
Von Mark Daniel
12.04.2021 LVZ
Mehr als 16 Monate nach den Silvester-Ausschreitungen in Connewitz hatte die Soko Linx seit Freitag nach einem Mann gefahndet, der einen Polizisten angegriffen haben soll. Nach Angaben des Landeskriminalamtes habe der Gesuchte den Beamten gegen 0.20 Uhr in den Rücken getreten. Eine politische Motivation könne nicht ausgeschlossen werden. Am Montag teilte die Behörde mit, dass sich der Verdächtige gemeldet habe.
Tom Bernhardt, Sprecher des Landeskriminalamtes, sagte LVZ.de, dass der Fahndung Hinweise und Videoaufnahmen zugrunde lagen. Eine konkrete Verletzung sei dem Angriff derzeit nicht zuzuordnen. „Eine Straftat bleibt es aber“, so Bernhardt.
Dass die Fahndung erst mehr als ein Jahr nach den Vorkommnissen in der Silvesternacht 2019/20 ausgeschrieben wird, sei wegen der unübersichtlichen Lage nicht ungewöhnlich. Zeugenaussagen, Vernehmungen und die Auswertung vieler Videoaufnahmen könnten neue Rückschlüsse bringen und Verfahren nach sich ziehen.
Polizei verteidigt späte Fahndung
Die Öffentlichkeit trotz des langen zeitlichen Abstands zu den Ereignissen um Hilfe zu bitten, verteidigte Bernhardt: „Wir sind verpflichtet, alles zu machen, um eine Aufklärung des Vorfalls herbeizuführen.“ Das gelte auch für Fälle, bei denen die Hoffnung auf sachdienliche Hinweise geringer ist.
Linke und Polizei in der Kritik
Die Krawalle zum Jahreswechsel 2019/20 hatten bundesweit für Schlagzeilen gesorgt und eine Linksextremismus-Debatte ausgelöst. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Einsatzkräften und mutmaßlichen Linksautonomen war unter anderem ein Polizist am Ohr verletzt und noch in der selben Nacht operiert worden. Um diesen Fall handelt es sich bei der aktuellen Fahndung nicht.
Neben der linken Szene in Connewitz geriet auch die Polizei nach den Vorfällen in die Kritik. Dabei ging es nicht nur um das Einsatzverhalten in der Nacht, sondern auch um unpräzise Mitteilungen, mit denen die Beamten die Öffentlichkeit im Nachgang über die Vorkommnisse informiert hatten.
05.02.2021 LVZ
Leipzigs neuer Polizeipräsident im Amt: Was Kritiker der Sicherheitskräfte von ihm halten
Seit Montag steht René Demmler an der Spitze der Leipziger Polizei. Politiker, die die Arbeit der Sicherheitskräfte in der Messestadt kritisch begleiten, äußerten sich positiv bis abwartend zu der Personalie. Auch wie es in Connewitz weitergeht, beschäftigt sie dabei.
Seit Montag ist René Demmler (49) Leipzigs neuer Polizeipräsident. Bei denen in der Messestadt, die das Handeln der Polizei kritisch betrachten, sind die Meinungen zum neuen Mann auf dem Chefposten positiv bis abwartend. „Nach dem, was er bisher geäußert hat, habe ich eine positive Erwartung“, sagt Juliane Nagel (Linke). „Ich nehme ihm ab, dass er nicht vorverurteilen will und bereit für gute Kommunikation ist.“ Die Beibehaltung des Polizeipostens in Connewitz hält die Landtagsabgeordnete zwar für weniger nötig als in anderen Stadtteilen, „aber dieser Punkt gehört momentan nicht zu den wichtigsten, über die geredet werden muss.“
Jürgen Kasek (Grüne) äußert Skepsis. „Herr Demmler kennt die hiesige Gemengelage nicht so gut wie andere. Das kann natürlich ein Vorteil sein“, sagt er. Kasek hätte es lieber gesehen, wenn jemand aus dem Leipziger Führungspersonal den Job bekommen hätte. Er hofft, dass der Neue es schafft, für ein gutes Miteinander in der Stadt- und Zivilgesellschaft zu sorgen.
Irena Rudolph-Kokot betont für das Bündnis „Leipzig nimmt Platz“: „Wir sind definitiv offen und gesprächsbereit. Die Bereitschaft für Deeskalation begrüßen wir sehr“, so die SPD-Politikerin. Sie hofft, dass der polizeiliche Fokus nicht auf Connewitz verengt wird.
Demmler kündigt Vorgehen gegen jeglichen Extremismus an
In einem Interview mit der LVZ hatte Demmler am Donnerstag ein konsequentes Vorgehen gegen jede Form von Extremismus angekündigt. „Da sind wir angehalten, mit unserer ganzen Kraft entgegenzuwirken“, sagte der Polizeipräsident in dem Gespräch. Extremismus ziele ins Herz des Gemeinwesens.
Zugleich warnte er gegenüber der LVZ vor Pauschalisierungen. Der Stadtteil Connewitz, wo es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Ausschreitungen und teilweise massiven Angriffen auf die Polizei gekommen war, sei nicht mit Linksextremismus gleichzusetzen. Den gebe es dort ohne Zweifel auch. Doch der überwiegende Teil der Bevölkerung sei allenfalls „bunter und teilweise alternativer, aber durchaus friedlich“, betonte Demmler.
Polizei soll weiter mit einer Dienststelle in Connewitz vor Ort sein
Aus diesem Grund werde die Leipziger Polizei auch fortsetzen, was in der Amtszeit des bisherigen Polizeichefs Torsten Schultze (56) – dieser war auf eigenen Wunsch zurückgetreten – begonnen wurde: Auf Initiative des Reviers Leipzig-Südost hatte die Polizei im August 2020 erstmals zu persönlichen Sprechstunden auf neutralem Boden eingeladen. „Wir versuchen weiterhin, im Stadtteil miteinander ins Gespräch zu kommen“, kündigte Demmler im Gespräch mit der LVZ an. Er habe es auch immer unterstützt, das Agieren der Einsatzkräfte, etwa bei Demonstrationen, zu erklären. Es gehe darum, transparent zu sein.
So hatte es aus der linken Szene immer wieder Forderungen gegeben, die Polizeipräsenz in Connewitz zurückzufahren und die dortige Außenstelle des Reviers zu schließen. „Ich sehe keinen Grund, in Connewitz nicht mit einer Polizeidienststelle vor Ort zu sein“, stellte der neue Behördenleiter klar. „Sie wird bleiben.“ In dem Stadtteil gebe es schließlich auch allgemeine Kriminalität. Um all diese Aufgaben bewältigen zu können, ist aus Sicht des Polizeichefs noch mehr Personal nötig. „Ich hoffe, dass der eingeschlagene Weg, die Polizei personell gut auszustatten, erfolgreich fortgesetzt wird“, erklärte er.
Von Mark Daniel und Frank Döring
04.02.2021 LVZ
Leipzigs neuer Polizeichef zu Connewitz: „Eine No-go-Area gibt es nicht“
Seit Montag ist er im Amt: Leipzigs neuer Polizeipräsident bezeichnet seinen neuen Job als riesige Herausforderung. Im LVZ-Interview spricht René Demmler über aktuelle Schwerpunkte, die Zukunft des Polizeipostens in Connewitz und die Drogenprobleme am Hauptbahnhof.
Am Montag hatte er seinen ersten Arbeitstag als neuer Polizeipräsident. Der riesige Behördensitz in der Dimitroffstraße mit seinen unzähligen Treppen, Fluren und Türen ist noch ungewohnt. Inhaltlich ist René Demmler (49) aber schon mittendrin, nachdem sein Vorgänger Torsten Schultze (56) auf eigenen Wunsch zurückgetreten war. Die LVZ hatte die Gelegenheit für ein erstes Interview mit dem neuen Mann an der Spitze der Leipziger Polizeidirektion.
Sie waren bei der Polizei in Dresden und Zwickau sowie im Innenministerium. Was bedeutet die neue Tätigkeit in Leipzig für Sie?
Vor allem sehe ich darin eine riesige Herausforderung. Leipzig ist die Stadt mit dem höchsten Kriminalitätsaufkommen in Sachsen. Und wir haben hier mit rund 3000 Kollegen auch die größte Polizeidirektion. Es gibt sehr viele Aufgaben hier, die es zu bewältigen gilt.
Welche Schwerpunkte sehen Sie?
Die außerordentlich hohe Kriminalität hatte ich schon genannt. Wir haben insbesondere einen Schwerpunkt im Bereich der Drogenkriminalität. Und es ereignen sich in der Stadt immer wieder Straftaten mit offensichtlich extremistischem Hintergrund. Hinzu kommt eine Vielzahl von Einsätzen aufgrund von Versammlungen, von denen ein Teil auch durch die Konfrontation von Demonstranten und Gegendemonstranten geprägt ist.
Zuletzt geriet die Polizei gerade im Nachgang solcher Großeinsätze massiv in die Schusslinie, etwa in der Silvesternacht 2019 oder bei der Querdenken-Versammlung am 7. November 2020. Mit welcher Strategie wollen Sie derart brisante Aufgaben künftig bewältigen?
Zunächst bleibt Deeskalation für uns eine Selbstverständlichkeit bei solchen Einsätzen. Es kommt aber immer darauf an, wann eine Grenze des nicht mehr Erduldbaren überschritten wird und wir als Polizei in der Pflicht sind, zu handeln. Ein Polizeiführer hat einen Ermessensspielraum, aber dieser bewegt sich im rechtlichen Rahmen.
Wurden da in der Vergangenheit in Leipzig Fehler gemacht?
Mir liegt es fern, vergangene Einsatzlagen zu analysieren. Es ist meiner Meinung eine Tatsache, dass hinsichtlich der genannten Einsätze in der öffentlichen Wahrnehmung und auch in der Wahrnehmung von uns Polizisten nicht alles optimal gelaufen ist. Aber mir fehlt die Detailkenntnis, um konkret sagen zu können, was man vielleicht hätte anders machen können. Es gibt keine Patentrezepte, Einsätze lassen sich nicht schablonenhaft abspulen. Wichtig finde ich, dass die Kommunikation gut ist. Ich habe es immer unterstützt, dass wir über Social Media unser Handeln erklären, um eine gewisse Transparenz herzustellen. Wir wollen nicht unberechenbar sein.
Seit Jahren in der Diskussion ist auch das Vorgehen der Polizei im Stadtteil Connewitz. Rückzugsort für Linksextremisten oder ganz normales Viertel – was meinen Sie?
Ich finde es nicht gut, wenn Connewitz mit Linksextremismus gleichgesetzt wird. Ich glaube, dass in diesem Stadtteil der übergroße Teil der Bevölkerung vielleicht bunter und teilweise alternativer ist als anderswo, aber durchaus friedlich. Damit haben wir als Polizei kein Problem. Es ist aber unwidersprochen, dass es dort auch Linksextremismus gibt. Dem gilt unser besonderes Augenmerk.
Was wollen Sie konkret unternehmen?
Mit Sicherheit werden wir in Connewitz das fortsetzen, was auf Initiative des zuständigen Reviers begonnen wurde: Wir versuchen weiterhin, im Stadtteil miteinander ins Gespräch zu kommen. Ich erachte Kommunikation als ganz wichtig und bin an einem echten Meinungsaustausch interessiert. Da bin ich auch gern bereit, selbst in die Bütt zu gehen. Aber Kommunikation bedeutet nicht, dass wir von außerhalb gesagt bekommen, was wir tun sollen.
Ein Ratschlag aus der linken Szene ist ja, die Polizei möge sich am besten aus Connewitz raushalten.
Eine No-go-Area gibt es nicht. Die Polizei ist ein ganz wichtiges Element unseres Rechtsstaates und wird gebraucht – auch in Connewitz. Dort gibt es auch allgemeine Kriminalität ohne politischen Hintergrund, da sind wir in der Pflicht. Ich gehe davon aus, dass eine Vielzahl der Connewitzer gegenüber der polizeilichen Tätigkeit keine großen Ressentiments hat. Es geht uns nicht darum, zu provozieren oder in ganz neuer Form Stärke zu zeigen. Klar ist aber: Die Bürger in Connewitz haben den gleichen Anspruch wie jeder andere, dass für Sicherheit und Ordnung gesorgt wird.
Heißt das auch, dass die schon mehrfach attackierte Polizeidienststelle in der Wiedebachpassage bleiben soll?
Ich sehe keine Grund, in Connewitz nicht mit einer Polizeidienststelle vor Ort zu sein. Sie wird bleiben.
Für wie groß halten Sie das Extremismusproblem im Bereich der Polizeidirektion?
Neben dem Linksextremismus haben wir es auch mit einer rechtsextremen Szene zu tun. In der Stadt Leipzig ist diese vielleicht nicht ganz so offenkundig, aber im Umland sieht schon ganz anders aus. Extremismus in jeglicher Form erschüttert die Grundfesten der Bundesrepublik, zielt ins Herz des Gemeinwesens. Derartige Straftaten stellen infrage, was die Mehrheit unserer Menschen als Lebensentwurf bejaht. Da sind wir angehalten, mit unserer ganzen Kraft entgegenzuwirken, mit Einsatz- und Ermittlungsmaßnahmen.
Seit Jahren ein Problem ist auch die Drogenszene, vor allem im Umfeld des Hauptbahnhofes. Die Polizei wirkt hier sehr bemüht, aber auch ein wenig machtlos. Was ist zu tun?
Es ist traurig, dass wir eine offene Drogenanbieterszene haben. Wir brauchen viel Atem, um dagegen erfolgreich vorzugehen, ebenso wie beispielsweise im Bereich der Eisenbahnstraße. Schwerpunkteinsätze allein genügen da nicht. Es geht auch darum, dort über Ermittlungen beweissicher ranzukommen, damit jemand für seine Verbrechen auch hinter Gitter kommt.
Aber?
Das ist gerade in diesem Bereich nicht ganz so einfach. Akut ist ein Problem dann, wenn zu viel Kriminalität auf zu kleinem Raum stattfindet. Genau das haben wir im Umfeld des Hauptbahnhofes. Ein Ziel wäre, mit Strafverfolgung zumindest eine Verdrängung zu erzielen. Aber es ist auch ein gesellschaftliches Problem: Es gibt ohne Zweifel eine Nachfrage seitens der Betäubungsmittelkonsumenten und ich glaube, diese Nachfrage wird konstant bleiben.
Wären womöglich gemeinsame Anstrengungen mit der Stadtverwaltung ein möglicher Ausweg?
Gemeinsame Prävention ist wichtig, das wird ja beispielsweise in der Stadt Leipzig auch schon gemacht. Aber das allein wird eine solche Anbieterszene auch nicht verschwinden lassen. Grundsätzlich halte ich aber die Zusammenarbeit mit der Stadt Leipzig, aber auch mit unseren kommunalen Partnern im Landbereich für essentiell, beispielsweise auch bei Versammlungslagen. Unsere Reviere sind da ebenfalls in der Pflicht, mit den lokalen Verantwortungsträgern zusammenzuarbeiten, es sollen sich nicht nur die Spitzen miteinander unterhalten
Wird es Veränderungen innerhalb der Polizeidirektion geben?
Eine grundsätzliche Strukturänderung innerhalb der Polizeidirektion ist aus meiner Sicht nicht erforderlich. Im Sinne der Belegschaft ist ein gewisses Maß an Kontinuität wichtig.
Gibt es neue Planungen für Außenstellen?
Für Präsenz ist nicht immer nur die Anzahl der Standorte ausschlaggebend. Das ist ja auch immer eine Frage des Personals. Generell ist aus meiner Sicht für eine sehr gute Polizeiarbeit ein weiterer Zuwachs an Personal notwendig, nicht nur in Leipzig sondern bei der gesamten sächsischen Polizei. Eine zu geringe Personalausstattung ist ein riesengroßer Motivationsverbrenner.
Inwiefern?
Da besteht die Gefahr, dass wir Einbußen in Quantität und Qualität hinnehmen müssen, Kollegen in den Zustand der Überforderung kommen. Ich hoffe, dass der eingeschlagene Weg, die Polizei personell gut auszustatten, erfolgreich fortgesetzt wird. Uns geht es immer darum, gewährleisten zu können, was der Bürger von der Polizei erwarten kann.
Von Frank Döring
26.01.2021 LVZ
Polizeipräsident Torsten Schultze wirft in Leipzig hin und geht nach Dresden
Leipzig bekommt nach knapp zwei Jahren einen neuen Polizeipräsidenten. Torsten Schultze wechselt ins Innenministerium. Sein Nachfolger steht auch schon fest. Die Gründe für die Veränderung sind vielfältig.
Polizeipräsident Torsten Schultze gibt seinen Job in Leipzig auf und wechselt zum 1. Februar ins Innenministerium nach Dresden. Dort übernimmt der 56-Jährige das für Organisation und Controlling zuständige Referat 32. Die Versetzung Schultzes sei auf dessen eigenen Wunsch hin erfolgt, teilte das Innenministerium offiziell am Dienstag mit. Insider berichten aber auch, dass Schultze nach einer Liste von Vorfällen quasi „weggelobt“ worden sei. Er gilt vielen seiner Kollegen als Theoretiker statt als ein Mann der Praxis. Nach zwei Jahren auf Probe in Leipzig gibt er nun wenige Tage vor Ablauf dieser Frist sein Amt auf und wechselt auf eine geringer dotierte Stelle. Offenbar hat Schultze auch das Vertrauen in seine eigene Führungsmannschaft verloren.
Vertrauter vom Landespolizeipräsidenten
Neuer Chef der Leipziger Polizeidirektion (PD) wird René Demmler. Der 49-Jährige war bisher Leiter der PD in Zwickau. Demmler gilt als Vertrauter von Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar. Beide arbeiteten bereits in Dresden zusammen. Dort war Demmler Leiter des Führungsstabes. Außerdem leitete Demmler ebenfalls das Referat 32 im Innenministerium, genau die Stelle, die jetzt Schultze übernimmt.
In Leipzig freilich dürfte diese Personalie kritisch betrachtet werden. Erneut ist keine Führungskraft aus dem eigenen Hause bedacht, sondern aus der Landeshauptstadt installiert worden.
Den Ringtausch perfekt macht Lutz Rodig (57). Er war bisher im Innenministerium für das Referat Kriminalitätsbekämpfung zuständig und geht nun für Demmler nach Zwickau.
„Ich respektiere die persönliche Entscheidung von Torsten Schultze, der um eine andere Verwendung bat, und danke ihm für sein Engagement in den vergangenen beiden Jahren. Mit René Demmler übernimmt ein erfahrener Einsatzstratege die Polizeidirektion in der Messemetropole“, sagte Innenminister Roland Wöller (CDU).
Führungsstil und Einsatztaktik
Schultzes knapp zweijährige Amtszeit war stets von einer öffentlichen Diskussion um seinen Führungsstil und seine Einsatztaktik begleitet. Dazu erschütterte ein Skandal um den angeblich illegalen Verkauf von Fahrrädern durch Polizisten seine Behörde.
Heftige Kritik musste er, noch kein Jahr im Amt, für das Vorgehen und die anschließende Kommunikation der Polizei zu Silvester 2019 am Connewitzer Kreuz in Leipzig einstecken. Bei Ausschreitungen waren damals Beamte angegriffen worden. Ein Polizist musste später verletzt im Krankenhaus operiert werden. Die Pressestelle der Polizei sprach anschließend von einer Not-OP, musste das aber später berichtigen, weil keine lebensgefährliche Verletzung vorlag. Schultze geriet zudem wegen des harten Vorgehens seiner Einsatzkräfte in die Kritik.
Schultze reagierte im Nachgang und stellte seine Öffentlichkeitsarbeit mit den erfahrenen Sprechern Silvaine Reiche und Olaf Hoppe neu auf.
Ende Januar 2020 dann genau das Gegenteil: Bei einer Demonstration gegen das Verbot der Internet-Plattform „Linksunten.Indymedia“ geriet die Lage in der Südvorstadt außer Kontrolle. Steine und Pyrotechnik flogen über die Karl-Liebknecht-Straße. Vermummte griffen außerdem mehrere Fahrzeuge der Polizei an. Auch Außenstehende und Journalisten wurden Opfer der Gewalt. Die Polizei reagierte an diesem Tag auffällig zurückhaltend und griff erst spät ein. Auch diese im Vergleich zu Silvester entgegengesetzte Taktik wurde Schultze von Kritikern vorgehalten.
Fahrradgate in Leipzig
Mitte Juni wurde bekannt, dass zwischen 2014 und 2019 Beamte aus Leipzig Fahrräder aus der Asservatenkammer illegal verkauft haben sollen. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden ermittelt in drei Verfahren gegen insgesamt 120 Beschuldigte. Bei 76 von ihnen handelt es sich um noch aktive oder ehemalige Polizisten, wie die Behörde mitteilte. Schultze räumte später ein, dass er „zutiefst enttäuscht sei über die Vorgänge, die sich in meiner Dienststelle abgespielt haben“. Der Vertrauensverlust in die Polizei sei gewaltig. Die Vorwürfe fallen allerdings größtenteils in die Amtszeit seines Vorgängers Bernd Merbitz. Diskutiert wurde aber, wann Innenminister Wöller über die Vorfälle informiert war. Obwohl die Staatsanwaltschaft bereits im Juli 2019 eingeschaltet wurde, soll das Ministerium erst Ende Dezember durch ein Schreiben informiert worden sein. In die Öffentlichkeit gelangte der Fall schließlich im Juni 2020 durch Recherchen der Dresdner Morgenpost. Der später eingesetzte Chefermittler Klaus Fleischmann sah allerdings keine Anzeichen für ein kriminelles Netzwerk.
Kritik nach „Querdenken“-Demo
Und noch einmal stand Schultze im medialen Fokus. Deutschlandweit sorgte am 7. November die „Querdenken“-Demonstration in Leipzig mit mehr als 30.000 Teilnehmern für Aufsehen. Nach tagelangem juristischen Tauziehen erlaubte das Oberverwaltungsgericht in Bautzen schließlich wenige Stunden vor dem Beginn eine stationäre Kundgebung. Die Teilnehmer drängten aber auf einen Marsch um den Leipziger Innenstadtring und schafften das am Ende auch. Polizeikräfte wurden dabei in Höhe des Wintergartenhochhauses angegriffen und teilweise überrannt.
„Es entstand ein sehr großer Druck auf unsere Polizeikräfte, den wir nur durch den Einsatz von unmittelbaren Zwang, also körperliche Gewalt, hätten halten können“, erklärte Schultze damals. Das wäre nicht verhältnismäßig gewesen. Deshalb sei auch tausenden Teilnehmern, die die Polizeisperre teilweise überrannten, am Ende der Zug um den Innenstadtring ermöglicht worden. „Man bekämpft keine Pandemie mit polizeilichen Mitteln, sondern nur mit der Vernunft der Menschen“, so der Polizeipräsident. Laut Corona-Schutzverordnung war dieser Marsch aber untersagt. Erschwerend kam hinzu, dass ein Großteil der Teilnehmer keine Maske trug.
Lage im Führungszentrum
Neben Einsatzleiter Frank Gurke befanden sich auch Schultze sowie Innenminister Wöller und Landespolizeipräsident Kretzschmar im Führungsstab der Leipziger Polizei. Sie machten sich dort selbst ein Bild von der Lage. „Man konnte den Polizeiführer nicht spüren“, heißt es intern über jenen Tag mit Blick auf die prominente Beobachterriege. Gurke habe kaum eine Möglichkeit gehabt, seine Kompetenzen auszuspielen.
Von Matthias Roth/Andreas Debski
30.12.2020
Wasserwerfer stehen bereit – Leipziger Polizei stockt Einsatzkräfte und Technik für Silvester auf
Die Leipziger Polizei wird in der anstehenden Silvesternacht ihren Streifendienst verstärken und dafür mehr Personal im Einsatz haben. Neben Beamten der Bereitschaftspolizei und der Bundespolizei werde auch die Aufrufhundertschaft der Polizeidirektion Leipzig aktiviert, kündigte am Mittwoch Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze an. Diese Einsatzkräfte würden den Streifendienst im Stadtgebiet und in den Landkreisen personell unterstützen.
Festgestellte Verstöße gegen die sächsische Corona-Schutzverordnung würden konsequent gehandelt, insbesondere die ausgesprochenen Böllerverbote in der Innenstadt, am Connewitzer Kreuz und am Lindenauer Markt. Auch „Menschenansammlungen im Stadtgebiet von Leipzig sowie das Veranstalten und Teilnehmen an nicht angezeigten Versammlungen in der Stadt sollen frühzeitig vermieden werden“, so Schultze. „Die Durchsetzung entsprechender Verbote erfolgt entschlossen.“ Notwendige Kontrollen würden „punktuell und an Schwerpunkten“ durchgeführt.
Die Aufrufe in verschiedenen sozialen Netzwerken, sich in der Silvesternacht an bestimmten Plätzen zu treffen und den Unmut zu verschiedensten Themen zum Ausdruck zu bringen, seien der Polizei bekannt. „Zur transparenten Darstellung von polizeilichen Maßnahmen werden Lautsprecherkraftwagen im Einsatz sein“, so Schultze. Es stünden auch Fahrzeuge zur Ausleuchtung, Wasserwerfer und Hamburger Gitter bereit.
Von Andreas Tappert
28.12.2020 LVZ
Ein Jahr danach – 33 Ermittlungsverfahren nach Silvesterkrawallen in Leipzig-Connewitz
Ein Jahr ist es her, als es in der Silvesternacht am Connewitzer Kreuz zu erheblichen Ausschreitungen kam. In vielen Fällen dauern die Ermittlungen noch immer an, zumal einige Tatverdächtige nach wie vor unbekannt sind.
Mitte Dezember tauchte auf dem linken Szeneportal Indymedia ein Text auf, der für die kommende Silvesternacht nichts Gutes ahnen lässt. „Aufstand statt Ausgangssperre“, heißt es da. „Wir lassen uns an Silvester den Aufstand nicht wegnehmen. Es gibt viele Möglichkeiten es knallen zu lassen auch ohne neue Böllerkäufe.“ Dabei ist in diesem Corona-Jahr noch immer die juristische Aufarbeitung der Connewitzer Silvesterkrawalle vor zwölf Monaten in vollem Gange. Allein wegen Angriffen gegen Einsatzkräfte zum Jahreswechsel in diesem Stadtteil seien insgesamt 33 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, teilte Staatsanwältin Jana Friedrich auf Anfrage der LVZ mit. In 19 Fällen wurde mittlerweile Anklage erhoben.
Vier Urteile sind bereits an den Leipziger Gerichten ergangen: Noch im Januar war ein 27-jähriger Straßenkünstler in einem beschleunigten Verfahren zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe sowie zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Der Mann hatte zugegeben, einem Beamten der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE), der am Connewitzer Kreuz zu einem Einsatz rannte, ein Bein gestellt und ihn damit verletzt zu haben.
Im Juni wurde ein 29-jähriger Leipziger am Amtsgericht wegen tätlichen Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie Beleidigung und Bedrohung zu einem Jahr und zwei Monaten Haft verurteilt.
Laut Anklage soll er während der massiven Ausschreitungen am Connewitzer Kreuz versucht haben, einen BFE-Beamten zu treten, der mit Kollegen einen Tatverdächtigen abführte. Kurz zuvor war ein Polizist von mehreren Unbekannten angegriffen worden und bewusstlos auf der Straße liegen geblieben. Im Zuge des Polizeieinsatzes soll der 29-Jährige beiseite geschoben oder geschubst worden sein. Daraufhin trat er nach Erkenntnissen der Ermittler in Richtung eines Beamten, verfehlte diesen aber. Vorgeworfen wurden ihm zudem massive Drohungen gegen Polizisten und deren Familien. Mitte Dezember entschied das Landgericht als Berufungsinstanz: Der vorbestrafte Mann muss neun Monate hinter Gitter. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.
Kein Tatverdacht
Zudem verhängte ein Jugendrichter des Amtsgerichts im Oktober eine Arbeitsauflage gegen einen Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, tätlichen Angriffs auf sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Wegen Beleidigung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gab es in einem weiteren Verfahren im September außerdem per Strafbefehl eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen.
Drei Verfahren stellte die Staatsanwaltschaft inzwischen ein. „Hier konnte der für die Erhebung der öffentlichen Klage erforderliche hinreichende Tatverdacht nicht begründet werden“, begründete die Behördensprecherin diesen Schritt. In einem Verfahren dauern die Ermittlungen hingegen weiter an. Auch fünf der insgesamt zehn Verfahren gegen Unbekannt sind inzwischen eingestellt worden, da kein Tatverdächtiger ermittelt werden konnte. „In fünf Verfahren sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen“, so Friedrich.
Versuchter Mord
Ein Schwerpunkt dieser noch ausstehenden juristischen Aufarbeitung ist nach wie vor das Verfahren wegen versuchten Mordes an einem Polizisten. Nach Schilderung der Behörden war in der Silversternacht am Connewitzer Kreuz ein 38-jähriger Beamter massiv attackiert und erheblich verletzt worden, musste im Januar etwa drei Wochen krank geschrieben werden. Weitere Fälle drehen sich unter anderem um Landfriedensbruch in einem besonders schweren Fall, tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte sowie Körperverletzung.
Ebenfalls noch anhängig ist ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Polizeibeamte wegen des Tatvorwurfs der Körperverletzung im Amt. Ursprünglich waren nach dem Silvestereinsatz in Connewitz drei derartige Verfahren gegen Polizisten eingeleitet worden – zwei aufgrund von Strafanzeigen, eines von Amts wegen. In zwei Fällen gab es Verfahrenseinstellungen. „Im Ergebnis der Ermittlungen konnten Täter nicht bekannt gemacht werden“, berichtete Staatsanwältin Friedrich.
Von Frank Döring
Polizist und Connewitzerin im Gespräch: „Hätten wir die Feuer brennen lassen sollen?“
11.09.2020 LVZ
Die Silvester-Nacht ins Jahr 2020 war von Gewalt überschattet. Nun trafen sich eine Connewitzerin und ein Bereitschaftspolizist zum von der LVZ organisierten Gespräch – ausgerechnet wenige Stunden vor den Ausschreitungen wegen der Räumung eines besetzten Hauses im Leipziger Osten.
Leipzig. Sie hat Silvester am Kreuz erlebt, er hat Silvester am Kreuz erlebt. Sie ist Connewitzerin, er Bereitschaftspolizist. Im LVZ-Streitgespräch reflektieren die Psychotherapeutin Nadine Berger (45) und Robert Conrad (33) ihre unterschiedlichen Sichten auf die Ausschreitungen – zusammen mit Redakteur Mark Daniel, der die beiden an einen Tisch gebracht hat und als Berichterstatter ebenfalls in der Nacht am Kreuz war. Ausgerechnet am Donnerstag, den 3. September, Stunden vor den ersten Ausschreitungen wegen der Räumung des besetzten Hauses in der Ludwigstraße, fand das Treffen statt. Es geht auch um künftige Möglichkeiten der Deeskalation.
Welche Gedanken kommen Ihnen zuerst beim Thema „Letzte Silvesternacht am Connewitzer Kreuz“?
Robert Conrad: Als Erstes kommt mir mein verletzter Kollege in den Sinn. Ich stand am AOK-Gebäude an der Wolfgang-Heinze-Straße und habe deshalb nicht gesehen, was passiert ist. Dann haben wir mitbekommen, wie der Beamte von Kollegen gestützt werden musste und dessen Füße über dem Boden schleiften. Dieser Anblick war erschreckend. Kurz darauf wurden Steine geworfen und Farbbeutel, die Situation eskalierte. Bis zu diesem Ereignis habe ich den Einsatz als einen normalen empfunden, wir haben entspannt ohne Helm da gestanden.
Nadine Berger: Normal fand ich die Situation zu keiner Zeit. Schon am Nachmittag kreisten ungewöhnlich viele Hubschrauber über Connewitz, es fanden provozierend viele Personenkontrollen statt. Bei meinem Eintreffen am Kreuz gegen 0.20 Uhr – da war der verletzte Beamte schon fortgetragen worden – war die Stimmung unglaublich aufgeheizt, auch die Art des Polizei-Zugriffs war eine sehr aggressive. Mehrere Polizeigruppen sind in martialischer Haltung hin und her marschiert, das war völlig chaotisch. Ich habe gesehen, wie Beamte im Weg Stehende umgerissen haben. Einer gestürzten Frau wollten wir helfen, wurden jedoch daran gehindert. Wir waren alle konsterniert, hilflos und haben uns gefragt: Was ist hier nur los?
Conrad: Zu den Kontrollen kann ich leider nichts sagen, weil ich erst 19 Uhr vor Ort war. Als die Situation kurz nach Mitternacht kippte, ging es chaotisch zu, da gebe ich Ihnen Recht. An ein paar Stellen gab es kleine Feuer, also sind wir dort hin, haben gelöscht und sind wieder weg. Aber hätten wir die brennen lassen sollen?
Berger: Das kommt auf die Größe des Feuers an.
Conrad: Wenn es durch neues Material weiter gefüttert wird, ist es schwer zu sagen: Ab welchem Punkt sollen wir eingreifen? Es gab mehrere Brandherde.
Berger: Die Aktionen wirkten wegen der Größe des Trupps, der dort hingelaufen ist, oft unverhältnismäßig und deshalb bedrohlich.
Conrad: Die Order hieß: Wir löschen das Feuer in Zugstärke. Natürlich wirken Uniformen mit Körperschutzausrüstung anders als bei Streifenpolizisten. Das ist aber für die Sicherheit der Beamten notwendig. Zumal wir davor schon mit Steinen und Farbbeuteln beworfen wurden. Zum Umrennen: Wir bekamen beispielsweise den Funkspruch, dass der Polizeiposten in der Wiedebachpassage angegriffen wird. Wenn wir dann die Heinze-Straße entlangrennen, fehlt mir das Verständnis dafür, dass Menschen abseits vom Bürgersteig im Weg stehen bleiben. Wenn dabei im Weg Stehende umgestoßen wurden, ist das natürlich nicht in Ordnung, geschieht aber nicht mutwillig. Ich fand es allerdings auch sehr verantwortungslos, dass kleine Kinder zum Beispiel auf der Auerbachstraße teilweise allein herumrannten, auch in dieser schwierigen Stimmung.
Berger: Silvester am Kreuz ist ja auch in erster Linie ein Ort zum Feiern für die bunt gemischte Stadtteil-Bevölkerung und kein Ort der Auseinandersetzung. Ich fürchte, für die Polizei hat sich das Bild festgesetzt: In Connewitz ist der Bürger eine potenzielle Gefahr. Das halte ich für nicht angemessen, und ich glaube nicht, dass Sie am Augustusplatz genauso reagieren würden wie am Kreuz.
Conrad: Ich habe eine durchaus differenzierte Sicht auf Connewitz. Ich kenne dort auch privat viele, kenne das Connewitzer Straßenfest und die Kaffeetütenmodenschau. Mir ist bewusst, dass es hier um eine geringe Menge von Gewaltbereiten geht, die darauf warten, Steine oder Flaschen schmeißen zu können.
Sie wurden am Kreuz beworfen, beschimpft und beleidigt. Wie geht man als Polizeibeamter mit dieser Stresssituation um?
Conrad: Ich habe gelernt, Beschimpfungen nicht zu ernst zu nehmen. Sicher kann es sein, dass berufsunerfahrene Kollegen das anders sehen. Da spielt Adrenalin eine Rolle, und ich versuche zu beschwichtigen. Klar ist: Bei körperlichen Angriffen wie Flaschenwürfen habe ich als Gruppenführer die Verantwortung für meine Leute und die Bevölkerung, das müssen wir unterbinden. Aber auch Beleidigungen, die die Würde eines Menschen verletzen, müssen verfolgt werden.
Frau Berger, wie beurteilen Sie das Verhalten derjenigen, die es auf Krawall anlegen?
Berger: Es macht mich wütend. Ich habe gesehen, wie ein paar Leute versucht haben, Gullideckel hochzusprengen. Auch die körperlichen Angriffe zum Beispiel mittels Raketen oder Böllern finde ich unglaublich ärgerlich. Dahinter stecken meiner Beobachtung nach aber häufig jugendliche Männer, die Connewitz als eine Art Ausflugsziel sehen, um Grenzen auszutesten. Dieses Verhalten führt zum Pauschal-Urteil, Connewitz sei ein Stadtteil voller Chaoten und Extremisten. Ich weiß, wie schwer es für die Polizei ist, in solchen Situationen deeskalierend zu agieren. Wenn sie aber die Gewaltspirale mit hochdreht und auch Nicht-Involvierte durch die Polizei zu Schaden kommen, dreht sich die Stimmung.
Conrad: Wenn sich ein Polizist aus Sicht des Betroffenen falsch verhält, kann sich dieser beschweren oder eine Anzeige aufgeben. Eine unabhängige Stelle wird die Situation beleuchten und feststellen, ob die Beschwerde oder Anzeige gerechtfertigt ist und gegebenenfalls weitere Schritte einleiten.
Berger: Das macht kaum jemand, weil erstens der Beamte kaum zu identifizieren ist und es zweitens keine unabhängige Beschwerdestelle gibt. Zudem droht eine Gegenanzeige. Ich glaube nicht, dass da etwas bei rauskommt. Und viele erstatten keine Anzeige, weil sie nicht wollen, dass die Polizei ihre Daten und sie damit auf dem Kieker hat.
Conrad: Pauschal zu sagen: „Die Polizei ist böse“, und dann keine Möglichkeit zur Beleuchtung der Situation zuzulassen, ist mir viel zu einfach. Ich begrüße eine unabhängige Beschwerdestelle außerhalb der Polizei sehr, weil sie uns von den Vorurteilen befreien könnte, dass wir diese Beschwerden nicht ernst nehmen. Viele wissen jedoch gar nicht, dass es eine zentrale Beschwerdestelle der Staatskanzlei gibt. Dort kann jeder Beschwerden einreichen, und jede wird ernst genommen. Es müssen Stellungnahmen geschrieben werden, hier und da kann ein Disziplinarverfahren daraus erwachsen. Da überlegt man sich als Polizist durchaus: Wie kann ich das nächste Mal anders oder besser handeln?
Durch Vermummung beziehungsweise Helme und Uniform ist der Mensch nicht erkennbar. Wie hoch ist dieser Faktor aus Ihrer Sicht, dass es zu Aggressionen kommt?
Conrad: Leider hoch, aber oft notwendig. Ein Beispiel: Bei einem Einsatz mit mehreren Personen in Connewitz wurden meine Kollegen und ich angepöbelt. Ich habe daraufhin meinen Helm abgenommen, um die Kommunikation zu verändern. Das hat auch geklappt, und wir sind freundlich auseinander gegangen. Doch als wir den Ort verließen, flogen aus einem Haus Flaschen in unsere Richtung. Ich hatte aufgrund des Gespräches keinen Helm auf, hätten die mich am Kopf getroffen, hätte das schlimm ausgehen können. Es ist also schwer, die Eigensicherung und die offene Kommunikation ohne Helm in Einklang zu bringen. Wir können ihn nicht erst dann aufsetzen, wenn es bereits verletzte Beamte gibt.
Aktuell wird viel über Polizeigewalt diskutiert, über Rassismus in Uniform. Haben Sie das Gefühl, sich für Ihren Job rechtfertigen zu müssen?
Conrad: Das Image hat gelitten, in Leipzig unter anderem wegen des sogenannten „Fahrradgate“. Das ärgert mich ja selbst, weil damit auch unsere tägliche gute Arbeit unter den Tisch fällt. Aber ich stehe zu meinem Beruf und übe ihn mit Überzeugung aus. Es gibt natürlich Milieus, in denen man das aus Vorsicht verschweigt – leider.
Frau Berger, diese Stigmatisierung kennen Sie doch auch – „Connewitz, das ist doch da, wo die Chaoten randalieren“?
Berger: Ja, definitiv. Der Blick ist eindimensional. Leider wird er oft von den Medien bestärkt. Das finde ich furchtbar, denn Connewitz ist vielfältig und lebenswert, und es erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Konflikte wieder eskalieren.
Haben Sie auch positive Erlebnisse mit der Polizei?
Berger: In der Silvesternacht haben ein Polizist und ich uns aus Versehen angerempelt und uns gegenseitig entschuldigt – und ich dachte: Krass, geht doch! An einem Abend haben Menschen wieder Pappe in einem Einkaufswagen angezündet. Einer schob noch eine Tonne in die Flammen. Die giftigen Dämpfe haben sich auf der ganzen Straße verbreitet, was mich sehr wütend gemacht hat. Obwohl ich die Denke hinter derartigen Aktionen – den Kiez für bestimmte Menschen unattraktiv zu gestalten – verstehen kann, finde ich, es muss andere Möglichkeiten geben. Die Polizei war in der Nähe, hat aber erstaunlicherweise nicht eingegriffen.
Conrad: Bei diesem Einsatz war ich dabei. Zusammen mit der Feuerwehr wurde entschieden, das Feuer runterbrennen zu lassen und nicht einzugreifen. Ich habe den Einkaufswagen dann nur später zur Seite geschoben.
Berger: Das fanden wir großartig!
Was kann generell die Bevölkerung gegen die Krawalle tun?
Berger: Ich habe gesehen, wie verschiedene Menschen versucht haben, bei Einzelnen, die immer wieder provoziert haben, die Luft rauszunehmen. Leider sind manche Menschen, noch dazu unter Alkoholeinfluss, wenig bis gar nicht einsichtig.
Was muss passieren, damit sich Wahrnehmungen verändern, Klischees aufweichen, Situationen nicht eskalieren?
Berger: Ende August war ich bei der ersten Polizei-Sprechstunde für Anwohner in Leipzig-Connewitz. Mich hat beeindruckt, dass die Polizei differenzierter geredet hat als einige Bürgerinnen und Bürger. Das ist ein wichtiger Weg. Auch Vorab-Gesprächsrunden mit politischen Akteuren wären gut. Veränderungen brauchen Zeit. Bedeutend wäre natürlich auch eine insgesamt auf Deeskalation ausgerichtete Polizeitaktik, also eine andere als die letztes Silvester.
Conrad: Ein Treffen wie heute zwischen uns ist auch wichtig. Eine negative Einstellung zu unserer Arbeit finde ich sehr schade, weil wir einen guten Job machen und intensiv an unserer Form der Kommunikation arbeiten.
01.08.2020 LVZ
Fast 40 Jahre im Polizeidienst – Leipzigs Ex-Polizeisprecher Uwe Voigt spricht erstmals über seine Absetzung
Seit vier Jahrzehnten war er in der Polizei, jetzt geht er in den Ruhestand: Uwe Voigt, langjähriger Pressesprecher der Leipziger Polizei, verabschiedet sich mit klarer Kritik.
Dramatische Mordfälle, nervenaufreibende Geiselnahmen, brisante Demonstrationen: In seinen fast vier Jahrzehnten als Polizist hat Uwe Voigt (61) hautnah jene Fälle miterlebt, über die eine ganze Stadt sprach. Ende Juli nahm der langjährige Sprecher der Polizeidirektion (PD) seinen Abschied, geht in Pension. Was bleibt, sind unzählige Erinnerungen. Und eine Narbe, die noch immer schmerzt.
Sein erster Tag bei der Kriminalpolizei? „Das war der 1. April 1981“, sagt Voigt, „kein Aprilscherz.“ Damals wohnte er noch in Altenburg, fuhr zwei Jahre lang jeden Tag mit dem Zug zur Arbeit im Volkspolizei-Kreisamt in der Harkortstraße. Als Kriminalobermeister kümmerte er sich um Einbruchsdelikte in Betrieben, Kaufhallen und anderen größeren Einrichtungen.
Ex-Volkspolizist wird drei Jahre „gegauckt“
Es folgten zwei Jahre Kriminalistik-Studium an der Schule des DDR-Ministeriums des Innern in Aschersleben. „Aschersibirsk hieß das damals bei uns“, erinnert sich Voigt. Als Kripo-Leutnant kehrte er 1985 zurück und war bis zur Wende Vizechef in der Revier-Kriminalaußenstelle in der Hermann-Liebmann-Straße. Im Januar 1986 bekamen Voigt und seine Frau endlich auch eine Wohnung in Leipzig, sodass er nicht mehr pendeln musste.
Dann die Wende. Drei Jahre lang wurde der Ex-Volkspolizist „gegauckt“, auf etwaige Stasi-Tätigkeit überprüft. Während in Leipzig wilde Zeiten anbrachen, baute Voigt mit Kollegen das Dezernat Staatsschutz auf, wo er 17 Jahre lang stellvertretender Leiter war. „Viele wussten ja gar nicht, wer wir sind“, erinnert er sich. „Einige haben uns mit dem Verfassungsschutz verwechselt.“
Worch-Demos und Connewitzer Hausbesetzer
Seine auf Extremismus spezialisierte Abteilung bekam es mit der NPD und dem Neonazi Christian Worch zu tun, der immer wieder zu Demonstrationen in Leipzig aufrief. Voigt erlebte aber auch die erste große Straßenschlacht mit, die sich Connewitzer Hausbesetzer in der Nacht vom 27. zum 28. November 1992 mit der Polizei lieferten. 38 Menschen wurden verletzt, darunter 24 Beamte. 41 Randalierer wurden festgenommen. Voigt leitete dazu eine Soko. „Die ersten Jahre waren heftig“, sagt er. „Als Staatsmacht standen wir ja damals auf der Seite derjenigen, die die Häuser abreißen oder sanieren wollten. Schon damals brannten dort Bagger und auch Polizeiautos.“
Ausnahmezustand auch am 16. Februar 1999: Als Kurden aus Protest gegen die Festnahme von PKK-Führer Abdullah Öcalan das griechische Generalkonsulat in Leipzig besetzten und Geiseln nahmen, absolvierten Voigt und seine Kollegen einen 26-Stunden-Einsatz. Ohnehin war er als Verbindungsbeamter für die Kontakte zu den damals noch zahlreichen Generalkonsulaten in Leipzig zuständig. „Doch in der Woche war auch noch mein Chef im Urlaub.“ Voigt war bei dem heiklen Einsatz somit die rechte Hand des damaligen Kripo-Chefs Uwe Matthias. Die Polizei stürmte das Gebäude in der Kommandant-Trufanow-Straße und konnte die drei Geiseln unverletzt befreien.
Fall Michelle erschüttert Stadt
Zu einem der bekanntesten Gesichter der Leipziger Polizei wurde Voigt am 1. Juli 2008, als er zunächst auf Probe die Pressearbeit übernahm und ab 1. Januar 2009 Leiter des Direktionsbüros wurde. Für das Einarbeiten blieb ihm keine Zeit, denn schon wenige Tage später schockierte der Mord an der achtjährigen Michelle ganz Leipzig und versetzte auch die Medien bundesweit in Alarmzustand.
Auch die bewaffnete Geiselnahme am 15. Juni 2010 in der Filiale des Modekaufhauses H & M in der Petersstraße wird der dienstälteste Pressesprecher der Polizei wohl nie vergessen. „Die Pressearbeit wurde ja in den vergangenen Jahren durch das Internet und die sozialen Medien immer mehr zum Wettlauf mit der Zeit“, konstatiert er. „Für uns ist es komplizierter geworden. Man muss einerseits schnell reagieren, aber auch hinterfragen, wie viel man preisgeben kann, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.“
Maßloser Ärger wegen Fahrrad-Skandal
Sein Aus als Pressesprecher hat Voigt tief getroffen. Völlig überraschend waren er und sein Kollege Andreas Loepki im Januar dieses Jahres kaltgestellt worden, nachdem sich vor allem ein Teil der überregionalen Medien im Zuge der Silvester-Krawalle in Connewitz auf die Polizei eingeschossen hatte. Dabei war Voigt zum Jahreswechsel gar nicht im Dienst. „Ich kam mir vor wie ein Bundesligatrainer, der am Freitag erkrankt ist, dessen Mannschaft am Sonnabend verliert und der am Montag entlassen wird“, sagt er.
Es ist nicht so, dass er das Tun der Polizei völlig kritiklos sieht. Der aktuelle Skandal um illegale Fahrradgeschäfte innerhalb der PD ärgere ihn maßlos, räumt Voigt ein. „Einige Beamte, die diesen Beruf eigentlich gar nicht verdient haben, drängen mit ihren Machenschaften alle Kollegen in den Hintergrund, die tagtäglich ihren Dienst ordentlich versehen.“ Er habe deshalb „einen Hals bis Castrop-Rauxel“, so der Schalke-Dauerkartenbesitzer.
„16 Uhr mitgeteilt, dass ich ab morgen kein Pressesprecher mehr bin“
Was jedoch seine plötzliche Versetzung aus der Pressestelle anbelangt, tappe er noch immer im Dunkeln. „Bis heute habe ich keine Begründung, warum es notwendig war, mir um 16 Uhr mitzuteilen, dass ich am nächsten Tag ab 8 Uhr kein Pressesprecher mehr bin“, sagt er. „Ich bin mir keiner Schuld bewusst.“ Danach habe er sehr viele Mails bekommen, auch von allen Abteilungen der Polizeidirektion. „Die Art und Weise, wie mit jemandem umgegangen wird, der die Polizeidirektion Leipzig zwölfeinhalb Jahre nach außen vertreten hat, konnte niemand verstehen“, so Voigt. „Das trug nicht zur Motivation der Kollegen bei, hat intern Spuren hinterlassen. Das hat ja auch mit Wertschätzung der Arbeit, mit Respekt zu tun.“
Bei ihm habe der Vorgang eine tiefe Narbe hinterlassen. „Ich wollte erhobenen Hauptes die Polizei verlassen, insofern war das schon ein heftiger Schlag für mich“, so der altgediente Behördensprecher. „Aber ich bin wieder aufgestanden.“ Und nun? Voigt, seit 37 Jahren verheiratet und Vater eines erwachsenen Sohnes, weiß vorläufig nur eines: „Ich werde mit Sicherheit nicht zu Hause warten, bis mir die Decke auf den Kopf fällt“, versichert der 1. Polizeihauptkommissar lächelnd. „Ich lasse das Leben auf mich zukommen.“
Von Frank Döring
23.06.2020 LVZ
Haftstrafe nach Connewitzer Silvesterkrawallen – Leipziger drohte Polizei: „Ich erschieße Euch alle, Bullen sind keine Menschen“
Er ist erheblich vorbestraft und landet wieder hinter Gittern: Ein Leipziger wurde nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht in Connewitz verurteilt. Eine Chance für Bewährung sah das Amtsgericht nicht.
Als er am Dienstag kurz nach 8.30 Uhr in Handschellen vorgeführt wurde, gab es Applaus von seinen Unterstützern – bei der Urteilsverkündung drei Stunden später im Amtsgericht einen einzelnen Buhruf: Ein 29-jähriger Leipziger muss nach den schweren Silvesterkrawallen im Stadtteil Connewitz hinter Gitter. Der Prozess wurde von zahlreichen Polizei- und Justizbeamten abgesichert.
Laut Anklage soll Kevin J. während der massiven Ausschreitungen in der Silvesternacht gegen 1.15 Uhr am Connewitzer Kreuz versucht haben, einen Beamten der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) zu treten. Die Polizisten waren gerade dabei, einen Tatverdächtigen abzuführen. Zuvor war einer ihrer Kollegen von mehreren Unbekannten angegriffen worden und bewusstlos auf der Straße liegen geblieben. Um einen möglichen Übergriff auf die Beamten zu verhindern und den Abtransport des Verdächtigen abzusichern, so Staatsanwalt Andreas Ricken, sei Kevin J., der im Bereich Karl-Liebknecht-Straße/Selneckerstraße stand, beiseite geschoben worden.
Übergriff im Polizeigewahrsam
Ein Video vom Tatort zeigt, wie der Angeklagte daraufhin in Höhe der Schlagschutzweste eines Polizisten zutritt, diesen aber verfehlt. Später habe er sich massiv gegen seine Festnahme gewehrt und wüste Beschimpfungen und Bedrohungen in Richtung der Polizisten ausgestoßen. Mit einer Hand soll er den Abzug einer Pistole simuliert und gesagt haben: „Ich erschieße euch alle, Bullen sind keine Menschen, sondern nur Dreck. Ich würde euch am liebsten alle totschlagen.“ Zeugen erinnerten sich vor Gericht auch an eine weitere Drohung: „Ich verbrenne eure Familien samt Kindern und Frauen!“
Einige Stunden später, gegen 9.30 Uhr, soll er im Zentralen Polizeigewahrsam sehr aggressiv aufgetreten sein und einen Beamten zu Boden gestoßen haben. Laut Anklage forderte er seine Freilassung. Allerdings entschuldigte er sich noch an Ort und Stelle bei dem 59-Jährigen für den Übergriff.
Stinkefinger gegen Funkstreife
„Es tut ihm leid“, sagte sein Verteidiger Stefan Wirth, der für den Angeklagten eine Erklärung abgab und die Tatvorwürfe einräumte. „Er war wütend, weil er keinen Grund dafür sah, dass ein Polizist ihn im Vorbeigehen wegschubste.“ Von den Ausschreitungen am Connewitzer Kreuz will der Alkoholabhängige hingegen gar nichts mitbekommen haben. „Ich hatte Kopfhörer auf und guckte auf mein Handy“, sagte er. Allerdings war er bereits gut zwei Wochen zuvor, am 13. Dezember kurz nach 8 Uhr, mit der Polizei aneinandergeraten. Da hatte er nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft in der Dimitroffstraße einer vorbeifahrenden Funkstreife den Stinkefinger gezeigt und die Beamten bei der folgenden Identitätsfeststellung erheblich beschimpft.
Auch sein Vorstrafenregister, das seit 2005 rund ein Dutzend Delikte aufweist, lasse ein gewisse Aggressivität gegenüber der Polizei erkennen, konstatierte Staatsanwalt Ricken. Aktenkundig sind beispielsweise Strafen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Bedrohung, Beleidigung und Körperverletzung. Zuletzt war er im Juli 2017 wegen versuchten Raubs zu drei Jahren Haft verurteilt worden, Ende September 2019 kam er wieder auf freien Fuß. „Ich habe in meinem Leben nur negative Erfahrungen mit der Polizei“, erklärte Kevin J., „irgendwann wird es halt zuviel.“
Bewährung kein Thema
Staatsanwalt Ricken forderte eine Gesamtstrafe von eineinhalb Jahren – ohne Bewährung. Es bestehe die erhebliche Gefahr weiterer Straftaten, immerhin sei Kevin J. schon kurze Zeit nach seiner letzten Haftentlassung erneut rückfällig geworden. Verteidiger Wirth erklärte hingegen, dass die Gewalt in der Silvesternacht nicht von seinem Mandanten ausgegangen sei. „Auch wenn seine Reaktion falsch war: Es gab für die Polizei keinen Anlass, ihn wegzuschubsen“, sagte der Anwalt. Zudem sei der Angeklagte wegen Alkohol- und Drogenkonsums in der Tatnacht nur vermindert schuldfähig. Er plädierte für eine Haftstrafe, die deutlich unter der von der Staatsanwaltschaft beantragten Sanktion liegt.
Amtsrichterin Birgit Riedel verurteilte Kevin J. schließlich wegen tätlichen Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie Beleidigung und Bedrohung zu einem Jahr und zwei Monaten Haft. Eine Bewährung komme aufgrund der negativen Sozial- und Kriminalprognose nicht in Betracht. Kevin J. hat keine Arbeit und war vor seiner ab Januar laufenden Untersuchungshaft ohne festen Wohnsitz.
Bisher 20 Tatverdächtige ermittelt
Insgesamt ermittelten Staatsanwaltschaft und Polizei nach der Silvesterrandale 20 Tatverdächtige, teilte Behördensprecherin Vanessa Fink auf LVZ-Anfrage mit. Daraus resultierten bislang acht Anklagen, sieben Ermittlungsverfahren dauern noch an. Rechtskräftig ist bisher nur eine Entscheidung: Ein 27-jähriger Straßenkünstler war am 10. Januar in einem beschleunigten Verfahren zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe sowie zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Der Mann hatte zugegeben, einem BFE-Beamten, der am Connewitzer Kreuz zu einem Einsatz rannte, ein Bein gestellt und damit verletzt zu haben. Zudem liegen zwei Anzeigen gegen die Polizei wegen Körperverletzung im Amt vor, wobei ein Verfahren bereits eingestellt wurde. Schwerpunkt der juristischen Aufarbeitung der Silvesternacht bleibt das Verfahren wegen versuchten Mordes an einem Polizisten. Tatverdächtige fanden die Ermittler bisher nicht.
Von Frank Döring
25.03.2020 LVZ
Kein Tatverdacht nach Mordversuch – Connewitzer Silvesterkrawalle: Ermittlungen gegen Polizei und neue Anklage
Der Mordversuch an einem Beamten bei den Ausschreitungen in der Connewitzer Silvesternacht ist weiterhin ungeklärt. Allerdings ermittelt die Staatsanwaltschaft inzwischen auch gegen die Polizei.
Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft auch gegen die Polizei: Nach den Krawallen in der Silvesternacht im Leipziger Stadtteil Connewitz sind inzwischen auch zwei Ermittlungsverfahren wegen des Tatvorwurfs der Körperverletzung im Amt eingeleitet worden. Wie Staatsanwältin Vanessa Fink auf Anfrage der LVZ mitteilte, richten diese sich allerdings gegen Unbekannt. Zudem ist aktuell die Beweislage alles andere als zwingend.
Erneute Vernehmung von Zeuginnen
„Die Verfahren wurden im Februar aufgrund von Strafanzeigen eingeleitet“, so die Behördensprecherin. Eine Anzeige stamme von einer Zeugin, die vor Ort gewesen sein soll. Die Frau sei jedoch nicht selbst Opfer von Polizeigewalt geworden, sondern habe nur entsprechende Beobachtungen gemacht. Die zweite Anzeige habe ebenfalls eine Frau erstattet. Diese Zeugin war allerdings nach Angaben der Staatsanwaltschaft in der Silvesternacht gar nicht unmittelbar vor Ort, kenne aber einen von ihr nicht näher benannten Geschädigten. „Die Ermittlungen in beiden Verfahren dauern noch an“, berichtete Fink. „Insbesondere ist die Nachvernehmung der beiden Anzeigenerstatterinnen geplant.“
Verletzter Polizist drei Wochen dienstunfähig
Neben diesen beiden Verfahren läuft bei der Staatsanwaltschaft ein sogenannter Prüfvorgang zu möglicher Polizeigewalt am Jahreswechsel. Anlass dafür seien entsprechende Medienberichte und Posts in den sozialen Medien. Dabei werde untersucht, ob sich „tatsächliche Anhaltspunkte für weitere durch Polizeibeamte begangene Straftaten ergeben“, so Fink. „Erst im Falle eines konkreten Anfangsverdachts wird die Einleitung eines oder mehrerer weiterer Ermittlungsverfahren veranlasst.“
Schwerpunkt der juristischen Aufarbeitung jener Silvesternacht bleibt aber das Verfahren wegen versuchten Mordes, nachdem bei den Ausschreitungen ein Polizeibeamter (38) massiv attackiert und erheblich verletzt worden war. „Der Beamte war im Januar etwa drei Wochen krank geschrieben und befindet sich inzwischen wieder im Dienst“, so die Staatsanwältin. Zu möglichen Folgeschäden – vor allem hinsichtlich der erlittenen Verletzung am Ohr – sei nichts bekannt. Die Ermittlungen richten sich in diesem Fall weiterhin gegen Unbekannt, da bisher kein Tatverdächtiger gefunden wurde.
Haftbeschwerden teilweise erfolgreich
Hinter Gittern befinden sich noch zwei Männer (29, 32), gegen die wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte ermittelt wird. Einer von ihnen hatte eine Haftprüfung beantragt, worauf jedoch der zuständige Ermittlungsrichter den Haftbefehl aufrechterhielt. Gegenwärtig läuft dagegen eine Beschwerde des Tatverdächtigen, eine Entscheidung des Landgerichts steht noch aus.
Mehr Erfolg hatte ein mutmaßlicher Komplize. Dessen Haftbeschwerde war vom Landgericht verworfen worden, dann hob allerdings das Oberlandesgericht Dresden den Haftbefehl gegen ihn auf. Im Gegensatz zu Amts- und Landgericht sah die höhere Instanz keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte wiederholt oder fortgesetzt schwerere Straftaten begehen wird. Der Mann sitzt daher inzwischen nicht mehr in Untersuchungshaft, brummt stattdessen aber eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen eines anderen Verfahrens ab.
Einige Verfahren dauern an
Auf freien Fuß kam bislang einer der ursprünglich drei inhaftierten Beschuldigten. Hier setzte der Ermittlungsrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft den Haftbefehl außer Vollzug. Die Behörde setzt darauf, dass verhängte Auflagen wie etwa regelmäßiges Melden, trotz weiterhin bestehendem dringenden Tatverdacht etwaigen Fluchtanreizen entgegenwirken. Ende Januar 2020 wurde der Mann aus der U-Haft entlassen. „Mit einer abschließenden Entscheidung ist zeitnah zu rechnen“, teilte Staatsanwältin Fink mit.
Darüber hinaus sind aktuell acht Ermittlungsverfahren gegen jeweils bekannte Beschuldigte wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte anhängig. Hinzu kommen noch zwei Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des gleichen Tatvorwurfs.
Prozess wegen Attacke auf Beamte
Anklage erhoben wurde gegen einen 29-Jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte. Der Prozess soll am Amtsgericht Leipzig stattfinden. Eingestellt wurden mittlerweile Verfahren gegen drei Beschuldigte wegen Landfriedensbruchs und gegen einen Mann wegen gefährlicher Körperverletzung.
Rechtskräftig verurteilt wurde im Zuge der Connewitzer Silvesterkrawalle bislang lediglich ein 27-Jähriger. Der Straßenkünstler war am 10. Januar in einem beschleunigten Verfahren zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe sowie zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Er hatte ein Geständnis abgelegt, am Neujahrsmorgen einem Gruppenführer der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit, der am Connewitzer Kreuz zu einem Einsatz rannte, ein Bein gestellt und damit verletzt zu haben. Der zuständige Richter sprach in seiner Urteilsbegründung von einer „erheblichen Straftat“: Wer Polizeibeamte angreife, stelle auch das staatliche Gewaltmonopol infrage.
Von Frank Döring
23.01.2020 LVZ
Nach Silvester-Krawallen – Leipziger Polizei serviert ihre zwei Chef-Pressesprecher ab
Völlig überraschend hat die Leipziger Polizei ihre zwei Chef-Pressesprecher kaltgestellt. Die Gründe liegen im Dunkeln. Offenbar steckt das sächsische Innenministerium hinter der Personalie.
Das sächsische Innenministerium ist angesichts der Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit der Leipziger Polizei offenbar eingeknickt. Nachdem sich ein Teil der überregionalen Medien im Zuge der Silvester-Krawalle auf die Polizei eingeschossen hatte, rollten nun Köpfe.
Nach LVZ-Informationen soll Andreas Loepki, der seit 2014 Leiter des Direktionsbüros und damit auch Vorgesetzter der Presseabteilung war, ab sofort nicht mehr die Öffentlichkeitsarbeit verantworten. Wie jetzt aus Behördenkreisen zu erfahren war, wurde er bereits am vorigen Freitag davon in Kenntnis gesetzt. Eine offizielle Mitteilung dazu blieb aus.
Silvaine Reiche übernimmt
Bestätigt wurde am Donnerstag hingegen, dass der langjährige Sprecher der Leipziger Polizeidirektion (PD), Uwe Voigt, von seinem Posten abgelöst wurde. Zuvor hatte das Portal Tag 24 berichtet. Als seine Nachfolgerin kommt Silvaine Reiche zurück in die Dimitroffstraße, die zuletzt als Leiterin des Präsidialbüros im Präsidium der Bereitschaftspolizei und als Pressesprecherin des Landeskriminalamts Sachsen tätig war.
Die 45-Jährige ist de facto Loepki unterstellt, der weiterhin Chef des Direktionsbüros bleibt, verantwortet aber nunmehr die gesamte Öffentlichkeitsarbeit. Beide kennen sich gut, arbeiteten früher gemeinsam in der Leipziger Pressestelle
Gründe für die völlig überraschende Personalrochade wurden in der knappen Pressemitteilung, die am Donnerstagabend von der PD versandt wurde, nicht genannt. Das sächsische Innenministerium lehnte auf LVZ-Anfrage einen Kommentar ab, verwies stattdessen auf die Polizeidirektion. Interne Besetzungen wie diese fallen zwar in die Zuständigkeit der Polizeiführung, doch dem Vernehmen nach sollen zuvor vor dem Hintergrund der Silvester-Ereignisse in Connewitz aus dem Innenministerium unmissverständliche Signale gekommen sein.
Dabei war Voigt in der Silvesternacht gar nicht im Einsatz. Er wechselt nun bis zum Eintritt seiner Pension im August in den Aufbaustab für die Einsatzvorbereitungen zum EU-China-Gipfel im September.
Loepki und der Twitter-Kanal
Loepki war zuletzt vom „Tagesspiegel“ thematisiert worden. „Leipziger Polizeisprecher mischte sich unter Pseudonym in Gewalt-Debatte ein“, lautete die Schlagzeile des Berliner Blattes. Der Vorwurf: Loepki habe sich mit einem privaten Twitter-Account in Debatten „ungefragt eingemischt“.
Mal abgesehen davon, dass bei Twitter eher niemand fragt, bevor er tippt: Loepki betreibt den Account seit 2017 und tauschte sich da auch immer wieder mit Journalisten aus – darunter auch einige, die das Ganze jetzt plötzlich skandalisieren wollen.
Von Frank Döring
18.01.2020 LVZ
Lesermeinungen – Silvesterkrawalle von Leipzig-Connewitz – LVZ-Leser führen Grundsatzdebatte
Zahlreiche Leserbriefe haben die Leipziger Volkszeitung zum Thema Connewitz erreicht. Bereits zum dritten Mal veröffentlichen wir eine Auswahl davon.
Was denken die Leipzigerinnen und Leipziger über die Ausschreitungen der Silvesternacht in Connewitz? Die LVZ haben zahlreiche Leserbriefe zu diesem Thema erreicht. Bereits zwei Mal haben wir einen Teil davon veröffentlicht. Hier folgen weitere.
Alle werden pauschal zu Chaoten erklärt
Es ist unerträglich, wie Bewohnerinnen und Bewohner eines ganzen Stadtteiles, nicht erst seit den Ereignissen der Silvesternacht 2019, stigmatisiert werden. Alle Menschen, die das neue Jahr am Kreuz begrüßen wollten, werden pauschal zu „Chaoten“ erklärt. Diese dürfen, entsprechend einer Weltanschauung anno 1953, gerne mal niedergeknüppelt werden. Kritik an der Einsatzstrategie der Polizei oder Versuche, die Debatte etwas differenzierter zu führen, werden mit Diffamierungen niedergedrückt – Polizeistaat ahoi!
Auch die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel, die ihr Direktmandat gerade wegen ihrer Sichtweisen und ihres Engagements verteidigen konnte, ist erheblichen Anfeindungen und Rücktrittsforderungen ausgesetzt. In aller Regel von Menschen, die gar nicht im Süden Leipzigs wohnen. Weil sie es wagt, die Geschehnisse aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und sich vor die Menschen eines gezeichneten Stadtteiles zu stellen. Sie versucht, die Interessen derer in den Vordergrund zu stellen, denen in dieser Debatte kein Gehör geschenkt wird. Menschen, die teilweise Ängste äußern, in Zukunft ohne konkrete Vorwürfe von der Polizei „weggeschnappt“ zu werden. Begründung: „Linksradikal, wird schon was dran sein!“ Dafür, dass sie für viele in die Bresche springt, möchte ich Danke sagen.
M. Kreutzer, 04275 Leipzig
Politik unterschätzt den Neonazismus
Ist es Zufall, dass der OBM-Kandidat der Leipziger AfD Polizist war und der äußerst restriktiv agierende ehemalige Leipziger Polizeichef Horst Wawrzynski für die CDU einstmals die gleichen Ambitionen hegte? Ist es Zufall, dass sich ein Hans-Georg Maaßen als ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz während und besonders nach seiner Suspendierung unzweideutig in Richtung AfD positionierte und – aus der „wertekonservativen“ Ecke der CDU heraus befördert – leider ein nicht unbedeutendes Betätigungsfeld fand? Ist es Zufall, dass sächsische Schlapphüte jahrelang den als linksorientiert geltenden Anhang von Chemie Leipzig ausschnüffeln (und dabei auf keine gesicherten Anhaltspunkte für Extremismus stoßen)? Alles das reiht sich nahtlos ein in eine fatale Politik der Unterschätzung des Neonazismus. Mit dem sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer – so mein Eindruck – vollzog sich eine ehrliche Auffassungsänderung, auch wenn der MP manchmal noch für die weit rechts stehenden Parteikollegen in Law-and-Order-Manier austeilt.
Aber das ist nur die eine Seite. Seit der Zeit, als die sogenannten sozialen Medien rasant an Bedeutung gewannen, gerierte sich aus der Anonymität heraus eine kleine Gruppe über die Plattform Indymedia als antifaschistische Revoluzzer, deren widerwärtiger Sprachduktus mich fatal an das erinnert, was die DDR-Politclique als „gelebten Antifaschismus“ für sich in Anspruch nahm. In Wirklichkeit war es nichts anderes als ein stalinistisch anmutendes Klassenkampfinstrument. Und genau diese suggerierten antidemokratischen Grundüberzeugungen kommen dann auch – wie Silvester geschehen – situativ durch einige wenige zum (aktiven) Ausdruck. An dieser Stelle sollte sich auch Juliane Nagel positionieren, um ihre ansonsten differenziert anmutenden Einschätzungen zu aktuellen Geschehnissen in Connewitz glaubhaft erscheinen zu lassen.
Übrigens, eines der massiven Defizite, die die Partei Die Linke mit sich herumschleppt, ist die fehlende konsequente Abnabelung vom Unrechtsstaat DDR.
Bernhard Kobus, per E-Mail
Terroristen gehören nach Stammheim
Endlich wird ausgesprochen, was diese sogenannte Autonome Szene in Leipzig in Wirklichkeit ist: ein auf die gegenwärtige Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland ausgerichteter Terrorismus mit dem klaren Ziel, diese Gesellschaftsordnung zu vernichten und eine linke Diktatur in deren Sinne zu errichten. Genau so haben Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof Ende der 1960er-/Anfang der 1970er-Jahre auch begonnen. Für die waren alle, die nicht ihrer Meinung waren, „Schweine und Faschisten“, die getötet werden müssen. Um das sogenannte System der Bourgeoisie oder die „kapitalistischen und imperialistischen Schweine“ zu vernichten, war denen jedes Mittel recht: Banküberfälle, Bomben – und das Leben Unschuldiger. Sie wollten eine „Stadtguerilla“. Mit dieser Ideologie gründeten sie die Rote Armee Fraktion (RAF) und töteten wie primitive Verbrecher. Mehr waren sie auch nicht.
Was hören wir heute? Dieselben Phrasen, dieselben Formulierungen – und sie entstammen derselben fehlgeleiteten Ideologie. Im Grunde genommen die wahrscheinlich nächste Generation der RAF. Heute verüben sie Anschläge, morgen töten sie Menschen. Und das ausgerechnet in Leipzig, der Stadt, in der die Bürger 1989 genau gegen diese menschenverachtende Ideologie auf die Straße gegangen sind und in einer friedlichen Protestbewegung die sozialistisch-kommunistischen Diktatoren hinweggefegt und eine Demokratie herbeigeführt haben.
Und diese Terroristen werden unterstützt von der Partei Die Linke, deren Vertreter diese Ideologie verinnerlicht haben und in deren Parteiprogramm steht, dass sie, falls sie einmal an die Macht kommen, einen Umsturz der Gesellschaft planen. Wollen wir uns das gefallen lassen, wollen wir eine neue DDR? Ich gehöre zu der Generation, die dieses System erlebt hat. Ich weiß, was kommunistische Diktatur und Unterdrückung konkret bedeuten und ich habe meinen Beitrag zu deren Sturz geleistet.
Ich will nie wieder, dass „linke“ Fanatiker unser Land beherrschen und uns ihren ideologischen Willen aufzwingen. Deswegen plädiere ich dafür, dass gegen diese autonomen Zellen mit den Mitteln vorgegangen wird, die dafür angemessen sind – und zwar mit allen Mitteln der Terrorabwehr, damit diese Terroristen lebenslang dorthin kommen, wo sie hingehören: nach Stuttgart-Stammheim.
Robert Kusch, 04319 Leipzig
Deeskalationskonzepte entwickeln
Fast überall auf der Welt feierten Menschen ausgelassen das neue Jahr. Das wollte ich mit meiner Tochter auf den Schultern am Connewitzer Kreuz auch. Aber es ist schwer, ausgelassen zu feiern, wenn schon nachmittags massiv Personenkontrollen stattfinden und man um 0 Uhr zwischen Beamten in voller Kampfmontur steht, die einen darauf hinweisen, dass man dort, wo man steht, schlecht steht, weil man gegebenenfalls umgerannt wird.
Aber rechtfertigt das Gewalt gegen Menschen? Nein! Doch dieses Fehlverhalten Einzelner darf nicht dazu führen, dass Bewohnerinnen und Bewohner des Viertels nicht auf dem zentralen Platz von Connewitz feiern können. Denn Menschen, die sich falsch verhalten, gibt es überall – auch in den Reihen der Polizei. Auch ist es so, dass alle, die Ärger wollen, wissen, wo sie die Polizei leicht provozieren können. Da reicht ein Einkaufswagen, den ich auf der Straße liegen sah. Dass dieser, wie von der Polizei dargestellt, in eine Gruppe Beamter geschoben wurde, ist falsch. Genau wie die Falschbehauptung der Not-OP, die durch gewissenhaften Journalismus, der sich nicht mit dem Kopieren von Polizei-Tweets zufriedengibt, richtiggestellt wurde.
Ist also allein die Polizei schuld? Sicher nicht. Aber sie sollte Teil der Lösung sein, die Debatte versachlichen und mit Kompetenz Deeskalationskonzepte entwickeln. Das wurde auch schon anderswo geschafft. Im Sinne der Anwohner, aber auch im Sinne der Beamtinnen und Beamten.
Jonas Feustel, 04277 Leipzig
15.01.2020 LVZ
Kurz und knapp zusammengefasst – Silvester-Krawalle in Connewitz: Ein Überblick
Auch knapp zwei Wochen nach dem Jahreswechsel halten die Diskussionen um die Ausschreitungen in der Silvesternacht am Connewitzer Kreuz an. Die LVZ fasst für Sie die wichtigsten Informationen zusammen.
Die Silvesternacht am Connewitzer Kreuz ist nach wie vor ein diskutiertes Thema in der Politik, den sozialen Medien und der Stadtgesellschaft. Hier haben wir die Hintergründe für Sie zusammengefasst.
Worum geht es?
In der Silvesternacht 2019 ist eine Feier am Connewitzer Kreuz eskaliert. Nach Angaben des Landeskriminalamtes (LKA) Sachsen feierten etwa 1000 Menschen auf dem Platz im linksalternativ geprägten Stadtteil Connewitz ins neue Jahr. Kurz nach Mitternacht sei es zu Auseinandersetzungen gekommen. Mehrere Menschen, die augenscheinlich der autonomen Szene zuzuordnen sind, bewarfen die eingesetzten Polizisten mit Flaschen, Steinen und Feuerwerkskörpern. Diese reagierten mit Zugriffen und Festnahmen.
Kurz darauf eskalierte die Gewalt jedoch, als drei Polizisten von ihrer Einheit getrennt und von mehreren Personen angegriffen wurden. Dabei wurde ein Polizist schwer verletzt. Er erlitt eine Wunde am Ohr und musste in einer Klinik operiert werden. In den Tagen danach gab es heftige Diskussionen über die Umstände der Verletzung. Denn in ihrer Erstmeldung hatte die Polizei noch von einer Notoperation gesprochen. Die „taz“ kritisierte daraufhin, die Polizei habe die Lage dramatischer dargestellt als sie tatsächlich war. Die Polizei weist diese Vorwürfe zurück.
Was sind die Konsequenzen in diesem konkreten Fall?
Staatsanwaltschaft und LKA ermitteln in diesem Fall wegen versuchten Mordes. Auch dies wurde kritisiert, nachdem Details über die Verletzung des Beamten bekannt geworden und ein Video von den besagten Minuten veröffentlicht worden war. Doch die Ermittler gehen nach wie vor vom Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe für die Tat aus.
Und welche Konsequenzen gibt es im Hinblick auf die Ausschreitungen insgesamt?
Mehrere Personen wurden in der Nacht festgenommen, der Angreifer des schwer verletzten Polizisten war jedoch nicht darunter. Nach ihm wird weiter gefahndet. Allerdings agiert die Justiz schnell im Hinblick auf andere mutmaßliche Täter in der Silvesternacht. Bereits am Mittwoch stand einer von ihnen vor Gericht. Er wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Wie hat die Politik auf die Ausschreitungen reagiert?
Vertreter aller Parteien verurteilten die Gewalt, jedoch gab es Diskussionen um die Linken-Abgeordnete Juliane Nagel, die noch in der Nacht via Twitter von überzogener Polizeipräsenz und Gewalt von Seiten der Einsatzkräfte gesprochen hatte. Auch von der SPD waren kritische Töne zu hören. Die Leipziger SPD-Vizevorsitzende sprach von einer „eskalierenden Einsatztaktik der Polizei“, woraufhin mehrere namhafte Sozialdemokraten ihren Rücktritt forderten. Darüber will die SPD am 13. Januar beraten.
Aber auch die Parteivorsitzende der Bundes-SPD, Saskia Esken, forderte eine Überprüfung der Polizeitaktik in jener Nacht. Daraufhin lud die Gewerkschaft der Polizei sie zum Gespräch ein, um mit ihr über Einsatztaktiken der Polizei und das Verhalten in solchen Situationen zu sprechen.
Wie reagiert die Polizei?
Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze hat in den Tagen nach der Silvesternacht von einem „Angriff aus dem Nichts“ gesprochen und Kritik, die Polizei habe die Eskalation provoziert, zurückgewiesen. „Wer die Schuld an der Eskalation der Polizei zuschreibe, verdrehe die Tatsachen“, sagte er in einem Interview mit der LVZ. Auch Sachsens Innenminister Roland Wöller verteidigte die Einsatzstrategie der Polizei und sprach von einer neuen Stufe der Gewalt. Dennoch will die Polizei den Einsatz noch einmal intensiv auswerten, da sich inzwischen mehrere Zeugen gemeldet haben, die Gewalt von Einsatzkräften schildern.
Die Polizeigewerkschaft DpolG geht allerdings davon aus, dass die Angriffe keine spontanen Taten, sondern von der Autonomen Szene geplant gewesen waren. auf Polizisten in Leipzig-Connewitz waren keine spontanen Taten. Auch für das LKA war die Silvesternacht der Gipfel in einer langen Reihe von Gewalttaten von Seiten der Linksextremen, es sieht die Autonome Szene in Leipzig laut einem neuen Lagebericht „an der Schwelle zum Terrorismus“.
Und wie die linke Szene?
Auf der als Sprachrohr der linken Szene bekannten Internetplattform Indymedia ist ein Schreiben zur Silvesternacht veröffentlicht worden. Dabei weisen die Verfasser darauf hin, dass die Ausschreitungen am Connewitzer Kreuz im Kontext der vergangenen Monate zu betrachten seien.
In den vergangenen Wochen hatten Linksautonome in Leipzig immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Es brannten mehrfach Bagger auf Baustellen, im November wurde eine Mitarbeiterin einer Immobilienfirma in ihrer Wohnung angegriffen und verletzt.
Warum ist immer wieder Connewitz im Fokus?
In Teilen von Connewitz hat sich eine linksextreme Szene etabliert, die immer gewalttätiger wird. Auch die bisherigen Silvesternächte sind selten ruhig verlaufen, oft gab es Zusammenstöße zwischen der Polizei und Anhängern des Linksextremismus. Nach der jüngsten Silvesternacht kritisierte die CDU deshalb auch OBM Jung: Leipzig sei zu einem „Hotspot der Linksextremen“ geworden, die Linke unter Umständen „ein Fall für den Verfassungsschutz“.
09.01.2020 LVZ
Leser-Meinungen – Silvester-Krawalle in Leipzig-Connewitz: Kritik an Nagel, Lob für Kretschmer
Auch zwei Wochen nach den Silvester-Krawallen bewegt die User von LVZ.de und die Leser von LVZ-Print das Thema Connewitz. Viele kritisieren dabei das Verhalten der Linken-Landtagsabgeordneten Juliane Nagel.
Zu den Silvester-Krawallen von Connewitz und den Reaktionen aus Politik und Gesellschaft:
Wann stellt sich die Mandatsträgerin entgegen?
Es wäre angebracht und an der Zeit, dass sich die sächsische Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke), deren Partei als demokratisch wahrgenommen werden will, von Äußerungen oder Losungen wie „Cops raus aus Connewitz“ und „Alle Bullen sind Bastarde“ öffentlich distanziert. Eine Mandatsträgerin muss sich solchen Aussprüchen konsequent entgegenstellen und darf diese nicht hofieren oder verharmlosen.
Der Ministerpräsident ist mutig
Sie schreiben: „Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat sich nach den Silvester-Ausschreitungen am Connewitzer Kreuz in Leipzig auf die Seite der Polizei gestellt.“ Das sollte eigentlich der Normalfall sein. Andererseits ist das auch ein mutiges Zeichen von Herrn Kretschmer. Denn er stellt sich damit gegen gewichtige Stimmen aus dem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis gegen Rechts (unter anderem gegen die Bundesvorsitzende der SPD, eine sächsische Linken-Landtagsabgeordnete, die stellvertretende Vorsitzende der Leipziger SPD). Es ist zu hoffen, dass sich das für ihn persönlich bei seinem nächsten (privaten) Besuch in Connewitz nicht negativ auswirkt.
Stephan Thieme, per E-Mail
Autonom sein – das geht auch ohne Mandat
Betrachtet man das Handeln und die politischen Äußerungen der langjährigen Stadträtin und Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Die Linke), so ist deren Treue zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und der Sächsischen Verfassung offensichtlich nur marginal vorhanden. Die Unterstützung des Gewaltmonopols des Rechtsstaates und der Justiz vermisse ich ganz und gar. Dies ist aber für die Demokratie eine elementare Voraussetzung. Nun schwören alle gewählten Abgeordneten in Sachsen zu Beginn der konstituierenden Sitzung des gewählten Gremiums zunächst per nachgesprochener Eidesformel ihren Eid auf die Sächsische Verfassung und auf das Grundgesetz der Bundesrepublik, erst dann sind sie stimmberechtigt. Bei Abwesenheit oder bei Nachrückern wird dies daher im Einzelfall nachgeholt. Wenn Juliane Nagel bewusst die Formel nicht mitgesprochen hat, ist ihr Mandat wirkungslos. Hat sie den Eid geleistet, steht das Wort „Meineid“ im Raum. Sie selbst sollte schon einmal über ihre politische Ehrlichkeit nachdenken. Autonom sein – das geht auch ohne Mandat.
Dietmar Dathe, per E-Mail
Das ganze Gelaber ist nicht hilfreich
Die Connewitzer alternative Szene ist Anfang der 1990er-Jahre entstanden. Damals wurde sie zum Teil noch hofiert. Eingeschritten, um den Anfängen zu wehren, ist niemand. Es gab mal einen Polizeipräsidenten in Leipzig, der das Kind beim Namen nannte – was bei der Bevölkerung gut ankam. Wohl aber nicht im Rathaus?! Wenn jetzt Polizisten so angegriffen werden, dass dies einem Mordanschlag gleichkommt, muss man doch endlich mal hart durchgreifen. Da ist das ganze Gelaber nicht hilfreich. Wenn das so weitergeht, wird es von Jahr zu Jahr nur noch schlimmer.
Gudrun Richter, per E-Mail
Es wurde viel zu wenig durchgegriffen
Wenn die Chaoten vom Connewitzer Kreuz friedlich feiern wollten, könnten sie das doch dort tun, wo sie wohnen. Oder sie gehen in die Gaststätten, in denen sie sonst auch verkehren. Juliane Nagel behauptet, die Provokationen seien von unseren Polizisten ausgegangen – das ist schändlich. Diese Frauen und Männer halten die Köpfe für uns normale Bürger hin, werden oftmals verletzt. Es wurde viel zu wenig durchgegriffen, sonst würde es nicht jedes Jahr wieder zu solch schlimmen Auseinandersetzungen kommen. Ich hoffe, unsere Politiker lassen sich für das nächste Silvester mehr einfallen.
Karla Ködel, per Fax
08.01.2020 LVZ
Silvester-Krawalle in Leipzig: 27-Jähriger zu Bewährung verurteilt
Es war der erste Prozess im Zusammenhang mit den Ausschreitungen in der Silvesternacht im Stadtteil Connewitz: In Leipzig ist ein 27-Jähriger zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das Gericht sprach ihn des Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie Körperverletzung schuldig.
Nach nur einer Stunde war der erste Prozess zur Silvesterrandale in Leipzig-Connewitz vorbei: Ein 27-Jähriger wurde am Mittwoch im Amtsgericht Leipzig wegen Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie Körperverletzung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
Seine Tat: Er hatte einem rennenden Polizisten ein Bein gestellt. Das gab er zu. Der Polizist verletzte sich dabei leicht. Zudem soll der Mann 60 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Er akzeptierte den Schuldspruch in dem beschleunigten Verfahren sofort. „Das war eine riesengroße Dummheit, was ich da gemacht habe“, sagte der Straßenkünstler.
Der 27-Jährige war eher eine Randfigur in dem gewalttätigen Geschehen auf dem Connewitzer Kreuz in dem als linksalternativ geltenden Stadtteil Leipzigs. Mit dem schwerwiegendsten Tatvorwurf zu Silvesternacht – einem versuchten Mord an einem Polizisten – hatte der 27-Jährige nichts zu tun. Diese Angreifer sind noch nicht ermittelt. Die Polizei geht von Linksextremisten aus. Die Staatsanwaltschaft ermittele dazu weiter gegen Unbekannt, sagte Behördensprecher Ricardo Schulz am Mittwoch.
Angegriffener Polizist: „Volle Kanne in den Boden eingerastet“
Der nicht vorbestrafte Angeklagte war direkt nach der Tat gefasst worden und saß seitdem in U-Haft. Eine Erklärung für die Attacke konnte er nicht liefern. „Ich weiß nicht, was mich da geritten hat. Das war ein riesengroßer Fehler“, sagte er. Er sei das erste Mal zu Silvester in Connewitz gewesen, auch erst nach Mitternacht dort eingetroffen. Er lebe gar nicht in dem Stadtteil im Süden der Stadt, sondern bei seiner Freundin im Osten.
Der 27-Jährige berichtete dem Amtsrichter zu seinen Lebensumständen, dass er nach der Hauptschule jahrelang als Jongleur und Akrobat in Europa unterwegs gewesen sei. Der Angeklagte entschuldigte sich auch bei dem Polizisten ausdrücklich.
Der angegriffene Bereitschaftspolizist sagte aus, dass die Attacke für ihn überraschend gekommen sei. Er sei gerannt und habe den großgewachsenen, lockigen Angeklagten noch aus den Augenwinkeln neben sich gesehen: „Und dann bin ich, wie man so schön sagt, volle Kanne in den Boden eingerastet. Also gestürzt.“
Lob aus der Union
Der Verteidiger des 27-Jährigen hatte lediglich eine Geldstrafe für den Mann gefordert. Amtsrichter Uwe Berdon folgte in seinem Urteil allerdings dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft. „Es ist glimpflich ausgegangen. Aber: Es ist eine Straftat“, sagte Berdon zu dem Angeklagten. „Mit jedem Angriff auf Vollstreckungsbeamte stellt man das staatliche Gewaltmonopol infrage.“
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, begrüßte das Urteil. „Die schnelle erste Verurteilung ist sehr zu begrüßen“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die Strafe muss in diesen Fällen unmittelbar auf dem Fuß folgen.“ Frei fügte hinzu: „Nicht nur in solchen, sondern auch in deutlich komplexeren und umfangreicheren Verfahren brauchen wir eine durchsetzungsstarke Justiz, die über alle Mittel verfügt, um rasch zu einem gerechten Urteil zu gelangen.“ Er verwies dabei auf den Pakt für den Rechtsstaat und die Reform der Strafprozessordnung, die CDU und CSU auf den Weg gebracht hätten. „Mit diesen rechtspolitischen Großprojekten werden 2.000 zusätzliche Stellen für unsere Gerichte und Staatsanwaltschaften geschaffen und Strafverfahren künftig effizienter und schneller zum Abschluss geführt werden.“
Mit dem rechtskräftigen Urteil ist die juristische Aufarbeitung der Geschehnisse noch lange nicht vorbei. Die Staatsanwaltschaft führe noch elf weitere Strafverfahren gegen namentlich bekannte Beschuldigte, sagte Schulz. Drei von ihnen im Alter von 29, 30 und 32 Jahren sitzen in Untersuchungshaft. Zudem gibt es ein allgemeines Verfahren gegen Unbekannt wegen Landfriedensbruchs sowie die Ermittlungen wegen der heftigen Tritte gegen den 38 Jahre alten Polizisten. Dieser lag mehrere Tage im Krankenhaus.
Es war der erste Prozess im Zusammenhang mit den Ausschreitungen. Der 27-Jährige wurde in einem beschleunigten Verfahren verurteilt. Das kann angewandt werden, wenn ein Sachverhalt einfach und klar ist.
08.01.2020 LVZ
Eine Lappalie war der Fall für Amtsrichter Uwe Berdon keineswegs: „Es handelt sich um eine erhebliche Straftat“, sagte er gestern zum Ende des ersten Prozesses wegen der schweren Silvesterkrawalle in Leipzig-Connewitz. „Wer Polizeibeamte angreift, stellt auch das staatliche Gewaltmonopol infrage.“ Sein Urteil gegen Satpal A. (27), der einen Polizisten zu Fall gebracht hatte: Sechs Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung und 60 Stunden gemeinnützige Arbeit.
Angeklagter ohne Wohnsitz
Satpal A. soll am Neujahrsmorgen gegen 1.15 Uhr einem Gruppenführer der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE), der am Connewitzer Kreuz zu einem Einsatz rannte, ein Bein gestellt haben. Nach Aktenlage waren die Bereitschaftspolizisten zur Unterstützung angefordert, um Gewalttäter festzunehmen. Daher liefen sie von der Selneckerstraße, in Richtung Karl-Liebknecht-Straße.
„Ich haben den Angeklagten im Augenwinkel gesehen“, erinnerte sich der 29-jährige BFE-Mann vor Gericht. „Als ich ihn passiert hatte, rastete ich schon volle Kanne im Boden ein.“ Infolge des Sturzes sei er mehrere Meter in seiner Schutzausrüstung über die Straße gerutscht. Ein Kollege, der unmittelbar hinter ihm lief: „Es war eher ein Tritt in die Beine.“ Umfassende Schutzausrüstung bewahrte den Polizisten vor ernsthaften Folgen. Er zog sich ein schmerzendes Hämatom am Unterarm und einen geschwollenen Knöchel zu, war mehr als eine Woche krank geschrieben.
„Es tut mir leid, das war eine riesengroße Dummheit“, sagte Satpal A., den die Untersuchungshaft, während der er auch Geburtstag hatte, sichtlich beeindruckt hat. „Ich weiß nicht, was mich da geritten hat.“ Er sei das erste Mal zu Silvester am Connewitzer Kreuz gewesen, habe Bier und Schnaps getrunken. Nach der Festnahme wurden bei ihm etwa 0,7 Promille Alkohol gemessen. Bei dem verletzten Polizisten entschuldigte er sich.
Randfigur bei Ausschreitungen
Verteidiger Andreas Meschkat forderte für ihn eine Geldstrafe: 90 Tagessätze á drei Euro. „Seine Tat ist nicht zu rechtfertigen, aber sie ist nicht zu vergleichen mit dem, was sich zuvor dort ereignet hat“, sagte er. An den Angriffen auf Polizisten mit Flaschen, Böllern und Steinen sei sein Mandant nicht beteiligt gewesen. Obwohl in der linksextremen Szene zur Solidarität mit ihm aufgerufen wurde: Satpal war bei den Randalen in der Silvesternacht offenbar eher eine Randfigur. Er hat einen Hauptschulabschluss und keine abgeschlossene Ausbildung, schlug sich stattdessen als Straßenkünstler durch. „Ich kann mit sieben Bällen jonglieren“, berichtete er. Nachdem er allerdings vergessen hatte, Hartz-IV neu zu beantragen, hat er derzeit keinerlei Einkünfte und lebt bei seiner Freundin.
Richter Berdon folgte nach knapp einer Stunde Prozess dem Antrag von Staatsanwalt Andreas Ricken, der für ein halbes Jahr Haft, ausgesetzt zur Bewährung sowie gemeinnützige Arbeit plädiert hatte. Die Tatvorwürfe: Angriff auf und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie Körperverletzung. Ohnehin ist in beschleunigten Verfahren maximal ein Jahr Freiheitsstrafe möglich. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) begrüßte die schnelle Entscheidung. „Die heutige Verurteilung zeigt, dass sich der Rechtsstaat dieses brutale Vorgehen nicht gefallen lässt und mit aller Konsequenz diese schweren Straftaten verfolgt“, erklärte er. „Die gewalttätigen Ausschreitungen in der Silvesternacht in Leipzig-Connewitz waren von Linksextremisten bewusst provozierte Auseinandersetzungen und gezielte Angriffe auf unsere Polizisten. Ziel einiger Krimineller war neben blinder Zerstörungswut, die Gefährdung von Leib und Leben der Einsatzbeamten.“ Das Urteil sei ein klares Signal an alle Extremisten, dass man keine rechtsfreien Räume dulde.
Drei weitere Männer in Haft
Satpal A. ist einer von zwölf mutmaßlichen Gewalttätern, gegen welche die auf Linksextremismus spezialisierte Soko „LinX“ nach der Silvesternacht Ermittlungen aufnahm. Neben ihm kamen drei weitere Männer (29, 30, 32) in U-Haft, da jedoch nicht im Rahmen von Eilverfahren. Hinsichtlich der Ermittlungen wegen versuchten Mordes nach dem brutalen Angriff auf einen 38-jährigen Bereitschaftspolizisten haben die Behörden noch immer weder einen konkreten Tatverdacht noch Zeugenhinweise.
Von Frank Döring
07.01.2020 LVZ
Ausschreitungen in Leipzig zu Silvester – Zeugen schildern Gewalt von Polizisten am Connewitzer Kreuz
Aus der Leipziger Bevölkerung haben sich Zeugen gemeldet, die Gewalt von Einsatzkräften während der Ausschreitungen zu Silvester am Connewitzer Kreuz schildern. Die Polizei betont, die Geschehnisse auswerten zu wollen und bittet um Kontaktaufnahme Geschädigter.
Die Gewalt am Connewitzer Kreuz eskalierte wegen der mutmaßlichen Linksextremisten, bekräftigt die Polizei in ihren Ausführungen zur Silvesternacht, bei der ein Polizist verletzt und im Krankenhaus notbehandelt wurde. Aus der Bevölkerung kommt Widerspruch. Mehrere Zeugen, die am Kreuz das neue Jahr feiern wollten, berichten von hoher Aggressivität auch auf polizeilicher Seite.
Das Verhalten der mutmaßlichen Linksextremisten, die in der Nacht zum 1. Januar die Polizei provoziert, verhöhnt und mit Feuerwerk beworfen haben, verurteilt Catrice Toporski ohne Einschränkung. Doch auch das Verhalten der Polizei sieht sie kritisch. Die Anwohnerin widerspricht Polizeipräsident Torsten Schultze, der im LVZ-Interview von einer Strategie der Zurückhaltung spricht und dass die Beamten zunächst keine Helme getragen hätten.
„Beamte von Beginn an mit Helmen“
„Ich stand seit etwa 23.30 Uhr am Connewitzer Kreuz“, sagt die Anwohnerin. „Von Beginn an habe ich Beamte mit Helmen gesehen – übrigens anders als in den Vorjahren.“ Zudem hätten Personenkontrollen und Hubschrauberflüge im Vorfeld viele im Viertel als Signale für ein hartes Durchgreifen gewertet.
Irritierend fand Toporski die Verschiebe-Taktik der Polizei. Statt sich wie zuletzt an den Rändern zu postieren und zu beobachten, seien diesmal Gruppen quer über das Kreuz und zurück gegangen, manchmal gespurtet. „Das wirkte zum einen aggressiv und provokativ, zum anderen oft unkoordiniert. Plötzlich standen drei Polizisten abgehängt allein da.“
„Einkaufswagen nicht in Polizei gefahren“
Die Attacke auf den dabei verletzten und später im Krankenhaus operierten Beamten hat Toporski nicht gesehen. Der brennende Einkaufswagen sei aber nicht, wie zunächst behauptet, in eine Polizeigruppe geschoben worden, sondern nach ein paar Metern auf der Straße stecken geblieben. Diese Beobachtung bestätigt der Leipziger Stadtrat Thomas Kumbernuß (Die Partei). Hinzu kommt: Ein auf „Zeit online“ erschienenes, von der Redaktion verifiziertes Video zeigt unter anderem, wie der brennende Einkaufswagen vom Mittelteil des Kreuzes aus in Richtung Wolfgang-Heinze-Straße geschoben wird und nach wenigen Metern liegen bleibt. Laut Kumbernuß stürzten sich die Beamten auf einen Mann. Danach seien Vermummte dazu gestürmt und hätten einen Polizisten massiv attackiert. Bei einer nach dem Gerangel ebenfalls bewusstlosen Person wollte Kumbernuß erste Hilfe leisten. Ein Polizist habe gerufen, er solle sich verpissen.
Männer zu Boden gerissen
Kurz darauf drehte sich laut Schilderungen auf beiden Seiten die Gewaltspirale hoch. Catrice Toporski berichtet, dass drei auf dem Bürgersteig stehende junge Männer von einem heranstürmenden Polizeitrupp „ohne jede Warnung umgerannt wurden, zwei stürzten zu Boden“. Keiner der drei habe sich in den Weg gestellt, sondern sei überrascht worden.
Till R.*, ebenfalls Connewitzer, stellte sich nach eigenen Angaben zwischen Beamte und eine von ihnen zu Boden geworfene Frau, um diese zu schützen. „Daraufhin bekam ich einen Faustschlag ins Gesicht und einen Tritt in den Bauch“, berichtet der 25-jährige. Der Auszubildende im medizinischen Bereich betont, die Einsatzkräfte zuvor nicht provoziert zu haben.
Polizei verspricht Auswertung
Polizeisprecher Uwe Voigt sagt zu den Vorwürfen: „In den oft unübersichtlichen Situationen mit schnellem Handlungsbedarf können wir nicht ausschließen, dass Unbeteiligte zur Seite gestoßen wurden. Die Beamten wollten ihren Verletzten aus der Gefahrensituation bringen beziehungsweise den handelnden Tätern habhaft werden. Wir sind weiterhin dabei, die Geschehnisse auszuwerten.“ Menschen, denen von Beamten Gewalt angetan worden sei, bittet er darum, sich bei der Polizei zu melden. „Bisher sind uns keine Anzeigen dazu bekanntgeworden. Auch uns ist daran gelegen, sauber alles aufzuarbeiten.“
Jonathan K.* wird das Angebot nicht annehmen. „Die Aufklärungsquote schwankt zwischen einem und zwei Prozent – dafür überlasse ich der Polizei nicht alle meine Daten. Ich habe kein Vertrauen in die Aufklärungsarbeit.“ Der 19-Jährige sagt, dass er von einem heranstürmenden Beamten ins Gesicht geschlagen worden sei. „Ich habe stark aus der Nase geblutet.“ Er habe im Weg gestanden, ihn aber nicht versperrt, versichert er.
Aus Misstrauen und aus Angst vor Repressalien lehnen viele Zeugen oder mutmaßliche Opfer eine Namensnennung ebenso ab wie eine Anzeige.
Connewitzer lehnen Sippenhaft ab
Generell bedenklich findet es Catrice Toporski, „wenn Kritiker polizeilichen Verhaltens pauschal in die linksextreme Ecke gedrückt werden“. Wenn im Rechtsstaat keine Kritik mehr möglich sei, versagt dieser. Die 39-jährige freiberufliche Übersetzerin und Lektorin empfindet Connewitz als heterogenen und lebenswerten Stadtteil. „Wegen ein paar gewalttätigen Idioten darf man uns nicht in Sippenhaft nehmen.“ Sie sieht eher Fragezeichen hinter der umstrittenen Öffentlichkeitsarbeit der Polizei, die Äußerungen zu Ereignissen der Nacht und zum Zustand des verletzten Beamten korrigierte.
Thomas Kumbernuß macht über die Kritik hinaus einen konstruktiven Vorschlag: „Mehrere Akteure wie Polizei, Stadt und Initiativen sowie Vereine sollten sich an einen Tisch setzen, um ergebnisoffen und konstruktiv zu beraten, wie Silvester am Kreuz friedlicher ablaufen kann.“ Er kann sich vorstellen, ein für sein mediatorisches Verhalten bekanntes Security-Unternehmen ins Boot zu holen, das für Sicherheit am Kreuz sorgen könnte.
Zu dem Vorschlag äußert sich Polizeisprecher Voigt: „Wir haben den Vorschlag zur Kenntnis genommen. Die Polizei ist immer gesprächsbereit. Dazu bedarf es aber auch der Zusammenarbeit mit den anderen Behörden“.
*Nachname ist der Redaktion bekannt und wurde auf Wunsch weggelassen.
07.01.2020 LVZ
Ein jetzt aufgetauchtes Video ändert nichts an der Auffassung der Staatsanwaltschaft. Einen Angriff auf einen Polizisten in der Silvesternacht in Leipzig Connewitz bewertet die Anklagebehörde weiter als versuchten Mord.
Die Staatsanwaltschaft Leipzig hält im Zusammenhang mit den Silvester-Ausschreitungen am Connewitzer Kreuz in Leipzig am Vorwurf des versuchten Mordes fest. „Wir sehen derzeit keine Veranlassung, davon abzurücken“, sagte Behördensprecher Ricardo Schulz am Dienstag in Leipzig. Daran ändere auch ein Video aus der Silvesternacht nichts, das die Wochenzeitung „Zeit“ inzwischen veröffentlicht hat. Die Ermittler gehen vom Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe aus.
In der 1 Minute und 18 Sekunden langen Aufzeichnung ist zu sehen, wie ein Polizist verletzt, beworfen und anschließend von seinen Kollegen weggeschleift wird. „Das massive Einwirken kann man nicht wegreden“, sagte Schulz.
Schwere Ohrverletzung
Wegen des Angriffs auf einen 38 Jahre alten Beamten wird wegen versuchten Mordes ermittelt. Die Staatsanwaltschaft vertrete die Auffassung, dass ein „massiver Tritt oder Schlag gegen einen ungeschützten Kopf oder Oberkörper potenziell lebensbedrohlich ist“, sagte Schulz am Dienstagabend auf LVZ-Anfrage. Dass dies Konsequenzen haben kann, sei bereits daran erkennbar, dass der betroffene Beamte „offensichtlich bewusstlos geworden ist“. In der Gesamtbewertung sei man zur Einschätzung gekommen, dass eine tödliche Verletzung billigend in Kauf genommen worden sei. Deshalb halte man am Anfangsverdacht des versuchten Mordes fest.
Auch das von der „Zeit“ veröffentlichte Video dokumentiere eine „erhebliche Aggressivität“ der mutmaßlichen Angreifer. Der Beschuss der Beamten mit Pyrotechnik, wie im Video zu sehen, sei zudem von „erheblicher Gefährlichkeit“. „Die tätliche Auseinandersetzung wurde hier gesucht“, so Schulz. Die Angreifer sind bislang nicht ermittelt.
Das Video habe den Ermittlungsbehörden bislang nicht vorgelegen, sagte Schulz. Ein Zeugenaufruf des Landeskriminalamtes hatte keinen einzigen Hinweis erbracht. Nach der Veröffentlichung werde das Video jetzt aber „im Rahmen der Ermittlungen Berücksichtigung finden“, so Schulz. „Wir werden das auswerten.“ Es zeige zwar nur einen Bruchteil des Geschehens, es deute sich derzeit jedoch an, dass das Bildmaterial echt sei. Noch werde es geprüft.
Erste Verhandlung am Mittwoch
Bereits am Mittwoch wird sich ein Verdächtiger vor dem Amtsgericht Leipzig für Vorfälle in Connewitz verantworten müssen. Die Staatsanwaltschaft hatte ein beschleunigtes Verfahren wegen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gegen den 27-Jährigen beantragt. In solchen Verfahren können Strafen von maximal einem Jahr ausgesprochen werden.
Ein Grund dafür sei, dass der Beschuldigte nicht über einen festen Wohnsitz verfüge. „Es besteht deshalb die Besorgnis, dass der Angeklagte sich der Hauptverhandlung entziehen könnte“, erklärte Schulz auf Nachfrage. Dem 27-Jährigen wird ein tätlicher Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und vorsätzliche Körperverletzung vorgeworfen. Der Sachverhalt sei hinreichend klar, eine weitere Beweisaufnahme nach derzeitigem Stand nicht nötig.
Weitere Schnellverfahren seien aktuell nicht angedacht. Drei Männer im Alter von 29 bis 32 Jahren befinden sich in Untersuchungshaft. Ihnen wird ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, versuchte und vollendete Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. „Die Tatvorwürfe sind in diesen Fällen schwerer, weitere Ermittlungen sind nötig“, so Schulz. Sie würden sich deshalb nicht für Schnellverfahren eignen.
Am Connewitzer Kreuz hatten sich laut Polizei in der Silvesternacht mehr als 1000 Menschen versammelt. Nach Mitternacht eskalierte die Situation und es gab Attacken gegen Polizisten.
07.01.2020 LVZ
Krawalle in Leipzig – 151 Sekunden Chaos: Neues Video zur Silvesternacht in Connewitz aufgetaucht
Nachdem bereits am Montag ein Video auftauchte, das Einblick in die Ereignisse zur Silvesternacht in Leipzig-Connewitz gewährte, gibt es nun neues Bewegtbildmaterial. Der zweieinhalbminütige Clip dokumentiert die Gewalt zwischen Sicherheitskräften und Passanten.
Die Ausschreitungen in der Silvesternacht am Connewitzer Kreuz beschäftigen auch eine Woche später weiterhin sowohl Staatsanwaltschaft und Politik als auch die Bewohner des Stadtteils im Leipziger Süden. Unter ihnen ist auch Felix Schimanski, der seit rund zwei Jahren am Kreuz lebt.
Den Silvesterabend verbrachte er wie gewohnt in seiner Wohnung, hatte aus dem Fenster besten Ausblick auf das Geschehen auf den Straßen, schildert er. Da er wegen seines Hundes selbst keine Böller zündet, wollte er sich von dort aus das Feuerwerk ansehen. Als die Situation nach Mitternacht eskalierte, hielt er das Geschehen mit der Kamera fest. Das Video liegt der LVZ exklusiv vor. (Klicken Sie zum Abspielen auf den Video-Button oben im Bild)
„Die Reaktionen der Polizei waren ziemlich heftig.“
Eigentlich hatte Schimanski damit gerechnet, dass es wie im Vorjahr ruhig zugehen würde. „Da war alles super, nichts mit Polizei“, sagt er zu LVZ.de. „Es ist klar, dass mal was kaputt geht. Ein Briefkasten oder ein Mülleimer. Das ist ganz normal – in Connewitz wie auch anderswo.“ Doch diesmal sei es nach Mitternacht immer lauter und chaotischer geworden. Er blickte nochmals nach draußen, war schockiert ob der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Feiernden, mutmaßlichen Linksextremen und Sicherheitskräften. Warum die Situation derart eskalierte, kann sich Schimanski nicht erklären. Für ihn steht allerdings fest: „Die Reaktionen der Polizei waren ziemlich heftig.“
Video zeigt Gewalt von beiden Seiten
Das Video, das der LVZ vorliegt, hat eine Laufzeit von zweieinhalb Minuten und dokumentiert die gewaltsamen Auseinandersetzungen am Kreuz. Zu sehen ist, wie die es am Rande einer größeren Ansammlung von Polizisten zu körperlicher Gewalt kommt. Wechselseitig werden Schläge und Tritte ausgeteilt und Menschen zu Boden geworfen. Die Beamten führen mehrere Personen ab. Schließlich ziehen sich die Sicherheitskräfte im Verbund zurück, wobei mehrere Passanten zu Fall kommen.
Weitere am Boden liegende Personen werden ignoriert. Am Rande des Geschehens wird ein Polizist getreten, woraufhin fünf Beamte den Angreifer einkesseln, wiederholt auf ihn einschlagen und ihn schließlich abführen. Das Video wurde um 1.19 Uhr aufgenommen. Was mit dem 38 Jahre alten, verletzten Polizisten geschah, der operiert werden musste, darüber gibt das Video folglich keinen Aufschluss.
Angezündeter Einkaufswagen ist zu sehen
Feuerwerkskörper werden zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gezündet. Und auch der brennende Einkaufswagen, der mit Pappe wie ein Polizeiauto dekoriert war und laut der Schilderung des Landeskriminalamts „in Richtung der Polizeibeamten geschoben“ wurde, ist mehrmals kurz am unteren Rand des Videos zu sehen. Die Flammen sind jedoch bereits erloschen.
Felix Schimanski ist angesichts des Geschehens noch immer aufgebracht. „Unser privates Silvester war damit ruiniert“, sagt er.
07.01.2020 LVZ
Lesermeinungen – Silvester-Ausschreitungen am Connewitzer Kreuz – das meinen die LVZ-Leser
Leipzig zum Jahreswechsel: Kurz nach Mitternacht eskalierte am Connewitzer Kreuz im Süden der Stadt die Situation. Zu den Ausschreitungen aus der linksextremen Szene heraus und dem Polizeieinsatz gibt es eine Flut von Leserzuschriften.
Leipzig. Zahlreiche Leserbriefe zu den Ausschreitungen an Silvester haben die Leipziger Volkszeitung erreicht. Wir veröffentlichen einen Teil davon.
Polizisten sind Opfer einer unfähigen Justiz
Man kann es nicht mehr hören. „Mit aller Härte“ werde der Staat „jetzt“ reagieren. Wo denn? Seit Jahren wird kein einziger Täter gefasst geschweige denn verurteilt. Zerstörte Baustellen, brennende Autos, Bürger, die in ihren Wohnungen überfallen werden. Mir tun unsere Polizisten leid, die jeden Tag ihren Kopf hinhalten müssen für eine Justiz, die offensichtlich unfähig ist, den Rechtsstaat überall durchzusetzen. Und wie immer ist niemand verantwortlich. Nicht Leipzigs OBM Jung (SPD), der die sogenannte „Szene“ immer wohlwollend toleriert hat. Nicht Politiker der Linken mit ihren Aussagen im Netz. Nicht Sachsens Ministerpräsident Kretschmer (CDU) und seine neue Justizministerin von den Grünen. Dieser Staat schützt weder seine Bürger, seine Grenzen, seine Museen noch das Eigentum der Menschen. Die Silvesternacht von Connewitz könnte ein Menetekel sein. Vielleicht schon für die Bürgermeisterwahlen im Februar in Leipzig.
Dr. R. Kühnel, 04109 Leipzig
Langsam macht sich Angst breit
Diese Vorfälle mit Angriffen auf Beamte und mit einem schwerverletzten Polizisten sind eine Schande für unsere Gesellschaft. Leipzigs OBM sagt völlig richtig, dass es hierbei um Menschen geht beziehungsweise ging. Was ungesagt blieb und was von großer Bedeutung für uns alle ist – es war ein Anschlag auf unseren Staat, denn die betroffenen Beamten vertreten den deutschen Staat und sorgen letztendlich für unser aller Sicherheit. Es war in gewissem Sinne ein Terroranschlag. Und es bleibt zu hoffen, dass nicht nur gegen den betreffenden Täter mit aller Härte vorgegangen wird, sondern dass endlich auch konsequent gegen alle diese linken Chaoten ermittelt und vorgegangen wird. Man bekommt langsam den Eindruck, diese Chaoten wollen den Bürgerkrieg und haben damit bereits begonnen. Langsam macht sich in der Bevölkerung Angst breit.
Dieter Poetzsch, 04158 Leipzig
So etwas sollte es Neujahr nicht geben
Die Leipziger SPD-Vize Irena Rudolph-Kokot und die Linken-Abgeordnete Juliane Nagel fallen mit dem betulichen Umkehren der Schuld außer den Polizisten auch den friedfertigen Feiernden in den Rücken. Würden sie sich vor Empörung überschlagen, wenn es die Untaten Rechtsradikaler statt Schein-Linker gewesen wären? Ihre Sorge für das Gemeinwesen müsste sein: Wieso gibt es zu Neujahr Übergriffe, die den Einsatz von Polizisten erfordern, statt dass diese selbst gelassen feiern können?
Ulrich Heinz, per E-Mail
Chaoten mit offenbar blindem Hass
Es ist unerträglich, akzeptieren zu müssen, dass Leipzig zu Silvester erneut solch schlimme Schlagzeilen produziert. Noch schlimmer ist jedoch, dass Chaoten in offensichtlich blindem Hass Menschenleben aufs Spiel setzen. Es erschreckt mich, dass Politiker sich ihrer eigentlichen Vorbildfunktion nicht bewusst sind. Stattdessen wird die eigene Klientel bedient. Egal, was passiert, für Frau Nagel ist stets die Staatsmacht schuld. Kein Bedauern, kein Mitgefühl für das schwerverletzte Opfer und dessen Familie. Kein Hinterfragen auch der eigenen Position. Eine Medaille hat immer zwei Seiten. Und warum? Vermutlich soll auch hier nur das eigene Direktmandat in eben diesem Wahlkreis verteidigt und die eigene Kariere gesichert werden. Das ist nicht nur billig, sondern auch aufs Schärfste zu verurteilen. Mir stellen sich – nicht nur nach dieser Nacht – folgende Fragen: Warum fühlen sich Menschen in unserer Gesellschaft überhaupt durch die pure Anwesenheit von Polizeikräften provoziert? Warum wirft man ihnen die pure Ausübung ihres Jobs wie das Sichern der öffentlichen Ordnung vor? Warum muss man Polizisten permanent in der Öffentlichkeit beleidigen? Warum scheint dies in unserer Gesellschaft längst akzeptiert? Der Polizei wird gern unangemessenes Verhalten oder überzogene Härte vorgeworfen. Mag sein, dass dies auch immer wieder vorkommt. Das Austauschen von freundlichen Hinweisen scheint jedoch bei Chaoten, ob links oder rechts, kaum möglich.
Bernd Schulze, per E-Mail
Politik hat die Szene groß werden lassen
Wann „kämpft“ denn die Polizei endlich einmal gegen diese linksradikalen Terroristen in Leipzig, die mit Losungen wie „Alle Bullen sind Bastarde“ in Leipzig auch noch öffentlich demonstrieren dürfen und von der Polizei beschützt werden? Statt dessen geht man gegen Polizisten vor, die einen solchen Radikalen auch einmal hart anfassen. Das ganze Übel liegt im Leipziger Rathaus und bei der Justiz, die eine solche Szene viel zu lange haben groß werden lassen und die selbst Angst vor radikalen Maßnahmen gegen sie haben. Die wiederholten Schlagzeilen in den Medien spiegeln doch nur die ganze Ohnmacht und Hilflosigkeit des Staates gegenüber einer solchen radikalen und kriminellen Szene wider.
Der Autor ist uns namentlich bekannt, möchte aber aufgrund des Persönlichkeitsschutzes nicht genannt werden
Erschreckendes Gewaltpotenzial
Ich finde es erschreckend, wie viel Gewaltpotenzial von den Linksextremisten ausgeht. Schon wieder schrecken sie nicht davor zurück, Polizisten mit voller Absicht schwer zu verletzen. Genauso entsetzt bin ich über die Reaktion der Landtagsabgeordneten der Linken, Juliane Nagel. Wer so widerlich die Arbeit der Polizei kritisiert und die Meinung der Linksautonomen vertritt, darf nicht länger als Abgeordnete des Volkes arbeiten. Ihre Meinung, die Polizei hat nichts in Connewitz zu suchen, ist absurd. Die Polizisten verdienen meine Hochachtung. Ständig setzen sie ihr Leben und ihre Gesundheit ein, um für Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Genauso befremdlich finde ich den Kommentar der Co-Vorsitzenden der SPD, Saskia Esken. Sie verurteilt erst einmal die Arbeit der Polizei, obwohl sie gar nicht dabei war. Von unseren Politikern erwarte ich, das sie hinter unseren Beamten und Beamtinnen der Polizei stehen und ihnen nicht in den Rücken fallen.
Silke Baumann, per E-Mail
Langjähriger Kuschelkurs
Goethe lässt seinen Zauberlehrling sagen: „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd’ ich nun nicht los.“ Dieses Zitat müsste auch dem (Religions-) Lehrer Jung bekannt sein, deshalb kann man seiner vorgetragenen Bestürzung über die linken Gewaltexzesse in der Silvesternacht wohl wenig Glauben schenken. Der langjährige Kuschelkurs des Leipziger OBM mit der autonomen linken Szene in Connewitz und sein Schulterschluss mit der die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ablehnenden linksextremen Juliane Nagel im Kampf gegen den Rechtsextremismus schufen erst das politische Fundament für die Vorgänge in Connewitz sowie die dramatische Zunahme linksextremer Straftaten im Jahre 2019. Es ist schon erschreckend, wenn selbst führende SPD-Funktionäre der Stadt Verständnis für die Chaoten aufbringen, indem sie das Vorgehen der Polizei kritisieren.
Dr. Klaus Lindner, 04157 Leipzig
Kritiker müssten selbst einmal in den Einsatz
Alle, die sich über den Einsatz der Polizei am Connewitzer Kreuz aufregen und sich über das Eingreifen der Polizei beschweren, müssten einmal in einer Uniform der Polizei zu solch einem Einsatz in der ersten Reihe mit aufmarschieren. Sie würden ganz schnell ihre Meinung ändern.
Heinz Bonitz, 04552 Borna
Kriminelle, die Leben anderer missachten
Linke Chaoten gegen Polizei, verletzte Polizisten, festgesetzte Angreifer, eigentlich alles wie immer. Doch diesmal diese ernsthaften Angriffe auf das Leben der Polizeibeamten. Diese Unmenschlichkeit, der scheinbare Wille, den anderen nach Möglichkeit schwerst zu verletzen. Und die Politik ? Die üblichen relativierenden Äußerungen und das Verdrehen der Tatsachen, Kritik … natürlich an der Polizei(taktik). Manchmal wünschte ich mir, eine Horde Rechter hätte dort gewütet, dann würde endlich mal was passieren – Lichterketten, Konzerte … politisches Handeln. Autonome nennen sie sich. Nein, es sind einfach auch nur Kriminelle, die das Leben anderer Menschen missachten – und ja, Polizisten sind Menschen.
T. Berger, per E-Mail
06.01.2020 LVZ
OBM-Kandidaten präsentieren sich – Kontroverse Diskussion über Silvester-Krawalle am Connewitzer Kreuz bei LVZ-Forum
Beim Wahlforum der LVZ zur Oberbürgermeisterwahl gehörten die Silvester-Ausschreitungen am Connewitzer Kreuz zu den Reizthemen. Die Vorfälle sowie die Konsequenzen daraus wurden kontrovers diskutiert.
Beim ausgebuchten und per Live-Stream übertragenen LVZ-Wahlforum am Montagabend gehörten die gewaltsamen Ausschreitungen in der Silvesternacht am Connewitzer Kreuz zu den am heftigsten diskutierten Themen. In der Moderation von LVZ-Chefredakteur Jan Emendörfer und Lokalchef Björn Meine positionierten sich sechs Bewerber auf den OBM-Posten zu kritischen Fragen: Amtsinhaber Burkhard Jung (SPD) sowie die Kandidaten Sebastian Gemkow (CDU), Franziska Riekewald (Die Linke), Christoph Neumann (AfD), Katharina Krefft (Die Grünen) und Marcus Viefeld (FDP).
Bei Gemkow fängt Kriminalität in „Dreckecken“ an
Beim Auftaktthema „Innere Sicherheit in Leipzig“ setzte der Chefredakteur aufgrund der aktuellen Ereignisse auf Connewitz und die Frage, was das künftige Stadtoberhaupt gegen linksextreme Gewalt tun würde. Gemkow will eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Stadt und Polizei herstellen, um Recht und Gesetz durchzusetzen. Der CDU-Kandidat sieht den Nährboden für Kriminalität dort, „wo Dreckecken entstehen“. Hier müsse man zuerst ansetzen – egal ob als Amt oder Polizei.
Viefeld stimmt in vielem zu und plädiert für einen Kulturwandel, in dem die Ordnungskräfte gestärkt würden und die Zivilgesellschaft Vorgänge wie am Kreuz ächtet. Auch Krefft will einen starken Staat, setzt aber auch auf mehr Dialog mit der Bürgerschaft, auf „ein gutes Miteinander“. Dafür möchte sie im Stadtteil ein Quartiersmanagent etablieren und die Akteure zusammenbringen. Sie verweist darauf, dass an neuralgischen geografischen Punkten in Berlin inzwischen Bürgerfeste stattfinden und die Atmosphäre verbesserten; das kann sie sich auch für Leipzig vorstellen.
Riekewald: Verhalten der Polizei aufarbeiten
Ex-Polizist Neumann kündigt an, als OBM dank seiner Erfahrung durch Kooperation von Ordnungsamt und Polizei die Stadt „innerhalb kürzester Zeit zu Recht und Ordnung zu bringen“. Bei ihm fängt die Beseitigung von Kriminalität bei Schmierereien an Häuserwänden an. Riekewald, die Gewalt generell verurteilt, weist darauf hin: „In den letzten Jahren und unter dem vorigen Polizeipräsidenten ist Silvester ruhiger abgelaufen. Es geht bei den Vorfällen in Connewitz auch darum aufzuarbeiten, inwieweit die Polizei deeskalierend hätte wirken können.“
Jung stellt fest: „Wir haben heute weniger Polizei auf Leipzigs Straßen als vor fünf Jahren.“ Dafür macht er – unter Zustimmung von Franziska Riekewald – den Personalabbau durch den Freistaat verantwortlich. Der Amtsinhaber will den Kooperationsvertrag mit der Polizei ausdehnen und die Kriminalprävention erhöhen. Gemkow widerspricht: „Seit 2016 haben wir 300 Polizisten mehr in Leipzig“; die Ereignisse von Silvester zeigten, dass die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Kommune deutlich verbessert werden müsse. Krefft wünscht sich eine offenere Kommunikation, um den Frieden in der Stadt zu sichern.
Neumann: Leipzig wird irgendwann keine Gäste mehr haben
Die Stimmung kocht hoch, als Emendörfer zugespitzt fragt, ob „die hippe und coole Stadt Leipzig ein Klima schürt, dass Polizisten ,Schweine’ oder ,Bastarde’ genannt werden können“. Der AfD-Kandidat bemerkt: „Wenn wir nicht für Sicherheit sorgen können und Polizisten Freiwild sind, werden wir irgendwann keine Gäste mehr haben.“ Jung reagiert entschieden: „In Dresden hat man gesehen, was passiert, wenn sich eine AfD-nahe Pegida in der Stadt aufstellt – hier sinken tatsächlich die Tourismuszahlen!“ Viefeld fürchtet um Leipzigs Ruf, „wenn Baukräne brennen oder die Mitarbeiterin einer Immobilienfirma verkloppt wird. Das ist nicht hip, wir müssen das ändern.“ Der amtierende OBM warnt vor Verallgemeinerung: „In erster Linie ist Connewitz ein bunter, alternativer Stadtteil mit 20.000 wunderbaren Menschen. Es gibt in der Tat einige Verbrecher – wie anderswo in der Stadt.“
Ob der Rechtsstaat unfähig sei, Täter dingfest zu machen, will der Chefredakteur mit Adresse an Gemkow als ehemaligen Justizminister wissen. Der räumt dem linksextremistischen Spektrum einen Vorsprung in Sachen Technik ein und kritisiert, dass das Gesetz das Auslesen von Messenger-Apps verbietet.
Jung äußert sich zu Rudolph-Kokot
Zur Sprache kamen auch die Äußerungen der Leipziger SPD-Vizevorsitzenden Irena Rudolph-Kokot, die der Polizei eine „eskalierende Einsatztaktik“ in der Silvesternacht vorwarf, woraufhin mehrere Sozialdemokraten ihren Rücktritt forderten. Erstmals gab dazu Burkhard Jung öffentlich eine Stellungnahme ab. „Mich hat das richtig geärgert, denn der erste Gedanke gehört der Solidarität mit dem stark verletzten Beamten.“ Fragen zum Einsatz hätten sich hier nicht gehört und später in Ruhe erörtert werden müssen. Ob er sich den Rücktrittsforderungen anschließe, hakt LVZ-Lokalchef Meine nach. Jung hält sich bedeckt: „Das macht die Partei.“
Von Mark Daniel
06.01.2020 LVZ
Bewegtbild – Auseinandersetzungen in Leipzig-Connewitz: Video der Silvesternacht aufgetaucht
Nach den Ausschreitungen in der Silversternacht in Leipzig-Connewitz ist ein Video aufgetaucht. Es dokumentiert die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Feiernden.
Erstmals ist ein Video der Ausschreitungen zur Silvesternacht im Leipziger Stadtteil Connewitz aufgetaucht. Der am Montag von der Wochenzeitung Die Zeit veröffentlichte Clip dauert rund 80 Sekunden und dokumentiert einen kurzen Abschnitt der Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Feiernden. Zu sehen ist unter anderem, wie der brennende Einkaufswagen vom Mittelteil des Kreuzes aus in Richtung Wolfgang-Heinze-Straße geschoben wird und nach wenigen Metern liegen bleibt.
Wenig später ist zu sehen, wie Polizisten mit Feuerwerk beschossen und körperlich angegriffen werden. Einer der Beamten bleibt am Boden und wird von seinen Kollegen weggezogen. Es handelt sich mutmaßlich um den 38 Jahre alten Beamten, dem laut Darstellung von Polizei und Landeskriminalamt (LKA) der Helm vom Kopf gezogen wurde. Er habe das Bewusstsein verloren und im Krankenhaus operiert werden müssen, so die Sicherheitskräfte.
In einer Mitteilung des LKA vom Donnerstag hieß es, drei Angehörige der Bereitschaftspolizei seien kurz nach Mitternacht „durch etwa 20 bis 30 Personen, welche zumindest teilweise vermummt waren, angegriffen“ worden. Diese Zahlen und die genauen Umstände lassen sich durch die Kürze des Videos und des engen Bildausschnitts weder belegen noch bestätigen. Auch, ob Polizisten der Helm vom Kopf gezogen wurde, lässt sich nicht erkennen. Die Zeit schreibt, das Video sei verifiziert worden, der Urheber jedoch unbekannt.
Die Leipziger Staatsanwaltschaft ermittelt aufgrund des Angriffs auf die drei Beamten wegen des Verdachts des versuchten Mordes gegen Unbekannt. Auf einen Zeugenaufruf des Landeskriminalamtes habe sich bislang niemand gemeldet, sagte Behördensprecher Ricardo Schulz am Montag.
05.01.2020 LVZ
Die sächsische Linke hat die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei im Rahmen der Krawalle in Leipzig-Connewitz kritisiert. Mit einer kleinen Anfrage sollen die Fehler im Landtag erörtert werden.
Der Kampf um die Deutungshoheit zu den Krawallen in Connewitz gehen weiter. Die sächsische Linke hat nun die Öffentlichkeitsarbeit der Leipziger Polizei stark kritisiert. In einer öffentlichen Mitteilung fordern sie eine kritische Auswertung. Die direkte Landtagsabgeordnete des Stadtteils, Juliane Nagel (Die Linke), bringt zudem eine kleine Anfrage in den Landtag ein, in der sie genauere Informationen fordert, die derzeit noch von der Polizei zurückgehalten wurden.
Informationen zu Verletzungen unklar
Unstrittig ist bisher, dass ein Beamte während des Einsatzes schwer verletzt wurde. Drei weitere Kollegen wurden mit leichteren Verletzungen im Krankenhaus behandelt. Die Linken stellen klar, dass „diese Gewalt abzulehnen“ sei. Doch für sie stellen die Entwicklungen der vergangenen Tage die Glaubwürdigkeit der Polizei klar in Frage. Diese bekräftigte am Freitag noch einmal, dass die Behörde keine Falschmeldungen verbreiten würden.
Der erste Kritikpunkt der Linken betrifft die Schwere der Verletzungen: Am Abend sprach die Behörde noch davon, dass ein Polizist „notoperiert“ werden musste. Medien berichteten schon am Folgetag, dass lediglich ein Eingriff an der Ohrmuschel durchgeführt wurde, aber keine Gefahr für Leben oder Hörsinn bestand. Die Polizei relativierte daraufhin ihre Ausdrucksweise mit dem Verweis, dass es für die Pressesprecher nach einem dringenden Eingriff klang.
Unklar sei auch noch, wie es zur der Verletzung kam. Laut ersten Mitteilungen wurde dem Beamten der Helm vom Kopf gerissen. Andere Berichte geben an, dass der Helm nicht richtig gesichert gewesen sein, ganz fehlte oder immer noch fest auf dem Kopf des ohnmächtigen Beamten saß.
Nachdem sich Aktivisten auf der Szeneplattform indymedia zu der Nacht geäußert hatten, bleibt auch unklar, ob es sich um einen gezielten Angriff gehandelt habe. Denn der Beamte und seine Kollegen waren in der sogenannten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) tätig, die in der Regel bei Großeinsätzen zum Einsatz kommt. Sie halten die restlichen Einsatzkräfte mobil, indem sie ihnen vor Ort die Festnahme von mutmaßlich straffällig gewordenen Personen und die dazugehörige Beweissicherung abnehmen. Die Aktivisten behaupten in dem Schreiben, dass die BFE schon in den Tagen vor Silvester im Quartier unterwegs gewesen sei und „Anwohner*innen massiv schikaniert“ hätte. Mindestens einer der Beamten soll der linken Szene bekannt gewesen sein. Für die Linken steht fest, dass die Informationen, wie der Beamte verletzt wurde, am Neujahrsmorgen noch nicht ausreichend gesichert waren, um sie zu veröffentlichen.
Wahrheit wichtiger als Schnelligkeit
Für weitere Verwirrung sorgte ein brennender Einkaufswagen. In einer ersten Version der polizeilichen Pressemitteilung sei der noch mitten in eine Gruppe von Polizisten geschoben worden , was später von der Polizei selbst wieder abgeschwächt wurde, so die Linken. Denn in den Folgetagen meldeten sich verschiedene Augenzeugen, die berichteten, dass der Wagen nur in Richtung der Beamten geschoben wurden sei.
Direkte Kritik richtet sich auch gegen den Leipziger Polizeipräsidenten Torsten Schultze, der in einer Mitteilung den Namen eines Bürgers nannte. Dieser hatte die Einsatztaktik zuvor auf Twitter kritisiert. Für Linke eine klare „Grenzüberschreitung“. So resümiert Landesvorsitzender Stefan Hartmann die Vorgänge: „Zur Deeskalation gehört auch eine Sprache, die auf genaue und wahrheitsgemäße Angaben setzt. Auch in unserer schnelllebigen Zeit sollte bei einer staatlichen Institution, die das Gewaltmonopol ausführt, die Qualität der veröffentlichten Informationen wichtiger sein, als die reine Schnelligkeit. Das dürfte nicht zuletzt im eigenen Interesse der Polizei hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit sein.“
Kleine Anfrage fordert Informationen
Diese Kritikpunkte liegen anscheinend auch der kleinen Anfrage von Juliane Nagel zu Grunde, die sie an die Landesregierung richtet. Sie fragt, wie viele Beamte in der Silvesternacht in Connewitz im Einsatz waren und welche von ihnen konkret welche Verletzungen erlitten haben – Informationen, die die Polizei am Tag danach nicht bekannt geben wollte. Darüber hinaus will sie eine öffentliche Erklärung, warum das Landeskriminalamt wegen versuchten Mordes ermittelt, und nicht mehr wegen versuchten Totschlags.
Außerdem fragt sie nach den zivilen Opfern. Bereits am Neujahrstag stellte sie im Gespräch mit LVZ.de klar, dass nicht nur Beamten während der Auseinandersetzungen verletzt wurden, sondern auch Passanten. Sie erkundigt sich ebenfalls nach dem Bürger, der in einer Pressemitteilung der Polizei erwähnt wurde. Nagel fragt, ob das mit dem Datenschutz vereinbar ist, und ob es dem Polizeipräsidenten überhaupt zusteht, seine Meinung in dieser Form zu äußern.
05.01.2020 LVZ
Nach Silvesternacht in Connewitz – „Schamlos“: Sachsens SPD warnt vor Instrumentalisierung von Polizisten-Attacke
Die SPD in Sachsen äußert sich nach der Silvesternacht in Connewitz. Die Attacke auf den Polizisten solle nicht instrumentalisiert werden.
Die Silvesternacht in Leipzig beschäftigt weiterhin die Politik. Nach den Ausschreitungen hat die SPD in Sachsen vor einer Instrumentalisierung der Attacke auf den Polizisten gewarnt. „Der feige Angriff auf einen Polizisten allein ist eine verbrecherische Tat“, erklärte SPD-Generalsekretär Henning Homann am Sonntag. Es sei „nicht nur schamlos, sondern wird auch der Situation des Polizisten und seiner Familie nicht gerecht“, den Beamten im Oberbürgermeisterwahlkampf zu instrumentalisieren.
Am 2. Februar finden in Leipzig Oberbürgermeisterwahlen statt. Unter anderem fordert Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) den amtierenden Stadtchef Burkhard Jung (SPD) heraus. Gemkow will sich für eine „konsequente Rechtsdurchsetzung“ in Brennpunkten einsetzen, wie er nach der Attacke erklärte. Thomas Feist, CDU-Kreisvorsitzender in Leipzig, übte deutliche Kritik am bisherigen Rathauschef. Er warf Jung Tatenlosigkeit gegen den „immer stärker und aggressiver werdenden Linksextremismus“ vor. Jung hatte die Ausschreitungen am Neujahrstag scharf verurteilt.
Polizei ermittelt nach Silvesternacht in Connewitz
SPD-Generalsekretär Homann erklärte, dass die Partei die „bisherigen Anstrengungen“ Jungs, Gewalt mit mehr Polizei und präventiven Angeboten zurückzudrängen, unterstütze. „Anstelle gegenseitiger Schuldzuweisungen müssen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft jetzt zusammenstehen.“
In dem Leipziger Stadtteil Connewitz wurde in der Silvesternacht ein Polizist bei einem Festnahmeversuch nach Polizeiangaben angegriffen und verletzt, möglicherweise von Linksextremisten. Die Polizei ermittelt wegen versuchten Mordes.
Auch einige Kollegen des Polizisten erlitten Verletzungen, wenn auch nicht ganz so schwerwiegende, heißt es nach Polizeiangaben. Und auch Zivilisten sollen verletzt worden sein. So habe Juliane Nagel, in Connewitz direkt gewählte Landtagsabgeordnete der Linken, gesehen, das mindestens fünf Zivilisten Verletzungen davontrugen. Die genauen Umstände und Ursachen müsse jetzt von der Justiz untersucht werden.
Mann: Parlamentarische Aufarbeitung nötig
Der Vorsitzende der Leipziger SPD und Landtagsabgeordneter für den Leipziger Norden, Holger Mann, stellt sich ebenfalls hinter die Polizei. Er betont, wie die Behörde seit 2014 unter Mitwirkung der SPD in der Landesregierung gestärkt wurde; durch mehr Personal und weitere Befugnisse. „Dies erfordert zugleich mehr Transparenz und weitere Verbesserungen bei einer gelebten Fehlerkultur“, sagt der Abgeordnete.
Immer noch bleibt unklar, ob und welche Fehler in der Silvesternacht für die Eskalationen sorgten. „Wenn es nach Aussagen des Polizeipräsidenten 20 bis 30 Personen gelang, zwei Hundertschaften der Polizei in Notsituationen zu bringen, sind dabei auch Fragen zur Einsatztaktik der Polizei legitim und notwendig“, so Mann weiter. Darum fordert der SPD-Politiker eine transparente und klare Aufarbeitung der Ereignisse, die auch im Parlament mit einer Debatte erfolgen soll, die laut Mann von Dialog, und nicht von Schuldzuweisungen, geprägt sein sollte.
04.01.2020 LVZ
Connewitzer Kreuz – Autonome veröffentlichen Artikel zur Leipziger Silvesternacht auf Indymedia
Auf der als Sprachrohr der linken Szene bekannten Internetplattform Indymedia ist ein Schreiben zur Silvesternacht veröffentlicht worden. Dabei weisen die Verfasser darauf hin, dass die Ausschreitungen am Connewitzer Kreuz im Kontext der vergangenen Monate zu betrachten seien.
Ein anonymes Schreiben zu den Ausschreitungen in der Silvesternacht in Leipzig ist unter dem Titel „Betrachtungen zur Silvesternacht“ in der Nacht zu Samstag auf der Internetplattform „Indymedia“ veröffentlicht worden. Das Portal wird hauptsächlich von Angehörigen der linken Szene mit Inhalten befüllt, es kann aber grundsätzlich jeder Texte hochladen.
Im Schreiben ist von zunehmender Polizeigewalt die Rede. „Das Jahr 2019 war nicht nur in Connewitz, sondern in ganz Leipzig von zunehmender Aggressivität und zahlreichen Erniedrigungen, Körperverletzungen, Beleidigungen und gewalttätigen Übergriffen seitens der Bullen geprägt“, klagen die Verfasser des Textes. Zahlreiche Demonstrationen von Linken seien von den „Schweinen“ angegriffen worden, wie die Autoren die Polizisten beschimpfend nennen. Schon in den Wochen vor Silvester habe die Polizei „unnötige“ und „martialische“ Präsenz im Viertel gezeigt, am 31. 12. selbst hätte diese in „Schikane“ durch einen seit mittags fliegenden Polizeihubschrauber, verdachtsunabhängige Kontrollen und zahlreiche Mannschaftswagen in den Straßen gegipfelt.
Besonders im Fokus: die BFE
Der nächste Satz dürfte für die Ermittlungen des LKA im Hinblick auf den Angriff eines 38 Jahre alten Polizisten in der Silvesternacht von Bedeutung sein. Die Verfasser des Textes schreiben: „In Connewitz erdreisteten sie (die Polizisten, Anm. d. Red.) sich für ein paar Wochen sogar, die Bewohner*innen mit martialischen Fußpatrouillen kleiner BFE-Trupps zu belästigen, die auch Anwohner*innen massiv schikanierten und bedrängten.“
BFE ist die Abkürzung für die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit der Polizei. Diese Einheiten kommen in der Regel bei größeren Veranstaltungen mit Gewaltpotenzial (z. B. als kritisch eingestufte Demonstrationen und Fußballspiele) zum Einsatz. Ihre Aufgabe ist es, die restlichen Polizeikräfte mobil und einsatzfähig zu halten, indem sie ihnen die Festnahme von straffällig gewordenen Personen sowie die Sicherung von Beweismitteln vor Ort abnehmen.
Der 38 Jahre alte Polizist, der in der Silvesternacht schwer verletzt worden war, soll einer solchen BFE angehört haben. Zusammen mit zwei weiteren Kollegen soll er bei einem Angriff einer größeren Gruppe Autonomer vom Rest der Einheit getrennt und anschließend attackiert worden sein. Aus Polizeikreisen ist zu hören, dass mindestens einer der Männer der linken Szene bekannt ist.
Auch zu anderen Vorfällen Beiträge auf Indymedia
Der Beamte erlitt den Angaben der Polizei zufolge schwere Kopfverletzungen und musste operiert werden, konnte das Krankenhaus am Freitag aber wieder verlassen. Ermittelt wird wegen versuchten Mordes. Das LKA sucht Zeugen. Wie viele Menschen sich mit Hinweisen bisher gemeldet hatten, wollte LKA-Sprecher Tom Bernhardt am Samstag nicht sagen.
In den vergangenen Wochen hatten Linksautonome in Leipzig immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Es brannten mehrfach Bagger auf Baustellen, im November wurde eine Mitarbeiterin einer Immobilienfirma in ihrer Wohnung angegriffen und verletzt. Auch dazu äußerten sich die Autonomen auf Indymedia.“Projekte wie das Südcarré stellen eine Bedrohung für Connewitz als politischen Raum dar“, hieß es in einem Text, der drei Stunden nach dem Angriff auf der Plattform veröffentlicht wurde. Und weiter: Man habe sich entschieden, „die Verantwortliche für den Bau eines problematischen Projekts im Leipziger Süden da zu treffen wo es ihr auch wirklich weh tut: in ihrem Gesicht.“
Im Oktober waren Autonome schon einmal mit Polizei und Rettungskräften in eine handgreifliche Auseinandersetzung verwickelt gewesen. Damals hatte eine Gruppe von Personen, die der linken Szene zugeordnet werden, auf einer Baustelle Feuer gelegt. Als Polizei und Feuerwehr eintrafen, wurden sie mit Steinen, Feuerwerkskörpern und Flaschen beworfen. Zwei Polizisten wurden dabei leicht verletzt. Anschließend erschien ein Text mit dem Titel „Bullenschweine raus aus Connewitz“, in dem die Verfasser weniger Präsenz der Polizei in Connewitz fordern.
04.01.2020 LVZ
Kritik am Einsatz in Leipzig-Connewitz – GdP will SPD-Chefin Esken Nachhilfe in Polizeiarbeit geben
Nachdem die SPD-Vorsitzende Saskia Esken die Taktik der Polizei in der Silvesternacht am Connewitzer Kreuz kritisiert hat, hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sie nun zum Gespräch eingeladen. Man wolle sie über die Arbeit der Polizei und Gewalt gegen Polizisten informieren.
Die GdP hatte die Einladung am Freitag über den Kurznachrichtendienst Twitter ausgesprochen und die Politikerin direkt verlinkt:
Die Antwort von Esken – ebenfalls via Twitter – folgte noch am selben Abend. Esken nahm das Angebot dankend an und betonte, die SPD verurteilten jede Art von Gewalt gegen Polizeibeamte und andere Berufsgruppen, die für Sicherheit sorgten. Allerdings ruderte sie nicht von ihrer Kritik gegen die Einsatztaktik der Leipziger Polizei zurück. Denn um Einsatzkräfte nicht unnötig in Gefahr zu bringen, gehöre es auch dazu, Einsatzstrategien zu evaluieren.
Am Samstag teilte Esken wiederum mit, dass die Terminfindung mit der GdP laufe. Sie habe inzwischen ein sehr gutes Gespräch mit Jörg Radek, dem Vizechef der GdP gehabt. Darin sei es um die Wahrnehmung und den Umsatz mit polizeilichen Einsatzkräften aus Sicht der Beamten gegangen, aber auch die personelle Situation in der Polizei, ihre Ausrüstung und Strategien zur Gewaltprävention und Deeskalation seien zur Sprache gekommen. Auch habe man über die Kontrolle der Polizei durch das Parlament gesprochen.
Hat Einsatztaktik Beamte in Gefahr gebracht?
Esken hatte am Freitag gesagt, dass schnell geklärt werden müsse, ob die Einsatztaktik in der Silvesternacht angemessen gewesen sei. „Sollte eine falsche Einsatztaktik Polizistinnen und Polizisten unnötig in Gefahr gebracht haben, liegt die Verantwortung dafür beim sächsischen Innenminister.“ Mehrere Politiker, vor allem von der Partei Die Linke, hatten das Vorgehen der Polizei angeprangert. Esken führte zudem das Beispiel der Berliner Polizei an, die aus den alljährlichen Krawallen zum 1. Mai gelernt und eine Deeskalationsstrategie entwickelt habe, die sich bewährt hätte.
Die SPD-Vorsitzende musste daraufhin selbst Kritik einstecken. Man warf ihr vor, den Beamten die Schuld für die Eskalation der Situation am Connewitzer Kreuz zuzuschieben. „Es geht mir nicht darum, Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zu kritisieren in ihrem Handeln“, entgegnete Esken am Freitagabend im ZDF. „Dann sage ich, dass mir das leid tut, dass so eine Interpretation natürlich vollkommen falsch ist.“
Taktik im Gesamtbild betrachten
Auch bei der GdP waren Eskens Äußerungen nicht gut angekommen. „Die Diskussion wird völlig falsch geführt. Man muss den Anlass des Polizeieinsatzes sehen, um die Taktik zu verstehen“, sagte der stellvertretende GdP-Vorsitzende Radek in einem Zeitungsinterview. Es habe in der Vergangenheit offensichtlich Gewalttaten im Stadtteil Connewitz gegeben, die die starke Präsenz der Polizei in der Silvesternacht erforderlich gemacht hätten.
Innenminister Wöller hatte die Ausschreitungen am Freitag als „vorläufiger Höhepunkt von Gewalt und Auseinandersetzungen“ in Connewitz gewertet. Der Stadtteil gilt als eine Hochburg des Linksextremismus in Deutschland. Der 38-jährige Polizist war bei einem Festnahmeversuch nach Polizeiangaben angegriffen worden. Demnach wurde ihm zuvor der Helm heruntergerissen. Er erlitt den Angaben zufolge schwere Kopfverletzungen und musste operiert werden, konnte das Krankenhaus am Freitag aber wieder verlassen. Ermittelt wird wegen versuchten Mordes.
Autonome äußern sich im Internet
Das sächsische Landeskriminalamt sucht nun Zeugen. Wie viele sich bisher gemeldet haben, wollte ein LKA-Sprecher am Samstag nicht sagen. Auch ein anonymes Schreiben, das in der Nacht zu Samstag auf der Internetplattform Indymedia veröffentlicht worden war, fließe in die Ermittlungen mit ein, sagte er. Im Schreiben ist unter anderem von zunehmender Polizeigewalt die Rede. In Richtung Polizei heißt es: „Wir lehnen den Dialog mit ihnen ab, solange sie ihre Uniformen tragen.“
03.01.2020 LVZ
Ein Überblick – Was geschah in der Silvesternacht in Leipzig?
In der Silvesternacht wird bei Ausschreitungen in Leipzig ein Polizist schwer verletzt. Wie der Abend genau ablief, wird die Justiz klären müssen.
Der Angriff auf einen Polizisten in der Leipziger Silvesternacht hat viele Fragen aufgeworfen? Was ist wirklich passiert? War die Taktik der Polizei richtig? Was ist zu den Hintergründen bekannt? Eine Übersicht:
Was genau ist in der Silvesternacht in Connewitz passiert?
Nach Angaben des Landeskriminalamtes (LKA) Sachsen feierten etwa 1000 Menschen auf einem Platz in Connewitz ins neue Jahr. Kurz nach Mitternacht sei es zu Auseinandersetzungen gekommen. Gegen 00.15 Uhr seien Polizisten mit Flaschen, Steinen und Feuerwerkskörpern beworfen worden, so das Landeskriminalamt. Ein brennender Einkaufswagen sei in die Richtung von Polizisten geschoben worden. Beim Versuch, einen Täter festzunehmen, habe eine Gruppe von 20 bis 30 Menschen drei Beamte angegriffen, so das LKA.
Ein 38-Jähriger wurde nach Polizeiangaben schwer verletzt, seine Kollegen „nicht unerheblich“. Auch bei den Zivilisten habe es Verletzte gegeben. Juliane Nagel, in Connewitz direkt gewählte Landtagsabgeordnete der Linken, erklärte, sie habe gesehen, dass mindestens fünf Zivilisten verletzt wurden. Die Attacke auf die Polizisten habe sie nicht beobachtet. Wie der Abend genau ablief, wird die Justiz aufklären müssen.
Wie schwer wurde der 38 Jahre alte Polizist verletzt?
Die Angreifer haben laut Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar mindestens einem Polizisten, dem 38-Jährigen, seinen Helm vom Kopf gerissen. Die Angreifer sollen demnach „massiv“ auf die drei am Boden liegenden Beamten eingewirkt haben. Der 38 Jahre alte Polizist wurde bewusstlos. Nach Angaben der Polizei blutete er. Er musste noch in der Nacht operiert werden. Er sei schwer am Ohr verletzt worden, sagte Kretzschmar. Am Freitag sei der 38-Jährige aus dem Krankenhaus entlassen worden.
Warum wurden die Ermittlungen am 1. Januar auf versuchten Mord hochgestuft?
Zunächst ermittelte die Soko LinX des Landeskriminalamts (LKA) Sachsen wegen versuchten Totschlags. Im Laufe des Neujahrstages wurden die Ermittlungen hochgestuft: Der Tatvorwurf heißt versuchter Mord. Im Laufe des Neujahrstage seien Details bekannt geworden, sagte Ricardo Schulz, Sprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig. Durch die massiven Einwirkungen sei der Tod des 38-Jährigen billigend in Kauf genommen worden. Laut Staatsanwaltschaft liegen niedere Beweggründe vor. Der Mann sei attackiert worden, weil er Polizist ist. Deswegen werde wegen versuchten Mordes ermittelt.
Was wird an der Taktik der Polizei kritisiert?
Juliane Nagel und andere Kritiker verurteilten das „rabiate Vorgehen der Polizei“ in der Silvesternacht. Nagel sprach von einer „waghalsigen Einsatzstrategie“. Ab Mittag sei ein Hubschrauber über den Stadtteil im Leipziger Süden gekreist. Zudem hätte die Polizei Personen verdachtsunabhängig kontrolliert. Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze wollte sich nicht dazu äußern, ob ein Kontrollbereich eingerichtet wurde.
Nagel forderte die Einsatzkräfte zur Deeskalation auf. Die sichtbare Präsenz der Polizei werde als Provokation aufgenommen, sagte sie. Nach Einschätzung von Landespolizeipräsident Kretzschmar hatte sich die Polizei am Silvestertag zurückgehalten, sei „deeskalierend vor Ort gewesen“. Der Angriff auf den 38-jährigen Polizisten sei dann Ausgangspunkt für eine Eskalation der Lage gewesen.
Wurden Tatverdächtige festgenommen?
Die Staatsanwaltschaft ermittelt in 14 Strafverfahren in Zusammenhang mit den Ausschreitungen in Connewitz. Zu dem Tatvorwurf des versuchten Mordes sei noch kein Tatverdächtiger ermittelt worden, so die Staatsanwaltschaft. Ebenso laufe die Ermittlung wegen schweren Landfriedensbruchs gegen Unbekannt. Wegen weiterer Angriffe auf Polizisten im Viertel seien Ermittlungsverfahren gegen zwölf Verdächtige eingeleitet worden. Gegen vier Tatverdächtige im Alter von 27, 29, 30 und 32 wurden Haftbefehle erlassen. Einzelnen werde etwa der tätliche Angriff sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie versuchte und vollendete Körperverletzung vorgeworfen.
War der Polizeieinsatz in Connewitz ungewöhnlich?
Seit Jahrzehnten ist die Polizei am Silvesterabend in Connewitz vor Ort. Immer wieder hatte es in der Vergangenheit Ausschreitungen gegeben. Daher sei der Stadtteil auch zu diesem Jahreswechsel ein Einsatzschwerpunkt gewesen, sagte Kretzschmar. Die Polizei sei mit bis zu zwei Hundertschaften vor Ort gewesen.
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) sagte, die Nacht sei „vorläufiger Höhepunkt von Gewalt und Auseinandersetzungen“ gewesen. Im Vergleich zu anderen Silvestern in Connewitz hat der Polizeieinsatz auf Linke-Politikerin Nagel „kopflos“ gewirkt. Frühere Polizeipräsidenten versuchten laut Nagel, mehr Ruhe in die Geschehnisse zu bringen.
Warum gilt Leipzig als Hochburg der linksextremen Szene?
Leipzig sei bundesweite Hochburg linksextremistischer Straftäter, sagte LKA-Sprecher Tom Bernhardt. In den vergangenen Monaten waren in Leipzig immer wieder Autos und Baumaschinen in Brand gesetzt worden. Im Herbst hatten Unbekannte – die Ermittler vermuten Linksextremisten – eine Mitarbeiterin einer Immobilienfirma in ihrer Wohnung überfallen und mit Fäusten traktiert. Martin Döring vom sächsischen Verfassungsschutz erklärt sich die Entwicklung und die Konzentration in Leipzig dadurch, dass „Erfolge der Szene mit breiter Wirkung“ weitere Menschen anzögen, die mit Linksextremismus sympathisierten.
03.01.2020 LVZ
Treffen bei Einsatzhundertschaft – Silvester-Angriffe auf Leipziger Polizei: Innenminister sieht neue Dimension
Zwei Tage nach den Angriffen auf Polizeibeamte in Leipzig-Connewitz haben sich Sachsens Innenminister Wöller und Landespolizeipräsident Kretzschmar gegen Vorwürfe zur Einsatzstrategie zur Wehr gesetzt.
Für ihn waren die Silvesterkrawalle in Leipzig-Connewitz „ein vorläufiger Höhepunkt von Gewalt und Auseinandersetzung mit der Polizei“: Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) hat am Freitag eine der beiden Hundertschaften der Bereitschaftspolizei besucht, die zum Jahreswechsel im linksalternativen Stadtteil im Einsatz waren. Gemeinsam mit Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar verteidigte er auch die Einsatzstrategie in jener Nacht.
„Das war gezielte Gewalt gegen Polizeibeamte“, sagte Wöller, „es flogen Wurfgeschosse, Feuerwerkskörper und Steine.“ Nach dem Brandanschlag auf Baukräne und dem Überfall auf die Mitarbeiterin einer Immobilienfirma im vorigen Jahr hätten nun linksextremistische Gewalttäter „gezielt Menschenleben gefährdet“, stellte der Innenminister fest. „Das ist eine neue Dimension, wir werden das nicht hinnehmen. Der Rechtsstaat wird mit allen Mitteln dagegen vorgehen und keine rechtsfreien Räume dulden. Angriffe auf Polizisten sind Angriffe auf den Rechtsstaat und damit auch Angriffe auf uns und die friedliche, freiheitliche Gesellschaft.“
Eskalation ausgelöst
Das Problem mit gewaltbereiten und gewalttätigen Linksextremisten habe sich über viele Jahre in Leipzig aufgebaut. Daher sei es auch Aufgabe der Stadt, gemeinsam mit der Polizei Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Dazu soll auch die Polizeipräsenz in Connewitz aufrechterhalten werden. Wöller nannte dies ein „Maß an sichtbarer Sicherheit“.
Vorwürfe aus der Politik, die Lage sei erst durch das Vorgehen der Einsatzkräfte eskaliert, wiesen Wöller und Kretzschmar zurück. „Wer behauptet, dass wir an diesem Tag keine Deeskalationsstrategie gefahren hätten, ist auf dem falschen Weg“, so der Landespolizeipräsident. „Die Polizei hat sich bis nach Mitternacht zurückgehalten, war in kleinen Gruppen, zurückhaltend und ohne Helm im Einsatzgebiet unterwegs – und das vorwiegend in Nebenstraßen.“ Als eine Art Symbolaktion sei dann ein brennender Einkaufswagen in Richtung der Beamten geschoben worden. „Das hat die Angriffe auf Polizisten eingeleitet und eine Eskalation ausgelöst“, schilderte Kretzschmar.
Reaktion auf SPD-Chefin
Gezielt seien Schwachpunkte der Polizei attackiert worden – „planmäßig, heimtückisch und hinterhältig“. Gewalttäter hätten nicht einmal davor zurückgescheut, Beamte anzugreifen, die in Not waren und evakuiert werden mussten. „Man darf die Tatsachen nicht umkehren“, sagte Kretzschmar, „nicht die Polizei hat jemanden angegriffen, sie wurde mit Steinen, Flaschen und Pyrotechnik angegriffen. Man hat die Auseinandersetzung mit der Polizei provoziert, nicht die Polizei hat provoziert. “
Auf die Äußerungen der SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken, welche die Taktik der Beamten infrage gestellt hatte, reagierte Wöller ein wenig genervt: „Je weiter man weg ist vom Einsatzgeschehen, umso mehr scheint die Expertise zu steigen“, sagte er ironisch. Natürlich werde jeder Polizeieinsatz kritisch ausgewertet, das sei auch in diesem Fall so. Polizeifreie Räume, die Linksextremisten im Leipziger Süden anstreben würden, werde es jedenfalls nicht geben, stellte der Chef der Landespolizei klar.
Video vom Überfall
Medienberichte, in denen der Polizei unterstellt wird, sie habe hinsichtlich des Gesundheitszustands eines attackierten Beamten übertrieben, wies er zurück. „Die Polizei wird nie Falschmeldungen verbreiten“, sagte Kretzschmar. „Von den Vorwürfen distanziere ich mich ausdrücklich.“ Polizeisprecher Andreas Loepki erklärte gegenüber der LVZ, der Beamte sei schwer verletzt worden und habe dringend operiert werden müssen. Von Lebensgefahr sei aber nie die Rede gewesen.
Auf welche Weise 20 bis 30 Vermummte den 38-jährigen Bereitschaftspolizisten und seine beiden Kollegen attackierten, werde nun aufgeklärt, versicherte Kretzschmar. Dazu würden beteiligte Beamte als Zeugen vernommen. Zudem werde Videomaterial geprüft. Nach Polizeiangaben liegen Aufnahmen vor, welche den Angriff auf die Beamten zeigen. Die Brutalität der Attacken wäre demnach unzweifelhaft. Auch bislang unklare Details zum Tatablauf seien darauf womöglich zu erkennen.
Von Frank Döring
03.01.2020 LVZ
Kommentar – Der Kern des Connewitzer Problems
Unnütze Schnellschüsse nach der Silvesternacht überlagern den eigentlichen Kern des Connewitzer Problems, findet Björn Meine in seinem Kommentar.
So beschreibt das Landeskriminalamt die Ausgangslage am frühen Neujahrsmorgen: Ein brennender Einkaufswagen wird am Connewitzer Kreuz in die Richtung von Polizisten geschoben. Beim Versuch, einen Täter festzunehmen, greift eine Gruppe von 20 bis 30 Menschen drei Beamte an. Laut Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar wird mindestens einem Polizisten der Helm vom Kopf gerissen; die drei am Boden liegenden Beamten werden massiv angegangen. Ein 38-jähriger Polizist wird bewusstlos. Er muss noch in der Nacht operiert werden. Die schwere Verletzung am Ohr entstand wohl beim Abreißen des Helmes durch die Angreifer. Auch unter den zivilen Beteiligten am Connewitzer Kreuz gibt es Verletzte. Horst Kretzschmar sagt, die Polizei habe deeskaliert – bis sie immer wieder angegriffen wurde. Linken-Politikerin Juliane Nagel sagt, die Polizei habe eskaliert.
Das ist der aktuelle Sachstand zur Connewitzer Silvesternacht. Neben einer umfassenden Analyse der Nacht muss jetzt diskutiert werden, wie die immer weiter rollende Welle der Gewalt in Connewitz gestoppt werden kann. Wie linksautonome Gewalttäter wirksam bekämpft werden können.
Jede Menge unnütze Schnellschüsse
Das muss gründlich passieren. Stattdessen gibt es jede Menge unnütze Schnellschüsse: Aus Berlin meldet die SPD-Vorsitzende Saskia Esken Zweifel an der Einsatztaktik der Polizei an – nichts qualifiziert sie dazu. Tino Chrupalla, Vize der AfD-Bundestagsfraktion, will die Leipziger Gewalt zum Thema im Bundestag machen – dort kann das Problem nicht gelöst werden. Überregionale Medien ereifern sich über den Begriff der „Not-Operation“ des schwer verletzten Polizisten – als wenn das wirklich das Thema wäre.
Als Sachlage bleibt: Polizisten werden – nach Lage der Dinge planmäßig – angegriffen und schwer verletzt. Ein Beamter verliert das Bewusstsein – eine objektiv lebensgefährliche Situation. Die sichtbare Präsenz der Polizei werde als Provokation aufgenommen, sagt Linken-Politikerin Juliane Nagel. Gewaltbereite Linksextreme sowie linke Politiker (auch in der SPD), die mehr oder weniger subtil das staatliche Gewaltmonopol in Frage stellen: Das ist der Kern des Connewitzer Problems – und nicht die Polizei.
Von Björn Meine
03.01.2020 LVZ
Connewitz – Not-OP oder nicht? – Leipziger Polizei reagiert nach Vorwurf der „taz“
Hat die Polizei in ihren Mitteilungen über die Auseinandersetzungen in Connewitz übertrieben? Das meint jedenfalls die „taz“. Konkret geht es um die Operation eines beim Einsatz verletzten Beamten. Die Polizei weist die Vorwürfe scharf zurück.
Zwei Tage nach den Auseinandersetzungen zwischen Polizei und mutmaßlichen Linksautonomen ist eine Diskussion über Mitteilungen der Polizei zu den Vorfällen entbrannt. In einem Bericht der „die tageszeitung“ (taz) wird den Beamten vorgeworfen, über den Gesundheitszustand eines 38 Jahre alten Polizisten übertriebene Angaben gemacht zu haben.
Polizeisprecher Andreas Loepki erklärte gegenüber der LVZ, der Beamte sei schwer verletzt worden und habe dringend operiert werden müssen. Von Lebensgefahr sei aber nie die Rede gewesen.
Nach Erkenntnissen der taz hätten sich Krankenhausmitarbeiter über eine Polizeimitteilung gewundert. Darin war von einer „Notoperation“ des Beamten die Rede gewesen. Laut taz habe es „einen Eingriff an der Ohrmuschel des Beamten unter lokaler Betäubung gegeben“.
„Es geht um eine Wortspielerei“
Loepki will den Vorwurf so nicht stehen lassen. Der Sprecher erklärte: „Der Kollege hat ein entsprechendes Verletzungsbild erlitten und musste aus diesem Grund dringlichst operiert werden. Das ist bei uns als Notfall-OP angekommen. Zeitlich gesehen handelte es sich um eine solche, im Sinne einer lebensrettenden Maßnahme eher nicht. Es geht hier um eine Wortspielerei, die man offenbar nutzt, um die Glaubwürdigkeit der Polizei und der Berichterstattung in Abrede zu stellen. Die Vorwürfe weise ich klar zurück. Wir haben zu keinem Zeitpunkt vor, irgendetwas zu dramatisieren und aufzubauschen.“
LVZ-Informationen zufolge sind bei dem Beamten die Ohren eingerissen, als ihm die Täter den Helm vom Kopf zerrten. Deshalb habe er mit lokaler Betäubung sofort operiert werden müssen. Am Freitag soll er die Klinik wieder verlassen.
Besuch vom Polizeipräsidenten
Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze hat seinen Kollegen schon kurz nach dem Eingriff besucht. „Es geht ihm relativ gut, er ist optimistisch, körperlich bald wieder fit zu sein. Ich hoffe, dass es auch keine psychischen Folgeerscheinungen gibt, denn das muss man auch emotional bewältigen“, sagte er im Interview mit der Leipziger Volkszeitung.
Angehöriger der Festnahmeeinheit
Nach Angaben aus Behördenkreisen handelte es sich bei dem verletzten Polizisten um einen Angehörigen der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit, der mit zwei weiteren Kollegen vom Rest der Einsatzkräfte getrennt wurde. Mindestens einer von ihnen ist in der linken Szene aufgrund zahlreicher früherer Einsätze bekannt. Etwa 20 bis 30 teilweise Vermummte griffen sie zwischen der Mittelinsel des Connewitzer Kreuzes und der Bornaischen Straße an, so das Landeskriminalamt. „Die Täter rissen den Beamten die Einsatzhelme vom Kopf, brachten sie zu Fall.“
Einheit wurde getrennt
Polizeipräsident Schultze beschreibt den Vorfall so: „Ein brennender Einkaufswagen mit dem Schild eines aufgemalten Polizeiautos wurde in Richtung von Beamten geschoben, und es wurden Gegenstände geworfen. Bei dem Versuch, die Tatverdächtigen dingfest zu machen, wurde die Einheit getrennt. Drei so isolierte Beamte wurden dann brutal attackiert. Auch als einer der Beamten schon das Bewusstsein verloren hatte, wurde er weiter getreten. So etwas ist menschenverachtend, verbrecherisch und nicht hinnehmbar“, sagte Schultze.
Laut taz berichten Augenzeugen dagegen, sie hätten gesehen, wie der verletzte Polizist mit dem Helm auf dem Kopf von seinen Kollegen in Sicherheit gebracht wurde.
Vorwürfe aus Berlin
Die Vorfälle haben inzwischen auch die Bundespolitik erreicht. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat nach der schweren Verletzung eines Polizisten in Leipzig in der Silvesternacht eine Überprüfung des Polizeieinsatzes gefordert. „Im Sinne der Polizeibeamten muss jetzt schnell geklärt werden, ob die Einsatztaktik angemessen war“, sagte Esken den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitag). „Sollte eine falsche Einsatztaktik Polizistinnen und Polizisten unnötig in Gefahr gebracht haben, liegt die Verantwortung dafür beim sächsischen Innenminister.“
Von Frank Döring/Matthias Roth/Björn Meine
02.01.2020 LVZ
Nach Connewitz-Krawallen – Namhafte Sozialdemokraten fordern Rücktritt der Leipziger SPD-Vizechefin
Nach dem Vorwurf, eine „eskalierende Einsatztaktik“ der Polizei habe zu den Krawallen am Connewitzer Kreuz in der Silvesternacht geführt, fordern mehrere Sozialdemokraten den Rücktritt der Leipziger SPD-Vizevorsitzenden Irena Rudolph-Kokot.
Namhafte Sozialdemokraten haben die stellvertretende Leipziger SPD-Vorsitzende Irena Rudolph-Kokot (46) zum Rücktritt aufgefordert. Sie habe mit ihren Äußerungen zu den gewaltsamen Ausschreitungen von Linksextremisten in der Silvesternacht in Connewitz „erneut unterstellt, dass die Polizei die Lage angeheizt habe“. Wörtlich schrieb die Politikerin: „Auch die eskalierende Einsatztaktik zu Silvester am Connewitzer Kreuz ging für viele Beteiligte, auch für die eingesetzten Beamt*innen, nach hinten los.“ Damit wies sie die Schuld für die Verschärfung der Krawalle, bei denen ein Polizeibeamter so schwer verletzt wurde, dass er noch in der Nacht notoperiert werden musste, den Einsatzkräften zu.
„Hofieren von Linksextremen“
„Wer meint, er könne das Gewaltmonopol des Staates zugunsten von Autonomen infrage stellen und ein Opfer eines Totschlagsversuches so verhöhnen, schadet nicht nur der SPD – er schadet unserem Gemeinwesen, stellt sich außerhalb dieses Gemeinwesens und tritt elementare Grundwerte unseres Zusammenlebens und unserer Partei mit Füßen“, begründen die 14 Unterzeichner ihre Rücktrittsforderung. Unter ihnen sind die Leipziger Stadträte Heiko Bär und Andreas Geisler, der Chemnitzer Bundestagsabgeordnete Detlef Müller, der frühere Leipziger Ordnungsbürgermeister Holger Tschense und der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Delitzsch, Rüdiger Kleinke. Weiter heißt es in ihrem offenen Brief: „Der vielbeschworene Aufbruch in eine neue Zeit darf aus unserer Sicht nicht in einem Hofieren von Linksextremen und dem Unterminieren des staatlichen Gewaltmonopols durch Repräsentanten der SPD bestehen.“
Rudolph-Kokot müsse daher von allen Parteiämtern zurücktreten. Den SPD-Stadtvorstand unter seinem Vorsitzenden, dem Landestagsabgeordneten Holger Mann, forderten sie auf, „sich unmissverständlich von den Äußerungen Irena Rudolph-Kokots zu distanzieren“.
02.01.2020 LVZ
Interview zu Connewitz-Krawallen – Polizeipräsident Schultze: „Es war ein Angriff aus dem Nichts“
Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze findet nach dem Mordversuch an einem seiner Beamten klare Worte. Die Linksautonomen hätten massive Gewalt ausgeübt. Wer die Schuld an der Eskalation der Polizei zuschreibe, verdrehe die Tatsachen, sagt Schultze im LVZ-Interview.
„Menschenverachtend und verbrecherisch“ – Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze verurteilt den Mordversuch an einem seiner Beamten in der Silvesternacht am Connewitzer Kreuz und die schweren Verletzungen weiterer Beamten. Die Linksautonomen hätten massive Gewalt ausgeübt.
Wie es geht dem verletzten Polizeibeamten?
Torsten Schultze: Ich habe den Kollegen von der Bereitschaftspolizei am Mittwoch sehr früh nach der OP besucht. Es geht ihm relativ gut, er ist optimistisch, körperlich bald wieder fit zu sein. Ich hoffe, dass es auch keine psychischen Folgeerscheinungen gibt, denn das muss man auch emotional bewältigen.
Welche Verletzungen hat er?
Er wurde am Kopf verletzt und hat ein Schädel-Hirn-Trauma. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Gibt es Spuren zu den Tätern dieses konkreten Angriffs?
Wir sind noch dabei Spuren auszuwerten, hinzu kommt die Auswertung von Videos und Veröffentlichungen in sozialen Medien.
Mit welcher Erwartungshaltung sind Sie in diesen Einsatz gegangen?
Wir sind davon ausgegangen, dass Silvester wie in den Vorjahren auf dem relativ moderaten Niveau bleibt. Dass alle Beamten zu Beginn ohne Helme da standen, sagt einiges aus. Dann kam aus dem Nichts heraus dieser Angriff – mit massiver Gewalt. Es ist davon auszugehen, dass das geplant und organisiert war.
Was genau ist passiert?
Ein brennender Einkaufswagen mit dem Schild eines aufgemalten Polizeiautos wurde in Richtung von Beamten geschoben, und es wurden Gegenstände geworfen. Bei dem Versuch, die Tatverdächtigen dingfest zu machen, wurde die Einheit getrennt. Drei so isolierte Beamte wurden dann brutal attackiert. Auch als einer der Beamten schon das Bewusstsein verloren hatte, wurde er weiter getreten. So etwas ist menschenverachtend, verbrecherisch und nicht hinnehmbar.
Gab es daraufhin eine neue Order, einen Wechsel der Strategie?
Nein, das grundsätzliche Konzept, sich zurückzuhalten, bestand weiterhin – es fand aber sein Ende, weil wir ständig angegriffen wurden. Wenn eine bekannte Politikerin aus Sachsen (Anm. d. Red.: die Linken-Abgeordnete Juliane Nagel) meint, die Schuld der Eskalation der Polizei zuschreiben zu müssen, ist das eine Verdrehung der Tatsachen, von Ursache und Wirkung.
Es gab durchaus Situationen, in denen Beamte überreagiert haben.
Ein außenstehender Beobachter erfasst nicht die gesamte Situation. Er weiß nie, was ringsherum passiert und was zuvor geschehen ist. Grundsätzlich vertraue ich jedem einzelnen Beamten, dass er seine Befugnisse recht- und verhältnismäßig ausübt. Daran ist mir gelegen. Wenn es Menschen gibt, die Opfer ungerechtfertigter Maßnahmen wurden, bitte ich sie, sich zu melden, damit wir auch das untersuchen können. Natürlich sind Polizisten Menschen, von manchen wird das gar nicht mehr gesehen. Da werden Beamte als „Schweine“ bezeichnet, und es herrscht unverhohlene Freude, dass man „All Cops Are Bastards“ rufen darf. Dass so etwas möglich ist, ist auch ein gesellschaftliches Phänomen. Die Polizei kann das nicht lösen. Die Gesellschaft ist aufgerufen, ein lebenswertes Leben aufrecht zu erhalten und ein friedliches Silvester zu ermöglichen.
Generell halte ich fest: Wir als Polizei können friedlich vor Ort sein, aber unsere Erfahrung ist dann doch, dass wir gelockt werden. Da wird etwas angezündet, dann löschen die Polizisten den Brand und man kann sie beschmeißen. Aber sollen wir es brennen lassen? Wir haben Gefahren abzuwehren und Straftaten aufzuklären. Am Connewitzer Kreuz hat es deutlich mehr Straftaten gegeben als wir Täter feststellen konnten. Auch, weil Leute unterwegs waren, die festgenommene Täter wieder befreien wollten. Da haben wir dann auch Befreier festgenommen. Das ist unser gesellschaftlicher Auftrag. Wenn es Politiker gibt, die meinen, die Polizei solle diese Straftaten aufklären und jene nicht, dann müssen sie dafür Mehrheiten auf Bundesebene gewinnen. Für uns gibt es keine gute und böse Kriminalität. Wir müssen trotz der Angst vor Eskalation die Sicherheit für die vielen Menschen in diesem Stadtteil gewährleisten.
Welche Schlüsse ziehen Sie aus dieser Nacht?
Es wird eine Einsatz-Nachbereitung geben. Eins ist vorhersehbar: Stellt sich im Vorhinein die Lage in Connewitz erneut so dar wie zuletzt, werden wir wieder dort sein müssen. Mit Protagonisten der Stadtgesellschaft, mit Verwaltung und anderen Organisationen werden wir Gespräche führen, wie man ein anderes, friedliches Silvester auch am Kreuz gestalten kann. Mein Optimismus hält sich in Grenzen, denn die Gründe des Extremismus in unserer Gesellschaft liegen tiefer und gehen über Leipzig hinaus.
CDU-Stadtrat Karsten Albrecht hat sich für ein Böller-Verbot am Kreuz ausgesprochen. Was halten Sie davon?
Ein Verbot war auch einer meiner ersten Gedanken nach dieser Nacht. Natürlich wollen wir eine Stadtgesellschaft nicht dafür bestrafen, dass es ein paar Kriminelle gibt. Ob das Gewalt verhindert, scheint fraglich. Aber solche Vorschläge müssen diskutiert werden.
Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie für die Zukunft? Ende September wird es einen EU-China-Gipfel geben und auch dazu gibt es bereits Gewaltaufrufe…
Es gibt eine Menge von Ereignissen: Ende Januar läuft am Bundesverwaltungsgericht Leipzig ein Verfahren zum Verbot von linksunten.indymedia.org – mal sehen, was da passiert. Der Sicherheits-Aufwand beim Gipfel wird immens sein. Als einsatzführende Dienststelle werden wir natürlich gut vorbereitet sein, beispielsweise auch auf Protestgeschehen.
Sehen Sie die Gefahr, dass sich durch Krawalle wie am Kreuz die gesellschaftliche Wahrnehmung stärker auf linken Extremismus fokussiert und der rechte unterschätzt wird?
In Leipzig haben wir vor allem ein Problem mit Linksextremismus. In Sachsen sieht das insgesamt anders aus. Da ist ein differenzierter Blick nötig, den die Allgemeinheit hoffentlich behält. Wir als Polizei verlieren das nicht aus den Augen.
Brennende Kräne und Bagger, der Überfall auf die Mitarbeiterin einer Immobilienfirma: Mit Blick auf die zahlreichen linksautonomen Übergriffe der vergangenen Wochen und Monate ist es offenbar extrem schwer, Tatverdächtige zu ermitteln…
Bei jedem Branddelikt ist das extrem schwer, weil die Spuren verbrennen. Diese Täter sind extrem konspirativ unterwegs, so dass die Ermittler auch Zeit brauchen.
Woher kommt diese eskalierende Entwicklung in der linksautonomen Szene?
Die Frage stellen wir uns auch. Es ist wichtig, dass man seine Meinung auf die Straße bringen kann – friedlich und ohne Waffen. Wie bei der Klimabewegung, wo wir für einen sicheren Ablauf sorgen. Sicher bestehen in der linksautonomen Szene verbesserte Organisationsmöglichkeiten und Verknüpfungen – die Anschläge auf die CG-Gruppe haben ja einen Bezug zur Rigaer Straße in Berlin. Die Stadt wird enger – das birgt Konflikte. Es ist verständlich, wenn es Kritik gibt, weil die letzten Baulücken in Connewitz bebaut werden. Manche wollen da dann mit Gewalt Einfluss nehmen.
Die Gewaltbereitschaft in der Szene gibt es ja schon lange. Der Überfall auf die Mitarbeiterin einer Immobilienfirma und nun der Mordversuch an einem Polizeibeamten stellen aber eine neue Qualität dar. Ist da eine Szene unterwegs, die noch gewaltbereiter geworden ist?
Vielleicht sehen sie die Aussichtslosigkeit ihres Tuns. Beim Überfall auf die Frau kam ja die Anmerkung aus der Szene: Wenn die Kräne versichert sind, müssen wir sie da treffen, wo es weh tut – im Gesicht.
Wir würden Sie diese linksautonome Szene beschreiben? Hat die eine feste Struktur, oder sind das lose Zusammenschlüsse von Chaoten?
Wenn ich bei Indymedia lese, wie diejenigen beschimpft werden, die die Mitarbeiterin der Immobilienfirma angegriffen haben, habe ich nicht den Eindruck, dass ein einheitlicher Wille dahinter steckt. Ich gehe nicht von einer homogenen, einheitlichen Szene aus, sondern von vielen unterschiedlichen Playern, die teils konspirativ unterwegs sind. Ich würde mich freuen, wenn sich die Friedlichen gegenüber den Gewalttätern noch stärker positionieren.
Von Mark Daniel, Björn Meine und Frank Döring
02.01.2020 LVZ
Nach Ausschreitungen in Connewitz – Leipzig ein „Hotspot der Linksextremen“? CDU-Kreisverband kritisiert OBM Jung
Nach Ausschreitungen am Connewitzer Kreuz: Der CDU-Kreisverband und die Junge Union Sachsen haben schwere Vorwürfe gegen Oberbürgermeister Jung (SPD) und die Linke erhoben. Leipzig sei zu einem „Hotspot der Linksextremen“ geworden, die Linke unter Umständen „ein Fall für den Verfassungsschutz“.
Nach dem Angriff auf einen Polizisten in der Silvesternacht in Connewitz fordert der CDU-Kreisverband Konsequenzen von Oberbürgermeister Burkhard Jung. „Es gab in den vergangenen Wochen genug Gewalt. Lange genug haben OB Jung und seine Koalition der Verharmlosung nichts gegen diese demokratiefeindlichen Strukturen unternommen. […] Wir fordern Konsequenzen aus diesen Ereignissen“, erklärte der Kreisvorsitzende Thomas Feist laut einer Mitteilung. Jung habe es zugelassen, dass Leipzig zu einem Hotspot der Linksextremen geworden sei.
OB Jung verurteilt Attacke
Der 38 Jahre alte Polizist war nach Angaben der Polizei bei den Ausschreitungen in dem linksalternativ geprägten Stadtteil Connewitz schwer von Pyrotechnik verletzt worden. Mehrere Menschen hätten Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper auf Einsatzkräfte geworfen. Dem Polizisten sei der Helm vom Kopf gerissen worden, bevor er attackiert worden sei, hieß es aus Polizeikreisen. Er verlor demnach das Bewusstsein und musste nach Angaben der Polizei im Krankenhaus notoperiert werden.
In Leipzig findet im Februar eine Oberbürgermeisterwahl statt. Jung tritt erneut an. Am Mittwoch hatte er die Attacke verurteilt. „Das neue Jahr hat am Connewitzer Kreuz leider überhaupt nicht friedlich begonnen, sondern ist mit einem heftigen kriminellen Gewaltausbruch gestartet“, teilte er am Mittwoch mit. „Meine Gedanken sind bei dem verletzten Polizisten und seiner Familie und ich wünsche ihm schnelle Genesung.“
Kritik an der Linken
Politiker von CDU, SPD und AfD hatten bereits am Mittwoch zum Teil heftige Kritik an Angehörigen der Partei die Linke geübt. Diese hatten der Polizei vorgeworfen, sie habe die Feiernden provoziert.
Auch die Soziologin und politische Aktivistin Jutta Ditfurth sprach auf Twitter von einer „angekündigten Polizeieskalation“ im Stadtteil Connewitz. „Die Vermutung, dass in #Connewitz ein Exempel statuiert werden sollte und Polizeieinheiten mit hohem rechten Anteil ein antifaschistisches Stadtviertel niederwerfen wollten, scheint mir nicht unbegründet.“
Die Linke ein Fall für den Verfassungsschutz?
Die sächsische Linke-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel schrieb auf Twitter: „Uff. Cops raus aus #Connewitz gewinnt nach diesem Jahreswechsel ne neue Bedeutung. Ekelhafte Polizeigewalt, überrennen unbeteiligter, wirre Einsatzmanöver, kalkulierte Provokation.“
Die Junge Union Sachsen erklärte dazu am Mittwochabend: „Wenn die Linkspartei die gewaltverherrlichende Rhetorik ihrer Akteure toleriert oder sogar für gut heißt, ist sie ein Fall für den Verfassungsschutz und gehört verboten.“
02.01.2020 LVZ
Ausschreitungen in der Silvesternacht – Sachsens Linke verurteilen Gewalt am Connewitzer Kreuz in Leipzig
Nach den schweren Ausschreitungen in der Silvesternacht in Leipzig rufen Sachsens Linke zur Deeskalation auf und üben scharfe Kritik an den Gewalttätern.
Sachsens Linke haben die gewalttätigen Ausschreitungen in der Silvesternacht am Connewitzer Kreuz in Leipzig scharf kritisiert. „Wir wünschen uns ein friedliches 2020. Das schließt alle mit ein. Angriffe auf Menschen lehnen wir entschieden ab – ohne Wenn und Aber“, erklärten die Landesvorsitzenden Susanne Schaper und Stefan Hartmann. Allen Verletzten der Auseinandersetzungen, insbesondere dem schwer verletzten Beamten, wünschten sie am Donnerstag ein schnelle Genesung.
Gleichwohl stellten Schaper und Hartmann auch fest: „Es ist unstrittig, dass es neben den friedlich feiernden Menschen wohl auch solche gab, die es direkt auf Gewalt und Konfrontation abgesehen haben. Das ist – gleichsam ohne Wenn und Aber – völlig daneben“, so Schaper und Hartmann. Man bewerfe andere Menschen nicht mit Pyrotechnik, Flaschen und Steinen. „Wohin solche oder andere Gewalttaten führen können, zeigt die Silvesternacht nun auf besonders traurige Weise.“
Aufklärung der Straftaten im Mittelpunkt
Wie Schaper weiter sagte, gehe es nun auch um die Aufklärung der Straftaten und um eine Signal, dass Gewalt gegen Menschen immer inakzeptabel sei „Anschließend muss in Ruhe gemeinsam mit den Beteiligten, die nicht auf Gewalt aus sind, überlegt werden, wie der nächste Jahreswechsel friedlicher werden kann. Wir wenden uns gegen die Verrohung in unserer Gesellschaft.“
Zur Nachbereitung gehöre unter anderem auch die Bewertung der gewählten Polizeitaktik bei der Absicherung des Stadtteils. „Das sollte aber in Ruhe vorgenommen werden, gerade weil es ja das Ziel sein muss, dass in den nächsten Jahren alle Menschen ein friedliches Silvester verbringen können. Sowohl die, die eine Uniform tragen, als auch die Anwohnerinnen und Anwohner“, sagte Sachsens Linken-Chefin.
Bei der Aufarbeitung sollte differenziert vorgegangene werden, forderte Sachsens Linke. „Weder darf eine Debatte über die Taktik der Polizei dafür genutzt werden, Gewalt gegen Beamtinnen und Beamte zu rechtfertigen, noch darf denjenigen, die diese Debatte führen, pauschal vorgeworfen werden, sie würden Angriffe auf die Polizei gut heißen.“
Junge Union will Linke verbieten lassen
Politiker von CDU, SPD und AfD hatten zuvor zum Teil heftige Kritik an Angehörigen der Partei die Linke geübt. Die Junge Union Sachsen forderte sogar, die Partei müsse ein Fall für den Inlandsgeheimdienst werden: „Wenn die Linkspartei die gewaltverherrlichende Rhetorik ihrer Akteure toleriert oder sogar für gut heißt, ist sie ein Fall für den Verfassungsschutz und gehört verboten.“
Von Matthias Puppe
02.01.2020 LVZ
Ermittlungen nach Silvesternacht – Mordversuch bei Connewitz-Krawallen: Polizei spricht von geplantem Überfall
Nach dem massiven Gewaltexzess in der Silvesternacht in Leipzig-Connewitz hat die Staatsanwaltschaft mehrere Haftbefehle beantragt. Von den Tätern, die einen Beamten fast töteten, fehlt jede Spur.
Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze bezeichnete den Angriff als „menschenverachtend und verbrecherisch“: Nachdem mutmaßlich linksextreme Gewalttäter in der Silvesternacht im Stadtteil Connewitz einen Beamten beinahe getötet hätten, verfestigt sich bei den Behörden ein schlimmer Verdacht: Womöglich haben die Chaoten den Einsatzkräften gezielt eine Falle gestellt.
Am Donnerstag rekonstruierten sächsisches Landeskriminalamt (LKA) und Staatsanwaltschaft die Ereignisse: Demnach war es gegen 0.15 Uhr, als eine Einheit der Bereitschaftspolizei im Bereich Wolfgang-Heinze-Straße/Selneckerstraße von einer größeren Gruppierung, die sich vor einem Obstladen am Connewitzer Kreuz befand, mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen wurde. „Der Angriff kam aus dem Nichts und erfolgte mit massiver Gewalt“, so der Polizeichef. „Das war mit Sicherheit ein geplanter und organisierter Überfall, anders kann man das nicht einschätzen.“ Als dann auch noch ein brennender Einkaufswagen, der mit angemalter Pappe wie das Modell eines Polizeifahrzeugs aussah, in ihre Richtung geschoben wurde, sahen sich die Beamten zum Handeln gezwungen.
Beamte von Einheit getrennt
Drei Einsatzkräfte wollten einen der Täter fassen. Nach Angaben aus Behördenkreisen handelte es sich um Angehörige der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit. Mindestens einer von ihnen ist in der linken Szene aufgrund zahlreicher früherer Einsätze bekannt. Doch bei diesem versuchten Zugriff wurden die Beamten von ihrer Einheit getrennt und waren plötzlich den zahlenmäßig überlegenen Schlägern ausgeliefert. Etwa 20 bis 30 teilweise vermummte Chaoten griffen sie zwischen der Mittelinsel des Connewitzer Kreuzes und der Bornaischen Straße an, so das LKA. „Die Täter rissen den Beamten die Einsatzhelme vom Kopf, brachten sie zu Fall.“
Die Beamten seien geschlagen und getreten worden, hauptsächlich auch gegen den ungeschützten Kopf. Besonders schlimm erwischte es einen 38-Jährigen. „Er wurde noch getreten, als er schon am Boden lag und das Bewusstsein verloren hatte“, schilderte Schultze. Der Beamte erlitt erhebliche Kopfverletzungen und ein Schädel-Hirn-Trauma. Er wurde im Universitätsklinikum Leipzig notoperiert, befindet sich noch immer in stationärer Behandlung. Auch seine beiden Kollegen wurden laut LKA erheblich verletzt.
Mordmerkmal: Niedere Beweggründe
Aufgrund dieses Tatablaufs stufte die Staatsanwaltschaft den Fall als Mordversuch und gefährliche Körperverletzung ein. Zunächst war wegen versuchten Totschlags ermittelt worden. „Wir gehen vom Mordmerkmal der niederen Beweggründe aus“, sagte Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz auf LVZ-Anfrage. Allerdings werde noch gegen Unbekannt ermittelt, da bisher kein Tatverdächtiger gefasst werden konnte.
Hinsichtlich weiterer Angriffe auf Polizisten haben Staatsanwaltschaft und die auf Linksextremismus spezialisierte Soko „LinX“ zwölf Strafverfahren auf dem Tisch. Zwei Tatverdächtige kamen noch am Neujahrsmorgen wieder auf freien Fuß. Neun Männer (20 bis 32 Jahre) und eine Frau (25) wurden vorläufig festgenommen. Sechs von ihnen wurden zunächst entlassen, da nach Ansicht der Staatsanwaltschaft keine Haftgründe vorlagen. „Die Ermittlungen gegen diese Beschuldigten insbesondere wegen der Tatvorwürfe des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und der versuchten gefährlichen Körperverletzung dauern an“, betonten die Behörden.
Ermittler suchen Zeugen
Gegen drei Männer (29 bis 32) beantragte die Staatsanwaltschaft den Erlass eines Haftbefehls. Ihnen wird unter anderem der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung vorgeworfen. Gegen einen 27-Jährigen soll wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und vorsätzlicher Körperverletzung ein Hauptverhandlungshaftbefehl erwirkt werden, um ein beschleunigtes Verfahren zu ermöglichen. In allen vier Fällen erließ das Amtsgericht am Abend Haftbefehle.
Aktuell suchen die Ermittlungsbehörden Zeugen, vor allem für den Übergriff auf die drei Polizisten. „Auch Feststellungen in den sozialen Medien, welche im Zusammenhang mit dem Sachverhalt stehen könnten, sind für die Ermittler von Interesse“, so das LKA.
Von Frank Döring
02.01.2020 LVZ
Silvester in Connewitz – Polizist nach Angriff in Leipzig weiterhin in Klinik
Der 38-jährige Polizist, der bei den Unruhen in Leipzig-Connewitz schwer verletzt wurde, befindet sich aktuell noch im Krankhaus. Er schwebe aber nicht in Lebensgefahr.
Nach einer Attacke gegen Polizisten in der Silvesternacht in Leipzig-Connewitz befindet sich ein 38 Jahre alter Beamter weiterhin im Krankenhaus. Er schwebe aber nicht in Lebensgefahr, hieß es von Polizei und Staatsanwaltschaft. Wie das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen am Donnerstag mitteilte, wurden zwei weitere Polizisten bei dem Einsatz verletzt und mussten medizinisch behandelt werden. Die Soko LinX des LKA ermittelt – unter anderem wegen versuchten Mordes. Die Täter könnten aus der linksextremistischen Szene stammen.
Was war passiert?
Den Angaben zufolge waren zum Jahreswechsel etwa tausend Menschen am Connewitzer Kreuz versammelt. Gegen 0.15 Uhr seien Beamte mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen worden. Auch ein brennender Einkaufswagen, der mit angemalter Pappe wie ein Polizeiauto ausgesehen haben soll, sei in Richtung der Einsatzkräfte geschoben worden.
Drei Polizisten, darunter der 38-Jährige, seien von etwa 20 bis 30 Personen angegriffen worden, als sie die Angreifer festnehmen wollten. Diese seien teilweise vermummt gewesen. Nach Angaben der Ermittler rissen die Unbekannten den Polizisten die Helme vom Kopf und attackierten sie auf dem Boden liegend. Entgegen erster Angaben seien die Beamten nicht mit Pyrotechnik attackiert worden, sagte Ricardo Schulz, Sprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig. Der 38-Jährige wurde so schwer verletzt, dass er notoperiert werden musste.
Nach der ersten Auseinandersetzung habe es im Stadtteil weitere Angriffen auf Polizisten gegeben, so das LKA. Zehn Tatverdächtige wurden festgenommen, von denen sechs wieder entlassen wurden. Vier Männer im Alter von 29, 30, 32 und 27 Jahren sollten am Donnerstagabend einem Haftrichter vorgeführt werden. Zu den Tätern, welche die Polizisten attackiert haben sollen, gebe es bislang keine Hinweise, so die Staatsanwaltschaft. Die Ermittler suchen Zeugen zu den Vorfällen.
02.01.2020 LVZ
Krawalle, Feuerwerk, Schneeballschlacht – Auf und Ab: Silvester am Connewitzer Kreuz in Leipzig
Ein Großaufgebot der Polizei am Connewitzer Kreuz ist zum Jahreswechsel stets eingeplant, in der Vergangenheit kam es ab und an zu Auseinandersetzungen. Dennoch spitze sich die Lage beim vergangenen Silvester besonders zu. Ein Überblick.
Nach dem Jahreswechsel keimt erneut eine Diskussion über Linksextremismus in Leipzig auf. Anlass sind die Ereignisse in der Silvesternacht rund um das Connewitzer Kreuz, bei denen unter anderem ein Polizist schwer verletzt wurde. Auch in den vergangenen Jahren gab es Zwischenfälle.
Silvester 2018: Rund 1200 Menschen feierten am Kreuz den Jahreswechsel, laut Polizei gab es keine schweren Zwischenfälle. Zuvor war auch eine Kundgebung der Partei „Die Partei“ friedlich geblieben. Im Westen von Leipzig fand hingegen eine offenbar geplante Aktion statt.
Silvester 2017: Offene Feuer und brennende Müllcontainer prägten 2017 Silvester am Kreuz. Die Polizei griff gegen 1 Uhr ein und sprach Verwarnungen aus. Etwa 50 Vermummte griffen die Beamten mit Böllern und Flaschen an, zwei Wasserwerfer kamen ins Spiel und wurden ebenfalls beworfen. Vor Mitternacht hatte eine friedliche Demonstration stattgefunden.
Silvester 2016: Keine Spontandemos, keine Eilversammlungen: 2016 hatte die Stadt ein Verbot erlassen, nur eine vorher von der Partei „Die Partei“ angemeldete Veranstaltung unter dem Motto „Bier statt Böller“ war zugelassen. Es habe keine Zwischenfälle gegeben, so die Polizei anschließend.
Silvester 2015: Etwa 500 bis 1000 Menschen kamen am Kreuz zusammen – wie auch 2016 galt ein Versammlungsverbot. Ein Polizeisprecher sprach von einem „Silvester ohne nennenswerte Zwischenfälle“. In den Straßen rund um das Connewitzer Kreuz hatte die Einsatzleitung dutzende Bereitschaftspolizisten in Stellung gebracht – für den Ernstfall. Die Beamten hielten sich dezent im Hintergrund.
Silvester 2014: Trotz Sorgen blieben größere Ausschreitungen aus: Im Vorfeld war auf der Plattform Indymedia eine Drohung gegen 50 Ziele aufgetaucht. Zunächst hatten sich etwa 1000 Menschen versammelt, etwa 30 begannen eine Spontandemo, die schnell auf rund 300 Teilnehmer anwuchs. Aus dem Zug heraus warfen Teilnehmer Steine und Feuerwerk auf Polizisten. „Wir halten an unserem Einsatzkonzept der Deeskalation fest“, hatte der damalige Polizeipräsident Bernd Merbitz zur LVZ gesagt.
Silvester 2013: Elf verletzte Polizisten und einige beschädigte Fahrzeuge war die Bilanz der Silvesternacht 2013/2014. Dennoch sprach die Polizei davon, dass es relativ ruhig gewesen sei. Dabei galt das Konzept „Kommunikation vor Konfrontation“. Als einige Feuerwerkgeschosse auch in Richtung der Ordnungshüter flogen, gab es einen polizeilichen Zugriff, einige Menschen wurden in Gewahrsam genommen. Das wiederum verstanden zwei Dutzend Vermummte als Provokation, verstärkten das Raketen-Feuer und warfen auch mit Flaschen auf die Beamten.
Silvester 2012: Im ersten Silvestereinsatz vom damals designierten Polizeipräsidenten Bernd Merbitz setzten die Beamten auf Deeskalation. „Ich hatte einige sehr angenehme Gespräche“, sagte er im Anschluss. Zudem sprach er von einem harten Kern von Gewalttätern. Aus einem Demonstrationszug heraus waren vier Beamte leicht verletzt worden, zehn Strafverfahren wurden eingeleitet.
Silvester 2011: Elf Menschen wurden verhaftet, zwei Polizisten leicht verletzt: „40 größtenteils alkoholisierte Personen“ hatten Beamte in der Silvesternacht 2011 mit Flaschen und Steinen beworfen, Einsatzkräfte setzten Tränengas ein. Dabei hatte die Polizei unter Horst Wawrzynski zunächst trotz fliegender Flaschen und polizeifeindlichen Sprüchen eine zurückhaltende Taktik gefahren.
Silvester 2010: Als ein Katz-und-Maus-Spiel beschrieben Beobachter die Szenen zum Jahreswechsel 2010/2011. Die befürchteten Auseinandersetzungen blieben zunächst aus, Schneetreiben veranlasste eine Schneeballschlacht. Trotzdem belauerten sich Polizisten und hauptsächlich junge Erwachsene gegenseitig, neben Schneebällen gingen vereinzelt auch Böller und Flaschen auf die Uniformierten nieder. Es kam zu Handgreiflichkeiten, etwa 200 Jugendliche wurden komplett von Polizisten eingekreist, fünf wurden in Gewahrsam genommen.
Von jhz
02.01.2020 LVZ
Krawalle in Silvesternacht – Polizei-Gewerkschafter entsetzt über Gewalt gegen Beamte in Connewitz
Die schweren Angriffe auf Polizisten in Leipzig-Connewitz waren keine spontanen Taten. Davon geht die Leipziger Polizeigewerkschafterin Cathleen Martin aus. „Das war geplant“, sagt sie.
Mit Entsetzen haben Vertreter von Polizeigewerkschaften auf den Mordversuch an einem ihrer Kollegen in der Silvesternacht in Leipzig-Connewitz reagiert. „Leider müssen wir eine Steigerung der Aggressivität bis ins Unermessliche konstatieren“, sagte Cathleen Martin, Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) am Donnerstag auf LVZ-Anfrage. „Wir haben es mit terrorartigen Strukturen zu tun. Diese Gewalttaten sind geplant und vorbereitet worden, das waren keine spontanen Handlungen.“
„Die Kollegen sind geschockt“
Mit einer derartigen Aggressivität habe niemand gerechnet, so Martin. „Die Kollegen sind alle geschockt.“ Die Konsequenzen für den schwer verletzten Familienvater, der den Einsatz am Connewitzer Kreuz beinahe mit seinem Leben bezahlt hätte, seien noch unklar. Nach solchen schwerwiegenden Angriffen stelle sich auch immer die Frage, ob ein Beamter jemals wieder diensttauglich werde.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verurteilte die brutalen Angriffe auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht. Diese blanke Gewalt sei weder nachvollziehbar noch durch irgendwelche politische Ideologien zu rechtfertigen, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Jörg Radek am Donnerstag. „Diese Rohheit und Menschenverachtung ist abscheulich“, betonte er. „Es ist für eine Gesellschaft beschämend, wenn nach solchen Gewaltvorfällen zügig wieder zur Tagesordnung übergegangen wird.“ Es sei für Polizisten beileibe kein Berufsrisiko, von Politextremisten massiv attackiert zu werden. „Das ist auch kein Kavaliersdelikt, sondern ein klarer Angriff auf unsere Gesellschaft“, erklärte Radek. „Wir fordern, dass die Justiz mit aller Konsequenz gegen die mutmaßlichen Täter vorgeht und damit ein Signal für den demokratischen Einsatz der Polizei setzt.“
Linksextreme mobilisieren für Gipfeltreffen
Sachsens DPolG-Chefin Martin hatte sich schon nach früheren Krawallen in Connewitz für härtere Strafen gegen linksextreme Chaoten eingesetzt. Sie befürchtet, dass die gewaltbereite linke Szene auch in den nächsten Monaten keine Ruhe geben wird. „Für den EU-China-Gipfel im September 2020 wird mir himmelangst“, sagte sie. „Wir werden womöglich eine ähnliche Situation bekommen wie beim G 20 in Hamburg oder sogar noch schlimmer.“
Dass dies keine Panikmache ist, zeigen Aufrufe auf linken Szeneportalen wie Indymedia, das Gipfeltreffen „zum Desaster machen“ zu wollen. Die Autonomen können es kaum fassen, dass ausgerechnet Leipzig der Austragungsort sein soll, „die vermutlich letzte wirklich radikal linke Bastion Deutschlands“, wie es in einem Aufruf vom 23. Dezember 2019 heißt. „Der G20-Protest von HH hat gezeigt, dass es wenig Sinn macht, abseits der Konferenzen weit entfernte Stadtbezirke zu terrorisieren oder optional das eigene Viertel zu zerlegen. In Leipzig möchten wir den Protest in die Innenstadt tragen, damit im nächsten September schöne Bilder wie aus Paris um die Welt gehen.“ Erklärtes Ziel: „Die EU-Herrschenden werden keine ruhige Minute auf Leipzigs Straßen haben.“
Von Frank Döring
01.01.2020 LVZ
Silvesternacht in Leipzigs Süden – Heftige Ausschreitungen am Connewitzer Kreuz – Polizist wird schwer verletzt
Die Silvesternacht am Connewitzer Kreuz in Leipzig ist eskaliert. Mehrfach kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und mutmaßlichen Zugehörigen der linksautonomen Szene. Ein Polizist wurde schwer verletzt. Der OBM, Leipzigs Polizeipräsident und Sachsens Innenminister verurteilen die Ausschreitungen.
Aufgeheizte Stimmung, Handgreiflichkeiten, Verfolgungsjagden: Das neue Jahr hat am Connewitzer Kreuz in Leipzig schlecht begonnen. Zwischen der Polizei und mutmaßlichen Mitgliedern der autonomen Szene kam es mehrfach zu Konflikten. Die aggressive Stimmung schaukelte sich ab 1 Uhr hoch.
Zunächst schien die Lage relativ ruhig. Am Kreuz sprenkelten Raketen den schwarzen Himmel, Nebelbänke aus Feinstaub waberten durch die Straßen, rund 1000 Menschen feierten. Ab etwa 0.15 Uhr jedoch häuften sich die Auseinandersetzungen. Auf der einen Seite pöbelten Gegner der Staatsgewalt und provozierten die Einsatzkräfte, auf der anderen Seite verkürzte sich sichtbar die Zündschnur der Beamten. An der Selneckerstraße und an der Wiedebachstraße wurden sie mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern attackiert, so die Polizei. Eine Gruppe von Gewalttätern versuchte einen brennenden Einkaufwagen mitten in eine Einheit der Bereitschaftspolizei zu schieben und beschoss diese mit Pyrotechnik.
Notoperation im Krankenhaus
Ein Beamter wurde dabei so schwer verletzt, dass er das Bewusstsein verlor. Der 38-Jährige musste im Krankenhaus notoperiert werden. In diesem Fall ermittelt die Soko LinX wegen versuchten Mordes. Drei weitere Beamte wurden leicht verletzt. Immer wieder bildete sich ein Pulk aus Konflikten. Als eine junge Frau der gerade in eine andere Richtung stürmenden Polizeigruppe das Kürzel „ACAB“ („All Cops are Bastards)“ hinterher rief, wurde sie von einem Beamten attackiert. Daraufhin stieß ein Mann dem Polizisten den Helm vom Kopf, es kam zu einer Rangelei.
Tritte von Beamten, Provokationen von Autonomen
Vor einem brennenden Einkaufswagen hatte jemand ein Pappschild mit einem Polizeiauto drapiert. Mehrfach löschten die Einsatzkräfte kleinere Feuer, so auch dieses. Nach einer Provokation trieb ein Uniformierter einen Mann zurück, schubste ihn und trat ihn in die Seite. Doch auch bei den Autonomen schraubte sich die Aggressivität weiter nach oben. Per Twitter kritisierte Juliane Nagel (Die Linke) das ihrer Meinung nach sinnlose Vorgehen der Polizei, „sie läuft immer wieder behelmt durch die Menge, rennt Menschen um und löscht Feuer. Sinnlos.“ Die Politikerin schreibt außerdem von „Schikane“ und „staatlicher Machtdemonstration“.
Connewitzer Kreuz gesperrt
Die Polizei entgegnete auf dem Kurznachrichten-Kanal: „Da wir die Polizei sind, verfolgen wir Straftaten, wenn wir sie sehen und verlassen Tat- und Brandorte nicht einfach.“ An der Kreuzung Kurt-Eisner-/Ecke Karl-Liebknecht-Straße war zuvor ein größeres Feuer entzündet worden.
Die Polizei berichtet von neun vorläufigen Festnahmen. Drei Personen wurden in der Nacht wieder entlassen. Bis 2.30 Uhr wurden zwei Personen in Gewahrsam genommen. Wegen Tatort-Arbeiten wurde das Connewitzer Kreuz gesperrt. Die Polizei ermittelt wegen schweren Landfriedensbruchs, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzungsdelikten.
Harsche Kritik vom Polizeipräsidenten
Polizeipräsident Torsten Schultze betont: „Polizeibeamte sind Menschen. Es ist erschreckend, wie skrupellos Personen in der Silvesternacht am Connewitzer Kreuz durch offensichtlich organisierte Angriffe schwerste Verletzungen von Menschen verursachen beziehungsweise in Kauf nehmen.“ Auf Twitter erhält die Polizei Unterstützung, aber auch Kritik wegen überzogener Aggressivität. Auch Sachsens Innenminister Roland Wöller verurteilt die Vorkommnisse.
Juliane Nagel äußerte sich am Mittwoch auf LVZ-Nachfrage nochmals zu den Vorfällen. Die Linken-Landtagsabgeordnete drückte ihr Bedauern darüber aus, dass ein Polizeibeamter schwer verletzt wurde. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass durch den Einsatz der Polizei auch Passanten am Kreuz verletzt worden seien.
„Stadtteil wird kriminalisiert“
Die angespannte Situation der vergangenen Monate, in denen es mehrere Anschläge auf Baufirmen und Polizeiwagen gab, hätten ihrer Meinung nach bei der Auseinandersetzung eine Rolle gespielt. „Der Stadtteil wird insgesamt kriminalisiert und das stört die Bewohnerinnen und Bewohner“, meinte Nagel. Für die Zukunft wünsche sie sich eine deeskalierende Strategie der Polizei wie an früheren Silvesterabenden. Die Polizisten sollten zwar anwesend sein, aber das Gespräch suchen und nur im Notfall eingreifen.
Auf dem Augustusplatz befanden sich weitaus mehr Menschen, laut Polizei gab es jedoch keine nennenswerten Zwischenfälle. Am Thomaskirche wurde eine Schreckschusspistole sichergestellt, deren Besitzer keinen kleinen Waffenschein vorweisen konnte.
Von Mark Daniel
01.01.2020 LVZ
Ausschreitungen in Connewitz – „Gezielte Angriffe auf Menschenleben“: So reagiert die Politik
In der Silvesternacht hat es am Connewitzer Kreuz Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und mutmaßlich Linksautonomen gegeben. Dabei wurde ein Polizist schwer verletzt. Politiker aller Parteien verurteilen die Gewalt, einige fordern ein Böllerverbot für das Areal.
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) verurteilte die Vorkommnisse in der Silvesternacht am Connewitzer Kreuz. Dort war bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen mutmaßlich Autonomen und der Polizei ein Beamter schwer verletzt worden. „Die Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten in Connewitz waren bewusste und gezielte Angriffe auf Menschenleben. Zweck der provozierten Auseinandersetzung ist offensichtlich ausschließlich Gewalt. Dieses menschenverachtende Vorgehen grenzt an versuchten Totschlag und hat nichts mit den ansonsten ausgelassenen Feierlichkeiten zum Jahreswechsel in der Stadt Leipzig zu tun.“ Er kündigt an, die „schweren Straftaten mit aller Härte des Rechtsstaates“ zu verfolgen.
Auch Polizeipräsident Torsten Schultze zeigte sich fassungslos im Angesicht der Gewalt gegen einen seiner Beamten. „Polizeibeamte sind Menschen. Es ist erschreckend, wie skrupellos Personen in der Silvesternacht am Connewitzer Kreuz durch offensichtlich organisierte Angriffe schwerste Verletzungen von Menschen verursachen beziehungsweise in Kauf nehmen.“
Menschlichkeit ist verloren gegangen
Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sagte: „In den Uniformen – egal ob Feuerwehrleute, Sanitäter oder Polizisten – stecken Menschen. Diese eigentlich so schlichte Selbstverständlichkeit, diese Menschlichkeit ist einigen verloren gegangen. Ich bleibe dabei: Ich verurteile diese Handlungen aus tiefstem Herzen.“ Er hofft, dass die sächsische Sonderkommission die Täter schnell fasst.
Jungs Kontrahent bei der anstehenden OBM-Wahl, Sebastian Gemkow (CDU), betonte: „Wer Polizisten in der Ausübung ihrer Dienstpflicht angreift, greift auch immer unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie an. Weder Staat noch Gesellschaft dürfen vor solchen Straftätern und Demokratiefeinden zurückweichen.“
Die Grünen-Kandidatin Katharina Krefft sprach sich gegen jegliche Gewalt bei Silvesterfeiern aus und regte ein Bürgerfest anstelle einer dezentralen Silvesterfeier am Connewitzer Kreuz an. „Diese alljährlichen gewaltvollen Rituale zum Jahreswechsel zeigen, dass wir auch in Leipzig neue Lösungen für die Silvesterfeiern brauchen.“ Als Oberbürgermeisterin würde sie sich nicht nur für böllerfreie Zonen einsetzen, sondern auch für eine zentrale Silvesterfeier in Connewitz. „Das Fest in Berlin Kreuzberg am 1. Mai hat gezeigt, dass so Ausschreitungen verhindert werden können. An ihrer Stelle kann stattdessen etwas Schönes und Gutes entstehen: Ein Fest für alle Menschen in Connewitz, bei dem gemeinsam das neue Jahr gefeiert werden kann.“
Linken-Abgeordnete kritisiert das Vorgehen der Polizei
Die Linken-Abgeordnete Juliane Nagel äußerte sich am Mittwoch auf LVZ-Nachfrage zu den Vorfällen. Sie drückte ihr Bedauern darüber aus, dass ein Polizeibeamter schwer verletzt wurde. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass durch den Einsatz der Polizei auch Passanten am Kreuz verletzt worden seien.
„Ich finde es schade, dass die Silvesternacht in Connewitz immer zu einem Politikum gemacht wird“, so Nagel. „Die Polizei ist zu präsent.“ Schon im Vorfeld seien Anwohner massiv kontrolliert und der Stadtteil so kriminalisiert worden. „Das ist eine provozierende Ansage, das sorgt dann für Eskalation“, meinte die Politikerin. Die Strategie, im Block in die Menge zu gehen, bezeichnete die Landtagsabgeordnete als „halsbrecherisch“, die Reaktionen auf kleinere Brände auf der Straße seien überzogen.
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages, Christian Hartmann, kündigte unterdessen ein härteres Vorgehen gegen die autonome Szene in Connewitz an: „Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, dass dieser Stadtteil nicht autonomen Gewalttätern überlassen wird.“ Zudem übte er scharfe Kritik an der Linken-Abgeordneten Nagel: „Beschämend ist, dass eine Linken-Abgeordnete die Gewalt gegen Polizisten offensichtlich gutheißt und ihr die Schuld zuschiebt.“ Das sei einer Landtagsabgeordneten unwürdig.
Böllerfreie Zonen gefordert
Karsten Albrecht, stellvertretender Vorsitzender des CDU Ortsverbandes Leipzig Süd, forderte unterdessen, Feuerwerk zu Silvester vom Connewitzer Kreuz zu verbannen. „In anderen Städten werden Böllerfreie Zonen eingerichtet. Es wird Zeit, dass Leipzigs Oberbürgermeister Burghard Jung reagiert und auch das Connewitzer Kreuz zur böllerfreien Zone erklärt“, sagte er. Zudem müsse die Antifa vom Verfassungsschutz überwacht werden, um Gewalttaten im Vorfeld vermeiden zu können.
Der Fraktionsvorsitzende der Leipziger SPD, Christopher Zenker, nannte die Ausschreitungen einen „denkbar schlechten Start“ ins neue Jahr. „Einige haben es wohl vergessen, aber in den Uniformen stecken Menschen, die ihren Silvesterabend sicher auch lieber anders verbringen würden.“ Zudem erinnerte er im Jahr der Wiedervereinigung an die Friedliche Revolution: „Nahezu jede Erzählung vom 9. Oktober 1989 beginnt mit dem Aufruf der Sechs ,Aus gemeinsamer Sorge und Verantwortung für unsere Stadt’ und endet mit ‘Keine Gewalt’. Dieser Ausruf ist weiterhin aktuell.“
Kritik an Polizei und Bürgermeister
Irena Rudolph-Kokot (SPD) übte im Namen des Aktionsbündnisses „Leipzig nimmt Platz“ scharfe Kritik an Polizeipräsident Schultze und wirft ihm „politische Stimmungsmache“ vor. „Die Instrumentalisierung von privaten Tweets einzelner Bürger, inklusive Namensnennung, überschreitet die Funktion einer amtlichen Medieninformation“, teilte sie am Mittwochabend mit. Zudem sei bereits „die massive Polizeipräsenz zu den Minidemos von Herrn Poggenberg“ überzogen gewesen „und in der Konsequenz eine steuerverschwendende Machtdemonstration durch die Polizei. Auch die eskalierende Einsatztaktik zu Silvester am Connewitzer Kreuz ging für viele Beteiligte, auch für die eingesetzten Beamt*innen, nach hinten los.“
Der OBM-Kandidat der AfD, Christoph Neumann, macht den amtierenden Oberbürgermeister für die Vorfälle verantwortlich. Burkhard Jung habe „in den letzten zehn Jahren mit seiner Kuschelpolitik den zunehmenden Linksextremismus in Connewitz erst möglich werden lassen und damit die Stadt mittlerweile unregierbar gemacht.“ Als Belege für dafür nennt er vor allem die Einsetzung von Heiko Rosenthal von der Partei Die Linke, der als Fachbürgermeister für das Ordnungsamt verantwortlich ist, der aber vom gesamten Stadtrat bestätigt wurde. Außerdem kritisiert Neumann die Förderung des Kulturzentrum Conne Island durch die Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke, ebenfalls Mitglied der Linken. Dieser Schritt wurde allerdings auch von Linksautonomen bisher stark kritisiert, die sich dadurch eingeschränkt fühlen.
Auch Thomas Feist, CDU-Kreisvorsitzender in Leipzig, kritisierte in einem Statement die Politik des amtierenden Oberbürgermeisters. Dieser sehe sich nun „mit den Geistern, die er rief konfrontiert. Seine jetzige Betroffenheit ist oberflächlich. Er hat es zugelassen, dass Leipzig zu einem Hotspot der Linksextremen wird. Wir erwarten, dass er Maßnahmen entwickelt, um der Gewalt zu begegnen.“
01.01.2020 LVZ
Silvesternacht – Ausschreitungen in Connewitz – LKA ermittelt wegen versuchten Mordes
Am Connewitzer Kreuz ist die Feier in der Silvesternacht außer Kontrolle geraten. Polizisten wurden mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik attackiert. Ein Beamter wurde so schwer verletzt, dass er im Krankenhaus notoperiert werden musste. Der Täter wird im links-autonomen Spektrum vermutet.
Die konkreten Tatumstände und Verletzungen, die der Beamte erlitten habe, hätten die Staatsanwaltschaft zu einer Hochstufung veranlasst, sagte Tom Bernhardt, Sprecher des Landeskriminalamts (LKA) Sachsen, am Mittwoch. Zuerst war wegen versuchten Totschlags ermittelt worden. Genauere Angaben, etwa zur Art der Verletzung, wollte Bernhardt nicht machen.
In der Silvesternacht hatten sich zahlreiche Menschen, die mutmaßlich der links-autonomen Szene angehören, Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Sie bewarfen die Beamten mit Steinen, Flaschen und Pyrotechnik. Zudem hatten mehrere Gewalttäter Gegenstände in einem Einkaufswagen angezündet und versucht, den brennenden Wagen in einen Zug der Bereitschaftspolizei zu schieben.
Beamtem wurde der Helm vom Kopf gerissen
Dabei kam es auch immer wieder zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Randalierern und der Polizei. In eine solche war offenbar auch der schwer verletzte Beamte verwickelt gewesen. Dem 38-Jährigen sei der Helm vom Kopf gerissen worden, bevor er attackiert wurde, hieß es aus Polizeikreisen.
Das LKA sieht das hierin das Motiv der Heimtücke erfüllt und wertet die Tat deshalb nun als versuchten Mord. „Hier wurde jemand gezielt angegriffen und schwer verletzt“, sagte LKA-Sprecher Bernhardt. Der Täter sei bislang unbekannt. Die Soko LinX des Polizeilichen Extremismus- und Terrorismus-Abwehrzentrum (PTAZ) des LKA ermittelt.
Polizei erfährt Zuspruch – und harsche Kritik
Der Leipziger Polizeipräsident Torsten Schultze verurteilte die Tat scharf. Polizisten seien Menschen, und es sei erschreckend, wie skrupellos ihnen Personen durch offensichtlich organisierte Angriffe schwerste Verletzungen zufügten. Auch Sachsens Innenminister Roland Wöller verurteilte die Vorkommnisse: „Zweck der provozierten Auseinandersetzung ist offensichtlich ausschließlich Gewalt.“ In den sozialen Netzwerken erfährt die Polizei Zuspruch, aber muss sich auch Kritik gefallen lassen. Vor allem eine überzogene Aggressivität der Beamten im Einsatz prangern die Nutzer an.
Drei weitere Beamte erlitten bei den zahlreichen Auseinandersetzungen in der Nacht in Connewitz leichte Verletzungen. Die Polizei berichtet von neun vorläufigen Festnahmen. Drei Personen wurden in der Nacht wieder entlassen. Die Behörde ermittelt zudem wegen schweren Landfriedensbruchs und Körperverletzungsdelikten in mehreren Fällen. Wegen anschließender Ermittlungsarbeiten zur Spurensicherung wurde das Connewitzer Kreuz zeitweise gesperrt.
01.01.2020 LVZ
Kommentar zu Krawallen am Kreuz in Leipzig-Connewitz – Was die Gewaltspirale beenden kann
Was sich in den ersten Stunden des neuen Jahres am Connewitzer Kreuz abspielte, war erschreckend. Sowohl mutmaßliche Autonome als auch Polizisten hatten an der Eskalation ihren Anteil. Ein Kommentar.
Das Connewitzer Kreuz führt naturgemäß in vier Richtungen. Beim Wechsel von Silvester zu Neujahr jedoch wird es regelmäßig zu einer Sackgasse, aus der es keinen Ausweg der Deeskalation mehr gibt. Das Ausmaß der Krawalle in den ersten Stunden der 20er-Jahre am Connewitzer Kreuz wurzelt zum einen in einer grundsätzlichen und fatalen psychologischen Gemengelage, zum anderen an einem frühen Akt der Gewalt, bei der ein Polizist schwer verletzt wurde – schockierend.
Innerer Kraftakt für Polizeibeamte
Es beginnt bei der gegenseitigen Erwartungshaltung von Gewalt, bevor überhaupt etwas passiert ist. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die eine Feier von mehrheitlich Friedlichen als Fläche für Ausschreitungen missbrauchen. Sie pöbeln Polizisten an, bewerfen, verhöhnen, beschimpfen sie und skandieren. Teilweise ist das purer Hass. Das als Beamter auszuhalten, ist ein innerer Kraftakt. Wenn dazu kurz nach Mitternacht ein Kollege schwer verletzt wird, brennen die Sicherungen noch schneller durch. Das ist nachvollziehbar.
Fehlendes Augenmaß
Auf der anderen Seite bedient das Verhalten der Polizei in Situationen wie diesen Reize, die zu weiterer Eskalation führen. In voller Montur in Gruppen im Weg Stehende zur Seite drängen, verbreitet unweigerlich den Habitus des Martialischen. Für die, die Polizisten als Feinde einstufen, wirkt das wie ein Trigger. Linke-Politikerin Juliane Nagel verleitet so etwas auf Twitter zur Formulierung der „staatlichen Machtdemonstration“. Augenmaß hat hier kaum noch einer. Einer die Polizei beleidigenden Frau wurde mit angewinkeltem Arm an die Kehle gegangen, ein anderer Beamter schubste und trat einen bereits zurückweichenden Gegner.
Unsägliche Gewalt der Autonomen
Schwarz-Weiß-Denken ist – bei allem Entsetzen über den Verdacht auf Mordversuch – zu einfach. Provokationen und Gewalt der Autonomen sind unsäglich, doch auch einige beobachtete Reaktionen der Beamten drehen die Spirale nach oben. Angesichts dieser Verhärtung von Fronten mag es naiv sein, Besonnenheit anzumahnen. Einen anderen Weg aus der Sackgasse gibt es jedoch nicht. Und wenn bei diesem Stichpunkt der Ball eher bei der Polizei liegt, hat das nichts mit Schuldzuweisung zu tun, sondern mit dem mutmaßlich höheren Potenzial, Verhalten zu ändern.
Von Mark Daniel
30.12.2019 LVZ
Straßensperrungen zu Silvester in Leipzig – Ticketautomaten außer Betrieb
Wie jedes Jahr sichern die Leipziger Verkehrsbetriebe die Ticketautomaten an den Haltestellen zur Silvesternacht ab. Außerdem richtet die Stadt mehrere Straßensperrungen ein, die auch zu Umleitungen führen.
Die letzte Nacht des Jahres bedeutet immer Ausnahmezustand. In der Innenstadt und rund um das Connewitzer Kreuz kann es deswegen auch in Leipzig zu Einschränkungen im Verkehr kommen. Unter anderem fahren die Straßenbahnen in der Nacht zu Neujahr mit einigen Abweichungen, wie die Stadt mitteilte.
So lässt die Verwaltung die Zufahrtswege zum Connewitzer Kreuz für Autos sperren und verhängt ein Halteverbot. Das betrifft die Kochstraße, die Selneckerstraße, die Scheffelstraße, die Wolfgang-Heinze-Straße, die Bornaische Straße und die Karl-Liebknecht-Straße. So soll die Polizei einen besseren Überblick behalten, da es im Leipziger Süden alljährlich zu Neujahr zu Auseinandersetzungen komme.
Sperrungen am Augustusplatz – Schutz vor Feuerwerk
Außerdem wird die Zufahrt zum Augustusplatz, wo traditionell viele Leipziger ins neue Jahr feiern, gesperrt. Das Parkhaus unter dem Gewandhaus ist dann nur über Georgiring und Goethestraße erreichbar.
Zudem werden die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) wie jedes Jahr ihre Ticketautomaten über den Jahreswechsel außer Betrieb nehmen und sichern. In den sozialen Medien weist der Betrieb daraufhin, dass Nutzer sich zuvor die benötigten Tickets besorgen sollen. Auch die Stadtverwaltung habe ein Sicherheitskonzept für die Silvesternacht erarbeitet.
Schwarzfahren nicht erlaubt
Grund für diese Maßnahmen der LVB ist das erhöhte Risiko von Schäden durch Feuerwerkskörper. Da Automaten schon außerhalb der Feuerwerkssaison beliebte Ziele sind, werden sie in der Nacht zum 1. Januar besonders gesichert. Schwarzfahren ist dennoch nicht erlaubt. Tickets können weiterhin an den Automaten in der Bahn gekauft werden – dort kann allerdings nur mit Aboflexkarten und Münzgeld gezahlt werden.
Wer lieber digital zahlt, wird auf die App EasyGo verwiesen. Darüber hinaus können Tickets bei den Servicestellen der LVB, in Konsum-Filialen und ausgewählten Kiosken erstanden werden.
Kein Böllerverbot in Leipzig
Im gesamten Stadtgebiet übernehmen Polizisten und Feuerwehrleute Sonderschichten, um für Sicherheit zu sorgen. Ein generelles Böllerverbot gilt in Leipzig trotz hoher Feinstaubbelastung nicht.
Die Stadt weist allerdings darauf hin, dass das Abbrennen von Feuerwerk in der Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kindereinrichtungen und Altersheimen untersagt ist. Die Straßenreinigung bittet zudem darum, dass Feiernde auch außerhalb ihres Grundstücks Abfälle selbst entsorgen.
28.11.2019 LVZ
Historiker Lange im Interview – Besetzte Häuser und Neonazis: So waren die 1990er in Leipzig-Connewitz
Kein Leipziger Stadtteil ist so bekannt wie Connewitz. Immer wieder gibt es Vorwürfe, das Quartier sei seit Jahrzehnten Keimzelle linksradikaler Gewalt. Historiker Sascha Lange kennt den Stadtteil und seine Geschichte sehr genau. Im LVZ-Interview spricht er über die Nachwende-Zeit in Connewitz, über Hausbesetzungen und Neonazi-Banden, aber auch über die heutige Zeit.
Szene-Stadtteil, linke Hochburg, Zentrum der Subkulturen, rechtsfreier Raum – für den Leipziger Stadtteil Connewitz gibt es viele Synonyme, je nachdem, wer darüber spricht. Zuletzt wurden Vorwürfe laut, im Quartier habe sich in den 1990er Jahre eine Klientel angesiedelt, die immer gewalttätiger werde. Historiker Sascha Lange ist gebürtiger Connewitzer, kennt die Situation vor seiner Haustür genau. Im Interview mit der LVZ spricht er über die wilde Nachwendezeit, über ein Schlüsselereignis im November 1992 und über die aktuelle Situation.
Frage: Die frühen 1990er Jahre in Connewitz sind wieder Stadtgespräch. Wie war es denn damals?
Sascha Lange: Zunächst muss man wissen: Connewitz war ein Kind der Montagsdemos in Leipzig. Viele der späteren Hausbesetzer kamen von diesen Demos aus dem Herbst 1989, die sich 1990 allmählich intoleranter gestalteten. In Connewitz, wo damals ganze Straßenzüge leer standen, fanden sie neue Nischen für sich. Parallel dazu hatte der Stadtteil aber auch seit den 1980er Jahren schon einen alternativen Ruf, so dass sich immer mehr Menschen zusammenfanden, um einen drohenden Abriss des Leerstands zu verhindern. Das war ein wahrlich bunt zusammen gewürfelter Haufen: Hippies, Pazifisten, Punker, viele Jugendliche aus anderen Subkulturen. Die Connewitzer Szene war auch in den 1990er Jahren schon sehr heterogen – mit vielen unterschiedlichen Ideen. Manche suchten nur billigen Wohnraum, andere wollten Kulturprojekte aufbauen, andere haben Proberäume oder Bühnen gesucht, Cafés wurden eröffnet. Das war alles zunächst gar nicht so politisch geprägt. Die Politisierung in Connewitz setzte erst ein, als jeden Tag Nazi-Schlägergruppen im Stadtteil Jagd auf Bewohner machten und die Polizei nichts unternahm.
Die frühen 1990er Jahre werden heute auch gern Baseballschläger-Jahre genannt. Die Gewalt der Neonazis gab es überall.
Sascha Lange: Das war natürlich kein rein Leipziger Phänomen, ganz im Gegenteil. Das passierte so in ganz Ostdeutschland und in anderen Leipziger Stadtteilen. In der Reudnitzer Kreuzstraße sind beispielsweise jeden Abend Neonazis in Formation vor einem besetzten Abbruchhaus aufmarschiert und haben es angegriffen. Jeden Abend. Und irgendwann mussten sich die Bewohner eingestehen: Wir müssen hier weg. Letztlich hat sich so alles auf Connewitz konzentriert. Die rechte Gewalt nahm Anfang der 1990er Jahr sprunghaft zu, der Staat reagierte aber nicht darauf – weil er mit sich selbst zu tun hatte. Es entstand ein Machtvakuum, welches die rechten Schlägergruppen massiv auszunutzen wussten.
„Mythos Connewitz“
Viele sagen, Connewitz wurde dann zu einer Art Insel in Ostdeutschland.
Sascha Lange: Das hatte auch mit dem „Mythos Connewitz“ zu tun, der sich schon seit den Punker-Tagen in den späten 1980er Jahren allmählich aufbaute und der übrigens auch unter den Nazi-Schlägern zu kursieren begann. Im Prinzip beruhte dieser „Mythos“ zunächst nur auf Gerüchten, die sich verselbstständigten. Letztlich zogen immer mehr Menschen in den Stadtteil, weil sie dachten: In Connewitz werden wir nicht mehr jeden Tag von Nazis überfallen, sondern nur noch einmal pro Woche. Das war in dieser Zeit schon ein echter Schritt nach vorn.
Was hat die Politik gegen die Überfälle unternommen?
Sascha Lange: Die Angriffe der Nazis wurden lange einfach als rivalisierende Jugendgangs wahrgenommen. Leipzig bekam mit Hinrich Lehmann-Grube einen Oberbürgermeister aus Hannover, der zwar jede Menge Westerfahrung mitbrachte, der aber keinerlei Kenntnisse über die Begebenheiten vor Ort hatte und deshalb von „Anarchisten und Chaoten in Connewitz“ sprach. Lehmann-Grube stülpte den Bewohnern in Connewitz einfach sein westdeutsches Klischee über. Die Connewitzer wurden in die linksextreme Ecke geschoben, obwohl viele einfach nur aus den Subkulturen kamen. Die Punks, HipHopper, New Waver, Metaller und Gruftis wollten dort im Leipziger Süden einfach ihre Jugendkultur ausleben.
Kreuzberger bleiben in ihrer Blase
Ex-Bürgermeister Holger Tschense spricht davon, dass es vor allem westdeutsche Anarchisten waren, die in Connewitz wohnten. Stimmt das?
Sascha Lange:Das kann ich so nicht bestätigen. Wenn man Anfang der 1990er Jahre durch Connewitz lief, sah man ein Abrissviertel. Es gab nur verfallene Häuser, keine coolen Kneipen, keine Dönerbude. Da war nichts. Wieso sollte ein Westdeutscher aus Berlin-Kreuzberg oder Hamburg seine schöne Subkultur-Blase verlassen, um in ein Abrissviertel ohne Heizung und fließend Wasser zu ziehen? Dass westdeutsche Autonome in Connewitz den Ton angegeben haben, ist völlig aus der Luft gegriffen. Dazu fehlen jegliche Belege.
Trotzdem gab es eine gewissen Form von Anarchie – leerstehende Häuser, die einfach bewohnt wurden, später auch mit Unterstützung der Stadt.
Sascha Lange:Das passierte auch aus einer gewissen Naivität heraus. Die Leute sagten sich: Die Häuser waren vorher Volkseigentum, ich war auch das Volk, also nehme ich mir jetzt meinen Teil. Die Stadt hat den Besetzern relativ geduldig erklärt, dass es gewisse Rechtsformen benötigt – und die Leute gründeten schließlich Vereine, um ordentliche Verträge machen zu können. Man muss aber auch klar sagen: Nicht jeder in Connewitz war beseelt vom Traum gemeinsam ein Haus zu bewohnen. Es gab auch zum Beispiel Abbruchhäuser, in denen Teenager lebten, die von ihren Eltern davongelaufen waren. Die klauten Autos und fuhren damit herum: Im Viertel hießen sie nur „Crash Kids“. Die haben den negativen Ruf des Viertels stark genährt. Das führte dazu, dass die Leipziger CDU ständig nur noch von Räumung sprach und sich die Situation im Herbst 1992 immer weiter aufheizte. Dann kam das berühmte Schlüsselerlebnis.
Das Fass läuft über
Sie meinen die Straßenschlachten vom 27. zum 28. November 1992?
Sascha Lange:Im Umfeld dieser „Crash Kids“ wollte die Polizei eine Personenfeststellung machen, in deren Verlauf eine junge Polizistin einem Punker in den Bauch schoss. Und anstatt erste Hilfe zu leisten oder einen Krankenwagen zu rufen, sprangen die Beamten in ihr Auto und fuhren davon. Das verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Viertel, auch mit den Gesetzmäßigkeiten der Stillen Post: Am Ende hieß es, der Punker sei bei einer anstehenden Räumung erschossen worden. Das passierte in einer Zeit der ausländerfeindlichen Angriffe von Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda – bei denen die Polizei nicht eingriff. Alles vermengte sich und brachte das Fass in Connewitz zum Überlaufen. So eine Randale lässt sich keineswegs rechtfertigen, auch der Schuss der Polizistin rechtfertigt es nicht, dass hunderte Jugendliche in der Nacht Barrikaden bauten und die anrückende Polizei angriffen. Aber es ist trotzdem wichtig, die Kausalzusammenhänge zu kennen.
Beruhigte sich die Situation danach wieder?
Sascha Lange: Die Stadt hat zum Glück nicht weiter auf Eskalation gesetzt. Die Häuser wurden nicht geräumt, die Hausprojekte bekamen stattdessen eine Struktur, die Alternative Wohngenossenschaft wurde gegründet. Dadurch, dass die Bewohner von Connewitz in Verantwortung genommen wurden, konnte die Situation insgesamt befriedet werden.
In dieser Zeit sind auch zentrale Institutionen im Stadtteil entstanden – das Conne Island, das Werk II, die Distillery. Heute behaupten manche Politiker, diese seien Keimzellen der Gewalt.
Sascha Lange:Dieser regelmäßige Rundumschlag auf Connewitz gehört ins Fach der politischen Polemik. Das ist, wie wenn man beim Fleischer etwas kauft, das nicht schmeckt und man beschuldigt dann den Bäcker nebenan. Es gibt keinerlei Belege dafür, dass zum Beispiel im Conne Island Gewalttaten vorbereitet werden. Gerade auch das Werk II, das häufig in diesem Zusammenhang genannt wird, war im Leipziger Süden lange Zeit der unpolitischste Ort überhaupt. Ich weiß bis heute nicht, warum die CDU im Werk II einen politischen Gegner ausgemacht hat.
Rechtsfreier Raum Connewitz?
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) spricht von rechtsfreien Räumen, die angeblich in Connewitz existieren. Gibt es diese?
Sascha Lange:Ich würde sagen: Leipzig 1990 – das war ein rechtsfreier Raum. Damals war die eine Ordnungsmacht zusammengebrochen und die nächste noch nicht aufgebaut. Das sorgte für eine gewisse Form von Anarchie. Aber heute? Ich denke, dass das Selbstbewusstsein der Connewitzer für manche Politiker suspekt ist. Dazu gehört leider auch, dass immer mal wieder Mülltonnen angezündet werden oder es zu Situationen kommt, wie beim berühmten „Silvester am Kreuz“. Das ist natürlich nicht in Ordnung und soll auch nicht toleriert werden. Aber nach meiner Ansicht wird das unnötig politisiert und aufgebauscht. Auf dem Augustusplatz findet auch jedes Jahr eine Silvesterfeier statt, dort stehen Tausende, fliegen Blitzknaller und Raketen quer durch die Gegend. Das ist genau dasselbe Chaos, wie am Kreuz. Aber auf dem Augustusplatz gilt so etwas als Volksbelustigung und in Connewitz ist es derweil eine Herausforderung für die Ordnungsmacht. Da wünsche ich mir einfach mal wieder eine Versachlichung.
Inwiefern?
Sascha Lange: Diese Pauschalisierungen eines ganzen Stadtteils, der heterogener ja gar nicht sein könnte, werden derzeit immer weiter auf die Spitze getrieben. Es wohnen in Connewitz so viele verschiedene Menschen unterschiedlichster Altersgruppen. Wenn Connewitz so ein rechtsfreier Raum wäre, wie behauptet wird, dann müsste es dort ja eigentlich extrem viele freie Wohnungen geben, weil alle Angst davor haben. Aber gerade Connewitz ist neben der Südvorstadt doch seit den 1990er Jahren ein extremes Zuzugsgebiet – und dass vor allem auch bei Familien.
Party-People statt Politik
Im Vergleich zu den 1990er Jahren: Wie haben sich die Bewohner verändert?
Sascha Lange: Salopp würde ich sagen: Es gibt in Connewitz mehr Party-People, als noch vor zwanzig Jahren. Der Stadtteil war früher ein Ort mit deutlich mehr politischen Initiativen, wo politische Stellungnahmen veröffentlicht, wo Zeitschriften herausgegeben wurden. Allerdings lässt sich auch nicht von der Hand weisen, dass in der verbliebenen politischen Szene auch eine Radikalisierung zu beobachten ist. Es ist müßig, zu überlegen, ob das an angezündeten Mülltonnen und am Auftreten der Polizei liegt oder ob der Generalverdacht der Behörden als zunehmende Provokation aufgefasst wird. Ich finde es zumindest bedauerlich, dass wieder an einer Eskalationsschraube gedreht wird. Ich kann nur allen Seiten anraten, etwas runter zu kommen und die Verhältnismäßigkeiten zu sehen. Ich hoffe auch sehr, dass Connewitz nicht Opfer des Oberbürgermeister-Wahlkampfes wird, in dem sich die Kandidaten mit ordnungspolitischen Maßnahmen überbieten. Es scheint mir vielmehr nötig, nachhaltig an den Ursachen zu arbeiten, warum Menschen gewalttätig werden und Gesetze übertreten. Dabei spielen die Angst vor der Gentrifizierung, die ganzen Luxusneubauten, die im Stadtteil entstehen und die sich kein Normalsterblicher leisten kann, eine wichtige Rolle. Das muss politisch gelöst werden.
Von Matthias Puppe
26.11.2019 LVZ
Leipzigs linksextreme Szene – Wie die Gewalt nach Connewitz kam
In Teilen von Connewitz hat sich eine linksextreme Szene etabliert, die immer gewalttätiger wird. Polizisten und Gebäude werden angegriffen, eine Projektentwicklerin zusammengeschlagen, Baugerät für viele Millionen Euro angezündet. Wie konnte es dazu kommen?
Leipzig. Am 14. April 1993, 4 Uhr früh: Über Connewitz ist Hubschrauberlärm zu hören. Die Maschine fliegt ungewöhnlich tief und scheint über der Ernestistraße zu stehen – genau über den Häusern, die dort Besetzer in Beschlag genommen haben. Der Lärm ist so stark, dass die jungen Leute aus dem Schlaf hochschrecken und sich die Augen reiben. Doch da ist es schon zu spät: Aus dem Hubschrauber seilen sich Polizisten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) auf die Dächer ab. Die Hausbesetzer merken das erst, als die Elite-Beamten vor ihnen stehen und sie vor die Häuser zerren. Widerstand gibt es praktisch nirgendwo, die Aktion kommt zu diesem Zeitpunkt überraschend.
„Wegen der Geheimhaltung hatte ich über die Aktion nur die Fraktionsspitzen von CDU und SPD informiert, also Walter Wojcik und Rainer Fornahl“, erinnert sich Holger Tschense. Er war damals Wohnungsamtsleiter und hatte für Leipzigs erkrankten Ordnungsbürgermeister Hans-Eberhard Gemkow (CDU) beim Einsatz die Fäden in der Hand. Auch Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube hatte sein OK gegeben.
Denn der OBM war empört, weil die Gewaltbereiten mit der Stadt über Monate Katz und Maus spielten. Mehrere Räumungsaufforderungen hatten sie folgenlos verstreichen lassen und sich in den Häusern festungsartig verbarrikadiert.
Die Stadtspitze wusste damals, dass die Aktion problematisch war. „Nach der Friedlichen Revolution waren Leute aus Berlin und Hamburg nach Connewitz gekommen“, erinnert sich Tschense. „Die Westberliner waren schwierig, die Hafenstraßenleute sehr schwierig. Denn denen ging es nicht um Wohnungen, die wollen das System abschaffen.“ Diese Militanten seien auch im Häuserkampf erfahren gewesen.
Wie konnte es so weit kommen?
Mitte Februar 1990 waren im Stadtteil Leute aufgetaucht, die erklärten, dass sie in Connewitz ein zweites Kreuzberg oder ein Montmartre wie in Paris aufbauen wollten. Die 20- bis 30-Jährigen schwärmten auch von eigenen Galerien, Werkstätten, Amateurbühnen, einem alternativen Buchladen und Cafés.
In der Stadtverwaltung stießen sie damit auf offene Ohren. Denn in Connewitz gab es 1990 genug heruntergekommene leere Wohnungen: DDR-Planer hatten dort Häuser jahrzehntelang leergewohnt, um sie durch Plattenbauten zu ersetzen. Sie hatten auch geduldet, dass sich dort junge Leipziger einquartierten und die Wohnungen mit einfachsten Mitteln instandsetzten. Meist mussten diese „DDR-Besetzer“ nur die damals geringen Betriebskosten und eine symbolische Kaltmiete tragen.
Ignorieren und schauen, was passiert
Vor allem aus dem Westen seien dann Jugendliche zugestoßen, die sich „austoben“ wollten, erinnert sich ein Zeitzeuge. Ihre Zahl wuchs schnell an. Bald waren es über hundert, die sich in zahlreichen Gruppen organisierten, die oft untereinander zerstritten waren. „Die militanten Autonomen, die in Connewitz eine Außenstelle für ihren bundesweiten antiimperialistischen Kampf aufbauen wollten, waren damals aber eindeutig in der Minderheit.“
Für Letztere waren die Verhältnisse aber ideal: Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz waren Anfang der 1990er Jahre zwar aufgebaut, aber längst nicht eingespielt. „Die Autonomen waren schon damals gut vernetzt“, erzählt einer der Akteure. „Sogar zum Teil besser als der Verfassungsschutz.“
Um den Zustrom in geordnete Bahnen zu lenken, übernahm die Leipziger Wohnungsgenossenschaft „Kontakt“ die Verwaltung einiger besetzter Häuser und schloss mit den Bewohnern Leihverträge ab. „Etwa drei von fünf Leihverträgen funktionierten, zwei nicht“, erinnert sich der Zeitzeuge. In den Problemhäusern hätten die Besetzer bald versucht, die „Kindergartenstrategie“ zu spielen: „Sie ignorierten alles und warteten ab, was passiert. Es war ganz klar, dass sie austesten wollten, wie weit sie in Leipzig gehen konnten.“
180 Beamte gegen 100 Randalierer
Etwa zwei Jahre lang spielten diese „Tester“ so mit der unerfahrenen Stadtverwaltung. Die Anwohner klagten immer lauter über nächtlichen Lärm, Müll, demolierte Autos und Bedrohungen. Schließlich teilten die Besetzer der Stadt klipp und klar mit, dass sie keine „Knebelverträge“ mit einer „imperialistischen Wohnungsbaugesellschaft“ unterzeichnen würden.
Das Fass zum Überlaufen brachte dann die Nacht vom 27./28. November 1992, als sich diese Besetzer ihre erste große Straßenschlacht mit der Polizei lieferten: Hundert Gewalttäter gegen 180 Polizisten. 38 Menschen wurden verletzt, darunter 24 Beamte. 41 Randalierer wurden festgenommen. „Unter ihnen waren auch viele Zugereiste“, erinnert sich Tschense. „Sie waren häufig in unseren Leihhäusern untergekommen. Deshalb haben wir dort den Leihnehmern die Pistole auf die Brust gesetzt: Entweder sie unterbinden das oder sie müssen raus.“
Dann kam die Räumung durch das SEK. Anschließend wurden die Fenster und Türen der betroffenen Häuser zugemauert. Auch die Szene-Gaststätte „Destillerie“ wurde mehrere Wochen geschlossen. Gegen die Krawallmacher hagelte es Verfahren wegen Landfriedensbruch, Widerstand gegen die Staatsgewalt und in einem Fall auch wegen versuchtem Totschlag. „Viele wurden auch verurteilt“, erinnert sich Tschense. „Danach war die Zeit der ganz großen Zwischenfälle in Connewitz vorbei, und wir hatten von 1998 bis 2006 weitgehend Ruhe.“ Die Linksextremen hatten sich auf Städte konzentriert, in denen sie leichteres Spiel hatten. Oder auf die Kundgebungen des Neonazis Christian Worch in Leipzig.
7. Januar 2015 gegen 23.20 Uhr
Am 7. Januar 2015 gegen 23.20 Uhr: 50 Vermummte stürmen in die Connewitzer Wiedebach-Passage, wo sich ein Polizeiposten befindet. Die beiden diensthabenden Polizisten können in letzter Minute die Tür verschließen, dann schleudern die Gewalttäter mitgebrachte Pflastersteine gegen das Sicherheitsglas, rütteln an der Tür und werfen Farbbeutel. Ihre Botschaft ist eindeutig: Connewitz gehört uns und wir dulden hier keine Polizisten. Was war geschehen?
Nach 2006 waren wieder verstärkt Autonome in die Stadt geströmt – vor allem in und um die Stockartstraße zwischen Bornaischer und Wolfgang-Heinze-Straße. „Das waren nicht mehr die der 1990er-Jahre“, schildert ein früherer Rathausmitarbeiter. „Die Neuen sind zahlreicher und noch gewaltbereiter.“
Einen ersten Vorgeschmack auf das Kommende hatte es schon im Dezember 2012 gegeben, als rund 100 Randalierer von der Wolfgang-Heinze-Straße zur Richard-Lehmann-Straße zogen und zielgerichtet Gebäude „entglasten“. Es wurden auch Mülltonnen angezündet und Barrikaden errichtet. „Die Stadtverwaltung hatte die Situation viele Jahre lang unterschätzt“, erinnert sich heute Stadtrat Karsten Albrecht (CDU), der damals selber Mülltonnen löschte. „Sie hat auch seitdem in Connewitz nicht mehr richtig hingeschaut.“ Andere meinen, dies habe auch an neuen Kriminalitätsschwerpunkten wie der Eisenbahnstraße gelegen.
Die Radikalen hätten das erkannt und ausgenutzt. „Die merken schnell, wenn ihnen nichts passiert“, meint ein Insider. „Die wissen, dass sie Gewalttaten verüben und nehmen das in Kauf. Die muss man kriegen und einsperren, sonst wird alles nur immer schwerer.“
„Wo bleibt das Ordnungsamt?“
Wie schlimm es heute ist, kann jeder in der Bornaischen Straße sehen: Alle Hausfassaden sind mit Graffitis und Tags über und über besprüht. „Wo bleibt das Ordnungsamt?“, macht ein frustrierter Leipziger seinem Ärger Luft. „Die müssten die Sprayer kriegen. Aber stattdessen vermessen sie in anderen Stadtteilen die Auslagen von Händlern und kassieren sie ab, wenn die ein paar Zentimeter zu groß sind. Nach Connewitz traut sich das Ordnungsamt gar nicht mehr.“
Wutausbrüche wie dieser sind in Connewitz häufig nur noch hinter vorgehaltener Hand zu hören – zu groß ist die Angst vor gewalttätigen Reaktionen der Autonomen. Auch einige der in diesem Beitrag Zitierten wollten deshalb nicht ihre Namen in der Zeitung lesen. Denn wer im Stadtteil etwas verändern will, wird massiv bedroht.
Claudia P., die in Connewitz den Bau von Wohnhäusern im Südcarré managt, wurde jüngst in ihrer Wohnung zusammengeschlagen; die Käufer und Nutzer neuer Wohnungen werden ebenfalls massiv eingeschüchtert. In einem Bekennerschreiben drohte ihnen die Szene öffentlich „kaputte Scheiben, brennende Autos und kaputte Nasen“ an.
Immer mehr Connewitzer passen sich deshalb diesen Zwängen an. Manche tolerieren offenbar inzwischen insgeheim sogar Anschläge wie den auf millionenteure Kräne in der Prager Straße. Denn in der Diktion der antiimperialistischen Gewalttäter trifft dieser Terror Profiteure des Baubooms und der immer teureren Leipziger Mieten. „Das gesellschaftliche Klima in Leipzig hat sich deutlich gewandelt“, konstatiert auch Holger Tschense. Robert Clemen, langjähriger CDU-Kreisvorsitzender in Leipzig, hat eine ähnliche These. „In den vergangenen zehn Jahren wurden Kritiker der Szene gezielt aus Connewitz verdrängt und dafür deutschlandweit Leute aus dem linken Milieu nach Leipzig gelockt“, sagt er.
So ist es vielleicht auch zu erklären, dass die linke Politikerin Juliane Nagel in diesem Jahr im Leipziger Süden erneut ein Direktmandat für den sächsischen Landtag gewann. Sie agiert in Connewitz als ein Art Anwältin der alternativen Szene und hat sogar die meisten Stimmen aller Leipziger Direktkandidaten errungen. „Ich engagiere mich für alle Themen der Stadtteilgestaltung und organisiere Diskussionsveranstaltungen mit Gruppen, die unterschiedlichste Ansichten haben“, sagt sie.
Oder Sachsens ehemaliger Grünen-Sprecher Jürgen Kasek: Der Jurist wurde in diesem Jahr in den Stadtrat gewählt. Es ist bekannt, dass er linke Demonstranten schult, berät und verteidigt.
Leipzigs Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) tritt im Kampf gegen die Gewalt in Connewitz kaum in Erscheinung. Auch sein Ordnungsamtsleiter Helmut Loris bleibt unsichtbar und gilt intern als wenig durchsetzungsstark. „Die Autonomen studieren genau, mit welchen Leuten sie es auf der Gegenseite zu tun haben und agieren entsprechend“, so der Experte. Dies habe dazu geführt, dass später auch in großer Zahl Wagenburgleute nach Leipzig strömten.
1. Januar 2019, kurz nach Mitternacht
1. Januar 2019, drei Minuten nach Mitternacht: 50 bis 60 vermummte Angreifer setzen an der Außenstelle des Bundesgerichtshofes und des Generalbundesanwalts in der Karl-Heine-Straße die Überwachungskameras mit schwarzer Farbe außer Betrieb. Dann errichten sie in der Karl-Heine-Straße eine Barrikade und verteilen auf der Fahrbahn kleine Wurfeisen, um Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr und der Polizei fernzuhalten. Anschließend überwinden sie den Metallzaun und legen an der massiven Eingangstür und an einem Hintereingang des Bundesgerichts Feuer. Schließlich klettern sie zu einem gepanzerten Fenster eines Beratungsraums der Bundesrichter im ersten Stock und versuchen es aufzuhacken. Nur das extrem sichere Glas verhindert, dass ein Brandsatz ins Gebäudeinnere geworfen werden kann.
„Das waren Profis“, erklären am nächsten Tag die Spezialisten des Polizeilichen Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrums. Denn die Täter hätten gleichzeitig an so vielen verschiedenen Angriffspunkten arbeitsteilig zusammengewirkt wie noch nie. Das sei eine ganz neue Qualität der Gewalt – und ein weiteres Indiz dafür, dass die militanten Connewitzer mittlerweile noch enger mit der bundesweiten Autonomen-Szene zusammenarbeiten.
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) spricht deshalb jetzt von linkem „Terror“, der mit allen Mitteln unterbunden werden müsse. Doch für viele Leipziger sind solche Ankündigungen nur noch Wahlkampfrhetorik für die im Februar anstehende OBM-Wahl. Jung, der privat mit seiner Familie in Connewitz wohnt, ignoriere die Probleme seit Jahren, heißt es. „Die Stadtspitze hat mit einem augenzwinkernden Einverständnis die linksautonome Szene in Connewitz wachsen lassen“, sagt auch Robert Clemen.
Können es Jungs Rivalen um den Leipziger OBM-Sessel besser? Katharina Krefft (Grüne) – für viele Jungs aussichtsreichste Gegnerin – will die Aktionen des Freistaates besser mit denen der Stadt abstimmen. Gleichzeitig setzt sie auf „mehr deeskalierende Ordnungskräfte“ und eine „aktive Zivilgesellschaft“, die sie mit dem Installieren eines Stadtteilmanagements fördern will. Die OBM-Kandidatin Franziska Riekewald (Linke) will das Gewaltpotenzial verringern, indem sie „dem immer gierigeren Immobilienmarkt“ Zügel anlegt. Sie setzt vor allem auf mehr Wohnraum, Milieuschutzsatzungen, Mietendeckel und Mietpreisbremse.
Soko LinX und 100.000 Euro
Viele Leipziger blicken auch nach Dresden. Dort haben Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), Innenminister Roland Wöller (CDU) und Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) eine Sonderkommission LinX ins Leben gerufen, die dem Kampf um Connewitz eine Wende geben soll. Und Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar hat 100.000 Euro zur Aufklärung der jüngsten Anschläge in Leipzig ausgelobt.
Mit Justizminister Sebastian Gemkow schickt die CDU auch einen Mann ins Rennen um Leipzigs OBM-Sessel, dessen Vater Hans-Eberhard Gemkow in den 1990er-Jahren als erster Ordnungsbürgermeister den Autonomen die Stirn bot. Gemkow jr. hat in den vergangenen Wochen angekündigt, „alle Mittel des Rechtsstaates“ gegen die Gewalttäter einzusetzen.
Ob er damit die rot-rot-grünen Präferenzen der Leipziger Wählerschaft in Stimmen für sich verwandeln kann, bleibt abzuwarten. Die Connewitzer Szene wird ihn auf jeden Fall nicht wählen.
Von Andreas Tappert
04.01.2018 LVZ
Nach den Krawallen in der Silvesternacht in Connewitz hat die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Sachsen härtere Strafen gegen Chaoten gefordert. „Wenn nach geltender Rechtslage keine Haftgründe vorliegen, sind festgenommene Tatverdächtige eher wieder zu Hause als wir Polizeibeamte“, sagte DPolG-Landesvorsitzende Cathleen Martin gegenüber der LVZ. „Das ist ein Problem, das nur bundesweit gelöst werden kann.“
Fünf Männer hatte die Polizei nach den Angriffen auf Beamte im linken Szeneviertel wegen schweren Landfriedensbruchs vorläufig festgenommen. Sie sollen mit bis zu 50 anderen Chaoten die Einsatzkräfte mit Flaschen, Steinen und Böllern angegriffen haben. Allerdings kamen die Tatverdächtigen kurz darauf wieder auf freien Fuß – was bei vielen Leipzigern Unverständnis auslöst. „Solche Täter lachen doch über den Rechtsstaat, wenn ihnen nichts weiter passiert“, meinte etwa LVZ-Leserin Edith Baumann. „Das Problem verschärft sich dadurch immer mehr.“
Gerade die gewaltbereite linke Szene habe in den vergangenen Jahren massiv zugenommen, konstatierte Gewerkschafterin Martin. Sie kennt die Situation noch aus früheren Jahren. „Ich habe damals selbst erlebt, dass ein Zivilfahrzeug von uns am Conne Island von einem Mob angegriffen und beschädigt wurde, obwohl wir nur an einer roten Ampel standen und nach Markkleeberg wollten.“ Mittlerweile würden Linksautonome aus dem ganzen Bundesgebiet hierher ziehen. „Und die finden richtig Gefallen an Straßenschlachten in Leipzig.“
Die Gewerkschaftschefin monierte in diesem Zusammenhang auch die Strategie der Stadt. „Wenn ein Gebäude illegal besetzt wird, muss Strafantrag gestellt werden und nichts anderes“, forderte sie und verwies auf einen Fall aus dem Jahr 2016: Da hatte eine linke Gruppierung die ehemalige Führerscheinstelle in der Platostraße besetzt und sich kurz darauf zu einem fast zweistündigen Kaffeekränzchen mit Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) im Rathaus getroffen.
Leipziger Polizisten sehen sich nach Gewerkschaftsangaben inzwischen einer zunehmenden Bedrohung ausgesetzt. Zeitweise kursierten in der linksextremen Szene sogar Listen, auf denen stand, welcher Beamte privat welches Auto fährt. „Ich weiß das, weil ich selbst da aufgeführt war“, so Martin. Unlängst sei versucht worden, ihren Privatwagen direkt vor der Polizeidirektion anzuzünden. Das Fahrzeug einer Kollegin sei voriges Jahr einer Brandstiftung zum Opfer gefallen. „Natürlich haben unsere Beamten die Sorge, dass sie auch privat angegriffen werden“, räumte Martin ein. „Nicht umsonst sind die Kollegen vom bisherigen Operativen Abwehrzentrum nirgends mit Bild zu finden.“
Diese auf Extremismusstraftaten spezialisierten Beamten arbeiten seit Oktober 2017 im neuen Polizeilichen Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum (PTAZ). Und auch da ist Selbstschutz an der Tagesordnung: Ein dort tätiger DPolG-Funktionär tauche auf keiner Veröffentlichung mit Foto auf. „Er will nicht, dass ihm und seiner Familie etwas passiert“, erläuterte Martin. „Man erlebt ja auch im Einsatz immer wieder solche Drohungen wie: ,Wir wissen, wo du wohnst!‘“ Vor allem für Beamte der Bereitschaftspolizei, die regelmäßig Demonstrationen und Fußballspiele absichern müssen, sei dies ein erhebliches Problem. „Deshalb nehmen die Kollegen bei Einsätzen vielleicht mal ihren Helm ab, aber die meisten behalten ihre Maske auf, um nicht erkannt zu werden“, so Martin. Bedroht würden Beamte von vielen Seiten, beispielsweise auch von Rechtsradikalen. Aber nicht in dem Ausmaß wie aus der linksextremen Szene, die sich vor allem bei Übergriffen auf die Ordnungsmacht hervortue.
Martin erinnerte an den Angriff auf den Connewitzer Polizeiposten am 7. Januar 2015, als rund 50 Vermummte die Dienststelle mit Steinen, Farbbeuteln, Feuerwerkskörpern und Brandsätzen angriffen. Die zwei Bürgerpolizisten im Gebäude standen laut Polizeichef Bernd Merbitz Todesängste aus. „Hochachtung für die Kollegen, dass sie in einer solchen Situation dennoch die Ruhe bewahrt haben“, so Martin. „Es ist aber aus meiner Sicht nur eine Frage der Zeit, bis ein Beamter derart in Bedrängnis gerät, dass er keinen anderen Ausweg mehr sieht, als seine Waffe zu ziehen.“ Es sei ja mittlerweile schon gängige Machart, die Polizei bei größeren Einsätzen gezielt zu provozieren, um dann vermeintliche Übergriffe von Beamten mit dem Smartphone zu filmen.
Angesichts dieser Erfahrungen hält die sächsische DPolG-Chefin eine Strafverschärfung für schweren Landfriedensbruch für absolut notwendig. „Derzeit gilt das nur als Vergehen, erforderlich wäre eine Einstufung als Verbrechenstatbestand mit einer Mindeststrafe von einem Jahr. „Es ist ja keine Abschreckung, wenn die Täter wissen, dass nach ein paar Arbeitsstunden die Sache für sie erledigt ist, obwohl es sich um sehr massive Übergriffe handelt“, sagte Martin. „Zudem ließen sich in solchen Fällen dann auch die Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft prüfen.“
Von Frank Döring
01.01.2018 LVZ
Panzerfahrzeug und Wasserwerfer standen bereit
Im Vorfeld waren in umliegenden Straßen bereits mehrere hundert Einsatzkräfte postiert worden, darunter Zugriffs- und Beweissicherungseinheiten. In Bereitschaft stand neben den Wasserwerfern auch ein gepanzertes Fahrzeug. Das schwere Gerät war bereits gegen 21 Uhr vom Leipziger Norden in das linksalternativ geprägte Viertel im Süden der Stadt verlegt worden.
Die Beamten hielten sich zunächst im Hintergrund. Um 23 Uhr hatte es am Kreuz eine friedlich verlaufende Kundgebung gegeben. Aufgerufen zu der Protestaktion „gegen staatliche Repression und Polizeigewalt“ hatte die Initiative für mehr politisches Engagement in Leipzig. In deren Aufruf hieß es unter anderem, das kapitalistische System suche sich immer neue Instrumente, „um die Menschen im Zaum zu halten und Widerspruch im Keim zu ersticken“. Es gehe dem Staat um umfassende Kontrolle und „Konformitätsdruck“. Angemeldet war auch die Demonstration der Satirepartei „Die Partei“ unter dem Motto „Bier statt Böller“.
In der Biedermannstraße brannte ein Dachstuhl
Auch beim anschließenden Start mit viel Feuerwerk ins neue Jahr gab es noch keinen Grund zum Eingreifen. Allerdings musste zu diesem Zeitpunkt schon die Feuerwehr einen Dachstuhlbrand in der Biedermannstraße löschen.
Am Connewitzer Kreuz hatten sich laut Polizeimitteilung vom Montag rund 1000 Menschen versammelt. „Ständig gab es weiteren Zulauf aus allen Richtungen“, schilderte eine Sprecherin. Nachdem zunächst friedlich gefeiert wurde, eskalierte die Lage später. Autonome zündeten Mülltonnen und weitere Gegenstände an, und die Wasserwerfer rückten an. Diese seien zunächst zum Löschen der Brandherde genutzt worden, so die Polizeidirektion in ihrer Silvesterbilanz am Montag. 40 bis 50 Menschen haben dann laut Polizei Flaschen, Steine und Böller auf die Wasserwerfer und Einsatzkräfte geworfen.
Ermittlungen wegen Landfriedensbruchs
Die Polizei versuchte die militanten Gruppen einzukreisen. Auf Verwarnungen hätten die Angreifer nicht reagiert, so die Polizei weiter. „Nach Lautsprecherdurchsagen gab es weitere Widerstandshandlungen“, heißt es weiter. Die Wasserwerfer seien dann auch gegen die Störer eingesetzt worden. Die Beamten nahmen mehrere Personen wegen Landfriedensbruchs in Gewahrsam. „Die Ermittlungen laufen“, so die Polizeidirektion. Gegen zwei Uhr habe sich die Lage wieder beruhigt.
Die Leipziger Verkehrsbetriebe hatten vorsorglich wegen „zu erwartender Ereignisse“ den Straßenbahnverkehr über die Karl-Liebknecht-/Richard-Lehmann-Straße ab 22.30 Uhr eingestellt und Buslinien umgeleitet. An den Haltestellen waren vorbeugend die Scheiben entfernt worden.
Von Mario Beck/ gap / lyn
01.01.2017 LVZ
Die Silvesterfeiern in Leipzig sind weitgehend friedlich über die Bühne gegangen. Am Augustusplatz und Connewitzer Kreuz blieb es ruhig. Allerdings legten Unbekannte am Arbeitsamt Feuer. Am Hauptbahnhof verlor ein Mann zwei Finger.
Die Messestadt ist feuchtfröhlich und weitgehend friedlich ins neue Jahr gestartet. Wie Polizeisprecherin Maria-Katharina Geyer gegenüber LVZ.de sagte, feierten die Leipziger unter anderem am Augustusplatz und am Connewitzer Kreuz ausgelassen, aber auch im Rahmen des Erlaubten. „Es ist bisher alles ruhig geblieben, wir werden aber auch weiterhin ein Auge darauf haben“, so Geyer mit Stand von 2.30 Uhr. Im Laufe der Nacht wurden am Augustusplatz drei Personen wegen Körperverletzung vorläufig festgenommen, teilte die Polizei am Sonntagmorgen mit. Eine Brandstiftung, in einer Leipziger Behörde sowie ein Unfall mit abgetrennten Fingern hielten die Beamten ebenfalls in Atem.
Gegen 0.30 Uhr wurde die Feuerwehr zur Agentur für Arbeit gerufen, weil dort Flammen aus dem Gebäude loderten. Unbekannte hatten an insgesamt elf Stellen der Behörde im Stadtteil Möckern Scheiben eingeschlagen und Brandbeschleuniger ins Gebäude geworfen. Die herbeigerufenen Rettungskräfte hatten einige Mühe, konnten die Flammen aber schließlich unter Kontrolle bringen. Die Polizeisprecherin sprach von vergleichsweise hohem Sachschaden, der von Experten aber noch genau beziffert werden muss. Die Kriminalpolizei hat ihre Ermittlungen aufgenommen. Zudem liefen auch mehrere Keller- und Balkonbrände nach dem Feuerwerk um Mitternacht bei der Feuerwehr ein.
Abgetrennte Finger im Tunnel am Hauptbahnhof
Kurz nach dem Start ins neue Jahre hat die Bundespolizei zudem am Hauptbahnhof im Tunnel zwischen Bahnhof und LVB-Turm zwei abgetrennte Finger gefunden. „Es war erst unklar, wem die überhaupt gehörten, denn ein Verletzter war nicht zu sehen“, so Polizeisprecherin Geyer gegenüber LVZ.de. Die Einsatzkräfte brachten die Finger in die Notfallambulanz wo sich letztlich auch der verletzte Besitzer fand. Der Mann war zuvor an der Zentralhaltestelle vor dem Hauptbahnhof gefunden und ins Krankenhaus gebracht worden. Die Polizei geht derzeit davon aus, dass der Verletzte seine Finger bei einem Pyrotechnik-Unglück verloren und nach Hilfe suchend umhergeirrt war.
„Bier statt Böller“ am Connewitzer Kreuz
Begleitet wurden die Silvesterfeiern in diesem Jahr von einem Großaufgebot der Polizei. Bis zu 1000 Beamte waren in der Nacht zum Sonntag in der Messestadt im Einsatz – etwa doppelt so viele wie im Vorjahr. Die Polizeidirektion Leipzig wurde durch Beamte der Bereitschaftspolizei und der Bundespolizei unterstützt. Um einen möglichen Terroranschlag wie zuletzt in Berlin zu verhindern, wurden auch die Zufahrten zum Augustusplatz vom Ring und der Goethestraße mit Betonbarrieren blockiert.
Rund um das Connewitzer Kreuz galt in der Neujahrsnacht von 23 bis 6 Uhr ein Verbot von Spontan- und Eilversammlungen unter freiem Himmel. Gestattet war die Versammlung von „Bier statt Böller“ von „Die Partei“, die laut Polizei am Connewitzer Kreuz wie geplant von 23 Uhr bis 23.30 Uhr stattgefunden hat und „ohne Vorkommnisse“ beendet worden sei. Um 2.30 Uhr wurden vorsorgliche Sperrungen aufgehoben, und die Straßenbahnen und der Inidividualverkehr durften am Kreuz wieder alle Routen nutzen.
Deutlich früher, nämlich schon gegen 1 Uhr, hatten nach Angaben der Behörde alle Besucher den Augustusplatz wieder verlassen. Die Stadtreinigung rückte an und der Bereich rund um Oper und Gewandhaus konnte schnell wieder für den Verkehr freigegeben werden. Die Leipziger Ahmadiyya-Gemeinde hatte außerdem angekündigt, am Neujahrsmorgen die Stadtreinigung bei den Aufräumarbeiten am Augustusplatz zu unterstützen.
In der Nacht kontrollierte die Bundespolizei auch Bahnstrecken und Bahnhöfe – unter anderem mit Blick auf die Einfuhr von illegalen Feuerwerkskörpern. Dabei wurden am Bahnhof in Johanngeorgenstadt zwei Leipziger mit insgesamt 200 Böllern ohne Prüfzeichen erwischt.
Matthias Puppe / lyn
31.12.2016 LVZ
Ein Verbot von Spontandemos in Connewitz, Betonblöcke am Augustusplatz und Aufenthaltsverbote für 44 Antänzer sollen in der Silvesternacht in Leipzig für Sicherheit sorgen. Knapp 1000 Polizisten sind im Einsatz – etwa doppelt so viele wie im Vorjahr.
Nach den Übergriffen von Köln und dem Terroranschlag in Berlin werden die Sicherheitsvorkehrungen zu Silvester in Leipzig deutlich verschärft. Unter anderem sollen tonnenschwere Betonsperren am Augustusplatz und ein Verbot von Spontandemos am Connewitzer Kreuz für einen friedlichen Verlauf der Neujahrsnacht sorgen. Die Polizei rüstet sich für einen Großeinsatz: Nach Informationen von LVZ.de aus Behördenkreisen werden in der Messestadt knapp 1000 Beamte im Einsatz sein – etwa doppelt so viele wie im Vorjahr.
„Gerade Köln und Berlin haben zu einer Neubewertung des Sicherheitskonzepts geführt“, sagte Leipzigs Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) am Freitag. Der Fokus liege neben Connewitz und der Südvorstadt vor allem auf der Innenstadt rund um den Augustusplatz, wo in jedem Jahr Tausende Menschen ins neue Jahr feiern. Um einen Anschlag mit einem Lkw wie auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche zu verhindern, werden die Zufahrten vom Ring und der Goethestraße mit Betonbarrieren blockiert. Es handelt sich dabei nicht um die bekannten Nizza-Sperren, sondern um Blöcke zur Befestigung von Ampeln oder großen Straßenschildern. Mit einem Feuerwehrkran sollen die „physischen Sperren“ ab Samstagnachmittag platziert werden. Ab 19 Uhr ist der Augustusplatz dicht, Straßenbahnen und Autos werden umgeleitet.
Aufenthaltsverbote für 44 Antänzer
Auf dem Augustusplatz will die Polizei auch sexuelle Übergriffe und Raubzüge von Antänzern um jeden Preis verhindern. Sie hält dafür vor Ort eine Hundertschaft bereit. „Die Präsenz wird spürbar sein“, so Rosenthal. Polizeisprecher Uwe Voigt kündigte an: „Wir haben parallel auch den Hauptbahnhof verstärkt im Auge. Es sind mobile Einheiten im Einsatz, die jederzeit schnell handeln können.“ Die Polizeidirektion erhält Unterstützung von vier Hundertschaften der sächsischen Bereitschaftspolizei. Zum Vergleich: In Dresden ist nur eine Hundertschaft im Einsatz, in Chemnitz und Zwickau ist es jeweils ein Bereitschaftspolizeizug.
Das Ordnungsamt hat bereits in den vergangenen Tagen schriftliche Aufenthaltsverbote an 44 polizeibekannte Antänzer ausgesprochen. Sie dürfen sich laut Rosenthal in der Silvesternacht nicht in der Innenstadt aufhalten. „Die Beamten werden mit Nachdruck darauf achten und Verstöße umgehend verfolgen“, kündigte die Polizei Kontrollen an. Die Veranstaltungsorte seien keine „rechtsfreien Räume, auf denen man sich in der Anonymität tummeln kann“, so die klare Ansage der Beamten an Kriminelle. Die Polizei will in der Silvesternacht auch mehrsprachige Dolmetscher einsetzen. Sie sollen bei der Kommunikation mit Opfern und Tätern helfen.
Demoverbot am Kreuz – nur eine Kundgebung erlaubt
Rund um das Connewitzer Kreuz gilt in der Neujahrsnacht von 23 bis 6 Uhr ein Verbot von Spontan- und Eilversammlungen unter freiem Himmel. Zur Begründung erklärte Rosenthal, dass es – mit Ausnahme der vergangenen Silvesternacht – in den letzten fünf Jahren immer Spontandemos am Kreuz gegeben habe, die nicht friedlich blieben. So seien meist Böller auf Polizeibeamte geworfen worden. Zudem seien die Versammlungen häufig bereits im Vorfeld geplant gewesen. „Solche Demos wollen wir in diesem Jahr unterbinden“, so Stadtsprecher Matthias Hasberg. Bei den letztjährigen Silvesterfeierlichkeiten hatte die Stadt ebenfalls ein Verbot am Kreuz erlassen, Ausschreitungen gab es damals nicht.
Das Demoverbot umfasst das Gebiet zwischen Richard-Lehmann-Straße, Arthur-Hoffmann-Straße, Zwenkauer Straße, Meusdorfer Straße, Wolfgang-Heinze-Straße, Brandstraße und Windscheidstraße. Eine Versammlung, die bereits vor dem Erlass der Allgemeinverfügung angezeigt wurde, dürfe stattfinden, so Hasberg. Es handelt sich um die Kundgebung „Bier statt Böller“ von der Leipziger Partei „Die Partei“. Laut Facebook-Ankündigung ist die Kundgebung lediglich für eine halbe Stunde von 23 Uhr bis 23.30 Uhr geplant. Sie soll auf die Gefahren im Umgang mit Böllern, insbesondere auch auf schädliche Folgen für Haustiere hinweisen.
Rechter Aufmarsch am Hauptbahnhof angekündigt
Rosenthal betonte gegenüber LVZ.de, die Sicherheitslage werde unter intensiver Zusammenarbeit der Behörden, auch mit dem sächsischen Verfassungsschutz, ständig aktuell beobachtet. Auch Internetquellen wie Facebook würden dabei „permanent ausgewertet“. Konkrete Hinweise auf eine akute Gefährdung in der Silvesternacht gebe es derzeit nicht.
Registriert haben die Behörden jedoch eine auf verschiedenen Online-Seiten verbreitete Ankündigung von Rechtsextremen, um 23 Uhr vom Hauptbahnhof aus „mit Kameraden durch die Stadt marschieren“ zu wollen. Die Polizei werde sich darauf einstellen, ebenso wie auf mögliche Reaktionen der linken Szene, versprach Rosenthal. Zusammen mit Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz will er sich in der Silversternacht auf der Straße selbst ein Bild von der Lage machen. „Die Bürger haben die Erwartung uns gegenüber, dass wir ihre Sicherheit garantieren“, so der Ordnungsbürgermeister. „Technisch gesehen“ seien alle Voraussetzungen dafür getroffen.
Verkehrseinschränkungen in der Silvesternacht
Die Zufahrt zum Augustusplatz über die Goethestraße und die Mittelfahrbahn von der Ostseite des Platzes wird am 31. Dezember ab 19 Uhr nicht möglich sein. Die Tiefgarage Augustusplatz ist jedoch jeder Zeit über die Einfahrt Georgiring und die Ausfahrt Goethestraße nutzbar. Eine Aufhebung der Sperrungen erfolgt am 1. Januar bis 10 Uhr.
Im Bereich des Connewitzer Kreuzes werden ab 19 Uhr die Zufahrtsstraßen gesperrt. Betroffen sind die Kochstraße, die Selneckerstraße, die Scheffelstraße, die Wolfgang-Heinze-Straße, die Bornaische Straße und die Karl-Liebknecht-Straße. Es werden auch Halteverbote, zum Beispiel zur Einrichtung von Ersatzhaltestellen oder für Aufstellflächen der Polizei angeordnet.
Der Straßenbahnverkehr am Kreuz wird von 22.45 bis circa 3 Uhr nach gesondertem Fahrplan erfolgen. Über Einzelheiten wollen die Leipziger Verkehrsbetriebe aktuell informieren.
Robert Nößler / lyn / luc
02.01.2016 LVZ
Lag es am Versammlungsverbot, das die Stadt am Mittwoch für das Gebiet verhängt hatte? Die Silvesternacht am Connewitzer Kreuz ist anders als in den Vorjahren friedlich verlaufen.
Lag es am Versammlungsverbot, das die Stadt am Mittwoch für das Gebiet verhängt hatte? Die Silvesternacht am Connewitzer Kreuz ist anders als in den Vorjahren friedlich verlaufen. Nach Polizei-Schätzungen 500 bis 1000 überwiegend junge Leute brannten zwischen 23.50 und 0.40 Uhr ein ohrenbetäubendes Feuerwerk ab.
Mit Raketen, Knallern und Bengalos tauchten sie die große Kreuzung im Süden Leipzigs in dichte Rauchschwaden. Um 1 Uhr lichtete sich der Nebel, rückte bereits die Sradtreinigung an, um die Fahrbahnen zu säubern. Polizeisprecher Andreas Loepki sprach zu diesem Zeitpunkt von einem “ Silvester ohne nennenswerte Zwischenfälle“. Diese Einschätzung treffe auch auf die Lage am Augustusplatz und die Situation in den übrigen Leipziger Stadtteilen zu. „Hier und da haben Kollegen bei Schlägereien eingreifen müssen. Aber das ist in einer solchen Nacht normales Geschäft“, so Loepki.
In den Straßen rund um das Connewitzer Kreuz hatte die Einsatzleitung dutzende Bereitschaftspolizisten in Stellung gebracht – für den Ernstfall. Die Beamten hielten sich dezent im Hintergrund. Schon Stunden vor und auch nach der großen Knallerei gab es Patrouillenfahrten. Am Kreuz nahm die Polizei während des Feuerwerks vereinzelt Rucksack-Kontrollen vor. Nennenswerte Schäden an Geschäften und den Haltestellen der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) waren bis 3 Uhr nicht zu verzeichnen. Die LVB hatten allerdings vorgesorgt, ihre Station an der Südbrause aufwändig gesichert und die Glaswände der Unterstellhäuschen demontiert.
Der Chef der Linke-Fraktion im Landtag, Enrico Stange, führte den friedlichen Verlauf in Connewitz nicht auf das Versammlungsverbot zurück. Davon ließen sich Randalierer nicht abschrecken, sagte er. Der Politiker kritisierte das Vorgehen der Behörden, da eine auf historische Erfahrungen gegründete Annahme nicht zur Einschränkung des Versammlungsrechts, einem der höchsten Rechtsgüter, legitimiere.
In den vergangenen Jahren war es in der Nacht zu Neujahr immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Randalierern und der Polizei im Süden der Stadt gekommen. Zudem hatte es am 12. Dezember 2015 im Zuge einer Neonazi-Demonstration schwere Krawalle gegeben.
Dominic Welters/dpa
31.12.2015 LVZ
Die Stadt Leipzig befürchtet zum Jahreswechsel erneut Krawalle rund um das Connewitzer Kreuz. Am Mittwoch wurde deshalb ein Demoverbot für die Silvesternacht verhängt. Grüne und Linke kritisieren den ungewöhnlichen Schritt scharf. Die Polizei rechnet indes mit einer ähnlichen Einsatzlage wie in der Vergangenheit.
Die Stadt Leipzig hat für die Silvesternacht erstmals ein Versammlungsverbot rund um das Connewitzer Kreuz verhängt. Zwischen 23 und 6 Uhr sind alle Aufzüge und öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel untersagt, heißt es in der am Mittwoch erlassenen Allgemeinverfügung.
Am Nachmittag begründete das Ordnungsamt das Verbot mit den „unangezeigten Versammlungen der Vorjahre und deren Verlauf“ sowie der Lageeinschätzung der Polizei. „Darüber hinaus wird auf zurückliegende organisierte Gewalt gegen die Polizei und staatliche Institutionen verwiesen“, heißt es in der Mitteilung weiter. Offenbar sollen nach dem 12. Dezember erneute Krawalle im Leipziger Süden verhindert werden. Außerdem war es früher am Connewitzer Kreuz zum Jahreswechsel immer wieder zu Randalen gekommen.
Als Grundlage für die Allgemeinverfügung nennt die Stadt das sächsische Versammlungsgesetz. Nach dessen Paragraf 15 kann ein Aufzug verboten werden, wenn „die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist“. In den vergangenen Jahren hatte die Stadt lediglich Alkoholverbote am Connewitzer Kreuz verfügt und einzelne Straßen gesperrt. Letzteres ist auch für dieses Mal geplant.
Kasek kritisiert „Kriminalisierung“ des Stadtteils
Das Demonstrationsverbot bezieht sich auf den Bereich zwischen Richard-Lehmann-Straße im Norden, Arthur-Hoffmann-Straße und Zwenkauer Straße im Osten, Meusdorfer Straße im Süden und Windscheidtstraße/Brandstraße im Westen. Die sofortige Vollziehung wurde laut Bescheid angeordnet, sodass Spontanversammlungen – wie in der vergangenen Silvesternacht am Kreuz – von der Polizei sofort aufgelöst werden können.
Der Grünen-Landesvorsitzende Jürgen Kasek kritisierte das Demoverbot als „Unsinn“ und warf Stadt und Polizei einen „Mangel an Rechtsstaatlichkeit“ vor. Bei Twitter schrieb er: „Durch die Kriminalisierung eines Stadtteils wird man #Silvester das Gegenteil erreichen.“ Die Leipziger Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel monierte ebenfalls bei Twitter, dass als Begründung für das Verbot „Demos der letzten Jahre und diffuse Aufrufe im Internet“ herhalten müssten.
Polizei: Keine Hinweise auf verstärkte Anreise Gewaltbereiter
Die Polizei rechnet indes mit einer ähnlichen Einsatzlage wie in den vergangenen Silvesternächten, hieß es am Mittwoch – „nicht mehr und nicht weniger“. Ein Augenmerk liege dabei wie gewohnt auf Connewitz. Doch auch dort werde nicht mit solchen massiven Ausschreitungen gerechnet wie vor zwei Wochen, sagte Polizeisprecher Andreas Loepki auf Anfrage. So gebe es derzeit keine Hinweise darauf, dass es zu einer verstärkten Anreise gewaltbereiter Linksautonomer von außerhalb, wie vor den Straßenschlachten am 12. Dezember, kommt. Auch konkrete Ankündigungen zur Randale wie 2014, als im Internet ein „Aufruf zur Gewalt“ veröffentlicht wurde, liegen bislang nicht vor. Darin waren damals 50 konkrete Ziele in der Stadt benannt worden, die in der Silvesternacht angegriffen werden sollten.
Loepki kündigte zudem an, dass in diesem Jahr auch die Flüchtlingsunterkünfte in der Stadt stärker bestreift und beschützt werden, um Zwischenfälle und beispielsweise den Beschuss mit fehlgeleiteten Feuerwerkskörpern zu verhindern. Mit wie vielen Beamten die Polizei im Silvestereinsatz ist – im Vorfeld war von rund 500 die Rede – teilte die Polizeidirektion „aus einsatztaktischen Gründen“ nicht mit.
Verkehrseinschränkungen zu Silvester
Ab 21 Uhr werden die Zufahrtsstraßen zum Connewitzer Kreuz gesperrt. Außerdem richtet das Ordnungsamt Halteverbote ein, zum Beispiel für Ersatzhaltestellen. Die Behörde weist darauf hin, dass diese Flächen „zwingend freizuhalten“ seien.
Weil sich auf dem Augustusplatz traditionell viele Feiernde zum Jahreswechsel einfinden, werden die Mittelfahrbahn und die Goethestraße in Höhe Ritterstraße gesperrt. Der Bereich ist zwischen 22 und etwa 5 Uhr nicht befahrbar.
Die Leipziger Verkehrsbetriebe fahren das Connewitzer Kreuz zwischen 22.45 und 3.50 Uhr nicht an, der Straßenbahnverkehr wird zwischen HTWK und Markkleeberg-Ost beziehungsweise Lößnig eingestellt. Betroffen sind insbesondere die Linien 9, 11 und 89. Die Änderungen sowie weitere Besonderheiten im Tram- und Busverkehr listen die LVB in ihrem Sonderfahrplan zum Jahreswechsel auf.
18.12.2014 LVZ
Auf einem Internetportal der linken Szene ist ein „Aufruf zur Gewalt“ veröffentlicht worden. Die anonymen Verfasser benennen darin 50 konkrete Ziele in der Stadt Leipzig, die in der Silvesternacht attackiert werden sollen.
Betroffen sind etwa das Arbeitsamt, diverse Banken und Immobilienfirmen, aber auch Polizeidienststellen, Gerichte, Privatadressen von Politikern sowie Parteibüros.
Die Polizei nehme das Schreiben ernst, hieß es auf LVZ-Anfrage. „Es ist bedauerlich und erschreckend, dass der in seinem Kern schlicht primitive Gewaltaufruf von offenkundig intelligenten Menschen formuliert wurde“, erklärte ein Polizeisprecher in einer ersten Stellungnahme. Es habe bereits früher vereinzelt Angriffe auf kommunale und polizeiliche Einrichtungen sowie Privatwohnungen gegeben.
Rückblick – Silvester 2013 in Leipzig:
Die auf der Internetseite explizit benannten Objekte werden ab sofort durch Streifenwagen der Polizei verstärkt angefahren sowie von Zivilbeamten zu Fuß oder per Rad bewacht. Die Beamten hätten die ersten Betroffenen bereits informiert und werden in den kommenden Tagen versuchen, zu allen 50 Zielen Kontakt aufzunehmen. Nach Angaben der Polizei werden die Streifen dann zum Jahrewechsel noch verstärkt.
Auch die Staatsanwaltschaft sei informiert. Sie leitete bereits am Donnerstag ein Ermittlungsverfahren wegen der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten ein. Das Dezernat Staatsschutz hat bei der Leipziger Kriminalpolizei den Fall übernommen.
Wie die Verfasser des Aufrufs schreiben, könne es weitere Ziele geben. Die Polizei will die Liste deshalb weiter im Auge behalten.