Letzte Generation – Sachsens Innenminister will Netzwerke radikaler Klimaschützer ausleuchten

Um Aktionen radikaler Klimaschützer künftig zu verhindern, setzt Armin Schuster auf Ermittlungen, die mögliche Netzwerke in den Blick nehmen – gleichzeitig wächst die Solidarität mit der Bewegung.

Leipzig. Die radikalen Klimaschützer der „Letzten Generation“ machen gerade eine kurze Pause – doch die politische Debatte über ihre Aktionen geht trotzdem weiter: Bei einer Konferenz in München wollen die Innenminister auch über den Umgang mit den regelmäßigen Blockade- und Klebeaktionen beraten. Erst vergangenen Woche hatten mehrere Personen den Großflughafen BER besetzt, Flugzeuge mussten nach Leipzig und Dresden umgeleitet werden. Gegen die Beteiligten laufen mittlerweile Ermittlungsverfahren.

In mehreren Bundesländern gibt es bereits Überlegungen, radikale Klimaschützer für längere Zeit ins Gefängnis zu stecken. In Bayern saßen mehrere Männer und Frauen fast einen Monat in der JVA Stadelheim. Ein Vorgehen, das für viel Kritik gesorgt hat und Innenminister anderer Bundesländer nicht unbedingt für sinnvoll halten. Berlins Innensenatorin, Iris Pranger (SPD), hätte bei einem 30-tätigen Gewahrsam verfassungsrechtliche Bedenken, will aber eine Regelung, die über das in der Hauptstadt bisher geltende Maximum von 48 Stunden hinaus geht. Brandenburgs Innenminister, Michael Stübgen (CDU), überlegt das Sicherheitsgewahrsam von vier auf sechs Tage anzuheben.

Vorbeugehaft bis maximal 14 Tage

Wie viele seiner Amtskollegen hat auch Sachsens Innenminister Armin Schuster kein Verständnis für die Aktionen der „Letzten Generation“: „Wenn sich sogenannte Aktivisten an Kunstschätze oder auf Straßen oder auch auf Landebahnen kleben, außerdem Kraftwerke blockieren, sind das schwerwiegende Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit“, so der CDU-Politiker auf LVZ-Nachfrage. Bei Straftaten gebe es keinen „Klima-Bonus“. Die gesetzlichen Maßnahmen hält er jedoch für ausreichend.

Das sächsische Polizeivollzugsdienstgesetz ermöglicht es jetzt schon, Personen bis zu 14 Tage vorbeugend in Gewahrsam zu nehmen, etwa um Straftaten und Ordnungswidrigkeiten „von besonderer Bedeutung“ zu verhindern. Vorher müssen aber andere polizeiliche Maßnahmen ausgeschöpft sein, etwa Gefährderansprachen oder Auflagen, sich über einen bestimmten Zeitraum regelmäßig bei der Polizei zu melden.

Schuster hält die Anwendung einer solchen Präventionshaft gegen radikale Klimaschützer für sinnvoll, „um bekannte Wiederholungstäter zu hindern, eine Aktion auf einem Flughafengelände durchzuführen“. Doch dafür braucht es eindeutige Hinweise, wer was genau plant – und vor allem: wann. Es braucht Einblicke in die „Letzte Generation“ – und genau dort will Schuster ansetzen. Es gelte „vor die Lage zu kommen“, so der Innenminister. Die Strafverfolgungsbehörden müssten ermitteln, ob netzwerk- oder gruppenartige Strukturen vorliegen, „wer die Steuerung inne hat“.

Die „Letzte Generation“ ist eine verschworene Truppe – aber kein Geheimbund. Die Vorträge sind öffentlich. Jeder kann sich für Trainings anmelden, bei denen etwa der Umgang mit aggressiven Autofahrern geprobt wird. Nach eigenen Angaben finanzieren sich die radikalen Klimaschützer vor allem über Spenden – auch aus den USA. Mit Geldern des „Climate Emergency Fund“, einem Fond aus den USA, finanzieren die radikalen Klimaschützerinnen Werbung, Trainings und Weiterbildung. Wie hoch die Summe ist, ist unklar.

Sachsen, besonders Leipzig spielt für die Bewegung eine besondere Rolle – viele Unterstützer der „Letzten Generation“ kommen von hier. Auch bei besonders spektakulären Aktionen sind immer wieder Leipziger dabei. Die sächsischen Sicherheitsbehörden schauen deswegen gerade ziemlich genau hin. Vergangene Woche durchsuchten in Leipzig Beamte Wohnungen von zwei radikalen Klimaschützern. Maike G. und Jakob B. hatten sich im August in der Gemäldegalerie Dresden an den Bilderrahmen der Sixtinische Madonna geklebt, gegen sie läuft derzeit ein Verfahren wegen Sachbeschädigung.

An der Hausdurchsuchung waren auch Beamte des Polizeilichen Terror- und Extremismus-Abwehrzentrum (PTAZ) des Landeskriminalamt beteiligt, offiziell ging es darum, weitere Beweise zu sichern. Dabei hatten sich Maike G. und Jakob B. bei der Tat gefilmt, ihre Namen waren bekannt. Die nahmen mehrere Datenträger und Kommunikationsmittel mit. Schon damals war aus Sicherheitskreisen zu hören, dass man mehr über die Strukturen erfahren wolle.

Die Hausdurchsuchung in Leipzig, die Diskussionen über eine längere Vorbeugehaft bezeichnet Carla Rochel, Pressesprecherin der „Letzten Generation“, als „Einschüchterungsversuch“. Der aber offenbar nicht funktioniert, wenn man Rochel glauben mag. „Derzeit melden sich unglaublich viele Leute, die den Umgang mit uns als ungerecht empfinden – und jetzt erst Recht mitmachen wollen.“ Zuletzt solidarisierten sich auch Hunderte Kulturschaffende mit der „Letzten Generation“, darunter der Theaterregisseur Volker Lösch. Die Innenminister haben es also mit einer Bewegung zu tun, die angesichts des Drucks durch Sicherheitsbehörden enger zusammenzuwachsen scheint.