Polizei erschießt Schnaps-Räuber: Waren Beamte mit der Situation überfordert?

Leipzig – Bei einem Polizeieinsatz in Leipzig ist am Mittwochnachmittag ein mutmaßlicher Räuber erschossen worden. Die Tragödie ereignete sich bei der Durchsuchung von dessen Wohnung im Plattenbaugebiet Paunsdorf. Die Ermittlungen drehen sich nun auch um die Frage, warum die Polizeiführung auf den Einsatz des SEK verzichtete.

Das Drama begann bereits am Vormittag im Penny-Markt an der Waldkerbelstraße. Dort wurde der polizeibekannte Kleinkriminelle René W. (36) beim Stehlen von zwei Flaschen Bier und Kartoffeln erwischt. Die Marktleitung erteilte ihm daraufhin Hausverbot. Wild drohend verließ W. den Discounter, ließ dort aber seine Tasche zurück.

Gegen 13.30 Uhr stürmte der auffällig tätowierte, glatzköpfige Mann dann mit einem Messer in den Markt, forderte seinen Beutel zurück und drohte den Verkäuferinnen: „Ich schlitze euch alle auf!“ Die Frauen flüchteten in den hinteren Teil des Marktes.

„Der hat die Verkäuferinnen mit dem Messer regelrecht durch den Laden gehetzt“, berichtete eine Augenzeugin TAG24. Bei der Jagd aufs Personal soll der augenscheinlich unter Drogen agierende Räuber noch Schnaps und Zigaretten eingesteckt haben.

Irgendwann gelang es dem Personal, einen Notruf abzusetzen. Binnen vier Minuten sei die Polizei vor Ort gewesen, erzählte die Zeugin. Da von einer massiven Bedrohung für Leib und Leben auszugehen war, rückte auch die dafür geschulte LebEL-Einheit der Inspektion Zentrale Dienste (IZD) an.

Doch René W. war bereits geflüchtet.

Weshalb war kein SEK vor Ort?

Da Täter und Wohnsitz der Polizei bekannt waren, verschafften sich die Beamten eilig beim Ermittlungsrichter einen Durchsuchungsbefehl. Damit rückten sie dann am Nachmittag zum Plattenbau an der Ahornstraße an.

Was nun geschah, gibt Rätsel auf. Wird bei Messertätern sonst immer das SEK vorgeschickt, weil nur diese Einheit über Kettenhemden und Taser verfügt, verzichteten die Ermittler in diesem Fall darauf, die Spezialkräfte anzufordern. Die Stürmung übernahm die IZD-Einheit, die eigentlich nur für den Außenschutz (der Bevölkerung) und das „Einfrieren“ brenzliger Situationen trainiert und ausgerüstet ist.

Was sich in der Wohnung ereignete, darüber hüllen sich die Behörden in Schweigen. Wegen einer „bedrohlichen Einsatzlage“ sei es zum Schusswaffeneinsatz gekommen, hieß es lediglich in einer Erklärung. Aus Ermittlerkreisen war zu erfahren, dass mehrere Schüsse abgefeuert wurden. Zwei Projektile trafen René W. und verletzten ihn schwer. Kurze Zeit später verstarb er im Krankenhaus.

Den beteiligten Beamten wurden sofort die Waffen zur Beweissicherung abgenommen. Psychologen kümmerten sich noch am Abend um die Polizisten.

Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz wird gegen zwei Beamte ermittelt. Es werde geprüft, „ob der Schusswaffeneinsatz im konkreten Fall, auch unter Berücksichtigung der tödlichen Folgen, noch gerechtfertigt war“, so Schulz. Oder ob es sich um ein (fahrlässiges) Tötungsdelikt handele.

Wegen des Neutralitätsgebotes ermittelt die Dresdner Polizei gegen die Leipziger Kollegen.

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