Jugendliche im Camp Kitzscher misshandelt? – Kreisbrandmeister äußert sich zum Vorfall bei Feuerwehr Rötha

Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln wegen eines mutmaßlichen Übergriffs von Röthaer Betreuern auf eine Jugendliche in einem Camp in Kitzscher. Nun äußert sich der Kreisbrandmeister zum Vorfall – und den möglichen Folgen.

Rötha/Borna. Bei einem Feuerwehrcamp in Kitzscher sollen Betreuer der Jugendfeuerwehr Rötha übergriffig gegenüber einer Jugendlichen gewesen sein. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Misshandlung einer Schutzbefohlenen. Kreisbrandmeister Nils Adam geht davon aus, dass der Vorfall nicht pauschal ein schlechtes Licht auf die Nachwuchsarbeit in den Feuerwehren wirft.

Herr Adam, die freiwilligen Feuerwehren klagen häufig über Nachwuchssorgen. Was bedeutet ein Vorfall wie dieser für die Kinder- und Jugendarbeit der Brandschützer?

Wir haben in den vergangenen Jahren, auch über die Corona-Zeit, steigende Zahlen in den Kinder- und Jugendfeuerwehren in unserem Landkreis. Der Tiefpunkt war ungefähr vor zehn Jahren. Seit zwei Jahren hat sich Zahl bei etwa 1600 Kindern und Jugendlichen in 102 Jugendfeuerwehren und 16 Kinderfeuerwehren im Landkreis Leipzig stabilisiert. Ich glaube nicht, dass dieses Ereignis pauschal negative Wirkung auf die Arbeit in den Jugendfeuerwehren haben wird.

Nach Übergriff bei Feuerwehrcamp in Kitzscher: Mehr Unterstützung für Jugendwarte

Was muss jetzt passieren?

Was auch immer da vorgefallen ist, es ist Aufgabe der Stadt Rötha und der Polizei, das zu klären. Und es ist wichtig, dass wir daraus nicht pauschal auf die Arbeit in unseren Kinder- und Jugendfeuerwehren schließen.

Es gibt Hinweise, dass es sich möglicherweise um eine Art Überforderung der Jugendbetreuer bei der Wahl der richtigen Mittel in einer bestimmten Situation gehandelt haben könnte. Wie steht es um die pädagogische Ausbildung der Jugendwarte?

Pädagoge ist ein Jugendwart nicht, er oder sie verfügen aber über eine Ausbildung zum Jugendwart. Ich bin überzeugt, dass die Arbeit der Jugendwarte mehr Unterstützung erfahren könnte, zum Beispiel mit erweiterten Schulungsangeboten.

Dabei darf man nicht vergessen, dass diese Arbeit ehrenamtlich ist und die Ehrenamtlichen ohnehin viel Zeit in Qualifikationen investieren. Da muss man auch realistisch bleiben, was den Umfang der Ausbildung betrifft. Dies gilt übrigens nicht nur für die Jugendwarte in der Feuerwehr. Überall in Deutschland wird in Sport- und anderen Vereinen ein Großteil der Kinder- und Jugendarbeit von Jugendwarten organisiert.

Feuerwehr Rötha in der Kritik: „Reaktion ist verständlich und nachvollziehbar“

Welche Ausbildung hat ein Jugendwart?

Es gibt eine Schulung zum Jugendwart, die jeder Leiter einer Jugendfeuerwehr zwingend haben muss. Diese Schulung wird auf Kreisebene und an der Landesfeuerwehrschule in Nardt angeboten. Darüber hinaus gibt es weitere Schulungs- und Seminarangebote an verschiedenen Einrichtungen. Die werden unterschiedlich wahrgenommen.

Der Bürgermeister von Rötha hat sehr schnell und konsequent gehandelt, hat drei Feuerwehrleute suspendiert. War das die richtige Reaktion?

Der Bürgermeister ist Oberhaupt der örtlichen Feuerwehren und damit auch der Kinder- und Jugendfeuerwehren, und die Stadt muss für eine funktionierende Feuerwehr sorgen. Mit dem Begriff Suspendierung wäre ich vorsichtig. Die Reaktion ist verständlich und nachvollziehbar. Gewiss wollte sich der Bürgermeister schützend vor alle Beteiligten stellen und weiteren Schaden erst einmal abwenden. Jetzt sollte man erst schauen, was wirklich passiert ist und was eventuell strafrechtlich relevant ist.

Freiwillige Feuerwehr leistet wesentlichen Beitrag zur Wertevermittlung

Gab es in den reichlich 100 Kinder- und Jugendfeuerwehren im Landkreis Leipzig schon einmal vergleichbare Fälle?

Wenn Menschen zusammenarbeiten, gibt es immer mal wieder Reibungspunkte und Dinge, die nicht sein dürfen. Zudem gibt es ja auch unterschiedliche Auffassungen darüber, was richtig und falsch oder angemessen ist. Wichtig ist hier, dass aufgeklärt wird.

Sie reden von gewandelten Ansichten über Disziplin?

Die Feuerwehr ist eine wichtige Institution und immer noch eine uniformierte Einheit mit Hierarchien, die es auch braucht, um in Einsatzsituationen zum Erfolg zu kommen. Wertevermittlung ist ein wichtiger Bestandteil in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Und in 99 Prozent funktioniert das auch sehr gut, und unsere Feuerwehren mit ihren Jugendfeuerwehren tragen einen wesentlichen Anteil zur Wertevermittlung in unserer Gesellschaft bei.

Wird der Vorfall, der die Feuerwehr Rötha betrifft, dennoch auch übergreifend im Landkreis ausgewertet?

Ich kann mir vorstellen beziehungsweise bin mir sicher, dass sich die Jugendfeuerwehren im Landkreis und die Kreisjugendfeuerwehr damit beschäftigen, dass der Vorgang ausgewertet wird und Eingang in die Schulungen findet. Trotzdem: Es bleibt ein örtliches Problem der Stadt. Und die gute Arbeit in den Jugendfeuerwehren im Landkreis Leipzig wird weitergehen.

 

Zur Person

Nils Adam ist seit 2015 als hauptamtlicher Kreisbrandmeister beim Landratsamt für alle Feuerwehren des Landkreises Leipzig verantwortlich. Er ist 45 Jahre alt und wohnt in Bennewitz bei Wurzen. In der DDR gehörte er bis 1989 einer Arbeitsgemeinschaft „Junge Brandschutzhelfer“ an. Ehrenamtliches Mitglied einer freiwilligen Feuerwehr wurde er 1996. Seit 2004 ist er hauptberuflich Feuerwehrmann.