Verschweigt Sachsens Polizeiführung sexuellen Übergriff in der Hochschule?

In der Polizeihochschule gebe es keinen einzigen Fall sexueller Diskriminierung, behauptet die Polizeiführung. Diese Aussage ist zumindest unvollständig.

Der Vorfall liegt fast fünf Monate zurück. Eine Polizeischülerin meldet einen Fall sexueller Nötigung auf dem Campus der Hochschule der Sächsischen Polizei. Die 20-Jährige gibt an, sie sei von einem Mitstudenten in dessen Zimmer zu sexuellen Handlungen genötigt worden.

Die beiden hätten einmal eine Beziehung gehabt, heißt es in der internen Mitteilung über das Ereignis vom 7. Februar, über das auch das Ministerium informiert wird. Die Geschädigte erstattet Anzeige bei der Kriminalpolizeiinspektion in Görlitz.

Zu welchem Ergebnis die Ermittlungen der Görlitzer Polizei gelangt sind, ist bisher nicht bekannt. Der Student sei innerhalb der Hochschule in einen anderen Studienkurs versetzt worden, heißt es. Für die Hochschule in Rothenburg sowie für die Polizeiführung hat sich der Fall damit offenbar erledigt.

Vor wenigen Tagen veröffentlichte die Ehefrau des im April entlassenen Innenministers Roland Wöller (CDU), Corinna Franke-Wöller, einen Facebook-Post, in dem sie schrieb, dass sexuelle Anspielungen in der Polizeihochschule in Rotenburg an der Tagesordnung seien.

Eine Betroffene habe vor Ort „die Hölle“ erlebt, behauptet sie. Sie nannte weder Namen noch nähere Umstände, meinte aber offensichtlich die frühere kommissarische Kanzlerin der Hochschule, eine Freundin der Familie Wöller.

Nach einem Bericht in der Bild-Zeitung über die Vorwürfe Franke-Wöllers reagierte das Innenministerium umgehend. Obwohl in dem Beitrag die Hochschule namentlich nicht einmal erwähnt worden war, wies das Ministerium den Leiter der Einrichtung, Mirko Göhler, schriftlich an, eine vom Ministerium verfasste Stellungnahme in seinem eigenen Namen zu veröffentlichen.

Eine Kopie ging auch an Landespolizeipräsident Jörg Kubiessa sowie an das Büro von Innenminister Armin Schuster (CDU). In der sächsischen Polizei sei kein Platz für „sexuelle Diskriminierungen gleich welcher Art oder Intensität“. Und weiter: „An der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) ist in den vergangenen Jahren kein einziger derartiger Fall bekannt geworden.“

Zumindest mit Blick auf den Fall der Polizeischülerin stimmt diese Aussage wohl nicht. In Göhlers Text heißt es weiter: „Ich möchte jeden Kollegen und jede Kollegin ermutigen, hier klare Kante zu zeigen und derartige Fälle zur Anzeige zu bringen.“