Rechtsextremismus in Leipzig: Wenn sich Neonazis auf dem Häusermarkt tummeln

Eine Leipziger Sicherheitsfirma ist in der rechten Szene verankert. Nun steigen die Chefs ins Immobiliengeschäft ein. Dahinter könnte mehr als nur Geschäftssinn stecken.

Ein trüber Dienstagabend im vergangenen Oktober. Dicke Wolken treiben schnell über den Himmel und werfen Schatten auf das Leipziger Westin-Hotel. Sie umhüllen das absurde Schauspiel, das sich vor dem Gebäude abspielt. Als in diesen Tagen ein Video des jüdischen Sängers Gil Ofarim viral geht, in dem er das Hotel der Diskriminierung beschuldigt, treffen sich Hunderte Teilnehmer zu einer Demonstration. Sie wollen ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen. Das Absurde? Mittendrin stehen Dutzende bullige Männer in schwarzer Montur, viele mit Glatze: Beschäftigte der Securityfirma Pro GSL. Sie sollen das Hotel absichern. Dabei sind viele der Mitarbeiter bekannte Gesichter der rechten Szene Leipzigs.

Immer wieder tauchen Mitarbeiter der Pro GSL im rechten Kontext auf. Einer davon ist der frühere Geschäftsführer Tobias B.: Als am 11. Januar 2016 ein Mob aus Rechtsextremisten mit Schlagstöcken im Leipziger Stadtteil Connewitz randaliert, ist er dabei. Gemeinsam mit 250 weiteren Neonazis zerschlägt Tobias B. Schaufenster, ramponiert Autos und verwüstet Wohnhäuser. Dabei werden auch Menschen verletzt. Vor Gericht wird B. später wegen besonders schweren Landfriedensbruchs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Auch den derzeitigen Geschäftsführer, Oliver R., kennt man vor allem als Sicherheitschef und Ordner von Demonstrationen des Leipziger Pegida-Ablegers Legida. Dort wurde auch Tobias B. häufig gesichtet. Oliver R. taucht zudem namentlich in Akten des NSU-Untersuchungsausschusses auf. Geradezu folgerichtig erscheint, dass Pro GSL Sponsor der Imperium Fighting Championship war – einer Kampfsportveranstaltung in Leipzig, bei der auch einschlägige Neonazis gegeneinander antraten.

Rechte gründen gerne Unternehmen

Durch die Vorfälle am Westin-Hotel geriet das Sicherheitsunternehmen von Tobias B. und Oliver R. kurzzeitig in den öffentlichen Fokus. Die politische Gesinnung von Geschäftsführung und Angestellten wurde publik, kritische Stimmen aus Medien und Zivilgesellschaft lauter. Weil die Stadt Leipzig Tobias B. aufgrund seiner Vorstrafe für unzuverlässig erklärt hatte, berief ihn die Pro GSL als Geschäftsführer ab.

Doch um die Pro GSL erstreckt sich ein Firmennetz, das von dem Skandal nicht betroffen scheint. Darunter die BWR Projekt GmbH – eine Immobilienfirma, die 2018 von Tobias B. und Oliver R. ursprünglich ebenfalls als Sicherheitsunternehmen gegründet wurde. Die Chefetage von BWR Projekt wird ergänzt durch Ronny B., einem ehemaligen Trainer des von rechten Strukturen durchzogenen Kampfsportclubs KSK 09 Leipzig, und Felix W. – ebenfalls ein Sympathisant der rechten Szene Leipzigs. Letzterer mischt bei mehreren anderen Immobilienfirmen mit.

Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen kommt das bekannt vor. Die Einrichtung veröffentlicht einen jährlichen Bericht und beobachtet als staatlich finanzierte Stelle rechte Akteure im Freistaat. Immer wieder ließen sich Firmenneugründungen innerhalb der rechten Szene feststellen, erklärt Nattke. Das habe damit zu tun, dass bekennende rechte Akteure schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten. Er bezeichnet dies als „gesellschaftlichen Erfolg“, denn das sei der öffentlichen Debatte zu verdanken.

Innerhalb des Milieus würden nun immer mehr Unternehmen gegründet, die Rechten Arbeit und wirtschaftliche Sicherheit böten. Von Vorteil sei das auch, wenn Rechtsextremisten sich vor Gericht verantworten müssten. Dort winkten Angeklagten mit fester Anstellung nämlich mildere Strafen als solchen ohne berufliche Perspektive: „Neonazis können vor Gericht dann plötzlich irgendwelche Jobs bei irgendwelchen Firmen vorweisen. Geht man dann diesen Firmen nach, stellt man fest, dass diese wiederum von weiteren Nazis geführt werden.“

Rückzugsraum für Extremisten

Welche Ziele die Immobilienfirma BWR Projekt genau verfolgt, ist nicht eindeutig. Auf Bitten um Stellungnahmen haben Unternehmen und Geschäftsführung trotz mehrfacher Anfragen nicht reagiert.

Bislang waren Tattoo- und Sonnenstudios, Securityunternehmen und Fitnessstudios typische Einnahmequellen für die Szene. Neu ist jedoch, dass Unternehmer die angestammten Branchen verlassen und sich neue Gewerbe suchen. Dass rechte Akteure in der Immobilienbranche auftauchen, kann Zufall sein – oder ein strategischer Schritt.

Gelangen nämlich Unternehmen wie die BWR Projekt an Immobilien, berge das gravierende Gefahren für die Gesellschaft, sagt Nattke. Häuser in rechten Händen führten zum Ausschluss von Personengruppen, die nicht ins rechte Weltbild passten: Menschen mit bestimmtem kulturellen, religiösen oder sexuellen Hintergrund werde der Zugang zu Wohnräumen verwehrt.

Außerdem bieten Immobilien einen Rückzugsraum für rechte Akteure. Szene-Grundstücke werden nicht nur für Rechtsrockkonzerte und Kampfsportveranstaltungen genutzt. Das Kulturbüro Sachsen sieht vor allem kleinere Immobilien als ernstes Problem: „Da lernt man das politische Arbeiten, da ist die Kaderbildung besonders wirksam. Es ist ein sehr geschützter Raum – völlig frei von externen Einflüssen“, warnt Nattke. In solchen Pseudowohngemeinschaften könnten sich Akteure meist ungehemmt äußern. „Und wir wissen ja, dass in den Räumen, wo Neonazis freisprechen können, noch mal eine viel stärkere Form von Antisemitismus und Rassismus verbreitet wird.“

Trotz der Bedrohung für Demokratie und Gesellschaft: Firmen wie BWR Projekt lassen sich nicht einfach so verbieten. Auch die Politik stößt an ihre Grenzen. „Im privatwirtschaftlichen Bereich politische Kriterien anzulegen ist schwierig“, gibt die sächsische Landtagsabgeordnete und Leipziger Stadträtin Juliane Nagel zu. Die Linkenpolitikerin fordert stattdessen: „Sensibilisierung ist notwendig. Das würde voraussetzen, dass die Stadtverwaltung und die zuständigen Ämter Namen und Firmen kennen, wo Rechte zugange sind.“

Das Kulturbüro Sachsen setzt vor allem auf den Einsatz der Zivilgesellschaft. „Das ist eine Diskussion, die wir öffentlich innerhalb der demokratischen Gesellschaft führen müssen. Und im Zuge der Debatte kann es sein, dass es rechten Akteuren immer schwerer fallen wird, an Immobilien ranzukommen“, erklärt Michael Nattke. „Letztendlich steht es jedem, der Immobilien verkauft, frei, selbst zu entscheiden, an wen die Immobilie verkauft werden soll.“