Rechtsextremer Buchhandel: Leipzigs Ex-NPD-Stadtrat Enrico Böhm festgenommen

Der ehemalige Leipziger NPD-Stadtrat Enrico Böhm soll beim Verlag „Der Schelm“ verbotene Bücher verkauft haben. Er und ein zweiter Mann aus Sachsen wurden festgenommen. Der Generalbundesanwalt ermittelt wegen Bildung einer rechtsextremen kriminellen Vereinigung.

Leipzig.Eine unkommentierte Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“, Abhandlungen, in denen der Holocaust geleugnet wird, antisemitische Kinderbücher: All das gibt es auf der Internetseite des Verlags „Der Schelm“ zu kaufen. Zwei der Männer, die hinter dem Verlag stecken sollen, sind nun festgenommen worden. Einer davon ist der ehemalige Leipziger NPD-Stadtrat Enrico Böhm, der auch als Zeuge im Prozess gegen Lina E. ausgesagt hatte.

Der Fall ist hoch angehangen: Das Verfahren läuft beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe, und zwar wegen Bildung einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung. Führend ermittelt in der Sache hat die Soko Rex des Landeskriminalamts Sachsen. Insgesamt vier Männer aus Sachsen und Brandenburg sollen sich demnach spätestens im August 2018 zusammengeschlossen und unter dem Dach des Verlags „Der Schelm“ nationalsozialistische und antisemitische Bücher verbreitet haben – vor allem Nachdrucke von indizierten Schriften. Mit dem Verkauf hätten die Männer „fortgesetzt Volksverhetzungsdelikte“ begangen.

Kopf der rechtsextremen Bande ist den Ermittlern zufolge Matthias Beier, ebenfalls ehemaliger NPD-Politiker. Er wurde am Mittwoch in Röderaue bei Riesa festgenommen und sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Beier soll die über das Netz beim „Schelm“ eingegangenen Bestellungen bearbeitet und die anderen Männer zum Versand der Bücher angewiesen haben.

Böhm soll Lager für rechtsextreme Bücher gemietet haben

Am Donnerstag wurde dann Enrico Böhm in Leipzig festgenommen, er soll am Freitag einem Haftrichter vorgeführt werden. Böhm war den Ermittlungen zufolge für die Lagerung und den Versand der Bücher vom „Schelm“ verantwortlich. Dafür habe er Räume gemietet, in denen mehrere tausend im Ausland gedruckter Bücher mit strafrechtlich relevanten Inhalten aufbewahrt worden seien. Schon im Dezember 2020 hatte die Polizei Räume in der Stadt und im Landkreis Leipzig durchsucht und dort mehrere tausend verbotene Bücher gefunden. Bei den Ermittlungen hatten Recherchen des NDR zum „Schelm“-Verlag eine wesentliche Rolle gespielt.

Böhm ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Körperverletzung. Er ist der dritte Mann, der im Prozess gegen die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. ausgesagt hatte – und nun selbst in Haft sitzt. Böhm soll 2018 von der Gruppe um Lina E. schwer verletzt worden sein und war deshalb als Zeuge vor Gericht. Auch die Eisenacher Neonazis Leon Ringl und Maximilian Andreas hatten als mutmaßliche Opfer im Prozess ausgesagt, auch sie wurden danach festgenommen – ebenfalls wegen der Bildung einer rechtsextremen kriminellen Vereinigung. Während Enrico Böhm kein Belastungszeuge der Anklage im Lina-Prozess ist, hatten die beiden anderen Männer ausgesagt, bei den Angriffen auf sie sei ein Frau dabei gewesen.