Forscherteam deckt auf: Richter aus Niedersachsen soll Neonazivergangenheit verheimlicht haben
Ein Richter aus Niedersachsen soll in seiner Jugend in rechtsextremen Neonaziorganisationen aktiv gewesen sein. Das wollen Forscher aus Göttingen aufgedeckt haben. Der heutige Familienrichter schweigt zu den Vorwürfen, das zuständige Landesgericht habe von nichts gewusst.
Ein Familienrichter am Oberlandesgericht Celle soll in seiner Jugend 15 Jahre lang Organisationen angehört haben, die als rechtsextrem eingestuft werden. Das haben Forscher aus Göttingen aufgedeckt, wie die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ (HAZ) und das „Göttinger Tageblatt“ berichten.
Demnach soll der Richter früher enger Mitarbeiter des niedersächsischen NPD-Funktionärs und Neonazis Hans-Michael Fiedler gewesen sein. 15 Jahre lang soll der Jurist in Organisationen aktiv gewesen sein, die zum Teil vom Verfassungsschutz oder in Stellungnahmen der Bundesregierung als rechtsextrem eingestuft werden.
Herausgefunden hat das ein Team der Forschungs- und Dokumentationsstelle zur Analyse politischer und religiöser Extremismen in Niedersachsen (FoDEx). Der heutige Richter könne als „prototypischer Kader“ im Sinne einer „nationalen Jugendbildungsarbeit“ gelten, die der mit Berufsverbot belegte Fiedler in Südniedersachsen betrieb, sagt die Leiterin der Studie, Katharina Trittel. Fiedler (1943–2019) war dem Forschungsbericht zufolge zu Lebzeiten einer der führenden Rechtsradikalen Deutschlands, heißt es in der HAZ.
Die Präsidentin des Oberlandesgerichts in Celle, Stefanie Otte, habe von den Vorwürfen bislang nichts gewusst. Der Kollege habe sich ihr gegenüber dazu nie geäußert, auch die Studie habe sie nicht gekannt, berichtet die HAZ. Das Oberlandesgericht habe angekündigt, die Studie jetzt auswerten. Der beschuldigte Richter habe auf mehrere Anfragen der „Hannoverschen Allgemeinen“ nicht geantwortet. In einem ersten Gespräch mit dem OLG über die Vorwürfe habe er nach Angaben eines OLG-Sprechers jedoch betont, dass er seit seiner Einstellung in den Staatsdienst nicht politisch aktiv gewesen sei.
Mitgliedschaft rechtsextremer Organisationen ein Entlassungsgrund?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte Anfang April an, durch eine gesetzliche Neuregelung Rechtsextreme leichter aus dem Öffentlichen Dienst entfernen zu wollen. „Um Rechtsextreme künftig leichter aus dem Öffentlichen Dienst entfernen zu können, arbeiten wir schon an den notwendigen gesetzlichen Änderungen“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland am 2. April. Zuletzt gab es Streit um den Richter und ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier, der als rechtsextremistisch gilt. Dessen Fall müssten Gerichte bewerten, sagte die Ministerin.
Faeser sagte zu den Gesetzesplänen: „Wenn sich jemand in einer öffentlichen Veranstaltung gegen die freiheitliche Grundordnung gestellt hat, aber gleichzeitig Lehrer in einer Schule ist, sind dem Staat bisher oft die Hände gebunden. Hier wollen wir die Handlungsmöglichkeiten erweitern.“
Eine einfache Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei oder Organisation sei in der Regel noch kein hinreichender Grund, jemanden aus dem Öffentlichen Dienst zu entfernen, betonte Faeser. „Wir können aber die Anforderungen an Beamte verändern, die zum Beispiel ihr Amt ruhen lassen. Das besondere Treueverhältnis und die Loyalität zur demokratischen Grundordnung müssen fortgelten.
Der fragliche Richter war Multifunktionär der extremen Rechten. Sein Mentor, der NPD-Funktionär Fiedler, war des Lobes voll über ihn. Befreundet war er damals mit Yvonne Olivier, heute bei der WerteUnion der CDU und Beamtin in Sachsen.
NPD-Mann Fiedler, früher Aktivist der Anti-Antifa-Arbeit, bezeichnete den späteren Richter am OLG Celle 1988 als seinen „Hausjuristen“ und war voll des Lobes über ihn. Gemeinsam mit Olivier arbeitete dieser an der Schülerzeitung „Komet“. Beide: bis heute keine Distanzierung.
twitter.com/kerstinkoeditz/status/1521454539467018240