Leipziger Linke, willkommen in Westdeutschland

Vor einigen Jahren stellte sich noch die Frage: Tickt die radikale Linke im Osten anders? (https://www.inventati.org/leipzig/?p=2791)

Nach vielen Jahren des Zuzugs kann diese Frage heute klar verneint werden, der 1. Mai 2022 in Leipzig zeigt dies deutlich.

 

Für junge Linke aus dem Osten war es vor einigen Jahren ziemlich abenteuerlich auf Demos im Westen der Republik oder Berlin unterwegs zu sein. „Revolutionäre K-Gruppen“ überall, die es im Osten nicht gab. Auch Leipzig blieb lange von der Renaissance der „kommunistischen Massenorganisationen“ verschont. Vor ein paar Jahren hat sich das geändert, nun gibt es kaum noch eine Veranstaltung ohne all die K-Gruppen: Kommunistische Organisation, Revolution, SDAJ, SDS, Arbeitermacht, Zora, Solidaritätsnetzwerk / Frauenkollektiv / Internationale Jugend (Kommunistischer Aufbau), Rote Wende, Jugend im Kampf, Revolutionäre Frauen, DKP, MLPD, FDJ, Rebell … kaum eine Demo, die nicht versucht wird von diesen Gruppen zu vereinnahmen.

Schaulaufen am 1. Mai

Der 1. Mai in Leipzig prägte über viele Jahre Generationen von Antifaschist*innen (https://www.inventati.org/leipzig/?p=258), gab es doch regelmäßig Neonazi-Aufmärsche an diesem Tag, mit dem entsprechenden Riots. Als die Neonazis nicht mehr die „rote Hochburg“ an diesem Tag erobern wollten und nun mehr woanders in Sachsen oder Thüringen die Straßen in beschlag nehmen wollten, reiste über viele Jahre der aktive Teil der antifaschistischen Szene Leipzigs diesen hinterher und unterstütze jene Menschen vor Ort gegen die Neonazis. So blieb der 1. Mai in Leipzig hauptsächlich das Bratwurstfest des DGB. Auch die „Demo“ der Arbeitsfetischist*innen vom Connewitzer Kreuz (http://agleipzig.blogsport.de/2008/05/16/protestaktion-gegen-arbeitswahn/) in die Innenstadt, fiel irgendwann gänzlich aus. Ein paar Jahre gab es Versuche aus einem linken Bündnis um das Ladenschlussbündnis den 1. Mai wieder etwas auf den Straßen von Leipzig zu organisieren (https://ladenschluss.noblogs.org/2009/04/29/it-works-wie-lange-noch/), aber auch dies war nicht von dauer.

Erst 2014 (http://erstermaileipzig.blogsport.de/) sollte es eine größere Demonstration am 1. Mai in Leipzig geben, nicht aber ohne vorher in Plauen gegen Neonazis unterwegs gewesen zu sein (https://www.inventati.org/leipzig/?p=2004).

In diesem Jahr soll es gleich 3 Demonstrationen für die (soziale) „Revolution“ des „Proletariats /Arbeiterklasse“ geben (https://www.planlos-leipzig.org/). Während Solidaritätsnetzwerk / Frauenkollektiv / Internationale Jugend (laut Gerüchten auch noch weitere) für 15 Uhr zum Südplatz mobilisieren, plant die Rote Wende ab 15 Uhr am Augustusplatz ihren „Klassenkampf“ mit Demo. Ab 18 Uhr soll es eine anarchistische Demo im Liselotte-Herrmann-Park geben.

Während in Berlin früher die K-Gruppen noch zu beginn des „legendären revolutionären 1. Mai“ zusammen auf die Straße gingen und sich noch vor Ort die Köpfe einschlugen, sich als Folge in unterschiedliche „revolutionäre 1. Mai“ Demos aufspalteten, wird in Leipzig der Schritt einfach übersprungen. Gemeinsam bleibt den beiden Demos um 15 Uhr in Leipzig lediglich, dass sie sich für die Situation der Antifaschist*innen in Zwickau nicht interessieren, obwohl es doch auch hier möglich gewesen wäre für die „Revolution“ mit roten Fahnen durch die Straße zu ziehen (https://erstermai22.noblogs.org/post/2022/04/17/antifaschistische-demonstration-am-1-mai-2022-in-zwickau/). Der Effekt aufs „Proletariat“ wäre sicherlich ähnlich erfolgreich, wie in Leipzig.

Die linke Szene in Leipzig unterscheidet sich 2022 nicht mehr von Berlin, Hamburg, Stuttgart…was sich auch in der Bedrohung von erklärten „Antideutschen“ und nicht „Roten“ widerspiegelt.


Das Foto für diesen Beitrag ist vom Ostermarsch in Leipzig und wurde von Mike Nagler veröffentlicht. (https://www.inventati.org/leipzig/?p=3359)