Antisemitismus: Rote Wende Leipzig

Die Rote Wende (RW) ist eine stetig wachsende „kommunistische“ Gruppe aus Leipzig, die es ca. seit 6 Jahren gibt. Sie agieren mindestens strukturell und an manchen Stellen sogar offen antisemitisch. Nicht nur das, auch ihr falscher Klassenbegriff, ihre Queerfeindlichkeit, ihre verkürzte Kapitalismuskritik und ihr autoritärer Gestus, sowie ihre hierarchische Organisation delegitimieren sie als Bündnispartner für linke, emanzipatorische Gruppen und Zusammenhänge.
Es ist nicht einfach einen offensichtlichen Beweis für den Antisemitismus der Roten Wende zu finden. Heutzutage drückt sich Antisemitismus oft nicht mehr mit Parolen wie „Kauft nicht bei Juden“ aus, sondern durch Unterstützung von Kampagnen wie BoycottDivestmentSanction, kurz BDS. (1)

Die Aussagen und Argumente haben sich verändert. Man hetzt (meist) nicht mehr offen, sondern nutzt Metaphern, Codes und Phrasen. Dadurch wird der menschenfeindliche Gehalt der Aussagen verschleiert.
Antisemitismus muss immer und überall bekämpft werden, vor allem auch gegen die Abwehrmauer aus Gleichgültigkeit, Kälte und Ignoranz. So engagiert sich die RW zwar gegen den Antisemitismus des NS-Regimes, aber nicht gegen aktuelle Ausprägungen.

Diese Auslassung ist nicht zufällig, sondern politisch motiviert. Die fehlende Auseinandersetzung mit aktuellem Antisemitismus ist nicht nur ein Problem der „Mehrheitsgesellschaft“, sondern macht eben auch vor Linken nicht halt. Es ist nunmal leichter, der toten Juden zu gedenken, anstatt die lebenden zu schützen. Es gibt im linken Spektrum eine Tradition des Antisemitismus. Ein Blick in die Geschichte zeigt den recht gut dokumentierten und erforschten Antisemitismus der Frühsozialist_innen, der europäischen Arbeiter_innenbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts und der marxistischen Klassiker. Einer der Gründe warum die deutsche Arbeiter_innenbewegung mehrheitlich im Faschismus aufging, war ihre fehlende Distanzierung und ihr fehlendes Verständnis vom Antisemitismus – im Gegenteil: über den gemeinsamen Nenner des Antisemitismus kamen Querfronten zusammen.
Damit so etwas nie wieder möglich ist, gilt es Antisemitismus auch antiimperialistischer Gruppen wieder verstärkt zu thematisieren und dagegen zu arbeiten.

Die Rote Wende ist sich sehr bewusst, dass in Leipzig lange Zeit klare Kante gegen Antisemitismus gezeigt wurde und achtet deshalb genau darauf, sich öffentlich nicht zu deutlich zu positionieren (in privaten Gesprächen ist das anders). Deswegen haben sie sich auch noch keiner öffentlichen Diskussion zu dem Thema gestellt. Ihre Taktik ist es, sich nach und nach immer mehr Raum zu nehmen und die Grenzen des Sagbaren zu erweitern. Praktisch heißt das, dass sie sich in immer mehr linken Strukturen und Bündnissen einbringt, bis sie scheinbar unverzichtbar ist. Es wichtig, darauf zu schauen mit wem die RW sich zusammenschließt, denn ihre engsten Verbündeten sind im Bezug auf Antisemitismus wesentlich offener.

Die Rote Wende ist Teil des seit 2014 bestehenden bundesweiten Zusammenschlusses „Perspektive Kommunismus“ (PK).

PK schreibt: „Wir, das sind verschiedene kommunistische Gruppen, die schon länger über eine praktische Zusammenarbeit und gemeinsame Debatten verbunden und die sich über die Notwendigkeit einer bundesweiten Organisierung einig sind.“(2)
Ihre enge Verbundenheit auch mit anderen roten Gruppen hat sich zuletzt wieder bei dem von ihnen organisierten „Revolutionären Block“ auf der „Wir sind alle Linx“ – Demo am 18.09.2021 gezeigt.

Teil dieses Bündnisses sind unter anderem der Rote Aufbau Hamburg. Exemplarisch für deren Antisemitismus sind hier Auszüge aus ihrer Veröffentlichung anlässlich des Konfliktes in Israel/Gaza im Mai 2020:
„Zionismus und Antisemitismus spaltet, Klassenkampf vereint! […] Kolonialmacht Israel […] Dies sind ethnische Vertreibungen und finden schon seit der Gründung Israels statt. In Form des Siedlerkolonialismus hat Israel sich immer mehr Land angeeignet und schlussendlich einen palästinensischen Staat quasi unmöglich gemacht. […] Die palästinensische Bevölkerung wird gezielt von dem israelischen Staat in Unterentwicklung gehalten und entrechtet […] Gaza ist quasi ein Freiluftgefängnis und vom Willen Israels abhängig.“

Legitime Kritik am Staat Israel wird zu Antisemitismus, wenn diese Kritik nicht mehr sachlich und fair geschieht, sondern Doppelstandarts nutzt. Denn natürlich kann man den Staat Israel wie jeden anderen Staat auf der Welt kritisieren, aber eben wie jeden anderen und nicht auf spezielle Art und Weise. (3)

Einen Hinweis auf israelbezogenen Antisemitismus liefern die sogenannten drei D’s: Dämonisierung, doppelte Standards und De-Legitimierung. Israel wird beispielsweise durch Vergleiche mit dem Nationalsozialismus oder dem europäischen Kolonialismus dämonisiert. Weder der Nationalsozialismus noch der europäische Kolonialismus sind reale Bezugsgrößen, die mit der Situation in Israel vergleichbar sind. Eine Gleichsetzung von europäischen Kolonialmächten, die sich durch Mord, Versklavung und Ausbeutung selbst bereicherten, mit der Entstehung eines jüdischen Staates auf Grund jahrhundertelanger Verfolgung ist absurd und relativiert die Ausmaße des europäischen Kolonialismus. In Bezug auf den Nationalsozialismus ist ein Vergleich zudem eine Umkehr des Täter_innen-Opfer-Verhältnisses. Außerdem wird durch die Vergleiche mit der Shoah ein anderer moralischer Standard an Israel angelegt als an andere Staaten: „Ein jüdischer Staat müsste es ja besser wissen“ ist ein typisches Beispiel für die Verwendung doppelter Standards. Diese zeigen sich weiterhin darin, dass Rassismus als scheinbares Alleinstellungsmerkmal Israels genannt und dabei völlig außer Acht gelassen wird, dass das Konstrukt Nationalstaat inhärent rassistisch ist. Die Motivation dahinter ist, Israel als bösen Staat per se darzustellen. Eine tradierte Imagination, die bereits die jüdische Bevölkerung in Europa im 19. Jh. erlebte: egal, was getan wird, „Der Jude“ hat per se böse Absichten. Israel wird von vielen Menschen für Krieg und Gewalt verantwortlich gemacht, dies knüpft an bekannte antisemitische Vorstellungen des „kriegslüsternen Juden“ an, der die Volksgemeinschaft stört.

Antisemitisch ist: Israel das Existenzrecht absprechen: Die Nazis haben Jüdinnen und Juden das Existenzrecht auf der Welt abgesprochen. Der Staat Israel wurde gegründet, damit das nie wieder geschieht und jüdische Menschen einen Zufluchtsort haben. Israel ist der einzige Staat auf der ganzen Welt, wo diese wirklich sicher sind (außer sie werden von der Hamas angegriffen). Israel das Existenzrecht abzusprechen, ist die moderne Variante dieser mörderischen Ideologie. Wer Israels Flagge verbrennt oder den Davidstern schändet (in Connewitz werden immer wieder Davidsterne übermalt), übt damit keine Staatskritik, sondern bringt symbolisch zum Ausdruck, dass er das israelische Volk oder Jüdinnen auslöschen will.

Macht euch bewusst wie beängstigtend es für eure jüdischen Genoss_innen und Freund_innen mit jüdischen Background ist, wenn wieder einmal in Deutschland Davidsterne übermalt werden oder die Fahne des einzigen Staates in den sie flüchten könnten, während AfD und Co noch stärker werden, verbrannt wird.

Antisemitisch ist: Jüdinnen oder auch nur alle Israelis für die Handlungen der israelischen Regierung verantwortlich machen, denn das sind sie nicht. Es ist nicht akzeptabel, wenn Juden stellvertretend für die Politik der israelischen Regierung angegriffen werden. Dass diese massiv problematisch ist, ist offensichtlich, aber man kann das Existenzrecht Israels anerkennen und gleichzeitig dessen Regierung kritisieren. Schließlich bist du auch nicht verantwortlich für das, was Scholz, Merz und Co machen.

Das revolutionäre Subjekt, das die RW in vielen ihrer Texte beschwört, ist in Realität nicht vorhanden. Und während die revolutionäre Umwälzung im eigenen Land in weite Ferne rückt, hat sich die Hoffnung auf „Befreiungsbewegungen“ im Trikont, wie auch auf die Kurden oder Palästinenserinnen verschoben.

 

Free Palestine: hier wird Gaza als Freiluftgefängnis und Israel als Kolonialmacht und Apartheidstaat imaginiert und der Roten Wende gefällt das. Gaza ist aber kein „Freiluftgefängnis“ und Israel kein Apartheidsstaat. Der Nahostkonflikt ist eine kriegerische Auseinandersetzung um ein Territorium und hat nicht das Ziel das palästinensische Volk zu vernichten. Im Gegenteil leben sehr viele Palästinenser_innen und Israelis in Israel gerne zusammen. Sinnvolles Ziel linker Politik kann hier kein „Free Palestine“ sein, sondern nur „Free Palestine from Hamas“. An dieser Stelle ist immer zu fragen, wie man sich bitte positiv auf eine islamistische Terrorgruppe, denn nichts anderes ist die Hamas, beziehen kann. Wenn man ernsthaft etwas für die Lösung des Nahostkonfliktes tun will, kann man sich in den unzähligen palästinensisch-israelischen Intitiativen engagieren, die sich für eine friedliche Lösung des Konflikts einsetzen.

Viele der genannten Punkte werden klarer, wenn man sich anschaut, an was für Aktionen und Veranstaltungen sich die RW in Vergangenheit beteiligt hat.

16.09.2018, Köthen (https://de.indymedia.org/node/26207)
Im September 2018, als es in Köthen bei der Demo „Rassistische Hetzjagden verhindern, bevor sie passieren“, zu antisemitischen Ausfällen kam, war die RW mit dabei. Bereits zu Beginn der Demo wurde sich von roten Gruppen (z.B. Roter Aufbau Burg, gemeinsam mit RW bei PK)  abfällig über die Israelfahne am Lauti geäußert und als es schließlich zu einer Trennung des Demonstrationszuges kam, schloss sich die RW dem Zug an, der von da an „Intifada bis zum Sieg“ (Slogan der Hamas) rufend durch die Stadt zog und mehrmals versuchte, sich aggressiv Zugang zum anderen Lauti zu verschaffen und Menschen angriff, die sich schützend davor stellten. Außerdem kam es zu homophoben Beleidigungen. So etwas sind keine Einzelfälle, immer wieder gibt es Berichte darüber, wie israelsolidarische Menschen durch antiimperialistische Gruppen bedroht und angegangen werden. (4)

14.05.2020, Leipzig
RW nahm an der propalästinensischen Kundgebung am Augustusplatz teil, in deren Verlauf es zu versuchten Angriffen auf die israelsolidarische Gegenkundgebung kam und antisemitische Parolen wie „Kindermörder Israel“. „Frauenmörder Israel“ und „Scheiß Juden“ kam. Natürlich traten sie ihrer Taktik entsprechend nicht offen als Gruppe auf, sondern waren als „Einzelpersonen“ anwesend. (An dieser Stelle werden wir selbstverständlich keine Fotos von Personen als Beweis hochladen, ACAB)

 

 

31.07.2021, Leipzig
Die Rote Wende veranstaltete am 31.07.2021 das Klassenfest in Leipzig. Der Headliner dieser Veranstaltung war Zynik. Er hat Songs wie „Faust in die Luft“, in denen antisemitische Anspielungen und Zitate wie „Free Palestine“ klar formuliert werden. Dass sie Zynik einladen, bezeugt ihre Zustimmung zu den Inhalten seiner Musik.

 

Wir rufen dazu auf wieder breit über Antisemitismus zu debattieren, nicht in roter Manier mit Fäusten, sondern in Form von tief gehenden theoretischen Auseinandersetzungen. Zum Ersten Mai 2021 organisierte die RW gemeinsam mit FightForYourFuture, ihrer Jugendgruppe JugendImKampf (5) und dem Solidaritätsnetzwerk Leipzig eine Kundgebung. Wir fordern insbesondere FightForYourFuture und das Solidaritätsnetzwerk Leipzig auf Stellung zu beziehen und sich genau zu überlegen, mit wem sie Bündnisse eingehen wollen. Wenn ihr weiter kritiklos mit der RW zusammenarbeit, macht ihr euch mit dieser gemein. Wer schweigt, stimmt zu!

Unsere Forderung an die Rote Wende Leipzig: Positioniert euch öffentlich, distanziert euch von antisemitischen Gruppen und Bündnissen. Falls ihr das wieder als „Kleinkrieg“ abtun wollt: Es geht um Antisemitismus, das ist kein „Kleinkrieg“ innerhalb der Linken, sondern tödliche Realität in naher Nachbarschaft, siehe Halle.

Wir wünschen uns, dass in Leipzig wieder klare Kante gegen antisemitische Gruppierungen gezeigt wird und es einen starken Konsens gibt, diese konsequent von der politischen Zusammenarbeit auszuschließen.

Macht mit Antisemit_innen keine gemeinsame Sache!

 

PS: Diese Bilder (siehe https://de.indymedia.org/node/178314, ist gerade down) zeigen wie historisch verblendet die RW eigentlich ist. Die Bullenschweine ernsthaft mit der SA/SS gleichzusetzten ist lächerlich und zeugt von fehlendem historischen Bewusstsein. Das Geschwafel von Proletariat und Weltrevolution ist einfach nur peinlich. Wir wissen wer ihr seid – von wegen Proletariat 😀

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(1)  https://nichts-gegen-juden.de/israel-muss-boykottiert-werden/

(2) https://perspektive-kommunismus.org/ueber-uns/

(3) https://nichts-gegen-juden.de/ich-habe-ja-nichts-gegen-juden-aber/

(4) z.B. Chronik Roter Aufbau, https://roter-aufbau.de/?p=748

(5) Wieso nennt ihr euch eigentlich wie ein NS-Progapandabuch? https://www.catawiki.com/de/l/36697519-olympische-spiele-1936-jugend-im-…