Solidarisch antifaschistisch mit unseren ungarischen Genoss*innen
Während Ungarn unter Viktor Orbán „die Antifa“ unter „terroristische Gruppen“ listet, bereiten deutsche und internationale Rechtsextremisten bereits den nächsten großen faschistischen Aufmarsch zum sogenannten „Tag der Ehre“ im Februar 2026 vor…
Was ist passiert:
Die Regierung Ungarns hat „die Antifa“ zur terroristischen Vereinigung erklärt.
Am 26. September 2025 wurde das entsprechende Dekret im Amtsblatt „Magyar Közlöny“ veröffentlicht: Regierungsverordnung 297/2025 (IX. 26.) „über die Regeln für Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen im Kampf gegen den Terrorismus in Gefahrensituationen“.
Die Verordnung listet – quasi als Beleg für die Gefährlichkeit – einige beliebig ausgewählte Antifa-Aktionen der letzten Jahre in Italien, Frankreich und Deutschland auf. Für Frankreich werden z.B. Antifaproteste aufgeführt, die der „Offensive Révolutionnaire Antifasciste” zugeordnet werden. Es geht aber auch um Soliaktionen für die in Budapest in Haft sitzenden Antifas wie z.B. Farbe und kaputte Fensterscheiben am Gebäude des nationalistischen Kulturinstituts „Collegium Hungaricum“ in Berlin im Januar 2024, was als „schwere Beschädigung“ bezeichnet wird, ebenso wie eine Soli-Besetzung des ungarischen Honorarkonsulats im Februar 2024 in Venedig. Natürlich werden auch die aktuell in Ungarn gegen Maja und in Deutschland verhandelten Vorfälle im Februar 2023 in Budapest (https://www.basc.news/die-vermeintlichen-opfer-im-budapest-verfahren/) genannt.
Nach dieser langen plumpen und mies recherchierten Vorrede werden namentlich zwei Gruppen als nun verbotene terroristische Vereinigungen genannt: die „Antifa-Gruppierung“ (schön allgemein formuliert…) und die „Hammerbande / Antifa Ost“, alles klar… Was genau das alles bedeuten wird, ist noch unklar. Formal sind Finanzsanktionen möglich und Ausreiseverbote oder Einreiseverweigerungen gegen Personen, die mit genannten Organisationen in Verbindung stehen sollen. Die wenigen kritischen Medien Ungarns sprechen von sogenannten „schwarzen Listen“. Die Einstufung einer Organisation oder Person als terroristisch kann vom Minister für Terrorismusbekämpfung (Sándor Pintér) oder vom Justizminister (Bence Tuzson) auf Grundlage von Hinweisen der Polizei, der nationalen Steuer- und Zollbehörde oder des nationalen Informationszentrums beantragt werden. Als „Terrorist“ kann gelten, wer mit den Aktivitäten einer auf der Liste aufgeführten Gruppe, Vereinigung oder Organisation in Verbindung gebracht werden kann und bei dem die „Gefahr der Begehung terroristischer Handlungen“ bestehe – klares Feindstrafrecht, das mit sehr unscharfen Verdachtsmomenten arbeitet und als politischer Einschüchterungsversuch gegen alles Linke betrachtet werden kann. Das zeigt sich auch in der Kommentierung durch den Regierungschef: in seinem wöchentlichen Radio-Interview im staatlichen Rundfunk erklärte Orbán, dass „die Antifa und ihre Unterorganisationen“ terroristische Organisationen seien und dass die Regierung eine „Vorreiterrolle“ übernehmen müsse. Gleichzeitig sprach er von notwendigen „Vergeltungsmaßnahmen“. Auch wenn die nun genannten Akteur*inen noch keine Verbrechen begangen hätten, müssten Maßnahmen gegen sie ergriffen werden, „bevor sie welche begehen“, fügte Orbán hinzu (https://hvg.hu/itthon/20250926_Megjelent-a-nemzeti-terrorszervezet-rendelet-a-Mi-Hazank-2-eve-meg-leszavazott-otletet-adja-elo-sajat-vivmanyakent-Orban-ebx).
Dieser politische Verwaltungsakt gegen Antifaschist*innen steht nicht im luftleeren Raum: erst kurz davor hatte Donald Trump nach den tödlichen Schüssen auf den rechtsextremistischen Hetzer Charlie Kirk in den USA am 10. September angekündigt, „die Antifa“ als terroristische Organisation einzustufen. Im Anschluss daran forderte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto die EU auf, eine solche Einstufung auch EU-weit umzusetzen. Die ungarische Regierung tritt hier also als erste europäische Regierung in Trumps Fußstapfen, indem sie konkrete Maßnahmen gegen „die Antifa“ anordnet – wobei man von „konkret“ eben nicht wirklich gut sprechen kann…
Von rechtsaußen bis in die sogenannte „Mitte“
Die Forderung, „die Antifa“-Bewegung als terroristische Vereinigung einzustufen, war bereits 2023 von der faschistischen Partei „Mi Hazánk“ gefordert worden. Von der Regierungspartei „Fidesz“ war dies damals aufgrund rechtlicher Bedenken noch nicht einmal auf die Tagesordnung gesetzt worden. Auch hier zeigt sich ein typischer Prozess rechter Machtergreifung, den wir als Linke erkennen und verhindern müssen: Forderungen, die früher nur in extrem rechten Parteien vertreten waren, werden nach und nach von Rechtspopulisten und Konservativen übernommen und rutschen somit mehr und mehr in den Mainstream. Zur Gesamteinordnung der „Terrorismus“-Debatte gehört auch noch der Fakt, dass im April 2023 der zu einer hohen Haftstrafe verurteilte ungarische Rechtsterrorist György Budaházy von der damaligen Präsidentin Ungarns Katalin Novák begnadigt worden war.
Antifaschistische Gegenwehr ist also überall und an allen Ecken und Enden nötig!
Antifaschismus – jetzt erst recht!
Wir können zum jetzigen Zeitpunkt nicht gut einschätzen, was diese neue Politik konkret bedeuten wird. Unsere ungarischen Genoss*innen sind schon lange erfahren damit, in einer rechts-repressiven Gesellschaftsordnung linke Politik zu machen.
Die Reaktion auf das Verbot der ungarischen Pride in Budapest diesen Sommer war ein mächtiges und bewegendes Erlebnis – trotz Strafandrohungen und Ankündigungen, per Gesichtserkennungs-Software Teilnehmende zu identifizieren, machten sich Hunderttausend auf den Weg, um Budapest Straßen in Regenbogenfarben zu fluten. Repression und Einschüchterung haben Wirkung, aber es gibt keinen Automatismus, der geradewegs zu Lethargie und Angst führt, sondern es gibt immer auch Auflehnung, Mut und kreativen Widerstand.
Als deutsche und internationale Antifaschist*innen sehen wir uns weiterhin in der Verantwortung, gemeinsam und solidarisch mit unseren Genoss*innen vor Ort aktiv zu sein – gegen Repression, aber vor allem auch gegen Faschismus, der dort immer wieder von deutschen Neonazis auf die Straße getragen wird.
Auch im Februar 2026 werden wieder Tausende Rechsextreme den geschichtsrevisionistischen sogenannten „Tag der Ehre“ in Budapest „begehen“. Das bedeutet: in der ganzen Stadt treiben sich Faschisten herum, es gibt Nazi-“Gedenken“ mit Fackeln und Kerzen, es wird die traditionelle Wanderung durchgeführt, gerne in Wehrmachts- oder SS-Uniformen auf der sogenannten „Ausbruchs-Route“ der ’45 vor der Roten Armee fliehenden deutschen Nazi-Soldaten, Rechtsrockkonzerte etc…
Seit 1997 finden diese „Heldengedenken“ statt, seit 2003 vom ungarischen Blood & Honour -Ableger organisiert, dann von der paramilitärischen Gruppe Légió Hungária. Auch von Staatsseite wird der „Tag der Ehre“ als nationalistisches Narrativ genutzt, um an der Erzählung des Opfermythos Ungarns festhalten zu können. Unerwähnt bleibt bei dieser Erzählung, dass Ungarn mit Nazi-Deutschland kollaborierte und mit den Pfeilkreuzlern eine eigene faschistische Partei hatte, die aktiv die Deportation von Jüd*innen aus Ungarn mitorganisierte.
Über die Jahrzehnte hinweg hat sich der „Tag der Ehre“ zu einem Event-Wochenende der rechten Szene entwickelt.
Auch 2025 haben viele bekannte internationale Neonazi-Gruppierungen teilgenommen wie „Nacionalisté“ aus Tschechien, „Der III. Weg“, „Die Rechte“, „Freie Sachsen“, „Junge Nationalisten“ aus Deutschland, „Blood & Honour Switzerland“, „Infokanal Deutschösterreich“, „Division Wien“, die ungarische „Jugendbewegung der 64 Grafschaften“ HVIM (Hatvannégy Vármegye Ifjúsági Mozgalom), „Kameradschaft Gemeinschaft der Wölfe“ (Farkasok Bajtársi Közösség), „Betyársereg“, „Légió Hungária“ und viele mehr.
Faschistischer Todeskult und Nazi-Glorifizierung werden sich auch im Februar 2026 wieder die Hand reichen. Gleichzeitig nutzen die teilnehmenden Nationalist*innen aus ganz Europa die Veranstaltungen, um sich zu vernetzen und die rechte Bewegung international zu stärken.
Um so wichtiger, dass es jedes Jahr stabilen antifaschistischen Widerstand gibt! Wir werden das auch im Jahr 2026 fortführen. Wir müssen und werden die Entwicklungen beobachten und analysieren. Wir werden uns nicht einschüchtern lassen, aber auch nicht stumpf und blind unseren Stiefel durchziehen, sondern gemeinsam und solidarisch handeln.
Zum Abschluss nochmal die Parole aus dem Aufruf 2025 von unseren ungarischen Genoss:innen:
„Who is silent, is complicit! If you are against the glorification of the Nazis, if you don’t want to see Nazi soldiers marching in the streets, then come and protest against the resurgence of fascism. No chance for fascism!“
Kampagne „NS-Verherrlichung stoppen“ im Oktober 2025
https://afaeurope.noblogs.org/
Instagram: @ns.verherrlichung.stoppen