Staatsanwalt als Zeuge: So platzte die Bombe um den Leipziger Grünen-Politiker Jürgen Kasek
Über Wochen hinweg soll der Leipziger Grünen-Politiker Jürgen Kasek trotz fehlender Zulassung vor Gericht als Rechtsanwalt aufgetreten sein. Wie kann das sein? Beim Prozess am Amtsgericht erinnerten sich jetzt Zeugen aus der Justiz an den Beginn der Affäre.
Bei der Leipziger Staatsanwaltschaft war gerade Mittagspause, als die Affäre um den Leipziger Grünen-Politiker Jürgen Kasek (44) ihren Anfang nahm. Am 10. August 2022 präsentierte der Chef der zuständigen Abteilung seinen Mitarbeitern ein Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Dresden. Daraus ging hervor, dass dem früheren Leipziger Stadtrat seine Zulassung als Rechtsanwalt schon vor Wochen entzogen worden war.
Die knappe Information setzte ein umfangreiches Ermittlungsverfahren mit Hausdurchsuchung und Bergen von Akten in Gang. Mehr als drei Jahre später offenbarten nun erstmals Zeugen aus der Justiz im Prozess gegen Kasek am Amtsgericht erste Details des Falles. Die Anklagebehörde legt ihm mehrfachen Betrug, Untreue sowie den Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen zur Last. Es geht um insgesamt 42 Fälle.
Bei einem Rechtsgespräch Richterin informiert
„Zu dem Zeitpunkt im August 2022 hat das keiner von uns gewusst“, erinnerte sich der zuständige Staatsanwalt (41) am Mittwoch im Prozess am Amtsgericht. „Wir haben dann gleich mal auf der Homepage der Kanzlei von Herrn Kasek geschaut, da stand er noch als Rechtsanwalt.“ Ein Anfangsverdacht für eine Straftat, so befand die Behörde damals. Allerdings habe man noch einen Prozesstermin am Amtsgericht abwarten wollen, der am nächsten Tag, am 11. August 2022, stattfinden sollte. „Vielleicht offenbart sich Herr Kasek bei der Gelegenheit von sich aus“, schilderte der Anklagevertreter die damalige Überlegung, „wenn nicht, tun wir es“.
Der sonst so wortgewaltige Grüne soll jedoch dazu nichts gesagt haben. Kurz vor Beginn der Sitzung sei Kasek mit dem wegen Drogendelikten angeklagten Mandanten in den Saal gekommen und habe sich wie immer seine Anwaltsrobe angezogen, geht aus dem Erinnerungsprotokoll des damals teilnehmenden Anklagevertreters hervor. Bei einem Rechtsgespräch ließ der Staatsanwalt dann die Bombe platzen und zeigte das Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft. Daraus ging hervor, dass ein berufsrechtliches Verfahren gegen Kasek im Zusammenhang mit einem Straftatverdacht eingestellt worden sei, da der Jurist nach dem rechtskräftigen Verlust seiner Zulassung am 19. Juli 2022 ohnehin kein Rechtsanwalt mehr wäre.
Als die Sache aufflog, zog er seine Anwaltsrobe aus
„Das war ein Überraschungsmoment, mit dem ich nicht ansatzweise gerechnet habe“, gestand die damals verantwortliche Amtsrichterin (59) jetzt im Zeugenstand. Vom Verlust der Anwaltszulassung habe sie bis dahin nichts gewusst. So ging es ihr offenbar nicht allein. Der Anklage zufolge soll Kasek bei zahlreichen Verfahren am Leipziger Amts- und Landgericht sowie bei Verwaltungsgericht, Arbeitsgericht und Sozialgericht als eine Art Scheinanwalt aufgetreten sein. Es sei darum gegangen, durch die rechtswidrige Ausübung des Berufs seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Teilweise habe er unberechtigt anwaltliche Dienstleistungen abgerechnet.
Als die Sache mit der verlorenen Zulassung beim Gerichtstermin aufflog, habe Kasek seine Anwaltsrobe ausgezogen, erinnerte sich der Staatsanwalt. „Er gab an, lieber nicht mehr als Anwalt auftreten und sich nicht strafbar machen zu wollen.“
Verhandlungstermine noch bis Ende November
Anfang September 2022 rückten Beamte dann zur Hausdurchsuchung in Kaseks Kanzlei in der Leipziger Südvorstadt an. „Weil er eine Person des öffentlichen Lebens ist, wollten wir das möglichst verdeckt machen“, sagte der Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft. Ihnen bot sich ein einprägsames Bild. Der Ermittler berichtete vor Gericht von ungeordneten Unterlagen, „losen Blattsammlungen“, Rechnungen und bis zu 30 ungeöffneten Briefen. „Das war irre, das mussten wir alles sichten“, sagte er.
Entsprechend komplex ist nun das Verfahren gegen Kasek am Amtsgericht. Verhandlungstermine sind noch bis Ende November geplant. Bisher hat sich der Angeklagte nicht zu den Vorwürfen geäußert. Gegen einen Anwalt, der Kaseks Kanzlei zeitweise weitergeführt hatte, lief ein gesondertes Verfahren. Er wurde mittlerweile rechtskräftig freigesprochen.
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LIZ Von Lucas Böhme 29. Oktober 2025
Prozess gegen Jürgen Kasek: So kamen die Ermittlungen wegen mutmaßlichen Missbrauchs des Rechtsanwalts-Titels ins Rollen
Jürgen Kasek soll 2022 trotz entzogener Zulassung weiterhin Tätigkeiten als Rechtsanwalt ausgeführt und Gelder abgerechnet haben. Der Grünen-Politiker, Aktivist und Ex-Stadtrat steht deswegen vor dem Amtsgericht – der Vorwurf ist unter anderem der Missbrauch von Berufen und Titeln. Durch Zeugen wurde am Mittwoch deutlich, wie sehr auch die hiesige Justiz vom Entzug der Anwaltszulassung Kaseks überrascht wurde.
Als Anwalt und streitbarer Gegenspieler der Staatsanwaltschaft in Gerichtsprozessen war Jürgen Kasek auch für die Leipziger Justiz kein Unbekannter. Umso größer die Überraschung, dass die Rechtsanwaltskammer die Zulassung des heute 44-Jährigen ab 19. Juli 2022 rechtskräftig wegen offener Geldforderungen entzogen hatte: „Wir waren total baff. Das hat keiner von uns geahnt“, sagte der zuständige Sachbearbeiter der Leipziger Staatsanwaltschaft (41) am Mittwoch im Zeugenstand des Amtsgerichts aus.
Massiver Zahlungsrückstand soll zum Verlust der Zulassung geführt haben
Es war der 10. August 2022, als der Behördenmann mit Kollegen beim Mittagessen saß und durch einen Vorgesetzten die aufgeregte Neuigkeit der Generalstaatsanwaltschaft Dresden überbracht bekam. So kamen Ermittlungen gegen Jürgen Kasek in Gang, die in einer Anklage vor dem Amtsgericht mündeten: In 42 Fällen unter anderem von missbräuchlicher Berufsbezeichnung, Betrug, Betrugsversuch und Untreue soll Jürgen Kasek bis Herbst 2022 weiter als Anwalt praktiziert und dabei zum Teil widerrechtlich Gelder kassiert haben. Im vergangene Woche gestarteten Prozess hat er sich selbst bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert.
Klar scheint, dass finanzielle Forderungen den Hintergrund darstellten, dass Kasek einen Rechtsstreit vor dem Anwaltsgerichtshof im April 2022 verlor und in der Folge auch die Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer: Mit einer beträchtlichen Summe soll Kasek mit Beiträgen für das Rechtsanwaltsversorgungswerk in der Kreide gestanden haben.
Ein Deal, die Schuld durch zwei größere Überweisungen und Ratenzahlung auszugleichen, sei wegen nicht eingehaltener Fristen geplatzt: So habe es das Versorgungswerk jedenfalls dargestellt, erklärte der Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft.
Kasek zog Robe aus: „Überraschungsmoment, mit dem ich nicht ansatzweise gerechnet habe“
Kasek selbst, so der Staatsanwalt, habe ihm bei einer Durchsuchung seiner Kanzleiräume Anfang September 2022 erklärt, er habe erst Ende Juli vom Verlust seiner Zulassung erfahren, seine Ratenzahlungen an das Versorgungswerk liefen. Mit der Betreuung laufender Mandate sei laut Kasek ein Kollege betraut worden und er habe seine Neuzulassung beantragt. „Herr Kasek war wirklich kooperativ“, so der Ermittler. Ihm und seinen Kollegen habe sich vor Ort aber ein chaotisches Bild geboten: „Eine Kanzlei war das nicht. Da stapelten sich die Unterlagen, das war irre.“
Schon am 11. August 2022, mithin nur einen Tag, nachdem die Leipziger Staatsanwaltschaft von Kaseks Verlust der Anwaltszulassung Wind bekommen hatte, sollte der damals 41-Jährige einen Angeklagten in einem Drogenverfahren am Amtsgericht verteidigen. Offenbart habe er sich auch dort nicht.
Vor Prozessbeginn ließ der Vertreter der Anklagebehörde daher die Katze aus dem Sack und wedelte mit dem Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft, dass Kasek aktuell nicht anwaltlich praktizieren dürfe: „Das war ein Überraschungsmoment, mit dem ich nicht ansatzweise gerechnet habe“, erinnerte sich die damalige Richterin (59), die am Mittwoch ebenfalls im Zeugenstand befragt wurde. „Für mich war klar: Ich muss der Sache nachgehen. Es war auch klar, dass ich es nicht allein mit einer Stellungnahme von Herrn Kasek machen kann.“
Anderer Anwalt wurde freigesprochen
Der habe spontan erklärt, seine Neuzulassung sei beantragt, letztendlich aber die Robe ausgezogen und kundgetan, lieber nicht weiter als Anwalt auftreten zu wollen.
Die Behörden gehen davon aus, dass Kasek die Anwaltstätigkeit auch über den 19. Juli 2022 zum Schein weiterführte, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. In dieser Funktion habe er sowohl in Strafsachen als auch bei verwaltungs- und zivilrechtlichen Streitigkeiten, manchmal außerhalb Leipzigs, mit zuständigen Stellen kommuniziert, Gespräche geführt und Akteneinsicht beantragt. Das Verfahren gegen einen anderen Rechtsanwalt, der Kasek in einem Fall unterstützt haben soll, wurde im Vorfeld abgetrennt. Dieser Mann ist mittlerweile rechtskräftig freigesprochen.
Das Schöffengericht unter der Vorsitzenden Richterin Ute Fritsch hat zur Klärung derzeit drei weitere Verhandlungstage bis 26. November geplant.
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Frank Döring
23.10.2025
Betrug, Untreue, Titelmissbrauch: Schwere Vorwürfe gegen Leipziger Grünen-Politiker Kasek
Nach dem Verlust seiner Anwaltszulassung soll Jürgen Kasek weiterhin als Rechtsanwalt vor Gericht aufgetreten sein. Die Leipziger Staatsanwaltschaft legt dem früheren Stadtrat mehr als 40 Fälle zur Last. Zum Prozessauftakt schwieg der Angeklagte.
Er wirkt an diesem Mittwochmorgen ungewöhnlich angespannt und schweigsam: Der Leipziger Grünen-Politiker Jürgen Kasek (44) muss sich am Amtsgericht einer Vielzahl von Anklagevorwürfen stellen. Die Staatsanwaltschaft legt ihm mehrfachen Betrug, Untreue sowie den Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen in rund 35 Fällen zur Last. Zum Prozessauftakt äußerte sich der frühere Leipziger Stadtrat nicht dazu.
Kasek sitzt nicht zum ersten Mal auf der Anklagebank. Doch so massiv waren die Anschuldigungen gegen ihn noch nie. Wenn es stimmt, was die Ermittler herausfanden, soll Kasek über Wochen hinweg bei zahlreichen Verfahren als eine Art Scheinanwalt aufgetreten sein. Der Volljurist sei nach dem rechtskräftigen Verlust seiner Zulassung als Rechtsanwalt am 19. Juli 2022 weiterhin unter dieser Berufsbezeichnung aufgetreten und habe seine Kanzlei zum Schein weitergeführt, sagte Staatsanwalt Manuel Rothe. Es sei darum gegangen, durch die rechtswidrige Ausübung des Berufs seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Anwalt ohne Zulassung für „Leipzig nimmt Platz“
So soll Kasek auf seiner Homepage und auf der Plattform Twitter (heute X) noch Wochen nach dem Verlust seiner Zulassung als Anwalt firmiert haben. Vor allem aber sei der Angeklagte immer wieder vor Gericht als Anwalt aktiv geworden. Detailliert listete der Staatsanwalt die einzelnen Fälle auf, in denen Kasek als Rechtsanwalt aufgetreten sein soll, obwohl er da schon keiner mehr war.
So habe er für einen Mandanten einen Widerspruch gegen eine erkennungsdienstliche Behandlung durch die Polizei verfasst oder ein Gesuch auf Akteneinsicht gestellt. Einmal soll er als Scheinanwalt die Herausgabe von Asservaten gefordert, ein anderes Mal sich bei Ermittlern nach verfahrensrelevanten Sachverhalten erkundigt haben. Als Anwalt für das Netzwerk „Leipzig nimmt Platz“ habe er in einem Zivilverfahren am Landgericht einen Vergleich geschlossen, da hatte er bereits seine Zulassung verloren.
Anwaltliche Dienstleistungen abgerechnet
In einigen Fällen soll der Angeklagte anwaltliche Dienstleistungen nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abgerechnet haben, obwohl er das nach Auffassung der Anklagebehörde nicht mehr durfte. Der Anklage zufolge seien teilweise mehrere hundert Euro aus der Staatskasse auf sein Konto geflossen, weil er vorgetäuscht habe, weiter Rechtsanwalt zu sein. Kasek habe darauf gebaut, dass dies bei schematischen Prüfungen übersehen würde, so die Staatsanwaltschaft. Zudem soll er als Prozessbevollmächtigter in einem Zivilverfahren das seiner Mandantin zustehende Geld nicht ausgezahlt haben.
Die in der Anklage erfassten Verfahren betrafen neben dem Leipziger Amts- und Landgericht auch das hiesige Verwaltungsgericht, das Arbeitsgericht, das Sozialgericht in Halle und das Oberlandesgericht in Thüringen.
Richter und Staatsanwälte als Zeugen geladen
Bei einer Verhandlung am Arbeitsgericht im Oktober 2022 habe Kasek dann nicht mehr als Rechtsanwalt auftreten können, so die Staatsanwaltschaft, da der Entzug seiner Zulassung durch mehrere Presseartikel bekannt gewesen sei. Die LVZ hatte im August 2022 als erstes Medium über den Fall berichtet. Gleichwohl soll sogar dann noch Geld für das Verfahren abgerechnet worden sein.
Ob sich der Angeklagte zu einem späteren Zeitpunkt doch noch vor Gericht zu den Vorwürfen äußert, ist offen. Bei einem längeren Rechtsgespräch konnte man am Mittwoch keine Einigung über einen Strafrahmen erzielen, sagte die zuständige Amtsrichterin Ute Fritsch. Sie hat für den Prozess noch vier Verhandlungstermine bis Ende November geplant.
Dabei sollen auch Richter und Staatsanwälte als Zeugen vernommen werden. Gegen einen Anwalt, der Kaseks Kanzlei weitergeführt hatte, läuft nach Angaben des Gerichts ein gesondertes Verfahren. Er soll an einem der Fälle beteiligt gewesen sein.
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Frank Döring
27.06.2025
Üble Nachrede: Leipziger Ex-Grünen Stadtrat Kasek verurteilt
Nach dem „Tag X“ der linken Szene in Leipzig soll der Grünen-Politiker Jürgen Kasek einen Staatsanwalt auf Twitter beschuldigt haben. Am Amtsgericht gab es dafür jetzt eine Geldstrafe.
Der frühere Leipziger Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek (44) ist am Freitagnachmittag am Amtsgericht wegen übler Nachrede verurteilt worden. Richterin Ute Fritsch verhängte eine Gesamtstrafe von 100 Tagessätzen á 30 Euro. In das Urteil floss eine Vorstrafe gegen Kasek vom Dezember 2023 ein.
Kasek soll nach den linksradikalen Krawallen vor zwei Jahren beim „Tag X“ in Leipzig einen Staatsanwalt (37) auf Twitter (heute X) als „Agent Provocateur“ – als jemand, der Straftaten provoziert – dargestellt haben. Der Behördenmitarbeiter stand danach zwei Wochen unter Polizeischutz.
„Mitten im schwarzen Block dabei“
Die linke Szene hatte für den 3. Juni 2023 eine Großdemo als Reaktion auf die Verurteilung von Mitgliedern der linksextremistischen „Hammerbande“ um die Leipziger Studentin Lina E. geplant, die aber untersagt worden war. Der Grünen-Politiker war Leiter eines Aufzugs für Versammlungsfreiheit im Süden der Stadt. Später eskalierte diese Demo, 18 Polizisten wurden verletzt. Für weitere polizeiliche Maßnahmen kesselten Einsatzkräfte die Menschenmenge ein.
Danach ging das Standbild eines YouTube-Livestreams viral, welches den vermummten Staatsanwalt zusammen mit einer gleichfalls maskierten Kriminalbeamtin zeigt. „Mitten im schwarzen Block dabei, der für die Eskalation sorgte ein Staatsanwalt“, twitterte Kasek am Abend des 20. Juni (Interpunktion im Original).
Und: „Der ermittelnde Staatsanwalt, der mutmaßlich die Reihe von rechtswidrigen Maßnahmen zum Leipziger Kessel festlegte, begab sich vorher vermummt im Schwarzen Block Outfit in die Versammlung, die wegen Vermummung aufgelöst wurde…“.
Staatsanwaltschaft hielt an Anklagevorwurf fest
Während des seit 21. Mai laufenden Prozesses hatte Kasek Fehler eingeräumt. Es tue ihm aufrichtig leid, er würde das „so nicht noch einmal schreiben“. Gleichwohl forderte seine Verteidigerin Christiane Götschel am Ende einen Freispruch. Die zuständige Staatsanwaltschaft Chemnitz plädierte für eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen á 25 Euro – allerdings wegen Verleumdung. Die Behörde stufte Kaseks Aussagen als bewusst wahrheitswidrig ein.
Das Gericht ging hingegen zugunsten Kaseks davon aus, dass er nicht wissentlich falsche Tatsachen verbreitete, sondern eher voreilig twitterte. Daher also nur eine Verurteilung wegen übler Nachrede und nicht, wie ursprünglich angeklagt, wegen Verleumdung.
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Frank Döring
01.11.2022
Neue Vorwürfe gegen Leipziger Grünen-Stadtrat Kasek: Ohne Zulassung als Anwalt firmiert?
Der Leipziger Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek soll als Rechtsanwalt firmiert haben, obwohl ihm die Zulassung entzogen wurde. Nun liegt eine Beschwerde bei der Rechtsanwaltskammer vor. Sollte das stimmen, droht auch eine Strafanzeige.
Wann darf der Leipziger Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek (42) wieder als Rechtsanwalt arbeiten? Vor mehr als einem Vierteljahr, am 18. Juli dieses Jahres, entzog ihm die Rechtsanwaltskammer Sachsen die Zulassung zur Anwaltschaft. Hintergrund sei ein Konflikt mit dem Rechtsanwaltsversorgungswerk über zu zahlende Beiträge, erklärte Kasek auf LVZ-Anfrage. Doch seine Wiederzulassung, die nach seiner Prognose eigentlich schon im September erfolgen sollte, ist ungewiss. Zumal nun weiteres Ungemach droht.
Im Zuge eines Rechtsstreits mit den Leipziger CDU-Stadträten Jessica Heller und Jens Lehmann soll Kasek weiterhin als Rechtsanwalt aufgetreten sein, obwohl er zu dem Zeitpunkt nicht mehr als solcher zugelassen war. Der Leipziger Jurist Ralph Schmidkonz, der Heller in dem Verfahren gegen Kasek vertrat, legte daher Beschwerde bei der Rechtsanwaltskammer ein, weil der Grünen-Politiker „immer noch als Rechtsanwalt firmiert und im Rechtsverkehr auch so aktiv auftritt“.
Strafanzeige und Unterlassungsansprüche
Er verweist unter anderem auf eine E-Mail vom 20. September, die vom Account „Rechtsanwalt Jürgen Kasek“ versandt worden sei. Auch auf der Webseite seiner Kanzlei findet sich sein Name weiterhin mit der Bezeichnung Rechtsanwalt, wenngleich etwas weiter unten erläutert wird, dass die Kanzlei von einem anderen Rechtsanwalt geführt werde, „in Zusammenarbeit mit Jürgen Kasek als Volljuristen“.
Das mag wie eine Petitesse anmuten, ist aber in Fachkreisen alles andere als das. Zum konkreten Fall will sich die Rechtsanwaltskammer zwar nicht äußern und verweist auf die Verschwiegenheitspflicht. Allgemein sei es aber so, dass die Kammer regelmäßig dagegen vorgehe, wenn Informationen vorliegen, dass jemand als Anwalt auftritt, obwohl er es nicht ist. In solchen Fällen würden Strafanzeige erstattet und Unterlassungsansprüche nach Gesetz zur Verhinderung unlauteren Wettbewerbs erhoben, erläuterte Geschäftsführerin Jacqueline Lange auf LVZ-Anfrage.
„Alle Accounts entsprechend angepasst“
Immerhin handele es sich um einen konkreten Straftatbestand. „Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen“ heißt das Delikt im Strafgesetzbuch. Demnach wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe sanktioniert, wer unbefugt Berufsbezeichnungen wie beispielsweise Arzt, Psychotherapeut, Apotheker oder eben Rechtsanwalt führt. Und dazu zählen durchaus auch vermeintliche Kleinigkeiten wie Internetauftritte oder Briefbögen, erklärte die Kammer.
„Wenn man nicht als Anwalt zugelassen ist, hat man alles zu unterlassen, was einen nach außen hin als Anwalt wahrnehmen lässt“, sagte Lange. Eine Aussage zum konkreten Fall um den Leipziger Grünen-Stadtrat ist dies, wie erläutert, aber nicht.
Kasek wies die neuen Vorwürfe im Zusammenhang mit seiner anwaltlichen Mail-Adresse auf Anfrage zurück. „Alle Accounts wurden danach entsprechend angepasst und die Mail-Anzeige geändert“, teilte er mit. Ausdrücklich stellte er klar, dass die Kanzlei „derzeit von einem Kollegen geführt“ werde.
„Evident gegen Berufspflichten verstoßen“
Schmidkonz wirft seinem bisherigen Anwaltskollegen aber auch vor, dieser habe „evident gegen seine Berufspflichten verstoßen, indem er die ihm obliegende Mandanteninformation unterlassen hat“. Im verlorenen Rechtsstreit mit den CDU-Politikern – Hintergrund war die in Gewalt umgeschlagene Demo „Wir sind alle Linx“ – vertrat Kasek sich und die Leipziger SPD-Vorsitzende Irena Rudolph-Kokot. Am Ende mussten er und Rudolph-Kokot die Prozesskosten an die Gegenseite zahlen.
Doch seine Mandantin wusste davon offenbar nichts. „Ich habe davon jetzt erst erfahren, dass ich zu zahlen habe“, sagte die SPD-Funktionärin Ende September, als ein Gerichtsvollzieher schon unterwegs war, gegenüber der LVZ. Die ganze Angelegenheit sei über Kasek gelaufen, sie selbst habe dazu keinerlei Post bekommen. Mittlerweile, so Schmidkonz, sei der fällige Betrag gezahlt worden.
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Frank Döring
26.08.2022
Jürgen Kasek verliert Zulassung als Rechtsanwalt
Dem bekannten Leipziger Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek ist seine Zulassung als Rechtsanwalt entzogen worden. Auf LVZ-Anfrage hat er den Grund für diese überraschende Entscheidung genannt.
Eine überraschende Nachricht sorgt aktuell unter Leipziger Juristen für Diskussionen und Spekulationen: Jürgen Kasek (42), omnipräsenter Stadtrat der Grünen in Leipzig, ist seine Zulassung als Rechtsanwalt entzogen worden. „Er ist nicht mehr Anwalt, seit 18. Juli dieses Jahres ist er nicht mehr zur Anwaltschaft zugelassen“, bestätigte die Rechtsanwaltskammer Sachsen auf Anfrage entsprechende Informationen der LVZ. Zu Details machte die Kammer aus rechtlichen Gründen keine Angaben.
Kasek selbst sagte gegenüber der LVZ, dass ein Konflikt mit dem Rechtsanwaltsversorgungswerk über zu zahlende Beiträge der Ausgangspunkt für den Entzug seiner Zulassung gewesen sei. Der Fall sei vor Gericht gelandet, am Ende habe es eine Einigung gegeben. Demnach muss Kasek den Beitrag für die Rentenversicherung der Anwälte für zwei Jahre in voller Höhe nachzahlen, der Rest werde neu berechnet.
Verschiedene Gründe für Verlust der Zulassung möglich
Laut Bundesrechtsanwaltsordnung gibt es eine Vielzahl von Gründen, wegen denen eine Zulassung zur Anwaltschaft widerrufen werden kann. Etwa dann, wenn der betreffende Rechtsanwalt ein Grundrecht verwirkt hat, wenn er zum Richter oder Beamten auf Lebenszeit ernannt oder in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten berufen wird, wenn er nicht die vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung unterhält oder in Vermögensverfall geraten ist, also ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Schwerwiegendere Gründe wären eine strafgerichtliche Verurteilung oder der Umstand, dass der Rechtsanwalt eine Tätigkeit ausübt, die mit seinem Beruf, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann. Auch gesundheitliche Gründe oder ein Verzicht auf die Zulassung aus eigenem Entschluss können eine Rolle spielen.
„Keine Verurteilung des Betroffenen bekannt“
Rechtskräftige Sanktionen liegen gegen Kasek indes nicht vor. „Der Staatsanwaltschaft Leipzig ist keine Verurteilung des Betroffenen bekannt, welche die Grundlage für einen Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bilden könnte“, teilte Behördensprecherin Jana Friedrich mit.
Es sei auch kein Strafverfahren bekannt, in dem durch ein Strafgericht im Zuge einer Verurteilung ein Berufsverbot gegen den Betroffenen angeordnet worden ist. Eine Auskunft zu eventuell laufenden oder abgeschlossenen Ermittlungsverfahren gebe man nicht, da hier dem Persönlichkeitsschutz der betroffenen Person Vorrang einzuräumen sei.
Kasek stellt Antrag auf Wiederzulassung
Kasek selbst sagt: Sofern er die erledigte Formalie mit dem Versorgungswerk nachweise, so habe ihm die Rechtsanwaltskammer bedeutet, bekomme er seine Zulassung zurück. „Ich habe einen Antrag auf Wiederzulassung ordnungs- und fristgemäß gestellt“, sagte er der LVZ. „Im September dürfte die Sache erledigt sein. Für den Übergangszeitraum arbeiten wir mit einer anderen Kanzlei zusammen, die sicherstellt, dass alle Fälle, die wir in Bearbeitung haben, auch ordnungsgemäß bearbeitet werden. Im August kann ich selbst keine Gerichtstermine wahrnehmen.“