Notizen zum Krieg, Antifaschismus und der Linken

„Wenn Faschismus Krieg bedeutet, welchen Sinn ergibt dann ein „Antifaschismus“, der ebenfalls für den Krieg ist?“
Ausschnitte aus vier Beiträgen zum Krieg, Antifaschismus und der Linken.
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Das progressive Ticket
Die Linke sollte sich nicht dem verschrieben, womit sie sich endgültig selbst aufhebt und was andere doch viel effizienter betreiben: Herrschaftsapologie und Kriegstreiberei abzusondern, die einen nichts kostet, am wenigsten das eigene Leben, über das bei anderen umso großspuriger disponiert wird. Anstatt eine weitere Kompanie der ebenso überflüssigen wie verabscheuungswürdigen 5. Kolonne des Hofreiter-Bataillons aufzustellen, täte die Linke gut daran, mit ihren geringen Möglichkeiten wenigstens die ideologische (Heimat-)Front zu zersetzen und unbedingte Solidarität mit denjenigen Kräften auf allen Seiten zu üben, die die Logik der Macht und des Krieges angreifen oder ihr wenigstens zu entfliehen versuchen. Das ist keine politische Äquidistanz, kein Nihilismus, dem alle Kriegsparteien gleich sind, sondern eine Position der Vernunft, die um ihre Schwäche weiß, ohne deswegen darin einen Grund gegen sie zu sehen und deswegen das Ticket der ‚Realität‘ als vermeintliche Alternative zu lösen, dem zuvorderst eins gewiss ist: die Herrschaft und ihre Logik zu verewigen – und geschehe dies auch in Namen ‚des Westens‘ oder gleich ‚der Menschheit‘. Dieser zu dienen, bestünde, gerade auch in Zeiten der politischen Zuspitzung, nicht im ‚progressiven‘ Mit-Machen, sondern darin, die Logik der (Gewalt-)Macht zu sabotieren und ihrem verdienten geschichtlichen Ende zuzuarbeiten. [https://knack.news/11094]
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Vorkriegsberichterstattung
Man könnte sagen, die Kulturindustrie ist nicht nur substanzlos, weil sich die Produktionsbedingungen so verschlechtert haben, dass die gehaltvollen Berichte, die es auch noch gibt, im allgemeinen Informationsmüll völlig untergehen. Sie ist auch manisch-depressiv. Es gibt keinen Übergang von Selenskyjs Siegesplan und der Vertreibung der russischen Armee aus der Krim zum Zusammenbruch Europas und seiner scheinbar nicht vorhandenen Armeen, bzw. der Übergang ist kurz und schmerzlos. Wobei so ganz einig ist man sich doch nicht, ob Europa jetzt wehrlos ist, oder ob Europa doch dazu in der Lage ist die amerikanischen Waffenlieferungen an die Ukraine zu ersetzen, oder sogar eigene Truppen stellen könnte, um Putin aufzuhalten.
Eine Reflexion darüber, dass Europa und die Biden-Administration drei Jahre Zeit hatten, ein anderes Ergebnis herbeizuführen als das aktuelle, ist nicht zu erwarten. Drei Jahre hat man (kontrafaktisch) verkündet, dass man mit Putin nicht verhandeln kann und das Russland besiegt werden muss. Keine der Waffenstillstandinitiativen wurde unterstützt, weder die Chinesische noch die Indische und auch nicht die Süd Afrikas. [http://wp.links-netz.de/?p=839]
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Kriegskapitalismus
Die Frage ist, woher die Kriegsgefahr nun eigentlich droht. Die offizielle und praktisch medienweit geteilte Ansicht sieht sie von Putins Russland ausgehen. Eine massive Invasion Europas wäre für dieses Land, das schon durch den Ukrainekrieg an seine wirtschaftlichen und militärischen Grenzen gestoßen ist, ziemlich riskant. Dazu kommt, dass selbst der europäische Teil der NATO bereits jetzt Russland militärisch deutlich überlegen ist, wie der Bundeswehroberst a.D. Wolfgang Richter, der im Gegensatz zu vielen selbsternannten als Abrüstungsbeauftragter Experte auf diesem Gebiet ist deutlich gemacht hat (https://www.youtube.com/watch?v=CdbDLEuxR1k). (Vgl. dazu auch den Beitrag von Jens Wissel auf dieser Seite). Putin kalkuliert im Gegensatz zu dem Autokraten auf der anderen Seite des Atlantiks wohl eher nüchtern. Was bei den gängigen Bedrohungsszenarien regelmäßig weggelassen wird ist der Umstand, dass der russische Angriff auf die Ukraine eine Reaktion auf die schon länger betriebene und absprachewidrige Osterweiterung der NATO war. Mit der beabsichtigten Aufnahme auch dieses Landes in das Militärbündnis wurde für Russland wohl eine rote Linie überschritten. Das ändert nichts daran, dass der Angriff völkerrechtswidrig ist und mögliche Verhandlungsspielräume nicht genutzt wurden. Für die Einschätzung von Russlands Aggressionsbereitschaft ist dieser Hintergrund dennoch wichtig.
Für das deutsche und europäische Aufrüstungsvorhaben muss es also andere Gründe geben. Sie liegen in einer veränderten geopolitischen und geostrategischen Situation, die durch den Aufstieg Chinas und das Ende der Hegemonie des „Westens“ gekennzeichnet ist. Die Politik Trumps ist auch als eine Reaktion auf den sich schon länger abzeichnenden Niedergang der US-Hegemonie zu verstehen und verstärkt diese weiter. Dazu kommt das Bestreben wichtiger Staaten der ehemals „dritten“ Welt, sich der Logik der Blockkonfrontation zu entziehen und als eigenständiger Machtfaktor zu etablieren. Das internationale System ist also multipolar geworden und für Europa stellt sich die Frage, wie es darin noch eine Rolle spielen kann. Nachdem die militärische Zusammenarbeit des „Westens“ brüchig geworden ist, gilt die militärische Aufrüstung als zentraler Hebel um international noch eine bedeutsame Rolle spielen zu können. Dieser Aspekt spielt in der öffentlichen Diskussion überhaupt keine Rolle.[http://wp.links-netz.de/?p=843]
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Cum grano Salis – Über Wahlen, Antifaschismus und Krieg
Dies ist zwar nicht der richtige Ort für eine genaue theoretische Definition des Faschismus, aber wir glauben, dass diese einfache Aussage von jedem geteilt werden kann. Faschismus ist Krieg von Anfang an, als Mussolini die sozialistische Bewegung verriet und Gründer einer interventionistischen Zeitung wurde, die von den Staaten der Entente finanziert wurde, um Italien in den Ersten Weltkrieg zu drängen. Faschismus ist Krieg bis zum Ende, als Hitler Europa in das größte Massaker aller Zeiten stürzte. (…)
Wenn Faschismus Krieg bedeutet, welchen Sinn ergibt dann ein „Antifaschismus“, der ebenfalls für den Krieg ist? (…)
Der einzige Ausweg aus der Sackgasse besteht darin, den Widerstand gegen den Krieg in den Mittelpunkt zu stellen. Eine Frage des Herzens und des Verstandes, sowohl um das Gemetzel zu stoppen als auch weil es der einzige Weg zu sein scheint, sich der Rückkehr von Nationalismus, Autoritarismus und Militarismus, die letztlich immer die wahren Gesichter des Faschismus waren, wirklich zu widersetzen.
[https://panopticon.noblogs.org/post/2024/12/15/cum-grano-salis-ueber-wahlen-antifaschismus-und-krieg/]
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Das progressive Ticket, Zweiter Ausschnitt
In Vielem schreibt das Manifest, die These der Dialektik der Aufklärung fort, dass alle Aufklärung im Kern auf Macht, auf das ‚durch Berechnen beherrschen‘ (M. Weber), gründet und zielt. (…)
Zweitens artikuliert das Manifest daher vor allem die Erfahrung mit dem totalen Zusammenbruch der Linken, den es zu Recht mit ihrem Offenbarungseid von 1914 vergleicht. Von Castoriadis stammt der Satz, dass man sich entscheiden müsse, Marxist oder Revolutionär zu bleiben, da beides sich ausschließe. Das Manifest läuft auf die weitergehende Zuspitzung hinaus, dass man entweder Linker oder Revolutionär sein kann, weil die Linke längst eine (vor allem ideologische) Stütze des herrschenden Systems ist. Auch das Manifest zählt das perfide, insbesondere von der Linken aufgezogene Spiel mit dem Begriff der Solidarität und der Verschwörungstheorie auf; im historischen Moment der Entscheidung hat sie gezeigt, auf welcher Seite sie steht. Im Grunde lebt das Manifest von der schwachen Hoffnung, dass die Linke nur noch durch ihre Zerstörung zu retten ist. Wer sich ihr verbunden fühlt – dies ist vielleicht die schmerzhafteste Erfahrung, die das Manifest artikuliert –, muss sie verlassen. Das mag zugespitzt sein, dient aber, wie vergleichbare Paradoxien in der Dialektik der Aufklärung, der Wahrheit, die den Schrecken über die Erfahrung mit der Linken seit 2020 nicht wegrationalisiert, sondern herausschreit.
[https://knack.news/11094, Das Konspiratorische Manifest gibt es hier als Online-Leseversion: https://magazinredaktion.tk/konspiration/inhalt.php]