Für die Demonstration „Burn all prisons“ in Berlin am 6.7. 25

Seit mehr als einem Jahr ist Daniela im Gefängnis von Vechta eingesperrt. Mit öffentlicher Hetze gegen uns, die wir seit 30 Jahren als RAF verfolgt werden, propagieren Staatsanwaltschaft und Polizei unsere Gefährlichkeit und unterstellen uns Selbstbereicherung, die über Leichen gehe oder sie zumindest billigend in Kauf nehme.
Eins sei hier gesagt: für uns war es zu jeder Zeit undenkbar, ausgeschlossen und fern, für Geld zu töten oder jemanden deswegen physisch zu verletzen. Dafür stehen alle Jahrzehnte unserer Illegalität.
Was uns vorgeworfen wird, wäre der Notwendigkeit geschuldet, dass man im Kapitalismus Geld benötigt, um zu überleben. Und sei es für das Brot in der Illegalität. Das uns Unterstellte wäre dann wohl eine Art Mundraub.
Es ist eine politische Entscheidung mit exorbitantem Verfolgungseifer, Härte und im Feindverhältnis gegen uns vorzugehen.
Bestraft wird, wer nicht kooperiert und sich nicht unterwirft. Die Staatsanwaltschaft und die Polizei unternehmen vieles, um Daniela fertig zu machen: Besuchsverbote und Besuchsüberwachung, Vorladungen von Besucher*innen, Zensur, Ausschluss von politischen Diskussionen, Bleiweste usw.
Das Signal in die Gesellschaft ist: Widerstand führt zu nichts als staatlicher Gewalt, und wer sich nicht unterwirft oder wenigstens kooperiert, wird kein Licht mehr sehen, wenigstens keines in Freiheit.
Uns Illegalen bedrohten die Staatsanwaltschaft und die Polizei mehrfach mit einem 2. Bad Kleinen für den Fall, dass wir uns ihnen nicht freiwillig ausliefern. Früher nannte man das Kill-fahndung.
In der Geschichte der 70 und 90er Jahre kostete diese Art Staatsterrorismus zahlreichen Menschen das Leben.
Vor 32 Jahren am 27.6.93 wurde Wolfgang Grams bereits kampfunfähig auf den Gleisen von Bad Kleinen liegend unter den Augen von zahlreichen Zeug*innen durch den aufgesetzten Kopfschuss eines Polizisten getötet.
Heute geht es um die Aburteilung einer Geschichte, die aus den weltweiten Bewegungen kam, die in den Metropolen den Kampf gegen Ausbeutung und Kolonialismus im Verhältnis zu Asien, Afrika und Lateinamerika, den US Krieg gegen die Bevölkerung Vietnams, Rassismus und Patriarchat in die Gesellschaft brachten.
Im postfaschistischen Deutschland begann damit auch die Thematisierung und der Konflikt mit einer Elite, die im NS Faschismus Karriere gemacht hatte und diese nach 1945 nahtlos in der BRD fortführte. Auch konnten die Kapitalist*innen, die von Zwangsarbeit und Krieg profitiert hatten, ihren Besitz an industrieller Produktion, nahtlos in den BRD Staat überführen.
Nazitäter*innen, die zum Teil persönlich Millionen Ermordete zu verantworten hatten, wurden vom BRD Staat so gut wie nie zur Rechenschaft gezogen. Im Gegenteil sie kamen aus dem NS Faschismus und bauten den BRD Staat auf. Reibungslos.
Dass Linke hingegen mit unnachgiebiger Härte verfolgt werden, gehört gewissermassen zur DNA dieses Staates, zu seinen in ihm liegenden Reflexen und entspricht seiner postfaschistische Tradition.
Die Nazi Täter*innen verfolgte man genausowenig, wie Polizist*innen für ihre auch tödliche Polizeigewalt: Maria, Halim Dener, Jürgen Rose, Oury Jalloh, Mouhamed Dramé, Lorenz und viele, viele mehr: erschlagen, von Schüssen durchsiebt, Schüsse in den Rücken oder gefesselt verbrannt.
Die Nazis vom NSU liess man gewähren, und das obwohl der NSU umgeben von deutschen Geheimdiensten war. Mindestens Teile deutscher Geheimdienste unterstützten den NSU. Ja, der Verfassungsschutz war zuweilen sogar zum Zeitpunkt der Tat am Ort des Geschehens. Bundeswehr Oberst Klein wurde für den von ihm angeortneten Massenmord von 141 Zivilist*innen während des Afghanistan Krieges zum General befördet.
Ganz anders jedoch werden Menschen aus den Kämpfen für Emanzipation unnachgiebig und mit Härte verfolgt und manchmal für lange Jahre weggesperrt: Antifas werden inhaftiert und verfolgt. Die Gefährt*innen N. und M., die in bayrischen Knästen gefangen sind und mit 129a bedroht und das wegen einer linken Zeitungsproduktion, d.h. wegen ihrer Gesinnung. Die vielen Genoss*innen der kurdischen und türkischen Bewegungen, die seit Jahrzehnten verfolgt und in Komplizenschaft aller deutschen Regierungen mit jener der Türkei lange Jahre in deutschen Gefängnissen eingesperrt werden. Klimaaktivist*innen oder Tausende der Palästina-Solidarität sind von vielfältiger Repression, von Knast bis zur Abschiebung, von Veranstaltungs- bis zu Einreiseverboten betroffen.
Daniela, der keine physische Verletzung auch nur eines Menschen vorgeworfen wird, dafür aber sich an Aktionen gegen Kapitalismus, Krieg und Knäste beteiligt zu haben, wird ewige Inhaftierung angedroht.
Die staatliche Propaganda erklärt uns zu „Terroristen“. Das hat nichts mit der Realität zu tun. Der Begriff ist ein Herrschaftsmittel.
Terror erzeugt und auf Gewalt basiert das kapitalistischen System.
Gewalt und Terror der kapitalistischen Normalität ist Hunger, ist Ausbeutung, ist Kolonialismus, ist patriarchale Gewalt, ist Repression, ist ihr Knastsystem, ist Klassenjustiz, ist die Zerstörung des Klimas, ist Flucht und Vertreibung, ist Nationalismus und Krieg.
Heute ist der Kapitalismus in einer grundlegenden Krise. In der sich heute aufbauenden Erosion der westlichen Metropolen kämpfen die alten kolonialen Mächte um die Rekonstruktion ihrer schwindenden Hegemonie, ihrer ökonomischen und militärischen Vorherrschaft über den Rest der Welt.
Die heutige Formierung des autoritären Staates ist durch das Zusammenwirken der bürgerlichen und liberalen Demokrat*innen und der extremen Rechten gekennzeichnet und setzt Faschisierung einzelner Herrschaftsmittel innerhalb der bürgerlichen Demokratie durch. Die Faschisierung ist ein immanenter Bestandteil der bürgerlichen Demokratie, und kann in seinem heutigen Ausmass als Krisenrektion im Spätkapitalismus gelesen werden.
Politik und Medien hetzen und mobilisieren gegen die Armen, die Bürgergeldempfänger*innen, die angeblich Faulen, die, die für den Kapitalismus nicht verwertbar sind und gegen die, die vor Krieg, Hunger und der klimatischen Verwüstung zu Millionen in die Metropolen fliehen.
Sie hetzten aus liberaler wie rechtsextremer Perspektive mit unterschiedlichen Gewichtungen gegen Migrant*innen, die hier nicht gebraucht werden oder sich wie in der Palästina Soli-Bewegung nicht opportunistisch der Deutungshoheit der Herrschenden unterwerfen.
Sie mobilisieren für die „kriegstüchtige“ Gesellschaft, die im Nationalismus geeint, Klassenwidersprüche zurückzustellt, um metropolitane Wohlstandsinseln für Wenige zu sichern, die Menschen zu Kanonenfutter macht, die Krieg zu führen bereit ist.
Es sind Millionen, die von Staat und Elite, von Liberalen und Rechten, von Grünen bis zur AfD im Einklang mit dem Medien-Mainstream mit jeweils unterschiedlichen Worten und im unterschiedlichen Gewant zum inneren Feind erklärt werden.
Sie alle erfahren am eigenen Leib, was Faschisierung heute bedeutet.
Polizeigewalt und staatliche Machtdemonstration sind der Normalzustand.
Heute reicht es, eine falsche Meinung zu haben, um Repression und Hetze zu erfahren.
Begriffe werden gekapert, umgedeutet und missbraucht, um ihre gewaltförmige Politik unter dem Mäntelchen der bürgerlichen Demokratie verkaufen zu können. So wird der Krieg für Rohstoffe, Warenverkehr und für den Erhalt westlicher Vormacht als feministische Aussenpolitik deklariert – ganz in der Tradition des missbrauchten „nie wieder Ausschwitz“ als Kriegserklärung der deutschen Regierung.
Wer sich wehrt, ist beispielsweise ein Klimaterrorist. Rechtsoffen ist, wer die Coronamassnahmen als Beginn des autoritären Staates thematisierte.
Wer den Krieg nicht will, ist Putinversteher oder Vaterlandsverräter.
Wer sich gegen den Genozid an Palästinenser*innen und deutschen Waffenlieferungen an eine faschistische, israelische Regierung stellt, wird per se zum Antisemiten propagiert.
Selbst jüdische Schwestern und Brüder, die auf der ganzen Welt gegen Zionismus, Apartheid und Genozid protestieren, werden als Antisemiten gebrandmarkt. Welch Hohn! Der deutsche Herrenmensch im Kostüm des liberalen Demokraten separiert heute in gute und schlechte Jüd*innen. Welch Antisemitismus!
Die Gegenwart von Staat und Gesellschaft und die Weltverhältnisse eines fortlebenden Kolonialismus und eines brandgefährlichen Imperialismus sind düster und die Zukunft bedrohlich.
Europa wird Kriege führen.
Das hochrüstende Europa und allen voran das darin hegemoniale Deutschland bereiten ihre Kriege für die kommenden Rohstoff-Raube vor. Die imperialistischen Verbrechen dieser taumelnden Wohlstandsinsel sind abzusehen, sind angekündigt und werden Millionen Menschen töten, Millionen Menschen zur Flucht zwingen und werden global vor allem weitere Armut und Zerstörung erzeugen.
Die bürgerliche Demokratie zu retten ist angesichts der Krise und der anrollenden und kommenden Weltverhältnisse ein Irrweg, der in sich aufbauendem Autoritarismus, Nationalismus und Krieg verbleiben wird und darüber hinaus keinen Ausweg aus Patriarchat, Ausbeutung und Klima-Gau aufzeigen könnte. Die Überwindung des globalen Elends von Kapitalismus und Patriarchat, von Kolonialismus und Imperialismus, von Nationalismus und Krieg ist nur mit der Transformation des Kapitalismus möglich.
Die Entwicklung des Kapitalismus ist bedrohlich und die Gegenkräfte von Emanzipation und Befreiung heute schwach. Die Gründe für Optimismus sind überschaubar. Doch angesichts einer Welt im Epochenbruch, in der der Lauf des Kapitalismus in den westlichen Metropolen mit der Faschisierung der Verhältnisse den Weg in den Faschismus längst beschritten hat und für die Welt ein neues Zeitalter des Krieges begonnen hat, bleibt Befreiung die einzige Option der Menschheit und die Alternative zur globalen (Weiter-)Fahrt in Abgrund und Apokalypse.
Die Ausgebeuteten und Beherrschten dieser Welt, die vor Bomben und Klima-overkill Fliehenden, die Hungernden, die, die patriarchale Gewaltverhältnisse nicht mehr hinzunehmen bereit sind, das Heer der in den Metropolen zum Feind Erklärten: der Armen, der „Nutzlosen“, der Migrant*innen, der Geflohenen und der Widerständigen: die, die vom Kapitalismus nichts zu erwarten haben und sich erheben werden – wenn die in der fortlaufenden Brutalisierung der Weltverhältnisse zusammen kämen, es wären unzählige, und es könnte ein Prozess des Endes der Herrschaft des Menschen über den Menschen werden.
Es könnte in der heutigen Zeit die Formierung einer intersektionalen, internationalistischen, sozialrevolutionären und antiimperialistischen Linken sein, die ein Licht in bedrohliche und turbulente Zeiten bringt. Vorausgesetzt sie verlässt ein reines auf-sich- selbst-bezogen-sein und überwindet Spaltungen an Identitäten und unterschiedlichen politischen Vorstellungen und ersetzt Spaltungen durch ein Bewusstsein, das vielfältige und unterschiedliche Perspektiven sieht, kennt und möchte.
Die heutigen Brennpunkte stehen in einem Zusammenhang und sind Teil derselben Entwicklung im kapitalistischen System. Sie könnten daher auch große, gemeinsame Widerstandsräume werden, vorausgesetzt eine solche Linke verlässt ihre innergesellschaftlichen Nischen.
Gemeinsam gegen den Genozid an den Palästinenser*innen, gegen Apartheid wo auch immer in der Welt! Gegen die Mittäterschaft Deutschlands an Genozid und Besatzung durch Waffenlieferungen und Komplizenschaft mit der faschistischen, israelischen Regierung!
Jin, Jiyan, Azadi! Gemeinsam gegen patriarchale Gewaltverhältnisse!
Gemeinsam gegen Rassismus und die Hetze und Repression gegen Migrant*innen und Geflüchtete!
Gemeinsam gegen Imperialismus, Kolonialismus, Militarisierung, Nationalismus und die Kriegsertüchtigung Deutschlands und der NATO Staaten!
Gemeinsam gegen die Verarmung der Mehrheit im Kapitalismus und die Hetze gegen das Heer derer, die für die kapitalistische Verwertung im kapitalistischen Sinne die „Nutzlosen“ sind!
Gemeinsam gegen jede Repression:
Daniela, N+M, die gefangenen und verfolgten Antifas – Maya im Hungerstreik, die Gefangenen der türkischen und kurdischen Bewegungen, die Niedergeknüppelten und von Abschiebung Bedrohten der Palästinasolidarität und viele mehr: sie alle brauchen eine Bewegung, die sich wirksam gegen die Repression im Kapitalismus in der heutigen Zeit stellt.
Freiheit für alle politischen Gefangenen der emanzipatorischen Bewegungen!
Gemeinsam für eine internationalistische, antipatriarchale, sozialrevolutionäre, antiimperialistische und antimilitaristische Bewegung!
Ich wäre gerne bei Euch! Ich bin bei Euch! Ich danke Euch für Eure Solidarität!
Euch, die ihr in Berlin in Solidarität mit Daniela und für eine Gesellschaft ohne Knäste auf der Strasse sein werdet; allen Eingesperrten, Daniela, den durch den Staat – teilweise seit Jahrzehnten – terrorisierten Angehörigen; denen, die auch gezwungen sind, in der
Illegalität zu leben, den Niedergedrückten, den Gedemütigten, den Aufstehenden, den Traumatisierten patriarchaler Verhältnisse, den Traumatisierten der Weltverhältnisse –
Euch allen – von Herzen meine Liebe und alle Kraft der Welt!
Frei sein können wir nur, wenn alle frei sind.
Freiheit für Daniela!
Burkhard Garweg