Weibliche Feuerwehr-Azubis in Leipzig über raue Töne und Grenzsituationen

Frauen sind bei Feuerwehren klar in der Minderheit. Die beiden einzigen Brandmeister-Anwärterinnen in Leipzig sprechen über Vorurteile, den Umgang mit rauen Tönen sowie emotionalen Grenzsituationen – und warum sie keinen anderen Job als diesen wollen.
Es kann ein einziger Blick sein, der Sicherheit gibt. Ein Augenkontakt, der sagt: „Du bist nicht allein, wir sind ein Team.“ Anfang des Jahres hat Siiri Mai das erlebt. Bei einem Feuerwehr-Einsatz in ihrem Heimatdorf ging es um Leben und Tod, kurz vor Beginn ihrer Ausbildung. Und obwohl die Situation nicht gut ausging, hat sie die junge Frau in ihrem Berufswunsch bestärkt.
Siiri Mai und Jenny Pech sitzen im Besprechungsraum der Feuer- und Rettungswache. Auf ihren Shirts steht das Signet der Leipziger Feuerwehr, in den Gesichtern die heitere Gewissheit, dass sie den richtigen Berufsweg eingeschlagen haben.
Zwei Frauen unter 450 Beschäftigten
Stadtweit sind die 19-Jährige und die 25-Jährige die einzigen Frauen, die sich in der Branddirektion mit Hauptsitz am Goerdelerring zu Brandmeister-Anwärterinnen ausbilden lassen. Aktuell sind es 450 Beschäftigte, die ausrücken.
Ein Phänomen, das Leipzig nicht exklusiv hat: Bei der letzten statistischen Erhebung waren in Deutschland 113.996 Frauen in der Freiwilligen Feuerwehr tätig (FF), also elf Prozent. Noch niedriger liegt die Quote in der Berufsfeuerwehr (BF): Die 967 Frauen machen nur 2,7 Prozent aus.
Zu anstrengend für eine Frau?
In Sachsen weisen aktuelle Zahlen 119 weibliche Angestellte bei der BF aus. Das bedeutet fünf Prozent, schließt aber Kolleginnen ein, die keine Brandmeisterinnen sind, sondern beispielsweise in der Leitstelle arbeiten.
Für das enorme Ungleichgewicht gibt es Begründungen, die auch Jenny Pech von ihren Eltern hörte. Im Ehrenamt wie bisher, das sei ja in Ordnung, aber hauptberuflich? „Viel zu anstrengend für eine Frau“, so der Haupteinwand, „und 24-Stunden-Dienste sind mit Familienleben schlecht vereinbar“.
Trotz aller Skepsis und Bedenken von Mutter und Vater – Jenny Pech ließ sich nicht beirren. „Seit ich mit acht Jahren durch meinen Bruder zur Freiwilligen Feuerwehr gekommen bin, konnte ich mir beruflich nichts anderes vorstellen“, sagt die junge Frau aus Beucha.
Eine Ausbildung zur Notfallsanitäterin hat sie bereits absolviert, die zur Brandmeisterin trat sie 2024 an. Nach der Abschlussprüfung und dem Praxisteil wird Jenny im März kommenden Jahres fertig sein.
Als das Herz lauter schlug
Siiri Mai ist seit einem Vierteljahr Azubi. Auch sie kam schon sehr früh zur Freiwilligen Feuerwehr, in ihrem Heimatdorf Lauterbach bei Stolpen in der Sächsischen Schweiz. „Mein Opa hat sich dort engagiert, ich war schon als Kind fasziniert davon“, sagt sie.
Bis zu ihrem Abitur war Siiri ehrenamtlich dabei, fuhr Einsätze, machte Lehrgänge mit. Nach der Schule startete Siiri im September zunächst eine Ausbildung zur Krankenschwester. Doch als sich die Feuerwehr auf ihre parallel eingereichte Bewerbung meldete, wusste sie, wofür ihr Herz lauter schlug, und entschied sich um. Im März begann die Grundausbildung.
Teamgeist, der keinen Feierabend kennt
Was ist es eigentlich, das den Beruf so erstrebenswert macht? Jenny mag „die große Vielfalt, jeder Tag ist anders“. Mal wird das Team bei Bränden benötigt, mal nach Verkehrsunfällen, bei überschwemmten Kellern oder zur Rettung von Tieren. Siiri nickt: „Es kommt niemals Routine auf.“
Ein anderer entscheidender Punkt: der Zusammenhalt, die gute Atmosphäre. Beide Frauen schwärmen vom Teamgeist, der keinen Feierabend kennt. „Das fühlt sich an wie eine große Familie, manchmal unternehmen wir auch nach dem Dienst etwas gemeinsam“, sagt Jenny.
Diese Zusammengehörigkeit, die Solidarität war es auch, die Siiri Halt gegeben hat – im vergangenen Februar, als sie in ihrem Dorf zu einem Einsatz gerufen wurde. „Ein Bewohner, den ich kannte, benötigte eine Trauma-Reanimation“, erzählt sie. „Ich habe das gelernt, und mit einem Blick von den Anderen war klar, dass sie mir Rückhalt geben.“
Das Ende des Einsatzes hätte ein Krisenpunkt für die junge Sächsin sein können, denn der Mann schaffte es nicht. „Aber ich wusste, dass ich alles getan hatte und bekam wunderbare Unterstützung.“ Auch das war eine Bekräftigung, dass sie den richtigen Job ausgesucht hatte. „Wagt man in diesem Moment nichts, stirbt die Person in jedem Fall.“
Weibliche Empathie in Notsituationen
Ähnlich ging es kürzlich ihrer Azubi-Kollegin. „Ich habe Maßnahmen für die erfolgreiche Reanimation eines Kindes geleitet, das einen Tag alt war“, erzählt sie. „Für das Vertrauen der Kameraden in der Situation bin ich sehr dankbar.“
Torsten Kolbe, Sprecher Leipziger Branddirektion, ist froh über den weiblichen Zuwachs bei der Feuerwehr. „Mal davon abgesehen, dass die beiden hier für frischen Wind sorgen, ist für den Beruf die weibliche Perspektive sehr wichtig“, sagt er. „In manchen Notsituationen haben Frauen ein besseres Gespür für Menschen, sind empathischer.“
Umgangston schon mal rustikal
Angesprochen auf die angeblichen körperlichen Nachteile zucken beide Azubis mit den Schultern. „Die Erfahrung haben wir noch nicht gemacht“, betonen sie, „außerdem ist in den letzten Jahren das technische Gerät besser und leichter geworden.“
Zwei junge Auszubildende, allein unter Männern. Wie leicht oder schwer ist das in der Umgebung von Testosteron-Produzenten, die schon mal Sprüche absondern, die mindestens frech und gelegentlich unter der Gürtellinie landen?
„Natürlich geht es bei uns manchmal etwas direkter zu“, sagt Siiri, „aber wir wissen damit umzugehen und fühlen uns als Frauen im Team gut aufgehoben.“ Jenny nickt. „Ab einem bestimmten Punkt setzen wir Grenzen – dann gibt’s auch mal einen derben Spruch zurück. Das passiert aber nicht verbissen, sondern humorvoll.“
Wenn Torsten Kolbe bemerkt, dass „man schon ein bisschen tough sein sollte“, meint er das nicht ausgrenzend. „Die Feuerwehr ist für alle da, die Teamgeist, Engagement und Belastbarkeit mitbringen – unabhängig von Geschlecht oder Hintergrund.“ Klar, der Ton könne mitunter direkt sein, „aber gegenseitiger Respekt und Zusammenhalt stehen bei uns an erster Stelle.“
Bis sich die Zahl der Brandmeisterinnen an die der Brandmeister annähert, wird es noch dauern. Doch Torsten Kolbe ist optimistisch. „Aus dem ersten Einstellungsdurchlauf vor wenigen Tagen sind neun Bewerberinnen übrig geblieben, der Trend geht in eine gute Richtung.“
Aus Sicht von Birgit Kill ist das immer noch viel zu wenig. „Wir müssen deutlich aktiver werden, auf Frauen zugehen und sie ansprechen“, sagt Bundesfrauensprecherin im Deutschen Feuerwehrverband (DFV).
Wie in anderen Bereichen auch müsse sich die Behörde Gedanken machen, wie sie trotz 24-Stunden-Dienste eine familienfreundliche Arbeitgeberin sein könne. „Für die Feuerwehr gilt dasselbe wie für die ganze Gesellschaft: Wir müssen diverser werden, uns von alten Mustern verabschieden.“
Das betreffe auch so scheinbar nebensächliche Aspekte wie die Bekleidung. „Für Frauen gibt es noch immer nur Männerbekleidung, das ist absurd.“ Jenny Pech und Siiri Mai nehmen das Klamotten-Problem gelassen, freuen sich aber, dass es in Leipzig bald behoben werden soll.
Ach ja, und wie denken eigentlich die Eltern von Jenny Pech heute über den Entschluss ihrer Tochter, Feuerwehrfrau zu werden? Die 25-Jährige lächelt, ihre Augen strahlen. „Die sind inzwischen richtig stolz.“