Mess-Boxen an Ampelmasten – Mit KI gegen Stau: Leipzig sammelt Daten für die Verkehrsplanung von morgen

Stockenden Verkehr entzerren, Staufallen entschärfen, Luftqualität verbessern: Dabei soll Künstliche Intelligenz helfen. Daten für Verkehrsprognosen werden in einem Pilotprojekt auf Leipzigs Straßen schon gesammelt.

Recht unscheinbar hängt das Kästchen an einer Straßenlaterne in der Brandenburger Straße auf Höhe des Hauptbahnhofs. Nur wer genau hinsieht, erkennt, dass die Aufkleber darauf sich deutlich von jenen unterscheiden, die den restlichen Laternenpfahl pflastern. Die Box soll einen entscheidenden Teil dazu beitragen, die Lebensqualität der Leipziger zu steigern.

Konkret sammelt das Kästchen Daten – zur Konzentration von Stickoxiden und Feinstaub, zu Luftdruck und zur Temperatur. Es ist einer von derzeit knapp 20 Messpunkten im Stadtgebiet. Bis Ende 2025 soll das Umweltmessnetz in Kooperation von Stadt und Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) auf rund 50 Messstationen ausgerollt werden.

Messstationen an Punkten mit hohen Belastungen

Platziert sind sie an neuralgischen Punkten – an bereits bestehenden Messstationen, aber auch an weiteren Stellen mit erfahrungsgemäß hoher Schadstoffbelastung oder mit dichter Bebauung. Auch Abschnitte, auf denen sich der Verkehr häufig im Stop-and-go-Verfahren vorwärts schiebt, gehören zum Netz.

Die Stationen sind Teil eines bereits seit mehreren Jahren laufenden Projekts namens AIAMO. Das Akronym steht für „Artificial Intelligence and Mobility“ („Künstliche Intelligenz und Mobilität“). Ein Konsortium aus Forschung und Industrie sammelt nach dem Projektstart 2023 seit 2024 Daten und Erkenntnisse in Leipzig und im rheinland-pfälzischen Landau. Dabei werden erste Schritte erprobt, den urbanen Verkehr in Zukunft zielgerichteter und vor allem umweltfreundlicher zu organisieren – und zwar unterstützt von Künstlicher Intelligenz (KI).

Leipzig sammelt Daten für KI-gestützte Verkehrsplanung

In der Messestadt beteiligt sich neben der Stadtverwaltung (Amt für Umweltschutz, Mobilitäts- und Tiefbauamts (MTA), Referat Digitale Stadt) auch das UFZ. Die Kernaufgabe klingt auf den ersten Blick etwas unspektakulär. „Prinzipiell schaffen wir hier in Leipzig zunächst einmal eine breite Datengrundlage“, erklärt Mirko Mühlpfort, der Teamleiter Digitale Infrastrukturen im Rathaus.

Doch gerade die ist essenziell, ergänzt Thomas Trabert vom UFZ, denn: „Aus dieser Basis lassen sich künftig konkrete Handlungsschritte für KI-Anwendungen ableiten.“ Je mehr Daten vorliegen, umso zielgerichteter könnten Lösungen erarbeitet werden.

System soll flexibel auf Verkehrslage reagieren

Oberstes Ziel sei dabei stets, Reisezeiten und Umweltbelastungen so gering wie möglich zu halten, betont Mario Anhalt vom Amt für Umweltschutz. Um das zu erreichen, sei vieles denkbar, ergänzt MTA-Mitarbeiter Thomas Grzeschik. „Dazu gehört etwa, aktuelle Verkehrsinformationen samt Handlungsempfehlungen unmittelbar an die Bevölkerung auszuspielen, über in der Stadt verteilte LED-Tafeln wie an den Park-and-Ride-Plätzen oder über eine App-Anbindung.“

Wenn sich an einer Stelle die Luftqualität verschlechtert oder ein Stau droht, lasse sich mit Anpassung der Ampelsteuerung oder Umleitung des Verkehrs gegensteuern. „Das kann im Umfeld von Baustellen – wie jetzt an der Zeppelinbrücke – sinnvoll sein oder auch bei Großereignissen wie Fußballspielen oder Konzerten“, führt er weiter aus.

Durch Prognosen entstehen Probleme gar nicht erst

Ein weiterer Vorteil laut Digital-Teamleiter Mühlpfort: Die Datenanalyse erlaubt nicht nur, kurzfristig auf Problemlagen zu reagieren. Durch die gesammelten Erkenntnisse lasse sich das Thema Mobilität und Umweltschutz insgesamt auf stabilere Beine stellen. „Wir können mit AIAMO Prognosen erstellen und bereits vorab Szenarien durchspielen, um uns darauf einzustellen.“

Das heißt: Im besten Fall werden Staufallen beseitigt, bevor sie überhaupt entstehen können. Das sei besonders deshalb relevant, da ab 2030 deutlich schärfere Grenzwerte für die Luftqualität in Städten gelten sollen – und man so bereits vorab die nötigen Schritte ergreifen kann, um diese auch künftig einzuhalten.

Am Ende, so die Hoffnung der Projektverantwortlichen, entsteht bis Mitte 2026 im besten Fall ein Verkehrsplanungsmodell, das sich ohne großen Aufwand und aufwendigen Aufbau der nötigen Infrastruktur auf andere Städte und Regionen übertragen lässt, sagt Mühlpfort. „Damit Mobilität mittelfristig überall bedarfsgerechter, sicherer und umweltverträglicher gestaltet werden kann – für alle Bürger und Verkehrsteilnehmer“, betont UFZ-Forscher Trabert.

Wer sich selbst einen Einblick in das AIAMO-Projekt verschaffen will, hat dazu im Rahmen der Data Week Leipzig Gelegenheit, die vom 10. bis zum 13. Juni stattfindet. Am 12. Juni stellt die „AIAMO Roadshow“ das Konzept von 11 bis 12.30 Uhr im Ratsplenarsaal des Neuen Rathauses vor.