Eine Frage der Organisierung?

Den Beitrag: ‚aufruf: schluss mit dieser lagerideologie‘ hab ich als unorganisierte und außenstehende Einzelperson geschrieben. Deswegen steht auch „mensch“ im Autorenfeld.
Er wurde ohne das Wissen von den kids geschrieben und veröffentlicht.
Es ging mir auch nicht um eine bestimmte Gruppe von Leuten die irgendwo abhängen, ich wollte auf Szene Dynamiken aufmerksam machen, die aus meiner Sicht keine langfristige oder hilfreiche Perspektive sind… Und ein bisschen auf möglicherweise fehlende Organisierung und Bewusstsein hinweisen. Dazu mehr am Ende.

Ich hab mich paar mal mit Leuten am Herder ein bisschen ausgetauscht. Mich hat die gewaltvolle Auseinandersetzung (und ihre Nicht-Rezeption auf knack.news) irritiert. Es wurde geschrieben von „aufkleber verteidigt“, aber sonst nüscht weiter, obwohl das Aufkleber verteidigen doch das kleinste Problem war (1). Problematisch ist, wie solche Auseinandersetzungen geführt werden. Dass sich Leute gegenseitig provozieren ist erstmal nix spannendes, aber vielleicht ein Symptom für ein tieferes Problem oder?

Ferner wurde nicht sichtbar gemacht, dass nicht alle palästina-solidarischen Menschen für das Gleiche einstehen, das gilt fast spiegelbildlich für die Menschen im linken, israel-solidarischen Lager. Das sollte der Text: „von lößnig bis nach gaza“ wahrscheinlich auch nicht zum Thema haben, damit ist er aber leider symptomatisch, für dieses elendige Schwarz-Weiß/Freund-Feind Denken.

Als Einzelperson zu etwas aufzurufen ist wahrscheinlich eher murks, es kann nicht viel beitragen, und mein Text war knapp und vage gehalten.

Ich war ehrlich gesagt wütend weil seit dem Hamas Überfall ein großer Teil der öffentlich wahrnehmbaren Szene, in Leipzig und sonstwo in Deutschland, sich einem Lager zuordnet, also entweder israel solidarisch oder palästina solidarisch, und sich dann gegenseitig hasst.

Das ist meiner Ansicht nach eine falsche Herangehensweise, vorallem wenn die Leute, die sich im jeweiligen anderen Lager befinden, nicht in ihrer Vielfalt wahrgenommen – sondern alle als Idioten abgetan werden. Ich hab viele, stundenlange Diskussionen mit Menschen beider Lager gehabt, und da waren selten ernsthaft beschissene Einstellungen dabei, obwohl es sie auch gab, aber eben nicht als krass starke Dynamik. Oft war ein Knackpunkt, dass sich nur im eigenen Kreis ausgetauscht wurde. Es wurde sich zudem nie ernsthaft und gewissenhaft in die Perspektive der „anderen“ Bevölkerung hineinversetzt, was meiner Meinung nach die Basis ist, um etwas Gehaltvolles zum Nah-Ost Konflikt/Krieg sagen zu können. Es wurde sich auch nicht in Perspektiven von Linken hineinversetzt, die eine andere Haltung haben.
Die Motivation der Leute war dabei ironischerweise meistens verständlich und nicht verwerflich z.B.: weder antisemitisch oder rassistisch.

Daher wollte ich vorallem dazu anregen, grade bei dem Thema, Differenzierung und Kontextualisierung zu stärken. Also die Abstufungen der jeweiligen Haltungen zu beleuchten und in den Fokus zu holen. Es gibt viele Leute die auf der Suche sind nach einem Mittelweg zwischen beiden harten Positionen, ein Phänomen, was ein gutes Zeichen ist.

Mir geht ist nicht darum, das war mißverständlich formuliert, in paternalistischer Manier junge Menschen „an die hand zu nehmen“. Es scheint aber, dass sich eben wenig öffentlich geäußert wird, obwohl es organisierte Leute eigentlich könnten.
Auf knack.news gibt es nur zwei mir bekannte Beiträge (2) von Leipziger Autonomen Gruppen
die die Fragen der Bündnispolitik / Organisierung ansprechen. Also in fast 2 Jahren zwei Beiträge von organisierten Gruppen, gespiegelte Beiträge nicht eingerechnet.

Dann gibt es von Leipziger Linken viele ideologie-kritische oder israel-solidarische Beiträge auf knack.news. Das ist, vereinfacht gesagt, eine Perspektive von verschiedenen Möglichen.

Von einer differenzierten „Leipziger Debatte“ auf knack.news zu sprechen ist also doch bisschen Quatsch. Da fehlen ja alle Autonomen, Antifas, Anarchist*innen die sich weder dem einen oder anderen Lager verbunden fühlen. Die sich in die Brennesseln setzen (au! autsch!) und das begründen.

Trotzdem treibt das Thema doch massiv – grade junge Leute – um, und das völlig zurecht, weil dort viele zivile Menschen vom israelischen Militär umgebracht werden. Ohne dass das mit einer notwendigen Verteidigung von einem Staat zu rechtfertigen wäre. Auch weil dazu oft geschwiegen wird, entsteht ein politisches Vakuum, was K-Gruppen füllen.
Eine anti-israelische Ideologie spielt auch eine Rolle, ist aber doch nicht die Hauptursache, dafür, dass sich junge Leute bewegen.

Und weil geschrieben wurde, das sich die Kids trotz Angebote halt nicht für diese interessieren, der Argumentation kann ich teilweise zustimmen, hier eine andere Perspektive zur Ergänzung:
„Wenn dieser Text und andere wirklich die Szenekids erreichen sollen, die ständig ihre Handys dabeihaben, dann sollte er gerade nicht nur auf unseren Szeneplattformen bleiben, sondern muss auf Instagramm und Twitter gespiegelt werden.“ (3) Also möglicherweise lesen die kids gar kein knack.news oder planlos… (die verpassen was! oder?)
In einem anderen Beitrag wird unter anderem: „verpasste Jugendarbeit durch autonome, links-emanzipatorische und anarchistische Zusammenhänge – Visionslosigkeit und Desorganisation von Autonomen, emanzipatorischen Linken und Anarchist*innen“ als Grund des Erstarkens der K-Gruppen angeführt. Und im Fazit: „Eine Neuorientierung der gesellschaftlichen Linken kann insofern nicht in der Bezugnahme auf diese Gruppierungen geschehen, sondern verlangt eine selbstkritische, aber solidarische Auseinandersetzung mit emanzipatorischen Bestrebungen, ein Begreifen der veränderten Bedingungen unserer Zeit, sowie dem Überdenken und Öffnen ihrer Organisationen.“(4)

Eine Einheit der Linken ist natürlich kompletter Quark, darum geht es mir auch überhaupt nicht, nur um Kommunikation, und diese sollte doch immer den Vorrang vor Gewalt haben. Wenigstens als ethischer Anspruch. Wenn es trotzdem knallt – warum dann schweigen?
Und: Mit Schablonenbildern oder sogar Nationalismus zu kommen, ist doch Blödsinn.
Weiterhin ist es Blödsinn Antisemitismus, andere menschenfeindliche Ideologien, problematische Solidaritäten… immer nur bei den Anderen zu suchen.

Sich als Außenstehender, der sich am Rande der Szene bewegt, zu Wort zu melden, kommt schnell wie Klugscheißen rüber. Fragt sich vorallem ob diese Herangehensweise was bewegt. Wohl eher weniger.
Daher wahrscheinlich mit diesem Beitrag das letzte Mal.

(1) https://de.indymedia.org/node/502920 Leipzig: „Von Lößnig bis nach Gaza…!“
https://de.indymedia.org/node/500467 Stellungnahme zu den Geschehnissen vom 22.03.25 am Herderpark

(2) https://knack.news/6975 Zum 7.10.2023
https://knack.news/11574 Positionierung zum 8. März 2024 und feministischer Bündnisarbeit

(3) https://knack.news/7784 Versöhnlich zum nächsten Riot

(4) https://knack.news/11016 Zum Charakter der K-Gruppen als Verfallserscheinung