Bundestagswahl: Schwere Vorwürfe gegen BSW-Spitzenkandidat Machill

Er ist Professor an der Leipziger Uni und seit kurzem sächsischer Spitzenkandidat des BSW für die Bundestagswahl. Nun aber kommen schwere Vorwürfe gegen Marcel Machill auf. Es geht um angeblichen Machtmissbrauch und hohe Reisekosten, finanziert auch von Spendengeldern der Universitätsgesellschaft. Die kündigt eine umfangreiche Prüfung an – denn ihr drohen nun nicht nur Steuernachzahlungen, sondern auch eine Diskussion um die Frage, ob sie gemeinnützig bleiben kann.
Marcel Machill, BSW-Spitzenkandidat in Sachsen, soll Spenden für die Ausbildung von Studierenden für teure Reisen verwendet haben. Zudem soll er als Professor fachlich massiv enttäuscht haben: Von einem Klima der Angst, Machtmissbrauch und einem zerrütteten Verhältnis ist die Rede.
Überraschender Werdegang beim BSW
Machill selbst bestreitet alle Vorwürfe. Bislang war der Journalistik-Professor, der 2002 nach Leipzig kam, politisch nicht in Erscheinung getreten. Im Sommer 2024 trat er dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) bei und nahm dort einen überraschenden Werdegang: Ohne Amt oder Mandat verhandelte er an der Seite von Landeschefin Sabine Zimmermann in den Sondierungen mit CDU und SPD, angeblich als „Chefberater“. Machill sagt, er habe in den Verhandlungen eine tonangebende Rolle gehabt.
In Sachsen platzten die Gespräche, anders als in Brandenburg und Thüringen. Nun will Machill in den Bundestag, ließ sich dafür in Sachsen zum Spitzenkandidaten wählen. Doch die Personalie ruft immer mehr Kritiker auf den Plan, die sich auch öffentlich fragen, ob sie diesem Mann ein Mandat oder gar politische Verantwortung übertragen würden.
Ein angesehener Verein in der Krise
Die Leipziger Universitätsgesellschaft blickt auf eine über 100-jährige Geschichte zurück. Der Verein hat sich die „Förderung von Wissenschaft und Forschung“ an der Universität Leipzig zum Zweck gegeben. Dafür wirbt er Gelder ein, um Projekte zu unterstützen, die aus dem Haushalt der Universität nicht finanziert werden können.
Nun aber sieht sich der Verein einer handfesten Krise gegenüber. Auslöser: Marcel Machill und die Frage, ob Gelder zu Unrecht als Spenden deklariert wurden.
Spenden für „Lehrredaktion“ im Mittelpunkt
Ein vom Verein gefördertes Projekt war die „Lehrredaktion Campus“: Um journalistische Arbeit zu erlernen, gestalteten Studierende journalistische Inhalte, die danach in der Leipziger Volkszeitung (LVZ) veröffentlicht wurden. Später überwies die Zeitung einen hohen vierstelligen Betrag an den Förderverein: „zur Unterstützung der Journalistenausbildung“, wie deren Geschäftsleitung auf Anfrage des MDR betont.
Sobald dieses Geld beim Förderverein eingegangen war, wandte der sich mit einem Formblatt an den Verantwortlichen des jeweiligen Projektkontos – seit 2012: Marcel Machill. Per Unterschrift ließ sich der Verein bestätigen, dass es sich bei dem eingegangenen Geld tatsächlich um Spenden handelte und warnte ausdrücklich: Verstöße könnten zur Versagung der Gemeinnützigkeit für den gesamten Förderverein führen.
Zweifel an Spendenzahlung ohne Gegenleistung
Der Grund: Spende kann nur sein, was unentgeltlich geleistet wurde. Birgit Weitemeyer, Inhaberin des Lehrstuhls für Steuerrecht an der Bucerius Law School: „Die Unentgeltlichkeit fehlt, wenn der ‚Spender‘ eine Gegenleistung des Empfängers erhält. Ein Spendenabzug ist darüber hinaus aber bereits ausgeschlossen, wenn die Zuwendung an den Empfänger unmittelbar und ursächlich mit einem vom Zuwendungsempfänger oder einem Dritten gewährten Vorteil zusammenhängt.“
Und genau daran gibt es erhebliche Zweifel. Ist das, was die Lehrredaktionen der LVZ lieferten, eine Gegenleistung? Immerhin schreibt Machill in seinen Schreiben dorthin über Jahre hinweg von „Produktion“, von „Zulieferung“ und „journalistischen Leistungen“ und von „Honorar für das Kalenderjahr“, das er „in Rechnung“ stelle. Im gleichen Atemzug versicherte er, der Betrag – in der Regel hohe vierstellige Beträge – würde für die Lehrredaktion verwendet und könne darum als Spende abgesetzt werden. Die LVZ bestätigt auf MDR-Anfrage, entsprechende Spendenbescheinigungen erhalten zu haben.
Fragwürdiges Vorgehen des Professors
Ein fragwürdiges Vorgehen des Professors, das für die Leipziger Universitätsgesellschaft in einem Desaster enden könnte: Ihr droht die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die vergangenen zehn Jahre. Der Verein zeigte sich auf MDR-Anfrage überrascht: „Der Verein hat Spenden und deren Verwendung grundsätzlich auf Basis der dem Verein damals vorgelegten Belege bearbeitet“, heißt es. Mit anderen Worten: Auf Machills Bestätigungen habe man sich verlassen. Man werde die Vorgänge „sorgfältig prüfen und sich zu den Fragestellungen mit den beteiligten Institutionen abstimmen“.
Machill sieht keine Schuld bei sich
Eine Prüfung, die auch die Finanzverwaltung interessieren dürfte: Insgesamt geht es nach MDR-Recherchen um 33.500 Euro, bei denen fraglich ist, ob Machill sie zu Unrecht als Spende freigezeichnet hat.
Der ist sich keiner Schuld bewusst: Warum und in welchem Kontext er das Wort „Honorar“ verwendet habe, könne er nicht nachvollziehen. Die Kooperation mit der LVZ sei von seinem Vorgänger begründet worden, möglicherweise habe er einfach eine alte Schreibvorlage weiterverwendet. Eine Gegenleistung habe es da nicht gegeben, so Machill, die Spenden seien allen Lehrredaktionen zugute gekommen.
Eine ganz andere Frage ist, wie Machill mit den Geldern umging, nachdem er 2012 die Verantwortung für das Projektkonto des Fördervereins bekam.
Förderverein erstattet Flüge, Universität die Hotelkosten
In den Belegen, die MDR Investigativ einsehen konnte, findet sich etwa eine Reise nach Südostasien: 2016 fliegt Machill in der Business Class nach Singapur und später weiter nach Kambodscha. Er gibt an, die Reise während eines Forschungssemesters für seinen Forschungsschwerpunkt zu „Lehrredaktionen in internationalen Mediensystemen“ unternommen zu haben.
Mehr als 3.000 Euro lässt er sich für die Flugtickets vom Förderverein erstatten – und damit von jenem Geld, von dem die Leipziger Volkszeitung sagt, sie habe es für die Journalistenausbildung gespendet. Auch die Übernachtungskosten reicht er zur Erstattung ein, jedoch nicht beim Förderverein, sondern als Dienstreise bei der Universität: Für eines der Hotels, ein Fünf-Sterne-Hotel in Singapur, sind sie so hoch, dass die Reisekostenstelle der Universität um gesonderte Freigabe bittet.
Doppelzimmer und Schutzimpfung für Sohn eingereicht
Dass mehrere der eingereichten Hotelrechnungen Zimmer für zwei Personen berechnen, scheint der Reisekostenstelle nicht aufzufallen – was allerdings auffällt: Dass Machill auch Kosten für Schutzimpfungen seines Sohnes einreicht. Die Reisekostenstelle lehnt ab. Machill spricht auf MDR-Anfrage von einem Versehen und davon, dass manche Hotels Rechnungen für Doppelzimmer standardmäßig für zwei Personen ausstellen würden. Weitere Fragen dazu will er nicht beantworten, das tangiere seine Privatsphäre.
Zweifel am Zweck der Reise
Bis heute fragen sich aktuelle wie ehemalige Angehörige der Universität, was Singapur und Kambodscha mit einer Leipziger Lehrredaktion für Lokaljournalismus zu tun hat. Machills Antwort darauf: „Lokaljournalismus heißt nicht, dass alles außerhalb der Stadtmauern ignoriert wird“. Er habe sich Gedanken gemacht, wie man die Lehrredaktionen weiterentwickeln könne. Zudem habe er Austauschmöglichkeiten für Studierende prüfen und weiterentwickeln wollen.
Eine Erklärung, die in Institutskreisen als „absurd“ eingeschätzt wird. Beteiligte können sich weder an Diskussionen erinnern, die Lehrredaktion Campus mit dem südostasiatischen Raum zu vernetzen, noch an entsprechende Austausch-Angebote für Leipziger Studierende.
Fragen zu weiteren Reisen
In den Unterlagen, die MDR Investigativ auswerten konnte, finden sich weitere Abrechnungen, die zumindest Fragen aufwerfen.
So nahm Machill im Sommer 2016 an einem Alumni-Treffen in Berlin teil. Reise- und Unterkunftskosten für das Wochenende lässt er die Universität tragen. Auf MDR-Anfrage erklärt er, die „hochkarätigen Fachvorträge und Diskussionsrunden“ – es ging unter anderem um das Bankensystem – seien für seine Arbeit als Professor für Journalistik relevant gewesen.
Spätsommer 2015: Machill fährt von seinem Wohnsitz in Gütersloh mit dem Auto zu einem Alumni-Treffen der Atlantik-Brücke. Reisekosten für das Wochenende in Berlin lässt er sich vom Förderverein erstatten, die Übernachtungskosten von der Uni. Er habe dort Lehraufträge akquirieren und Kontakte für ein Seminar „Internationaler Journalismus“ knüpfen wollen.
Mit dem Auto nach Paris und dem Flugzeug zurück nach Leipzig
Ein besonders merkwürdiger Vorgang ist datiert auf den Herbst 2014: Da will Machill einen Vortrag in Paris halten. Dem Heinrich-Heine-Haus schlägt er vor, am Freitag mit dem Auto anzureisen, am darauffolgenden Dienstag allerdings per Flugzeug nach Leipzig abzureisen. Aus den Unterlagen geht hervor, dass sich Machill auch für diese Reise Tagegeld von der Uni Leipzig zahlen ließ.
Er habe dort Forschungsarbeiten eingesehen, erklärt er auf MDR-Anfrage, die nur in der dortigen Bibliothek verfügbar seien, das sei wichtig für seine Arbeit als Professor gewesen. Das mit dem Vortrag in Paris zu verbinden sei angemessen und sinnvoll gewesen; das Auto habe er einige Wochen später bei einer Privatreise wieder zurückgefahren.
Förderverein will Machills Reisekosten prüfen
Die Universität Leipzig teilt auf Anfrage mit, alle Dienstreisen seien gewissenhaft geprüft worden, weitere Informationen oder personenbezogene Daten könne man nicht herausgeben. Anders hingegen äußert sich der Förderverein: Man wolle nun auch Machills Reisekosten sorgfältig überprüfen, heißt es von dort.
Doch es gibt noch andere Vorwürfe gegen Machill, jenseits der Fragezeichen beim Thema Geld. Dabei geht es um Machills Umgang mit Mitarbeitenden und sein Auftreten an der Universität. MDR Investigativ liegen mehrere Beschwerdeschreiben aus den Jahren 2011 bis 2018 vor. Manche werfen ihm falsche Aussagen innerhalb und außerhalb der Hochschule vor. In anderen ist von „schwerwiegenden atmosphärischen Störungen in der Abteilung Journalistik“ die Rede.
Absender: „Zusammenarbeit mit Machill eigentlich unmöglich“
Von Machill gehe ein Klima aus, welches sich als „eisig bis feindselig beschreiben“ ließe, eine „konfrontative und aggressive Art der Gesprächsführung“ und eine „angstgeladene Atmosphäre, die geeignet ist, unsere psychische Gesundheit zu beeinträchtigen“. Die Absender schreiben, eine Zusammenarbeit mit Machill sei „eigentlich unmöglich und nur unter größten Anstrengungen und Selbstüberwindung möglich“.
Darüber hinaus beklagen die Absender „ein Führungsvakuum“ in der Abteilung. Mitunter habe man Machill während der Vorlesungszeit wochenlang nicht zu Gesicht bekommen, Sitzungen und Termine würden oft kurzfristig abgesagt.
Machill spricht von „gefrusteten Mitarbeitern“
Machill spricht auf MDR-Anfrage von „Meinungsverschiedenheiten“ und „gefrusteten Mitarbeitern“, die nicht mit ihm zurechtgekommen seien. Zu keinem Zeitpunkt sei ihm von der Universitätsleitung ein nicht korrektes Verhalten gegenüber Mitarbeitern oder Studierenden vorgeworfen oder ein klärendes Gespräch als erforderlich erachtet worden.
Hört man sich im Umfeld ebenjener Universitätsleitung um, gibt es auch andere Töne. Personalangelegenheiten sind vertraulich, offiziell können sich die meisten Personen dazu nicht äußern. Inoffiziell werden manche umso deutlicher. Es fallen Worte wie „dreist“ und „faul“, Machill sei ein „Narzisst“ und „Querulant“, ein „Blender“ und „Mitnehmer“. Ein Insider, der nah dran war, sagt, er habe den Eindruck gehabt, Machill habe bei untergebenen Mitarbeitern und Kollegen ein Klima der Angst erzeugt.
Ein anderer, selbst jahrelang mit Machill befasst, antwortet, manche Professoren würden ihren Ehrgeiz einsetzen, um die Universität voranzubringen, andere wiederum machten geräuschlos und effizient ihren Job. Und dann gebe es Professoren, die immer wieder Probleme machten. Machill habe „nicht zur ersten Gruppe gehört“.
Ein Eindruck, den auch Roger Berger teilt, damals als Dekan Machills Vorgesetzter: „In meiner Amtszeit als Dekan hat mich die Befassung mit Herrn Machills Arbeit wesentlich mehr beschäftigt als die anderer Kolleginnen und Kollegen“, schreibt Berger auf MDR-Anfrage.
Auch die aktuelle Universitätsleitung musste sich erst jüngst mit Machill befassen. Denn das BSW hatte Mitte Januar unerlaubt eine Parteiveranstaltung in Machills Büro abgehalten. Das bestätigten Stadt und Universität Leipzig dem MDR auf Anfrage. Die Universitätsleitung zeigte sich auf MDR-Anfrage „sehr verärgert“. Uni-Sprecher Carsten Heckmann erklärte, die Veranstaltung sei weder angefragt gewesen, noch hätte man ihr zugestimmt. Die Universität habe eine Neutralitätspflicht und eine Hausordnung, die Rektorin habe Professor Machill darauf „deutlich hingewiesen“.
Machill, der seit 2002 an der Uni Leipzig ist, hatte sich erst nach einer entsprechenden Anfrage des MDR an die Rektorin gewandt. Er erklärte, die Anmeldung sei „in der allgemeinen Hektik“ versäumt worden. Er habe angeboten, Mietkosten nachträglich zu erstatten.
Dabei galt Machill bei seiner Berufung als talentiert, gut vernetzt und intelligent. Er sollte die Leipziger Journalistik auffrischen. „Ich habe Herrn Machill als Professor wahrgenommen, der mit großem Potential und entsprechenden Hoffnungen der Fakultät berufen wurde“, erinnert sich Beate Schücking, ehemalige Rektorin der Universität. „Doch ein Engagement in und für die Uni Leipzig, messbar an gemeinsamen Projekten, Anträgen mit Kollegen vor Ort, war leider kaum sichtbar“, so Schücking weiter. Sie wundere sich deshalb, dass Machill nun für Leipzig kandidiere.
Nur eine zweiseitige Buchbesprechung seit 2014 vermerkt
Nicht nur als Kollege, auch als Wissenschaftler scheint Machill in ihn gesteckte Erwartungen enttäuscht zu haben. „Er hat wenig publiziert im Vergleich zu Kollegen“, sagt die ehemalige Uni-Rektorin Beate Schücking. Und tatsächlich ist auf Machills Universitäts-Profil seit 2014 lediglich eine Buchbesprechung vermerkt, Umfang: zwei Seiten. Auch betreute Doktorarbeiten, Auszeichnungen oder größere Forschungsprojekte, für die Machill Drittmittel eingeworben haben könnte, sucht man vergebens. In der Projektdatenbank der Deutschen Forschungsgemeinschaft taucht er gar nicht auf.
Machill antwortet auf MDR-Anfrage, seine Berufungsvereinbarung sehe keine Verpflichtung zu Veröffentlichungen vor. Er habe aufgrund anderer Verpflichtungen keine Kapazitäten gehabt, mittlerweile seien ihm andere Formate wichtiger geworden als Fachartikel.
Mitglied der Berufungskommission bereut Entscheidung
Rüdiger Steinmetz überzeugt das nicht. Er war Professor am gleichen Institut wie Machill und Mitglied jener Berufungskommission, die Machill nach Leipzig holte. Heute bereut er das: „Kurze Zeit, nachdem er berufen war, zeigte sich, dass sich nicht verwirklicht hat, was er so angedeutet hat. Und es machte sich eine große Enttäuschung zunächst bei mir, aber dann auch bei vielen anderen Kolleginnen und Kollegen am Institut breit“, so Steinmetz im Interview mit dem MDR. Für ihn ist Machill ein „Blender“.
Spätestens ab 2010, als Machill die Leitung der Abteilung Journalistik übernahm, kam es zunehmend zu Konflikten mit Mitarbeitenden wie mit Studierenden. Hohe Wellen schlug ein Streit mit Studierenden, nachdem Machill einen Studenten abgemahnt hatte, der sein Buch für andere Studierende, die es zur Prüfungsvorbereitung brauchten, unerlaubt kopiert und verbreitet hatte.
Streit um Reform der Journalistik zwischen Machill und Uni-Leitung
Steinmetz war auch dabei, als der Konflikt mit Machill seinen Höhepunkt erreichte. Die Journalistik an der Uni Leipzig sollte ab 2017 reformiert werden, auch aufgrund von massiver Kritik durch Studierende. Den neuen Kurs, sagt Machill, habe er falsch gefunden. „Deshalb habe ich mich geweigert, an dieser Reform mitzuwirken“ – eine Weigerung, die offenbar recht umfangreich war.
Es soll zu einer verbalen Auseinandersetzung mit dem damaligen Dekan Roger Berger während einer Sitzung der Reformkommission gekommen sein. Menschen, die damals im Raum waren, erinnern sich, Berger habe Machill irgendwann aufgefordert, den Raum zu verlassen. Der aber soll sich geweigert haben. Berger habe sich körperlich vor Machill aufbauen müssen, damit dieser den Raum verließ. Machill bestreitet das.
Zugriff auf Mitarbeiter und Konto entzogen
Irgendwann, so berichten es übereinstimmend mehrere Quellen, habe man Machill „entmachten“ müssen. Heute hat Machill weder ein Sekretariat noch Mitarbeiter. Der Zugriff auf die Projektkonten wurden ihm entzogen. Obwohl er Professor für Journalistik ist, unterrichtet er zwar in den Medienwissenschaften, im Journalistik-Masterstudiengang lässt man ihn jedoch gar nicht mehr unterrichten. „Seit etwa zehn Jahren ist er quasi ein Herrscher ohne Reich“, sagt Rüdiger Steinmetz.
Machill erinnert sich ganz anders an diese Zeit. Dem Dekanat sei es nicht um eine ergebnisoffene Diskussion über eine Neuausrichtung der Leipziger Journalistik gegangen, sondern „um eine Zerschlagung der vollständigen Journalistenausbildung“. Dagegen habe er protestiert. In der Folge habe man ihm Mitarbeiter und Mittel entzogen.
Ehemalige Studierende bringen weiteren Vorgang ins Spiel
Bis heute erinnern sich ehemalige Studierende an diese Zeit als chaotisch. Sie litten unter der Fehde, fühlten sich als Spielball. Ruft man einige von ihnen an, kommt schnell noch ein ganz anderer Vorgang zur Sprache: Machill soll als Professor um 2004 herum ein Verhältnis mit einer Studentin gehabt haben. Just diese Studentin habe damals eines der begehrten und raren Volontariate beim Westdeutschen Rundfunk erhalten.
Zu den Vorgängen befragt, antwortet Machill lediglich, über die Vergabe der Volontariate habe eine Kommission entschieden, nicht eine einzelne Person, er selbst habe die Organisation des Verfahrens erst 2010 übernommen.
„Frau Rahimi“ springt Machill bei
Machill wehrt sich gegen die Anwürfe, auch wenn er für seine Darstellungen keine Belege übergeben wollte – und bekommt im Verlauf der Recherche Unterstützung. Überraschend meldet sich eine undurchsichtige Beraterin, die sich auch auf mehrfache Nachfrage nur als „Frau Rahimi“ vorstellt, partout weder Vorname noch Funktion nennen will, aber bei einem später vereinbarten vertraulichen Gespräch, aus dem nicht zitiert werden darf, immer dann reingrätscht, wenn es allzu kritisch wird.
Machill gilt weiter als unbescholten
Zum ganzen Bild gehört allerdings auch: Machill wurde bislang weder personal- noch disziplinar- oder gar strafrechtlich belangt. Eine anonyme Strafanzeige aus dem November 2024 hat die Staatsanwaltschaft Leipzig nicht weiter verfolgt. Ob die Unterlagen, die der MDR auswerten konnte, dort auch vorlagen, ist nicht bekannt.
Formal gesehen ist Machill also unbescholten. Aber reicht das, um sich glaubwürdig um Vertrauen für ein Mandat und politische Verantwortung zu bewerben? Von den Menschen, mit denen MDR Investigativ für diese Recherche sprechen konnte, beantwortete niemand diese Frage mit Ja – das sei weniger eine juristische, sondern eine ethische, moralische und vor allem charakterliche Frage, so das einhellige Urteil.
Transparenz-Hinweis: Die Autoren haben selbst am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, an der Abteilung Journalistik und teilweise bei Professor Machill studiert.