Aber sagt uns nicht wie wir mit dieser Scheiße umzugehen haben

Dieser Text ist entstanden, weil wir uns von einer auf knack.news veröffentlichten Darstellung übersehen gefühlt haben und wir es politisch wichtig finden diese nicht unkommentiert stehen zu lassen. Unter dem Titel „Kritik am Umgang mit der EKG und dem nahen Umfeld des Täters im Fall Monis Rache“ wird der Umgang mit der sogenannten Erstkenntnisgruppe (EKG) des Täters der Vorfälle auf dem Festival „Monis Rache“ beanstandet.

Wir, das sind Leute aus dem damaligen Dunstkreis der EKG: Ehemalige Freund*innen, Mitbewohner*innen und Genoss*innen. Uns ist es ein Anliegen neben einigen Richtigstellungen auch Raum für unsere Perspektiven zu nehmen. Wir sehen uns nach oben genannterVeröffentlichung gezwungen auch unsere Arbeit von damals zu wiederholen und Transparenz herzustellen. Wir haben schon damals Statements verfasst und wurden von nahestehenden Menschen immer wieder aufgefordert uns zu äußern. Im Folgenden finden sich immer wieder kursiv gesetzte Zitate von einigen von uns, die unsere subjektive Sicht der Dinge schildern.

Die Fragen rund um Täterschaft, Aufarbeitung und Ausschluss, die hier konkret verhandelt werden, gehen aber weit über dieses Beispiel hinaus. Es sind größere Fragen, die die Szene immer wieder beschäftigen, weshalb wir es wichtig finden uns auch nach fünf Jahren damit auseinander zu setzen und den Text nicht unkommentiert stehen zu lassen.

Inzwischen ist es über fünf Jahre her, dass den Leuten aus der EKG bekannt geworden ist, was sie Betroffenen und Bekannten des Täters zunächst verschwiegen haben. Seither ist nach unserer Auffassung keine hinreichende Aufarbeitung geschehen. Das Verhalten das von der EKG an Tag gelegt wird, zeigt uns, dass die Aufarbeitung nicht dem entspricht, was wir dahingehend erwarten würden. Um jedoch den Gesamtkontext nicht aus dem Blick zu verlieren wollen wir eine Übersicht der Vorfälle geben. Uns ist es wichtig, chronologisch die Ereignisse zu sortieren, um zu zeigen, dass es viele Momente gab, in denen sich sehr bewusst für bestimmtes Verhalten entschieden wurde. Wir wollen aufzeigen, an welchen Punkten die EKG überall Verantwortung hätte übernehmen können, und unserer Meinung nach müssen. Es gibt Unterschiede im Verhalten der einzelnen Personen der EKG. Hier sprechen wir aber von der EKG als Ganzes, genau wie in „Kritik am Umgang mit der EKG“. Unsere erste Kritik an diesem Beitrag bezieht sich auf die Nicht-Darstellung der Vorfälle: Es ist ein Problem, dass schon so viel Zeit vergangen ist und viele von den Menschen die dies lesen also gar nicht genau wissen worum es geht. Außerdem wurde von Anfang an ohne Transparenz gehandelt. Hier werden die Fehler der EKG wiederholt: Es wird an den Bedürfnissen von Betroffenen und anderweitig Involvierten vorbei entschieden, welche Form und welcher Grad der Auseinandersetzung genügt, um von Aufarbeitung zu sprechen.

Auf dem „Monis Rache“ Festival wurden mindestens in den Jahren 2016 und 2018 versteckte nicht- konsensuelle Videoaufnahmen von Menschen in einem Dixi- Klo gemacht. Einige dieser Aufnahmen wurden daraufhin im Internet zur Verfügung gestellt und weitere zum Kauf angeboten. In die Ecke gedrängt durch eine bevorstehende Veröffentlichung seiner Taten, offenbarte der Täter sich im Herbst 2019 zwei nahestehenden Personen. Diese schlossen sich mit einem Arbeitskreis des Monis Rache Festivals zusammen, der vorher schon zusammengekommen war, um eine Anfrage der Journalistin P. Schlosser zu bearbeiten, in der es um diese Taten geht. In dieser Konstellation, erweitert durch noch ein paar mehr Menschen, die Bescheid wussten (genannt Erstkenntnisgruppe, EKG), wurde in den folgenden Monaten ein Umgang mit der Situation und dem Täter gefunden, der nicht aus einem Text, der die Rehabilitierung von Teilen der EKG verlangt, raus gehalten werden darf. Die Gruppe entschied sich dazu die Taten nicht zu veröffentlichen, sondern erarbeitete einen dilettantischen Umgang mit dem Täter mit Fokus auf dessen Rehabilitierung. Sicherlich auch genährt von Schlossers Sensationsheischerei begleiteten Teile der EKG den Täter zu einem Interview für die geplante Dokumentation, als vermeintliche Auflage im Verantwortungsübernahmeprozess des Täters. Sie erlegten dem Täter ein Kontaktverbot für sexuelle Kontakte auf, welches von ihm hintergangen wurde. Diese Kontakte fanden auch im Nahumfeld der EKG statt (Der Täter war Teil der sex-positiven Szene in Leipzig). Die Menschen der EKG scheuten sich jedoch nicht den Täter wie eh und je in kollektiven Räumen, wie etwa bei Barschichten oder im Wohnprojekt einzuspannen. Aufkommende kritische Impulse innerhalb der EKG wurden abgeschmettert.

Einige Vorwürfe an die EKG sind:

– Trotz aufgedeckter Lügen des Täters wurde immer noch daran fest gehalten, mit ihm zusammen zu arbeiten.

– Trotz Hinweis auf Fehlverhalten von Einzelpersonen an die EKG Gruppe wurde über Wochen weiter am „Aufarbeitungsprozess“ festgehalten.

– Es wurde krasser Täterschutz betrieben und Mitbewohner*innen, sowie das nahe Umfeld und andere Betroffene in Unkenntnis der Situation dem Kontakt mit dem Täter ausgesetzt, z.B. wurde er nach wie vor in Räume und zu Partys mitgenommen.

– Es wurden schamlose, unverhohlene und manipulative Gespräche mit nahestehenden Personen geführt, ohne die wahren Beweggründe transparent zu machen, sodass Situationen im Nachhinein in einem ganz anderen Licht erscheinen (darunter fallen Spendenanfrage mit denen der Täter Wiedergutmachungszahlungen hätte vornehmen sollen; Versuche verbindende Situationen herzustellen, wie gemeinsame Barschichten mit dem Täter usw.)

Ich fühle mich nicht als Betroffene von dem Schwein, das damals auf dem Festival Monis Rache gefilmt hat. Ich bin mir relativ sicher nicht auf den Aufnahmen zu sein. Doch war ich mit den Leuten verbunden. Mit dem Täter und auch einigen der EKG und sie haben es mir nicht erzählt. Sie wussten, dass er Menschen auf der Toilette gefilmt hatte. Als der Täter sich seinem nahem Umfeld stellt, frage ich Menschen wie es ihnen damit geht. Auch Menschen aus der EKG. Später erfahre ich, sie wussten Bescheid.“

Ein weiterer Vertrauensbruch


“Wir sind nicht in erster Instanz von der sexualisierten Gewalt betroffen , sondern quasi in zweiter… oder sowas. Nicht die Filme an sich, sondern das Verhalten der EKG diesbezüglich hat uns betroffen gemacht.”

Es wurde zum zweiten Mal ein Community Accountibility Prozess falsch umgesetzt. Wieder entscheiden nicht die Betroffenen was zu tun ist, wie eine Aufarbeitung aussieht und wann diese abgeschlossen ist. Die EKG hat nun mehrere Jahre lang verpasst dieses Scheißverhalten gut aufzuarbeiten, Gespräche anzubieten, sich zu entschuldigen und vorsichtig und achtsam in Räume zurück zu kehren. Es sind wir, die regelmäßig Partys und Veranstaltungen verlassen, da Leute der EKG sich dort sehr unachtsam bewegen.

Warum wurde von Seiten der EKG kein persönlicher Kontakt zu den ehemaligen Mitbewohner*innen oder anderen aus dem Dunstkreis aufgebaut? Generell wird oft die Situation der Menschen, die mit der EKG und dem Täter in einem Kollektiv zusammen gewohnt haben nicht erwähnt. Eine andere Betroffenengruppe sind die Personen, welche im Unwissen der Situation weiter intim mit dem Täter waren und nicht gewarnt worden sind. So hat die EKG z.B. dabei zugeguckt, wie der Täter mit Leuten flirtete und was mit Leuten hatte, die nicht informiert wurden.

Wir als ehemaliges nahes Umfeld sehen eine Aufarbeitungs- und Verantwortungsübernahme mit Beiträgen im Internet nicht als ausreichend an. Wir fühlen uns nach wie vor weder gesehen noch gehört und jetzt noch übergangen.

Ein Statement von 7 Personen (von denen mindestens 4 keinen Bezug zu mir haben) [bezieht sich auf https://oeffentlichkeitsarbeit-ekg.blogspot.com] mit der Aufforderung sich zu melden, wenn man Teil der Aufarbeitung sein möchte, ist nicht der richtige Weg ehemals nahestehende Personen anzusprechen, auch dann nicht wenn man verunsichert ist.”

Angebracht wäre gewesen, persönlich auf uns zuzugehen. Bis auf eine einzige Ausnahme, gab es weder eine persönliche Entschuldigung, noch ein Nachfragen im Nahumfeld und in der Hausgruppe, in der einige Menschen der EKG gewohnt haben, was gebraucht würde um Vertrauen wieder herzustellen, geschweige denn eine Auseinandersetzung. Im Gegenteil gingen sogar Leute von uns auf Leute von der EKG zu und baten um Gespräche, woraufhin nie etwas kam.

Die Gruppendynamik der EKG steht dabei nicht im luftleeren Raum. Zuvor gab es in Teilen schon unsolidarisches und ausgrenzendes Verhalten. Fehlverhalten und mangelnde Transparenz kann daher nicht nur/ nicht bei allen Personen mit Abhängigkeit vom Täter erklärt werden.

Es gibt Verständnis dafür, dass EKG Leute auch betroffen sind und es für alle eine schlimme und überfordernde Situation war. Trotzdem gab es viele Momente über einen langen Zeitraum, in der Kritik an sie ran getragen wurde, in denen sich alle hätten anders entscheiden können, es aber nicht gemacht haben und viele Menschen verletzt haben – und dafür muss Verantwortung übernommen werden. Wir wissen um die extrem schweren Rollen, in die Einzelne aus der EKG geraten sind.

Betroffenheit schützt aber nicht vor der Verantwortungsübernahme bei eigenem Fehlverhalten, wenn Leute von der EKG ihre Machtposition ausnutzen um eigene Interessen (auch welche, die durch Betroffenheit und Abhängigkeiten aufkommen) gegenüber Menschen in ihren Kreisen durchsetzen. Diese Machtposition hatten einige in ihrer Wohngruppe, in ihrem Betätigungsfeld was ich mal als „Veranstaltungen in Leipzig organisieren“ umschreiben würde und bei Monis Rache. Ich möchte die schwierige Position dieser Menschen nicht negieren, sondern diese um das Feld der eigenen Täterschaft oder vielleicht treffender ausgedrückt: der Verletzungen, die sie anderen zusätzlich zugefügt haben, erweitern.“

Unter diesen nahen Personen haben sich Leute ja auch unterschiedlich verhalten: vor, während und nach den Vorfällen. Die Leute in der EKG hatten unterschiedliche Positionen in Kollektiven und Kontexten. Und wenn die „Faktoren, die die Öffentlichkeit nicht kennt“ zur Sprache kommen: die gibt es auch bezüglich Machtposition vor und während (und zum Glück nicht mehr nach) den Vorfällen, die Teile der EKG innehatten. Natürlich begegnen wir ihnen unterschiedlich. „Es gibt keinen Grund, nahen Freund*innen von H. zu unterstellen, dass sie für andere eine Gefahr darstellen, die sich aus der Beziehung zu H. ergibt“ heißt es in „Kritik am Umgang mit der EKG.“ Es gibt durch das Geschehene und die Nicht-Abgrenzung gegenüber dem Täter aber Gründe, das Vertrauen gegenüber diesen Leuten grundlegend in Frage zu stellen. Und solange nicht sichtbar ist, dass an einer Wiederherstellung dieses Vertrauens gearbeitet wird, kann auch keine schnelle Rehabilitierung gefordert werden.

Ich habe keine persönliche Entschuldigung und kein Gesprächsangebot von relevanten Leuten der EKG bekommen. Sie scheinen keine Notwendigkeit gesehen zu haben, mir als Teil ihres ehemaligen direkten Umfelds Mitbestimmung über die Konditionen ihrer vermeintlichen Aufarbeitung zu geben. Nun begeben sie sich, als wäre nichts gewesen, wieder in verschiedene Räume. Sie haben genau wie bei dem ursprünglichen Fall selber bestimmt was als Aufarbeitung gilt.”

Die EKG schreibt über ihre Supervision: „Uns wurde damals angeraten, diese Situation zu akzeptieren und sich lieber mit Care- und Trauerarbeit über verlorene Beziehungen zu beschäftigen.“ (https://oeffentlichkeitsarbeit-ekg.blogspot.com) Nehmt euch das zu Herzen. Die Veröffentlichung „Kritik am Umgang mit der EKG“ wirkt so, als sollten wir wieder mit ihnen klarkommen. Aber es gibt die Beziehungsebene zwischen uns nicht mehr und wir möchten diese auch nicht mehr. Dann wäre es eher angebracht zu akzeptieren, dass es von uns unter diesen Umständen kein freundliches Hallo gibt. Das Verhalten von einzelnen EKGler*innen hat einen dauerhaften Vertrauensverlust hervorgerufen und dies ist zu akzeptieren.

Sie müssen sich im Klaren darüber sein, dass ich Räume verlasse, in denen sie auftauchen. Die Zeit für Mitgefühl ist seit etwa zwei Jahren vorbei, mein solidarischer Umgang mit diesen Personen ist, das ich sie, so gut es geht, ignoriere.”

Ehemals nahestehende Menschen der EKG meiden Festivals, Veranstaltungen und Räume, um Begegnungen zu vermeiden. Und auch um zu vermeiden, dass Verletzungen erneut hochkommen. Ist das nicht eigentlich falsch herum? In der Veröffentlichung, auf die wir hier reagieren, wird von den Verfasser*innen nach mehr Platz in Räumen für die EKG gefordert. Dabei werden etliche andere Perspektiven und Betroffenheiten übersehen. Gleichzeitig wird uns dort vorgeworfen, wir würden Betroffenheiten nicht sehen. Darüber hinaus gehen Teile EKG auf Veranstaltungennicht vorsichtig in Begegnung: Sie werden als provozierend, sehr präsent und räumlich zu nah erlebt. Zudem begeben sich einige in Positionen, in denen eine Kontaktvermeidung auf Veranstaltungen schwierig ist, wie z.B. Barschichten.

Ich finde die Leute ignorant und unsolidarisch und will sie nicht sehen. Wenn ich sie doch sehen muss, bin ich unfreundlich.“

Weiterhin wird dort behauptet, das Argument des „Triggers“ würde benutzt, um den Diskurs zu beenden und der „Triggermoment“ dürfe nicht für immer herangezogen werden. Hier wird antifeministische Rhetorik bedient und reproduziert und erkämpfte Standards in der Solidaritätsarbeit mit Betroffenen sexualisierter Gewalt in Frage gestellt. Das Argument, Menschen seien „selbst für ihre Trigger verantwortlich“ ist extrem verkürzt und lässt wiederum die Verantwortungsübernahme der Täter*innen komplett außer Acht. Es wird auch runter gespielt, dass es tatsächlich traumatisierend war und es für viele von uns nichts mehr wie vorher ist. Es für uns ein „Davor und Danach“ gibt. Manche von uns haben es geschafft an ihren ehemals geteilten Wohnräumen wohnen zu bleiben, manche nicht. Manche mussten sich selbst in Therapie begeben. Das alles hat uns wahnsinnig viel Energie gekostet.

An die EKG und die Verfasser*in des Textes: Akzeptiert, dass es Menschen gibt, die nichts mehr mit euch zu tun haben wollen. Findet euch damit ab, dass ihr die Verantwortung dafür tragt. Natürlich können sich alle gern reflektieren und überlegen, ob sie projizieren, ob empfundene Wut und Verletzung angemessen ist. Sowieso. Immer. Aber sagt uns nicht, wie wir mit dieser Scheiße umzugehen haben.

Ausführliche Chroniken gibt es auf https://monisrache.wtf/ und eine Selbstdarstellung des Personenkreises, der vorab Bescheid wusste auf https://oeffentlichkeitsarbeit-ekg.blogspot.com.