Kritik am Umgang mit der EKG und dem nahen Umfeld des Täters im Fall Monis Rache

Der Umgang, den wir unten beschreiben, der im Zusammenhang mit den Vorfällen auf Monis Rache an den Tag gelegt wurde, ist weder feministisch noch betroffenenorientiert, sondern schädlich und wenig zielführend.

Mit diesem Text möchten wir eine andere Perspektive für Menschen aus der EKG und nahen Personen von H. eröffnen. Wir kritisieren die harten und in vielen Teilen immernoch anhaltenden Sanktionen gegenüber diesen Personen.

Disclaimer: der Text ist nicht von Menschen aus der sog. EKG (Erstkenntnisgeruppe) geschrieben worden und wir wollen auch nicht für alle von ihnen sprechen, da es keine einheitliche Gruppe ist und wir nicht alle Perspektiven kennen.

Hier sollen nicht noch einmal die ganzen Zusammenhänge der Vorfälle von Monis Rache beleuchtet werden, da wir davon ausgehen, dass dies den meisten Leuten bekannt ist. Uns geht es um den Umgang mit Menschen, welche die Taten selbst nicht begangen haben und selbst in schwierigen und komplexen, weil nahen und teilweise abhängigen Verhältnissen gegenüber dem Täter standen. Wir kritisieren den schroffen, oft empathielosen Umgang mit der sog. EKG und anderen nahen Menschen von H. und wünschen uns, dass hier noch einmal hingeschaut wird – nicht nur auf den Umgang an sich, sondern jede Person bei sich selbst. Denn nur beim kritischen Hinterfragen kommen wir dazu, unsere legitimen Motive und Emotionen zu verstehen, Wut zu fühlen und auszudrücken und dennoch einen solidarischen Umgang mit unseren Mitmenschen zu finden. Der ist notwendig, denn wir alle kennen Täter*innen, sind mit ihnen eng verbunden oder sind sogar selbst welche, auch wenn wir in der linken Szene gern so tun, als wäre das nicht der Fall. Viele Menschen tun auch so, als hätten sie
besser gewusst, was zu tun gewesen wäre und verurteilen aufgrund dieser Annahme die Menschen aus der EKG. Die Wahrheit ist, wir können nicht wissen, ob wir wirklich besser gehandelt hätten, weil es dafür zu viele Faktoren gibt. In diesem Fall existieren auch viele Faktoren, die die Öffentlichkeit nicht kennt. Es wäre zu viel verlangt, dass Leute aus der EKG oder andere nahe Personen alle ihre persönlichen Umstände veröffentlichen, damit andere Menschen mehr Verständnis für das Handeln
einzelner Personen aufbringen können. Aber Verständnis ist wichtig für einen fehlerfreundlichen Umgang, denn nur so lernen wir daraus und trauen uns, Fehler zu haben und Fehler zu machen.

Die EKG hat versucht, eigenständig und erst mal ohne Einbezug der (potentiell) Betroffenen und einer größeren Öffentlichkeit eine Aufarbeitung zu starten, und das war falsch. Unabhängig davon darf die besondere Situation für Menschen aus dem nahen Umfeld nicht ignoriert werden, denn sie ist sehr belastend und aufwühlend. Dennoch hat die EKG viel Arbeit in die Aufarbeiung der Vorfälle gesteckt, wie beispielsweise aus dem sehr langen Statement auf https://oeffentlichkeitsarbeit-ekg.blogspot.com hervorgeht. Wir sind der Meinung, dass Leute, die aktiv Aufarbeitungs- und
Therapieprozesse eingehen und auch dranbleiben, nicht dauerhaft ausgeschlossen und sanktioniert werden dürfen. Vor allem, wenn es nicht um die Täter*innen selbst geht!

Für die Perspektive und die Mehrfachbetroffenheit anderer naher Bezugspersonen von H. wurde ebenfalls zu wenig Mitgefühl aufgebracht. Schlimmer: ihre Betroffenheit wurde ihnen aberkannt und damit auch Solidarität und Schutz entzogen. Generell scheint es in dieser Situation unschuldigebBetroffene zu geben, die schützenswert sind und schuldige Betroffene (nahe Bezugspersonen von H. und die EKG), die sanktioniert gehören und bei denen es in Ordnung zu sein scheint, absurde Forderungen zu stellen, sie zu mobben und auszuschließen.

Dass zwischenmenschliche Beziehungen eng, liebevoll aber eben auch missbräuchlich und manipulativ sein können, muss eigentlich nicht erwähnt werden. Nicht nur in romantischen Beziehungen, sondern auch in Freund*innenschaften. Wir gehen davon aus, dass H. sich in vielen Kontexten wiederholt manipulativ und dominant verhalten hat. Deshalb ist davon auszugehen, dass sowohl seine Beziehungspersonen als auch Freund*innen von ihm manipuliert wurden. Das ist keine Entschuldigung für das Verhalten der EKG, sollte unserer Meinung nach aber bedacht werden, denn die Zerissenheit und die schwere Situation der nahen Beziehungspersonen wurde unter dem
Argument des Täterschutzes verdrängt.

Es ist wichtig, zu lernen, sich von Menschen abzugrenzen, die einem nicht gut tun, aber es sollten auch die Mechanismen in Abhängigkeitsverhältnissen beachtet werden, die solche Beziehungsdynamiken hervorbringen können. Menschen landen nicht durch Zufall in manipulativen und gewaltvollen Beziehungen, sondern sie haben damit eine Vorgeschichte. Diese muss erst (therapeutisch) bearbeitet werden, damit jene Mechanismen aufgelöst werden können. Demnach kann auch eine Beziehung, wie gewaltvoll sie auch sein mag, nicht einfach aufgelöst werden. Wo bleibt das Mitgefühl für die Historie von Menschen und den schweren Weg, den Leute gehen müssen, um sich daraus zu befreien? Warum wird einfach die Moralschablone auf die Situationen angelegt und erwartet, dass alle daran entlang schneiden?

Für einige Menschen mag ein plötzlicher und endgültiger Kontaktabbruch funktionieren und ein wichtiger Ausdruck von Wut und Abgrenzung sein, für andere kann sich plötzlich von einem Freund trennen zu müssen schlimme Folgen haben, die neben dem Schock über die Taten noch zusätzlich verarbeitet werden müssen.

Aus der Perspektive von nahen Freund*innen scheint es nur menschlich, dass man zu erst von den Tatsachen überwältigt ist. Ebenso, dass man enge Freunde vor den Angriffen der Öffentlichkeit schützen möchte – denn wahrscheinlich war abzusehen, dass einige Leute Selbstjustiz verüben wollen und so war es ja auch.

Es enstand nicht nur eine Mobmentalität dem Täter gegenüber, sondern auch den nahen Menschen von H. und nahm ein komplett absurdes Ausmaß an.

Eine unschuldige Person, die für H. gehalten wurde, wurde krankenhausreif geschlagen, Männergruppen sahen sich berufen, den Feminismus mit Fäusten zu verteidigen, einige Bezugspersonen von H. wurden erpresst, ihren Wohnort zu verlassen, Wohnungs- und Jobsuchen wurden und werden gestört, abgesehen von den vielen Beleidigungen, kleineren körperlichen Angriffen und verachtungsvollen Blicken auf der Straße und auf Veranstaltungen.

Das alles hat zu zusätzlichem großem psychischem Leid geführt und wir fragen uns, ob das wirklich die Art ist, wie wir mit solchen komplexen Fällen patriarchaler Gewalt umgehen wollen. Wer definiert Betroffenheit und warum wird nahen Menschen von H. die (Mehrfach-)Betroffenheit abgesprochen?

Eine Möglichkeit ist, dass es nicht nur um die Umstände der Vorfälle an sich ging, sondern hier persönliche und politische Ebenen vermischt wurden – denn die Personen bekamen unterschiedlich harte Sanktionen. Teilweise dauern diese noch bis heute an, teilweise konnten sich die Menschen rehabilitieren. Warum wird hier so unterschiedlich mit den einzelnen Personen umgegangen? Wir fordern euch auf, zu hinterfragen, welche Sanktionen und Handlungen aus persönlichen Problemen mit und aus Abneigung gegenüber einzelnen Leuten des nahen Umfelds hervorgehen und welche
tatsächlich den Vorfällen gerecht werden.

Es gibt keinen Grund, nahen Freund*innen von H. zu unterstellen, dass sie für andere eine Gefahr darstellen, die sich aus der Beziehung zu H. ergibt. Vor allem nicht nach mehr als 4 Jahren und einiges an Aufarbeitung. Daher gibt es keine Grundlage, Menschen weiterhin von Orten auszuschließen, denn auch das Argument des Triggermoments kann nicht für immer herangezogen werden. Denn zum einen wird das Wort Trigger oft viel zu schnell verwendet, um auch weniger ernste Situationen
zu benennen.

Damit sagen wir nicht, dass es keine Triggermomente im Zusammenhang mit den Vorfällen gibt, nur dass es wichtig ist, das Wort Trigger nicht als Mittel zu verwenden, um den Diskurs zu beenden. Zum anderen sind Menschen vor allem selbst für ihre Trigger verantwortlich. Natürlich ist es wichtig, dass das Umfeld dafür sensibilisiert wird, sofern es davon weiß, aber das Wort darf nicht als rote Linie
verwendet werden, um Menschen auszuschließen.

Abschließend wollen wir zusammenfassen, wie Betroffenenorientiertheit aussehen sollte:
Betroffenen Glauben schenken, in einem angemessenen Rahmen Schutz anbieten und ihren Umgang mit Wut, Trauer und Ohnmacht unterstützen.
Aber ebenso eine Perspektive haben für die diversen Formen von Betroffenheit, Mitgefühl aufbringen für die Komplexität von Situationen und Chancen auf Rehabilitierung nicht komplett verunmöglichen.

Betroffenorientiertheit heißt NICHT: Alles, was Betroffene wollen, wird gemacht. Ebenso bedeutet das nicht, dass jegliche Gewalt(-androhungen) durch die Vorfälle gerechtfertigt sind und nicht hinterfragt werden müssen.

Die Tragweite, Verhältnismäßigkeit und Dauer sowie der Sinn von Sanktionen sollten besser reflektiert werden.
Eine Aufarbeitung auch im Sinne von Arbeit mit der EKG ist notwendig und wäre eine logische Reaktin auf den Aufarbeitungsprozess, welchen die EKG angestrebt hat.
Es benötigt ein wohlwollendes miteinander, vor allem unter potenziell Betroffenen oder mehrfach Betroffenen. Ein antizipieren von schlimmen Absichten, nur weil bei einer Person Kontakt zur EKG besteht, ist nicht solidarisch.

Die Menschlichkeit der Personen aus der EKG und dem nahen Umfeld muss respektiert werden und die Folgen einer deutschlandweiten Cancellung und dem dauerhaften Ausschluss von Orten und Strukturen sollte hinterfragt werden.

Fragt euch selbst, wie es sich anfühlen würde, wenn ihr in dieser Situation gewesen wärt, ein Freund von euch erzählt euch diese Geschichte und ihr gebt euer Bestes, das aber nicht gut genug war. Ihr versucht, dafür grade zu stehen, aber ihr verliert alles, dürft euch nicht darüber beklagen, wie mit euch umgegangen wird und müsst akzeptieren, dass Menschen euch für immer ausschließen und verachten wollen. Ist das dann gerechtfertigte Gewalt und fühlen wir uns wirklich dadurch besser, dass wir andere so leiden lassen?

Wir wünschen uns, dass dieser Text von vielen Menschen gelesen und ernst genommen wird. Wir wünschen uns, dass respektiert wird, dass alle anderen sehr lange sehr laut zu hören waren und dass dieser Text ein Moment ist für die, die auf andere Weise unter den Vorfällen gelitten haben.

Danke.

Für Rückfragen, der Wunsch nach Austausch dazu oder solidarische Kritik gibt es hier eine Mail
Adresse: solikritik@gmx.de