Zum Charakter der K-Gruppen als Verfallserscheinung
Zu diesem Thema müsste ich eigentlich einen längeren Text verfassen. Doch möchte ich zunächst knapp meine Sicht umreißen. Zumindest in Leipzig hatten diese bis vor dreivier Jahren eigentlich keinen Stand. Die Ergebnisse davon spiegeln sich im Veranstaltungsprogramm der diesjährigen Kritischen Einführungswochen (KEW) wider, welche von diesen Gruppen übernommen wurden.
Mit dem verordneten Zuzug diverser Kaderpersonen, baute der „Kommunistische Aufbau“ („KA“) eine Machtstellung auf. Seine Vorfeldorganisationen sind das „Solidaritätsnetzwerk“, die „Internationale Jugend“, das „Frauenkollektiv“, das „Studierendenkollektiv“ und „Pride Rebellion“. Diese haben eine Pseudo-Vereinigung mit dem Namen „Föderation klassenkämpferischer Organisationen“ („FkO“) gegründet. Offensichtlich ist dies dem Inhalt nach ebenso wenig eine „Föderation“, wie die „Sowjetunion“ eine Räterepublik (der „Sowjets“ = Räte) war. Zu diesen bewegungsorientierten autoritären Kommunist*innen zählen auch die mit der türkischen MLKP verbundene Gruppierung „Young Struggle“, sowie die ebenfalls maxistisch-leninistische Gruppe „Zora“. Eher dogmatisch-verkorkst daher kommen zudem die „Kommunistische Organisation“, welche sich in ihren Statuten explizit als stalinistisch positioniert und vor einigen Jahren aus einer Abspaltung der DKP-Jugend hervorgegangen ist. Bei den Kritischen Einführungstagen, treten schließlich noch eine „Revolutionäre Kommunistische Partei“ („RKP“) und eine mutmaßlich trotzkistische Gruppe mit der Kürzel „SVU“ auf.
Die Gründe für den Aufstieg autoritär-kommunistischer Strömungen sind vielfältig. Wer in deren Erstarken einen Indikator für ein neueres politisches Interesse und Engagement einer jüngeren politischen Generation sieht, liegt zwar nicht ganz verkehrt. Aber auch nicht ganz richtig. Denn im Grunde genommen müssen die K-Gruppen als eine Verfallserscheinung einer lebendigen, tendenziell selbstorganisierten links-emanzipatorischen Bewegung verstanden werden. Dafür gibt es vielfältige Gründe, darunter:
– die Zuspitzung gesellschaftlicher Krisenerscheinungen und spürbarer Zukunftsängste
– die Ausweitung des Krieges in der Ukraine und im Nahen Osten
– die fortwährende Diskriminierung von Migrant*innen durch eine immer aggressivere Ausgrenzungspolitik
– die Reaktion auf den generellen Autoritarismus
– die Zerbröselung sozialer Bewegungen, verbunden mit dem Trauma der Pandemiezeit
– verpasste Jugendarbeit durch autonome, links-emanzipatorische und anarchistische Zusammenhänge
– Visionslosigkeit und Desorganisation von Autonomen, emanzipatorischen Linken und Anarchist*innen
Eine fundierte Auseinandersetzung mit den K-Gruppen geschieht mittlerweile immerhin punktuell. An offenen, alternativen Organisierungsangeboten, welche dem Bedürfnis nach Gemeinschaft, Struktur, Orientierung und Konfrontation entsprechen, mangelt es meiner Wahrnehmung nach aber weiterhin.
Selbstverständlich kann und sollte man die Beteiligung der K-Gruppen an den KEW grundlegend kritisieren. Denn wie auch deren Beteiligung in selbstorganisierten linken Räumen oder Bündnissen (insbesondere 8. März-Bündnis, aber auch 1. Mai-Demos) werden bewegungslinke Strukturen gezielt übernommen, über Jahrzehnte entwickelte Praktiken emanzipatorischer Bewegungen gefaked und sozial-revolutionäre Bestrebungen dem autoritären Polit-Zirkus unterworfen.
Dennoch ist die Lösung dafür nicht zur immerwährenden „Distanzierung“ aufzurufen. Denn zur Distanz ruft im Grunde genommen auf, wer seiner eigenen Position gar nicht mal so sicher ist, diese gar nicht mal so gut begründen und vertreten kann. Mit anderen Worten kann man meckern – oder zielgerichtet intervenieren und eigene Angebote schaffen, mit denen man auf der Straße oder im Hörsaal Menschen erreicht und organisiert. Wie in Allen Bereichen kann dies jedoch nicht „von außen“ geschehen, sondern nur durch Zusammenhänge, die vor Ort agieren. D.h. es bräuchte links-emanzipatorisch gesinnte Studi-Gruppen, welche sich in die Hochschulpolitik und Politik an der Uni einbringen und einen echten Gegenpol zum Fetisch-Kommunismus bilden.
K-Gruppen leben einen Politizismus aus. Das ist die Verkürzung des Denkens und Handelns auf die politische Dimension, verbunden mit einem Drang zur abstrakten Positionierung und dem voluntaristischen Glauben an die Machbarkeit revolutionärer Bestrebungen allein auf diesem Terrain. Sie empfinden sich damit als wirklich oppositionell, ohne deswegen Selbstreflexion betreiben oder gar das eigene Leben in einer herrschaftsförmigen Gesellschaft verändern zu müssen. Die Theorie, über welche autoritäre Kommunist*innen auch heute verfügen ist primitiv. Dies spielt für ihre Handlungsfähigkeit aber insofern keine Rolle, als dass dies durch ausgeprägte Ideologie kaschiert wird. Die Utopie einer „befreiten“ oder „kommunistischen“ Gesellschaftsform wird zum sehnsüchtigen Bezugspunkt romantisiert mit entsprechenden pseudo-religiösen Ausprägungen, die zum Handeln im Hier und Jetzt motivieren sollen – stets geführt von den Kadern im Hintergrund. Klare Hierarchien bieten Aufstiegsmöglichkeiten für die engagierten Gläubigen. Vermeintlich sinnvolle Strategien von den jeweiligen Zentralkomitees entlasten das Denken der Jünger*innen der roten Fahnen, welche sich willig zu Zahnrädern im Getriebe des historischen Plans degradieren.
Trotz dieser offenkundig autoritären und reaktionären Entwicklungen, kann man das Wiedererstarken der K-Gruppen nur verstehen, wenn man sie als Ausdruck einer umtriebigen Orientierungssuche, dem Autoritarismus unserer Zeit, besessener Kaderarbeit und dem Verfall links-emanzipatorischer Bewegungen versteht. Wer etwas darüber nachdenkt, wird sich schnell bewusst, dass neoleninistischen autoritären Kommunist*innen trotz – oder gerade wegen – ihrer zur Schau gestellten Selbstsicherheit und der Respektlosigkeit gegenüber etablierten bewegungslinken Strukturen und Gruppen, keine wirklichen Lösungen für die multiplen gesellschaftlichen Krisen anbieten. Wie alle Sekten streben sie deren Aufhebung eigentlich auch gar nicht an, denn dies würde die Machtposition ihrer Führungskader ja überflüssig machen und die Opferbereitschaft ihrer Anhänger*innen als sinnlos erscheinen lassen.
Eine Neuorientierung der gesellschaftlichen Linken kann insofern nicht in der Bezugnahme auf diese Gruppierungen geschehen, sondern verlangt eine selbstkritische, aber solidarische Auseinandersetzung mit emanzipatorischen Bestrebungen, ein Begreifen der veränderten Bedingungen unserer Zeit, sowie dem Überdenken und Öffnen ihrer Organisationen.