Anmerkungen zur anarchistischen Buchmesse Berlin – Gegen jeden Krieg – patriarchales Kommando entwaffnen!

Gegen jeden Krieg – das patriarchale Kommando entwaffnen!

In dem Beitrag „Gegen die Vereinfachung und gegen die Verleumdung!“ schrieben Menschen
„Die A-Büchermesse bietet an, dort eigene Diskussionen ins Programm aufzunehmen.“ (https://kontrapolis.info/13647/)
Dem müssen wir leider nach bisherigem Kenntnisstand widersprechen und wollen diese Kritik öffentlich machen. Eine Offenheit besteht aus unserer Sicht explizit nicht gegenüber einer antipatriarchalen Position zu Krieg, Militarismus und Nationalismus. Die Organisation der Messe hat an solchen Auseinandersetzungen erkennbar kein Interesse.

Zwar postuliert die Organisation: Es brauche eine „…Praxis des Aufstandes, des Klassenkrieges, des sozialen Krieges, um in eine weltweite soziale Revolution zu münden. Also die intensive Debatte unter Anarchistinnen, Anarchisten und sämtlichen Revolutionären, die dem Staat-Nation, dem Kapital, dem Patriarchat ein sofortiges Ende bringen werden.“

Gendersternchen kennen die Einladenden nicht, aber geschenkt.
Das Patriarchat wird als Worthülse eingesetzt, als Floskel. Nicht geschenkt!
Das ist milde gesagt der altbekannte Versuch Kritik abzufedern, indem man vorgibt, Patriarchat mitzudenken. In der Regel kommt dann auch nichts mehr. Man gibt sich noch nicht mal den Anschein, einen Ansatz zur Diskussion zu liefern, was mit Patriarchat gemeint ist, welchen Stellenwert man diesem Kampf einräumt und welcher Platz in der Messe dieser Diskussion eingeräumt wird.

Großspurig kommt der Satz daher: „Und welche Optionen haben wir, um in Kriegen noch revolutionär handeln zu können?“
Und wir fragen uns, wie ein Kampf gegen die Kriege aussehen kann, wenn einem Kampf gegen Patriarchat kein Platz – außer besagter Worthülse – eingeräumt wird. Wie viele Kriege wurden mit einer Revolution abgewehrt? Und wie viele dieser Revolutionen hatten einen explizit antipatriarchalen Aspekt? Und wie viele Revolutionäre wehrten antipatriarchale Ansätze ab? Und warum spülten „erfolgreiche“ Revolutionen immer wieder Herrschaftsstrukturen nach oben?

Die „anarchistische Buchmesse in Kreuzberg“ hat zwar richtigerweise militarisierten Befürworter*innen einer Unterstützung von Soldaten an der ukrainischen Front, die sich selbst noch als Anarchisten verstehen, die Teilnahme verwehrt.

Aber sie gebärden sich leider generell als Hüter der Anarchismus, indem sie darüber bestimmen, welcher Anarchismus vertreten sein darf und welcher nicht. Und sie verschließen damit offene Auseinandersetzungen. Vielleicht sind die aber auch nicht gewollt.

Konkret: An der Frage von Krieg und Patriarchat wurde der Broschürengruppe „Gegen jeden Krieg – Das patriarchale Kommando entwaffnen“ eine Teilnahme unter fadenscheinigen Gründen verwehrt. Ein Workshop wurde trotz mehrmaliger Anfragen ausgesessen. Eine inhaltliche Begründung schimmerte durch. Im Kampf gegen Krieg sei man nicht einer Meinung. Na, super.

Die A-Büchermesse bietet womöglich an, „eigene Diskussionen für das Programm vorzuschlagen“, aber die Auswahl dessen, was richtig und wichtig erscheint bleibt nicht nur intransparent, sondern auch dogmatisch-elitär. Man entscheidet auch für die Besucher*innen mit. Zu einer Zusammenarbeit und Offenheit für anderen anarchistische Positionen, die womöglich auch die eigene Sichtweise auf dem klaren Weg zum Anarchismus infrage stellen, muss diese Gruppe erst noch finden. Unter den Vorzeichen fällt die Frage auf die Einladenden zurück: Wie soll dann erst die Option aussehen „um in Kriegen noch revolutionär handeln zu können“?
Der Hintergrund der Ausgrenzung einer patriarchatskritischen Analyse zu Militarismus liegt für uns auf der Hand. Die Patriarchatsdebatte wird in Bezug auf Militarismus und Krieg als Nebenschauplatz abgetan. Sie stört die eigene Denkrichtung. Weil man sich mit Patriarchat, außer als Floskel nicht wirklich beschäftigt hat -uns jedenfalls ist von Seiten der Initiatoren, die ansonsten mit Texten nicht gerade geizen, dazu kein Text bekannt. Im Gegenteil hat man sich vielleicht auch mit dem Patriarchat ganz gut arrangiert, will man noch nachschieben.
Die Ausgrenzung und strategische Ausblendung antipatriarchaler Analyse ist dem Umstand einer schwachen Bewegung gegen das Patriarchat insgesamt geschuldet, die entweder einem identitären zum Teil bürgerlichen Feminismus anhängt, oder in der Widerstand gegen Patriarchat auf die Gewalterfahrungen in der eigenen Subkultur reduziert ist.
Zum Krieg herrscht allgemein Schweigen, auch im Feminismus. Ansätze eines strategischen Ansatzes gegen Patriarchat sind nur rudimentär erkennbar oder sie gehen an uns vorbei, sofern sie im Bewegungskontext stattfinden.
Diese von uns behauptete Schwäche macht es Anarchisten (und eventuell auch Anarchist*innen) leicht, sich von antipatriarchalen Ansätzen abzugrenzen ohne sich dabei (vermeintlich) angreifbar zu machen. Man nimmt einfach die Patriarchatsfloskel im Aufruf auf – das macht sich gut und fortschrittlich, und bleibt ansonsten beim Alten. Die Auseinandersetzung damit für erledigt erklärt. Ein alter Hut.

Die Bedeutung der Formierung von Männern, bzw. männlich gelesene Menschen als patriarchale Kraft im gesellschaftlichen Raum, mit all seinen historischen und aktuellen Erscheinungs- und Gewaltformen wird negiert und unsichtbar gemacht, weil man auf einen historischen Klassenbegriff setzt, der die Bedeutung des Patriarchats nicht mitdenken will, nicht mitdenken kann. Man hält sich als Anarchist vielleicht sogar schon für ein vom Patriarchat befreites Wesen – ohne das belegen zu müssen.
Mit dem Versuch einer Analyse, wie sie in der Broschüre „Gegen jeden Krieg – Das patriarchale Kommando entwaffnen“ zum tragen kommt, will man sich nicht beschäftigen. Diese wird sogar als Angriff auf die eigenen politische Identität betrachtet, von der man leider nicht bemerkt das man selbst Teil einer Blase und einer Identitätspolitik geworden ist.

Diese Beharrungskräfte in der anarchistischen Bewegung, die die umfassende Bedeutung des Patriarchats auf die ökonomischen Gewaltstrukturen entnennt und unsichtbar halten will, sind bestenfalls reaktionär. Weil rückwärtsgewandt, das Alte-erhalten-wollend, nämlich die Hierarchie zwischen den konstruierten Geschlechtern. Die Messe ist damit in Teilen nicht auf der Höhe der Zeit. Und die Organisation der Büchermesse hat hier eine gute Chance vertan, die allen anarchistischen Strömungen hätte zugute kommen können.
Ob sich die Organisation der Messe bei einer etwaigen Fortführung für diese Fragen öffnen wird, werden wir sehen.

Die elitäre, unoffene und arrogante Organsisationstruktur dieser Messe, die auch andere Gruppen hinten runter fallen ließ, wirft die Frage nach einer anarchistischen Organisierung gegen aktuelle und zukünftige Kriege auf, welche die Patriarchatsfrage mehr in den Fokus nimmt. Und wir stellen die Frage in den Raum, ob wir als Anarchist*innen (mit Gendersternchen) nicht eine Zusammenkunft, einen Kongress, ein Treffen mit vielen Workshops, guter Kultur und Büchern zum Thema brauchen, die queere und antipatriarchale Standpunkt neben antikoloniale Standpunkte gegen jeden Krieg mehr in den Fokus rücken und diskutieren wollen. Was meint Ihr? Bei Interesse und Bedarf meldet Euch: antikriegsgruppe@so36.net

Die Ausladung der Broschürengruppe ist ein politisches Armutzeugnis, wie wortgewaltig auch die Antwort der Einladenden sein wird auf diese unserer Benennungen.
Darum schlagen wir vor, die Diskussion um die Broschüre „Gegen jeden Krieg – Patriarchale Kommandos entwaffnen“ anderweitig zu führen. Unter: antikriegsgruppeSPAMSCHUTZENTFERNEN@so36.net lässt sich die Gruppe zur Diskussion einladen.
Die Broschüre ist in Deutschland bestellbar über den
Buchladen Schwarze Risse:schwarze_risse@SPAMSCHUTZENTFERNENposteo.de
Und in der Schweiz unter: magazinSPAMSCHUTZENTFERNEN@riseup.net

Und zu guter Letzt: Die Parole „Kein Krieg außer sozialer Krieg“ der Buchmesse offenbart für uns ein politisches Verhältnis zu Krieg, aus dem wir bereits das Ergebnis einer Abwehr antipatriarchaler Positionen ablesen können. Wir lehnen den „sozialen Krieg“ als positiven Begriff ab, weil sich in ihm die patriarchale Formierung ausdrückt, die in Kriegspolarisierungen denkt und den Kriegsbegriff positiv setzt. Wir lehnen jeden Krieg ab und der einzige Weg, die Kriegspolarisierungen und die Formierungen von mehrheitlich Männern (und Frauen*) zu Soldaten zu durchbrechen, besteht in einem antipatriarchal geführten sozialrevolutionären Antimilitarismus. Und darüber hinaus, die patriarchale und koloniale Struktur ökonomischer Ausbeutung und Nationalsstaatskonzepte zu zerstören führt nur über die soziale Revolution. Da brauchen wir keine Verherrlichung des Kriegsbegriffs von anarchistischer Seite.

Gegen jeden Krieg – Für die soziale Revolution
Es lebe die Anarchie

P.S.: Eine weitere Kritik an der Buchmesse „Wenn das Geschwafel von esoterischen Dogmatikern um sich greift“ schaut sich den Dogmatismus der Organisation der Buchmesse genauer an (https://kontrapolis.info/13689/ ). Da ist einiges an Ärger zusammen gekommen, den wir teilen können und wir begrüßen die Kritik. Wir sehen aber die Unterstützer*innen einer Bewaffnung von ukrainischen Soldaten bzw. deren Unterstützungen an der Front, die im Zusammenwirken mit anderen Verbänden, (welche deren eigenen Bekunden nach mit ukrainischen Faschisten befohlenermaßen gegen die russische Invasion kämpfen) kritischer als der Verfasser. Uns ist das zuviel positiver Zuschreibung, denn faktisch wird an der Front gestorben und gemordet. Wir haben die Unterstützer*innen nicht so selbstkritisch erlebt, wie in dem Beitrag suggeriert wird. Sondern ebenso arrogant und überheblich wie die Organisation der Buchmesse.
Wenn eine gut moderierte Veranstaltung die verschiedenen Pole zur Diskussion stellen will, wir sind dabei. Aber eine Perspektive, die Soldaten in Uniformen als „Anarchisten“ verteidigt – das ist mit uns nicht zu haben. Über die verschiedenen Fragen im Umgang mit Krieg und vor allem gegen jeden Krieg – die keine stereotypen Antworten sucht, daran haben wir ein Interesse.
Der Beitrag „Wenn das Geschwafel von esoterischen Dogmatikern um sich greift“ bedient sich auch herrschender Narrative, die jeder Kritik am Krieg eine Nähe zu Russland unterstellt. Das gilt vielleicht für die Wagenknecht-Höcke-Fraktion aber in Bezug auf die Buchmesse oder auch die Broschüre „Gegen jeden Krieg“ bleibt die Kritik ohne Wirkung. Und merkwürdig ist auch die Kritik, die Organisation der Buchmesse würde sich mit ´„krampfhaft vehementen Behauptungen, „gegen jeden Krieg“´ stellen. Schön wär‘s.
Nicht umsonst wird diesem Ansatz kein Raum auf der exklusiven Kreuzbergmesse eingeräumt.