Sinneswandel nach Corona-Demo in Pirna
Zwei Männer sollen im Mai 2020 Polizisten angegriffen haben. Heute haben sie gegensätzliche Standpunkte zu dem, was damals geschah.
Der 30-Jährige Robin M. aus Pirna sieht sich selbst als Person des öffentlichen Lebens. Als Mitglied der freiwilligen Feuerwehr habe er Respekt vor den Beamten, würde sie niemals angreifen. Trotzdem steht er jetzt vor dem Amtsgericht Pirna, muss sich wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und wegen Landfriedensbruchs verantworten. Es geht dabei um eine illegale Corona-Demo am 13. Mai 2020 in Pirna. Die Veranstaltung war nicht angemeldet.
Polizeikette durchbrochen
Robin M. sagt jetzt vor Gericht, die Situation sei aufgeheizt gewesen. Die Polizei hätte die sich friedlich verhaltenden Menschen eingekesselt, verteidigt er sich. Er findet sein damaliges Verhalten auch heute noch in Ordnung und besteht darauf, jederzeit seine Meinung frei äußern zu dürfen.
Der Beamte, der den Einsatz leitete, sagt als Zeuge aus. Man habe zunächst versucht, die verbotene Versammlung auf dem Markt aufzulösen. Nach der damals geltenden Verordnung waren nur ortsfeste Versammlungen mit begrenzter Teilnehmerzahl erlaubt. Die etwa 200 Menschen hatten aber vor, wie bei den Demonstrationen zuvor, durch die Stadt zu laufen, fanden an der Töpfergasse ein Schlupfloch durch die Polizeiabsperrungen und liefen von dort auf die Lange Straße. Die Beamten kamen ihnen dort von der anderen Seite entgegen und versuchten, an der Ecke Niedere Burgstraße den Durchgang zu versperren. An dieser Stelle eskalierte die Situation erstmals, die Kette wurde gewaltsam durchbrochen.
Welche Rolle Robin M. dort und später an der zweiten Polizeikette auf der Dr.-Wilhelm-Külz-Straße spielte, ist auf den Videos nicht klar zu erkennen. Ihm ist damit jedenfalls kein tätlicher Angriff auf die Polizisten nachzuweisen. Aber „Widerstand“ hat er gerufen und damit die aufgeheizte Stimmung verstärkt, meinen Staatsanwältin und Richter. Schließlich sei es eine verbotene Versammlung gewesen, bei der man den Anordnungen der Polizei zu folgen habe. Gegen eine Geldauflage von 400 Euro stellt das Gericht das Verfahren gegen den nicht vorbestraften Robin M. dann aber vorläufig ein. Zahlt er den Betrag rechtzeitig an die Staatskasse, ist die Sache für ihn erledigt. Er gehe auch heute noch auf solche Veranstaltungen, hatte er zuvor gesagt.
Angst um Verlust von Freiheitsrechten
Ganz anders äußert sich im zweiten Termin der 70-jährige Freitaler Andreas S. Auch er soll bei der Demo am 13. Mai 2020 aufgefallen sein. „Ich bin geheilt“, sagt er mehrmals. Er habe seine Meinung drastisch geändert, sei geimpft und sehe inzwischen ein, dass die Maßnahmen zur Einschränkung der Corona-Pandemie unbedingt nötig sind. Er bereut, sich damals der Demonstration angeschlossen zu haben. Er hätte zu diesem Zeitpunkt noch befürchtet, dass durch die Corona-Maßnahmen die Freiheitsrechte unverhältnismäßig eingeschränkt würden und deshalb den Widerstand für nötig gehalten. Niemals aber hätte er Polizisten angegriffen. So etwas würde er nie tun, beteuert er immer wieder. Auch bei ihm geht es in der Anklage um tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte und um Landfriedensbruch.
Auf einem Video ist zu sehen, wie Andreas S., der bereits hinter der Polizeikette steht, einen Mann zwischen den Beamten hindurchzieht. Kurz darauf durchbricht der inzwischen verurteilte Marco F. die Kette. Die Demonstranten strömen in die Niedere Burgstraße. Auf einem anderen Video ist er in einer Gruppe zu sehen, die gegenüber den Beamten der zweiten Polizeikette auf der Dr.-Wilhelm-Külz-Straße „Widerstand“ skandiert. Andreas S. bedauert jetzt, dass er zu der aufgeheizten Stimmung beitrug. Er entschuldigt sich bei allen als Zeugen geladenen Beamten.
Das Gericht nimmt ihm seinen Sinneswandel ab, nicht ohne ihm ins Gewissen zu reden. Auch das Verfahren gegen ihn wird vorläufig eingestellt. Wenn er ebenfalls eine Geldauflage von 400 Euro beglichen hat, bleibt sein Führungszeugnis ohne Eintrag.