Zur verbotenen Demonstration „Alle zusammen!“ am 23.10.2021 in Leipzig
# Einleitung
Für den 23.10. wurde unter dem Motto „Bundesweite Demonstration zur Verteidigung linker Politik – Alle zusammen – autonom, widerständig, unversöhnlich“ nach Leipzig mobilisiert. Geplant waren gleich drei Demonstrationen; im Stadtzentrum, dem Leipziger Westen und dem Leipziger Osten startend sollten sich die drei Demonstrationen im Leipziger Süden vereinen, zusammen sollte dann noch eine Runde durch Leipzig Connewitz gedreht werden. Jeder der drei Demonstrationszüge sollte ein eigenes Thema im Kampf des Staates gegen linke Strukturen setzen, welche sich alle drei in besonderer Weise im Agieren des Staates in Bezug auf den Stadtteil Connewitz verdichten. Dabei sollten drei Ziele verfolgt werden: 1. Sollte es zu einem Ausdruck der Solidarität der linken und alternativen Stadtteile in Leipzig mit Connewitz kommen, 2. sollte eine Verbindung zu anderen Städten mit ähnlichen Kämpfen hergestellt werden, 3. sollte diese Verbindung nicht nur inhaltlich, bzw theoretisch und abstrakt bleiben, sondern sich konkret in einer autonomen, widerständigen und unversöhnlichen Demonstration äußern und umsetzen. Am 18.10. wurde die Demonstration von der Versammlungsbehörde verboten, eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Leipzig gegen das Verbot hatte keinen Erfolg, auf den weiteren Klageweg vor dem Oberverwaltungsgericht Bautzen wurde verzichtet. Um das Verbot durchzusetzen, richtete die Polizei ein Kontrollgebiet ein, das weite Teile der Stadt im Bereich der geplanten Demonstrationsroute umfasste und orderte aus anderen Bundesländern Unterstützung.
Die Demonstration fand nicht statt. Am Morgen des 23.10. gab es eine kleine Spontandemonstration im Leipziger Osten, am Nachmittag fand eine Kundgebung in Gedenken an den von Nazis ermordeten Achmed Bachir mit etwa 150 Teilnehmer*innen auf der Karl-Liebknecht-Straße statt, am Abend kam es zu einer kleinen Auseinandersetzungen mit den Cops in Connewitz, auch gingen ein paar Autos in Flammen auf. Es gab ein paar Festnahmen und dann war der Tag vorbei. Und dann? Nichts weiter. Es folgte, wie es in der Reflexion der Interkiezionalen aus Berlin, die ebenfalls nach Leipzig mobilisiert hatte, zum 23.10. hieß: „Ohrenbetäubendes Schweigen“.
Dabei hatte alles gut angefangen. Aus Leipzig war frühzeitig für die Demonstration mobilisiert worden. Daneben war dazu aufgerufen worden, in eigenen Aufrufen die eigenen Kämpfe sichtbar zu machen und zueinander in Bezug zu bringen; diesem Aufruf waren unter anderem autonome und anarchistische Strukturen aus Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main, Lübeck und Köln gefolgt. Und nach dem 18.9., an welchem es entgegen vieler Einschätzungen im Rahmen der „Wirsindallelinx“-Demo gescheppert hatte, waren die Erwartungen an den 23.10. im Allgemeinen nicht gering und nicht schlecht. Hätten die Demonstrationen wie geplant stattfinden können, wäre es möglicherweise zu einer bemerkenswerten Zusammenkunft der autonomen und anarchistische Bewegung in Deutschland kommen können; darüber hinaus war die Demonstration zwar vom Inhalt her dem Interesse der „Verteidigung“ unterstellt, aber sie hätte demgegenüber auch ein offensives Zeichen setzen können, immerhin ging es einmal nicht um die Reaktion auf eine Verhaftung, auf eine Räumung, eine Hausdurchsuchung, etc. Auch in diesen Punkten teilen wir die Einschätzung der Interkiezionalen.
Aber die Hätte-könnte-wäre-wollte-wenn-Überlegung wollen wir nicht weiter vertiefen. Wir möchten stattdessen das Verbot einer genaueren Betrachtung unterziehen, sowie die Frage der Bewegung anhand der allgemeinen Reaktion auf das Verbot diskutieren.
# Das Verbot
Verbote autonomer Demonstrationen sind selten. In der Regel versucht der Staat durch Präsentation eines martialischen Bullenaufgebots es auf eine Konfrontation ankommen zu lassen und die Frage, ob die Demonstration stattfinden darf oder abgebrochen werden soll, vor Ort zu klären. Erinnert sei hier Beispielhaft an die Demonstration in Hamburg zum Erhalt der Roten Flora 2014 oder die „Welcome to Hell“-Demonstration anlässlich des G20. Beide Demonstrationen hatten schon vor Beginn vermuten lassen, dass die Bullen das Ende der Demo schon vor ihrem Loslaufen beschlossen hatten. Der Kontrollbereich, damals unter dem Label Gefahrengebiet, kam erst nach der Flora-Demonstration, die direkt nach ihrem Loslaufen massiv attackiert worden war; es stellte sich die Frage, wieso nicht versucht worden war, die Demonstration vorher zu verbieten. Bei der „Welcome to hell“-Demo war die Demonstration ohne jede Auflage genehmigt worden, was schon erwarten ließ, dass es zu dem dann auch tatsächlich stattfindenden Angriff kommen würde. Dass ein solches Vorgehen auch in Leipzig möglich gewesen wäre, wurde im Vorfeld verschiedentlich diskutiert oder zumindest in Betracht gezogen; beispielsweise stand die Frage im Raum, ob die Bullen eine Vereinigung der einzelnen Demozüge verhindern würden.
Thematisiert wurde ein Verbot erstmals von überraschender Stelle, nämlich von der Linkspartei-Abgeordneten Juliane Nagel aus Leipzig, die bezüglich der Sachbeschädigungen und Auseinandersetzungen im Rahmen der „Wirsindallelinx“-Demo in Leipzig interviewt wurde, bei der sie als Anmelderin tätig gewesen war. Ohne dass der Journalist konkret danach gefragt hätte, äußerte sie sich bezüglich der Demos am 23.10. wie folgt: „Ich würde eine Demo nicht mehr anmelden, wo ich nicht die komplette Sicherheit habe, dass wirklich ein Konsens in der Demonstration vorhanden ist, die Versammlungsfreiheit, wie sie im Grundgesetz steht, wahrzunehmen. Wenn ich auf den 23. angesprochen werden würde, würde ich dazu nein sagen. Weil die Rhetorik des Aufrufes klar gewaltverherrlichend und aufrührerisch ist.“ Interessant ist hier, dass sie explizit sagt, der Aufruf sei „gewaltverherrlichend und aufrührerisch“, denn beides ist ein Grund, eine Demonstration zu verbieten. Wir wollen uns hier gar nicht auf die Diskussion von Friedlichkeit oder Unfriedlichkeit einlassen, aber aus dem Aufruf für den 23.10. diese beiden Aspekte herauszulesen, ist eine unbegründete Frechheit. Wir glauben zwar nicht, dass hier Juliane Nagel ideengebend gewesen ist für das Verbot, aber zumindest war es da zum ersten Mal im Gespräch und eben auch von prominenter Stelle. Mit ähnlicher Begründung wurde die Demonstration dann auch verboten. Im Kern wurde von Bullen und VS festgestellt, dass ein unfriedlicher Verlauf zu erwarten sei, und dann von den Bullen behauptet, dass für den Fall des unfriedlichen Verlaufs keine geeigneten Mittel zur Verfügung stünden, um diese Unfriedlichkeiten zu verhindern.
Angesicht des Aufgebots der Bullen (so wurde beispielsweise gleich 11 Wasserwerfer beantragt) erscheint diese Aussage lächerlich und rein instrumentel. Wenn es aber nicht die Schwäche der Bullen war, dann muss es etwas anderes gewesen sein. So bleibt davon auszugehen, dass das Motiv des Verbots vor allem inhaltlich motiviert gewesen ist. Und zwar inhaltlich nicht in dem Sinne, dass die Themen Repression, Polizeigewalt und Gentrifizierung den Ausschlag gegeben haben, sondern vor allem der Grad in welchem die Ablehnung und die Feindschaft gegenüber dem Staat und seinen Organen formuliert wurde. Es ist ein Grad der Ablehnung, den der Staat nicht in sich integrieren kann. Dieser Art der Ablehnung tritt der Staat dann eben auch mit Ablehnung entgegen und ist bereit, Vertreter*innen dieser Ansicht ihre Bürgerrechte zumindest temporär zu entziehen. Und zwar nicht, weil sie diese Ansicht haben; sofern diese nur im stillem Kämmerlein vertreten wird, ist es dem Staat egal, sondern es geht darum, dass Menschen sich explizit aus diesem Grund und eben auch explizit unter dem Motto „autonom – widerständig – unversöhnlich“ zusammenfinden wollen, um zu demonstrieren. Es ist dementsprechend auch nicht so, dass, wie das nun im Nachgang und im Vergleich zu den insbesondere in Sachsen stattfindenden Querdenken-Demonstrationen skandalisiert wird, dass im Vergleich „Links-Rechts“ linke Demonstrationen behindert oder gar verboten werden, während rechte Demonstrationen trotz Coronaverfügungen stattfinden können. Um es noch einmal explizit zu machen: Linke Demonstrationen dürfen in der Regel stattfinden, was nicht stattfinden durfte war eine groß angelegte autonome Demonstration. Und hierbei ist der Unterschied eben insbesondere, dass nicht eine Kritik an einem konkreten Missstand formuliert wird, sondern die Feindschaft gegen den Staat als solchem. Dass der Staat seinen Feinden kein Demonstrationsrecht einräumt, erscheint wie eine Selbstverständlichkeit. Zumindest gehandhabt hat er es zu anderen Zeiten anders, in autonomen Demonstrationen wurde kein grundsätzliches Problem erkannt. Dass der Staat und seine Behörden nun so reagieren, ist somit kein Ausdruck von staatlicher Stärke, sondern eher von staatlicher Unsicherheit. Dass er sich im Rahmen solcher Unsicherheit eher gegen eine Bedrohung von Links wendet anstatt gegen eine viel konkretere Bedrohung von Rechts, ist historische Kontinuität seit dem Siegeszug des Bürgertums. Von einer realen Bedrohung von Links kann aktuell in Deutschland keine Rede sein. Dazu ist die Linke in Deutschland viel zu zahm und viel zu staatsaffin. Politische Praxis besteht im Wesentlichen darin, durch skandalisieren und moralisieren den Staat unter Zugzwang zu setzen, wobei besonderer Erfolg im weitesten Sinne durch Mobbing via SocialMedia erlangt wird. Demgegenüber haftet autonomer Politik weiterhin ein Igitt-Faktor an; Autonome sind eben doch – wie etwa es Juliane Nagel es im Interview ausdrückte – gewaltverherrlichend und aufrührerisch, oder wie es in den Aufrufen hieß: Autonom, widerständig, unversöhnlich. Beide Formulierungsrichtungen sind nichts weiter als eine Chiffre für „staatsfeindlich“ und „gewaltbereit“, wobei damit eben nicht viel mehr gemeint ist, als dass man, wenn es sein muss, auch bereit ist Gewalt anzuwenden. Und dies ist der große Unterschied innerhalb der Linken, an dem sich am Ende entscheidet, ob eine Demonstration stattfinden kann oder nicht.
# Bewegung
Es stellt sich die Frage, ob wir als Bewegung 1.) zum einen einen Fehler damit gemacht haben, wie zu der Demonstration mobilisiert wurde und 2.) ob wir einen Fehler gemacht haben, wie auf das Verbot reagiert wurde.
Zu 1.) denken wir, dass es kein Fehler gewesen ist. Vielmehr denken wir, dass es ein Fehler ist, die eigene Position zu vertuschen, abzuschwächen oder in den bestehenden staatlichen und bürgerlichen Denkhorizont einzufrieden. Denn gerade dieser Denkhorizont hat die Form, die bürgerliche Gesellschaft und den bürgerlichen Staat in ihrer jetzigen Gestalt zu erhalten. Geprägt ist diese Form des Denkens und eben auch die Äußerung dieses Denkens im Wesentlichen von Betrug, Lüge und Unwissenheit, sowie von Herrschaft und Unterwerfung. Wenn wir selbst auf eine Veränderung zu einer guten und freien Gesellschaft hinarbeiten wollen, dürfen wir diese Art nicht selbst bedienen. Das bedeutet eben auch, dass wir uns nicht anders darstellen dürfen, als wir sind (es sei denn, dies ist Teil eines Plans, der Tarnung und Verschleierung notwendig beinhaltet). Und zwar nicht, weil dies moralisch nicht en vouge ist, sondern weil es nicht zielführend ist, weil das Ziel, wofür wir kämpfen, und die Redlichkeit der Kämpfenden inhaltlich zusammenhängt. Insofern finden wir es richtig, auch zukünftig in Aufrufen so offen und direkt wie möglich zu sagen, worum es uns geht (etwas, was wir finden, beispielhaft gut gemacht wird von den Genoss*innen in der R94). Dies aber kann dann auch zukünftig das Problem mit sich bringen, dass uns die Gegenseite in allem behindern will, was wir machen wollen, weil sie eben verhindern wollen, dass wir mit unseren Anliegen irgendwie in die Öffentlichkeit kommen oder sonstwie irgendwelche Fortschritte machen. Bezüglich des 23.10. stellt sich daher die Frage, ob wir uns am Tag selbst oder in der Folge falsch verhalten haben. Zumindest diese Frage wollen wir etwas entzerren, weil die Frage, ob sich „falsch“ verhalten wurde, zu schnell in eine moralische Richtung entwickelt. Daher wollen wir direkt sagen: Es wurde sich nicht falsch verhalten, sondern es ist einfach Ausdruck unseres Bewegungsstandes, was am 23.10. und an den Tagen danach sichtbar und hörbar wurde, nämlich im weitesten Sinne nichts. Und das sagt über unsere Bewegung aus, dass unsere Bewegung in einem Zustand ist, in dem es eher eine Übertreibung ist, von Bewegung zu sprechen. Denn der Begriff „Bewegung“, der ist ja nicht nur der bessere Begriff im Vergleich zu „Szene“ oder „Zusammenhänge“, sondern er soll ja gerade den Unterschied zur reinen „Szene“oder zu linken „Zusammenhängen“ markieren. Und da muss festgehalten werden, das eine Bewegung nur entstehen kann, wenn sich jemand bewegen will und weiterhin da ist, wenn sich jemand bewegt. Diese Bewegung, die jemand vollzieht, kann sich auf verschiedene Weise vollziehen, es kann eine gedankliche Bewegung sein, oder eine konkrete Bewegung von a nach b, aber irgendwie muss sich der Mensch bewegen, damit von einer Bewegung gesprochen werden kann. Und erst, wenn es von dieser Bewegung eine ganze Reihe von Bewegungen gibt, also sich eine ganze Reihe von Menschen bewegen, kann von einer politischen Bewegung gesprochen werden.
Für den 23.10. kann gesagt werden, dass sich am Tag selbst nicht sonderlich viele Menschen bewegt haben, oder zumindest nicht wahrnehmbar bewegt haben; Bewegungen an diesem Tag waren erschwert durch die Bullenpräsenz. Sich zu bewegen vermittelte nicht das Gefühl von Gemeinsamkeit, sondern eher von Isolation und das ist wohl der große Erfolg der Bullen, den sie an diesem Tag errungen haben.
Was aber sagt das über den Stand unserer Bewegung aus? Wir wollen das Feld diesbezüglich etwas erweitern und nicht nur über den 23.10. sprechen, denn das Problem, dass sich niemand bewegt, obwohl eigentlich etwas passiert ist, was einen Daheim in Unruhe versetzt, ist etwas, was wir als Befund ganz allgemein festhalten können. Als Beispiel sei einfach mal genannt die müden bis gar nicht vorhandenen unmittelbaren Reaktionen auf Hausdurchsuchungen: Obwohl bekannt ist, dass eine Durchsuchung stattfindet, bleiben die meisten Zuhause, in der Uni oder auf Arbeit und verfolgen am Rande mit, was so passiert. Es wird geschaut, ob zu einer Demo aufgerufen wird, vielleicht geht man dann dorthin. Was aber hält eine*n davon ab, sofort hinzugehen? Wir glauben, dass die Antwort auf diese Frage im Hintergrund die gleiche ist, wie auf die Frage, wieso am 23.10. fast niemand auf die Straße kam, oder zu anderen Gelegenheiten nichts passiert. Und wenn auch die Reihenfolge der Gedanken unterschiedlich sein kann, denken wir, dass es ungefähr wie folgt abläuft: Es passiert etwas – das Ereignis versetzt in Unruhe und fordert Bewegung – man weiß nicht, ob andere was machen – man weiß nicht, was man selbst machen soll – man bewegt sich nicht – etwas zu machen wird aufgrund der eigenen Ohnmacht als sinnlos eingestuft.
Und da ist ja auch was Wahres dran. Wenn es z.B den Aufruf gibt, wenn wieder mal die R94 gerazzt wird, sich vor Ort solidarisch zu zeigen, was soll es bringen, wenn da ein einzelner Mensch verunsichert an der Straßenecke steht? Oder was hätte es eben gebracht, wenn am 23.10. ein einzelner Mensch zum Auftaktort der Demo gegangen wäre? Die Antwort ist vom Effekt her betrachtet natürlich, dass das rein gar nichts bringt. Es bringt für den Menschen, der da alleine steht vielleicht sogar eher Stress, weil man wird ja vielleicht aufgeschrieben.
Es ist daher leichter, sich auf irgendwelche Autoritäten zu verlassen, die einen auffordern, nun dieses oder jenes zu tun. Wenn Gruppe xy ansagt, dass nun da und da um soundsoviel Uhr etwas ist, dann erscheint es sinnvoll dorthin zu gehen, weil wir dort nicht alleine sind. Es können auch autonome Zusammenhänge sein, aber nur verlässliche. Den anonymen Aufruf von Unbekannten folgt man lieber nicht, und es ist auch nachvollziehbar, dass diesen etwas unseriöses anhaftet.
Dazu kommt, dass sich durch SocialMedia die Möglichkeit bietet, seinem Unmut Zuhause Luft zu machen. Einen Tweet absetzen, einen Kommentar schreiben, möglicherweise sogar selbst zu etwas aufzurufen: „Hin da!“, in der Hoffnung, dass man selbst schon den Status „Influencer*in“ hat und dass dann die anderen dem Aufruf folgen werden, während man selbst bei Twitter und Co die Lage im Blick behält.
Wir wollen gar nicht sagen, dass das schlimm ist, wenn jemand sich so verhält, es ist ja viel zu nachvollziehbar, wieso das so ist. Aber es ist so jedenfalls kein Wunder, dass es so etwas wie eine spontan agierende autonome Bewegung nicht in der Stärke gibt, wie wir sie uns wünschen und wie es sicherlich auch gut wäre, wenn es sie gäbe. Damit es sie gibt, muss sich eine grundlegende Sache ändern, und das ist keine Strategiediskussion, sondern eine Reflexion auf die eigene Person: Es muss sich ändern, dass man über sich selber denkt, belanglos zu sein und erst in einer Masse von Menschen als Teil dieser Masse belangvoll zu werden. Es muss erkannt werden, dass man etwas bewegen kann, dass sich aber dafür erst einmal zum Ort des Geschehens bewegt werden muss. Erst dort und in der persönlichen Anwesenheit vor Ort ergibt sich irgendeine Handlungsmöglichkeit und dies mit den Menschen und den Gegebenheiten, die auch vor Ort sind. Wer immer erst schaut, was sich ergibt, wer sich darauf verlässt, dass andere wohl bald etwas Organisiertes starten werden, der wird ganz oft nichts machen, außer beobachten. Und wenn etwas gemacht wird, wird es getan als Teil einer von anderen mobilisierten Masse. „Autonome“, dass ist nicht nur ein Begriff für absonderliche Menschen in schwarzer Kleidung am Rand der Linken, sondern er bedeutet auch etwas: Autonome sind diejenigen, die auch autonom, das bedeutet in eigener Verantwortung und aus eigenen Ideen heraus, handeln können. Die guten Momente sind jedenfalls die, wo wir uns selbst entscheiden, irgendwo hinzugehen um zu schauen, was wir machen können und wenn wir dann vor Ort feststellen: „Ah, perfekt, die anderen sind auch da.“, eben, um noch einmal das Motto der Demo aufzugreifen: Wo wir „alle zusammen“ kommen, aber nicht einfach so, sondern „autonom, widerständig, unversöhnlich“.
Wir sehen uns.