Haussanierung und Kneipe „Goldhorn“: Streit in Eisenbahnstraße ist Alptraum für alle
In einem Wohnhaus im Leipziger Osten gibt es Probleme: Seit dem Eigentümerwechsel fühlen sich die Mieter bedroht. Sie fürchten, dass ihnen gekündigt wird. Doch auch der Anwalt des Eigentümers des sanierungsbedürftigen Hauses spricht von einem „Alptraum“. Mitten in der Gemengelage stecken auch die Betreiber der Kult-Kneipe „Goldhorn“. Deren Nutzungsvertrag soll abgelaufen sein. Die verfahrene Situation droht weiter zu eskalieren.
Die Eisenbahnstraße 97, ein Eckhaus an der Kreuzung zur Elisabethstraße. Derzeit ist es wegen Fassadenarbeiten eingerüstet. Im Erdgeschoss befindet sich die Bar „Goldhorn“. Sie hat eine geräumige Innenfläche und betreibt aktuell auch einen Freisitz. Unklar ist, wie lange noch, denn: In den vergangenen Wochen haben Unbekannte zwei Brandanschläge auf den Freisitz verübt, einmal wurde die Hauptstromleitung des „Goldhorn“ vermeintlich durchgeschnitten.
Zwei Brandanschläge auf Kneipe
Davon berichtet Teilhaber Vincent im Gespräch mit MDR SACHSEN. Er ist sichtlich von der Situation mitgenommen. „Wir können wahrscheinlich bis September bleiben. Bis dahin läuft unser Mietvertrag. Der Hauseigentümer setzt uns aber unter Druck und möchte, dass wir schon früher gehen“, sagt er.
Das „Goldhorn“ ist für viele Leute im Kiez ein wichtiger Ort. Es ist wichtig an der Stelle, wo es ist und wie es historisch gewachsen ist. Vincent Teilhaber der Kneipe „Goldhorn“
Streit um Mietvertrag und Ablösesumme
Schuld an der Misere seien vor allem äußere Umstände, die vermeidbar gewesen wären und beiden Betreibern sinnlos vorkommen. „Das ‚Goldhorn‘ ist für viele Leute im Kiez ein wichtiger Ort. Es ist wichtig an der Stelle und wie es historisch gewachsen ist“, ist Vincent überzeugt.
Der Anwalt des neuen Eigentümers, Kristian Bielow, ist da anderer Auffassung, was die Mietsituation angeht, obwohl die Kneipenbetreiber nicht mit seinem Mandanten, sondern mit den vorherigen Eigentümern, im Rechtsstreit seien. In seinem Schreiben an MDR SACHSEN erläutert er, dass das „Goldhorn“ seit dem Eigentümerwechsel ohne rechtliche Grundlage betrieben werde.
Zudem sei in den Verhandlungen um eine Ablösesumme für die Lüftungsanlage und den Auszug keine Einigung zustande gekommen, so Bielow. „Dieser Rückzieher in letzter Minute hat auch für unsere Mandatschaft den Ausschlag dafür gegeben, dass man mit den Mietern in diesem Objekt nicht verlässlich planen kann“, resümiert er.
Unwohlsein mit dem Eigentümer und seinen Interessen
Zwischen dem „Goldhorn“ und der Hausgemeinschaft gebe es keine Probleme, berichtet Vincent. Auf den neuen Eigentümer, der in Verbindung mit NAS Immobilien und deren Geschäftsführer Memet Altun steht, angesprochen, zeigt sich bei ihm dagegen eine große Portion Skepsis und Unwohlsein: „Der Eigentümer hat das Haus gekauft mit dem Ziel, hier alle rauszuschmeißen und die Läden höchstmöglich – laut unseren Informationen – an wirklich fragwürdige Interessenten zu vermieten.“
Kommen Kündigungen wegen Sanierungsbedarfs?
Auch hier schreibt der Anwalt, dass in einer Kontaktaufnahme Mitte März informiert wurde, dass der Eigentümer weder Mieterhöhungen noch Kündigungen von Mietverhältnissen anstrebe, sondern lediglich ein baufälliges und sanierungsbedürftiges Gebäude instand setzen wolle. „Die aktuellen Verlautbarungen der Mieter lassen daran aber stark zweifeln, sodass aktuell andere Maßnahmen in Vorbereitung sind“, so Bielow in Reaktion auf die öffentlichen Äußerungen der Hausgemeinschaft, sich gegen den neuen Eigentümer zu wehren. Hier bringt er Kündigungen wegen Sanierungsbedarfs, sogenannte Verwertungskündigungen, ins Gespräch.
Der Eigentümer hat das Haus gekauft mit dem Ziel, hier alle rauszuschmeißen und die Läden höchstmöglich – laut unseren Informationen – an wirklich fragwürdige Interessenten zu vermieten. Vincent Einer der „Goldhorn“-Betreiber
Mieter teilweise ohne Versorgung
Die etwa 30 dort lebenden Menschen haben sich zu einer Interessengemeinschaft mit dem Namen „E97 bleibt“ zusammengeschlossen. Sie wohnen aktuell ohne Gasversorgung, wodurch auch die Bereitstellung von Warmwasser beeinträchtigt ist. Ihrer Ansicht nach handelt es sich bei der Kappung um Sabotage am sich im Keller befindlichen Gashahn. In einem offenen Brief heißt es zu den Vorkommnissen unter anderem:
„Dies sind die neuesten Glieder in einer langen Kette an Belastungen, die uns das Leben und Arbeiten in der E97 schwer machen. Dazu gehören die Einrüstung des Gebäudes wegen kurzfristig angekündigter Dach- und Fassadenbauarbeiten und Werbebanner am Gerüst, die kein Tageslicht in manche Zimmer lassen.“
Der Vorwurf der Kurzfristigkeit stellt sich im Schreiben des Anwalts anders dar: Es habe Fristen zur Beräumung von Hausflur und Innenhof gegeben, die nicht eingehalten wurden. Auch seien Schutznetze des Gerüsts und angebrachte Banner zerstört worden.
Eigentümer-Anwalt kritisiert Zustand des Hauses
Sehr detailliert beschreibt Bielow den Zustand des Hauses: „Der Innenhof glich einem Schrottplatz für Fahrräder, im Hausflur sind Stromleitungen laienhaft kreuz und quer durch die Flure verlegt, der Keller ist teils raumhoch mit Müll belegt und mit Ungeziefer befallen und die Nutzungsverhältnisse sind zum Teil überhaupt nicht mehr nachvollziehbar.“
Die Wohnungen habe man sich noch nicht ansehen können, vermutlich sei aber eine Kernsanierung von Wohnräumen notwendig, „sodass während der Arbeiten an eine Wohnnutzung eigentlich nicht zu denken ist“, so der Anwalt. „Das Ganze entwickelt sich für unsere Mandantschaft also zu einem völligen Alptraum.“
Das Ganze entwickelt sich für unsere Mandantschaft also zu einem völligen Alptraum. Kristian Bielow Anwalt des Eigentümers der Eisenbahnstraße 97
„E97“-Initiatoren wollen Genossenschaft als Eigentümer
Eines der Ziele der Gruppe „E97 bleibt“ sei es, das Haus selbst zu verwalten oder dass eine Genossenschaft neue Eigentümerin wird. Dafür hätten die Mieter wohl auch das Kaufangebot einer Genossenschaft vorgelegt, das der Eigentümer jedoch bisher nicht annehmen wollte. Diese Lösung würden an sich auch die Betreiber des „Goldhorn“ begrüßen.
(Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version des Artikels wurde geschrieben, dass die Hausgemeinschaft aktuell ohne Gas-, Warmwasser- und Stromversorgung lebt. Dies ist nicht korrekt und wurde oben entsprechend korrigiert. Auch wurde ergänzt, dass es sich laut Hausgemeinschaft bei der Kappung der Gasversorgung um Sabotage handelt. Nach Erstveröffentlichung des Artikels informierte uns einer der Mietenden über die laufende juristische Auseinandersetzung mit dem Eigentümer bezüglich der Wiederherstellung der Gasversorgung: So habe ein Teil der Mietenden am 12. Juni eine einstweilige Verfügung beim Amtsgericht Leipzig eingereicht. Dieser sei noch am selben Tag stattgegeben worden.)