Wegen Pro-Palästina-Protest: Linker Angriff auf linkes Leipziger Hausprojekt?

Haben Antifaschisten einen rassistischen Angriff auf ein linkes Hausprojekt verübt? Die Gruppen, die sich dort treffen, sind davon überzeugt – die Polizei auch. Ein linker Stadtrat hat eine andere Theorie.

In blauer Schrift hat jemand „Hört auf zu nerven“ an die Scheibe geschrieben. Die Stelle daneben, wo die Scheibe eingeschlagen wurde, ist behelfsmäßig mit Pappe und Paketband geflickt.

In der Nacht zum Dienstag sollen Antifaschisten ein linkes Hausprojekt in der Josephstraße in Leipzig-Plagwitz angegriffen haben. Kann das sein?

„Handala“ plant in Plagwitz Proteste

Zwischen 23 und 7 Uhr soll es passiert sein. So steht es im Bericht der Polizeidirektion Leipzig. Unbekannte hätten Fensterscheiben „vermutlich mit einem Stein“ beschädigt. Der Schaden: mehr als 2000 Euro.

Und dann kam auch noch die Feuerwehr. Denn in den Räumen, die dem Verein Casablanca gehören, wurde ein Glas mit einer unbekannten, schmierigen Substanz gefunden. Die Feuerwehr analysierte: Schweinefett.

Wer tut so etwas? In der Josephstraße treffen sich gelegentlich linke Gruppen, die sich nicht mit Israel, sondern mit Palästina solidarisieren. Eine von ihnen, „Handala“, organisiert in Leipzig derzeitig pro-palästinensische Proteste. Am 28. Oktober will sie wieder auf dem Augustusplatz auflaufen.

Ein Angriff „als Warnung“

Aber die Gruppen geraten nun ins Visier anderer linker Gruppen, die gegen Antisemitismus eintreten. Denn auf den Kundgebungen fallen auch verbotene Slogans wie „from the river to the sea“ – vom Fluss bis zum Meer. Eine Formulierung, die fordert, Israel von der Landkarte zu streichen und mit Palästina zu ersetzen.

Es ist also nicht verwunderlich, dass eine antifaschistische Gruppe auf dem linskradikalen Netzwerk „Indymedia“ den Angriff anschließend für sich reklamiert hat. In der Josephstraße würden sich Gruppen treffen, die den Terror gegen Israel „gefeiert und verharmlost“ hätten, schreiben die unbekannten Täter. Und weiter: „Um ihnen ihre antisemitische Hetze zu erschweren und als Warnung“ hätte man den Raum angegriffen.

Wäre da nicht die Sache mit dem Schweinefett. Denn in den Israel-kritischen Gruppen engagieren sich auch muslimische und jüdische Personen, vor allem im jugendlichen Alter. Manche leben in den Wohnungen im oberen Stockwerk. Schweinefleisch ist für Juden und Muslime ein Tabu. Damit ist der Angriff rassistisch und so gar nicht links.

Polizei prüft politischen Zusammenhang

„Es würde mich sehr wundern, wenn eine linke Gruppe mit Schweinefett angreift“, sagt Michael Neuhaus, Stadtrat der Leipziger Linken. „Niemand kann Antideutschen vorwerfen, zu zimperlich mit dem politischen Islam zu sein. Aber so ein Angriff passt nicht zu diesen Gruppen.“

Eine Sprecherin des Casablanca-Vereins erklärt auf Anfrage, man habe die Räume bloß vermietet und mit den Inhalten der Gruppen nichts zu tun. Die Polizei prüft einen politischen Zusammenhang der Tat.


Pro-Palästinensische Aktivisten an der Uni Leipzig: Wie zwei Anträge Leipzigs Hochschulpolitik beschäftigen

Flashmobs, Demos, Plakate: In deutschen Großstädten wird um Solidarität mit Palästina geworben. In Leipzig organisiert sich der Protest an der Universität – jetzt mit offizieller Erlaubnis des Studierendenrats.

Ein wichtiges Prinzip von Universitäten ist, dass nicht nur Professoren oder Dekane entscheiden, was dort passiert – sondern auch die Studierenden selbst. Mit dem Studierendenrat (StuRa) wählen sie gewissermaßen ihr Parlament. Und dieses ist in Leipzig fest in linker Hand: Der Sozialistisch-Demokratische Studierendenverband (SDS) ist der verlängerte Arm der Linkspartei in die Hochschulpolitik.

Doch nun fördert dieser SDS Gruppen, die manchen Linken so gar nicht gefallen: Sie heißen „Zora“, „Young Struggle“ oder „Handala“. Sie organisieren Kundgebungen – pro Palästina und contra Israel – auf dem Augustusplatz. Oder Flashmobs auf dem Uni-Campus wie vergangenen Freitag, als dort der strafrechtlich relevante Slogan „From the river to the sea, Palestine will be free“ skandiert wurde.

Comic verniedlichte Überfall auf Israel

Der linke SDS fördert die Gruppen, indem er ihnen Räume auf dem Campus zur Verfügung stellt. Und indem er per Telegram und Instagram bei seinen Hunderten Followern für Kundgebungen wirbt, die hart mit Israel ins Gericht gehen: Etwa werfen sie dem Land einen „Genozid in Gaza“ vor. Ein Twitter-Nutzer schrieb, es herrsche „offener Antisemitismus an der Uni Leipzig“.

Am Dienstagabend wurde im StuRa ein Antrag mit der Überschrift „Keine Zusammenarbeit mit Unterstützern des Terrorismus“ abgelehnt. „Wir beobachten mit großer Sorge, dass autoritär-hierarchisch und intrinsisch antisemitische Gruppen in selbstorganisierte linke Projekte am Campus eindringen und diese übernehmen wollen“, heißt es darin.

Der Antrag führt aus, dass die pro-palästinensischen Gruppen bereits viele linke Hochschulprojekte gekapert hätten: Die „Kritischen Einführungswochen“, das Couch-Café auf dem Campus – sowie zuletzt die Proteste gegen die AfD. Maßgeblich hängt sich die Kritik an einer Comiczeichung auf, die eine der Gruppen postete: Die Zeichnung eines Gleitschirms mit dem arabischen Satz „Gaza bricht aus dem Gefängnis aus“ soll den Angriff von Hamas-Terroristen auf Israel verniedlichen.

Debatte über Demo-Verbote „fehl am Platz“

Die LVZ hat mit Personen gesprochen, die bei der StuRa-Sitzung anwesend waren. Sie beschreiben eine „sehr emotionale Stimmung“. Ein Grund dafür sei gewesen, dass Kilian Fürstenau, ein Mitglied aus Leipzigs Vorstand „Die Linke“, einen weiteren Eilantrag einreichte – diesmal gemeinsam mit der pro-palästinensischen Gruppe „Handala“.

„Palästinensische Stimmen werden in der aktuellen Debatte nahezu gar nicht gehört oder sehen sich pauschal dem Vorwurf des Antisemitismus ausgesetzt“, erklärte Fürstenau im Namen des SDS gegenüber LVZ. Da der größte Anteil antisemitischer Straftaten von Rechten begangen werde, sei auch die Debatte über Demonstrationsverbote „absolut fehl am Platz“. In Hamburg sind solche Demos inzwischen verboten.