nichtbinär trans

Inhaltshinweis: Transfeindlichkeit

 

Wir sind nichtbinär trans.

Ihr seid linke Männer und Frauen, dieser oder jener linken Strömung zugehörig. Bauchlinke, Parteilinke, postautonome Linke. Antifaschisten und Antifaschistinnen, Antirassisten und Antirassistinnen, Feministen und Feministinnen, Anarchisten und Anarchistinnen, Kommunisten und Kommunistinnen, Kämpfer und Kämpferinnen für Klimagerechtigkeit.

Wir sehen euch und nehmen euch ernst.

Ihr nehmt uns nicht ernst und ihr seht uns nicht einmal.

Ihr missgendert uns, ihr korrigiert euch nicht, nachdem ihr uns missgendert habt, ihr korrigiert auch andere nicht, wenn die uns missgendert haben. Ihr fragt nicht nach unseren Pronomen und ihr teilt eure auch nicht mit, aus einer falschen Selbstverständlichkeit heraus. Ihr wisst seit einem Jahr, seit drei Jahren, seit fünf oder zehn Jahren, dass es uns gibt. Aber ihr ignoriert uns. Euch interessiert auch nicht, ob ihr uns dabei verletzt oder nicht.

Oder aber ihr kreist pflichtschuldig um euch selbst mit einem abstrakten schlechten Gewissen, das niemandem etwas bringt. Ihr sagt, dass ihr niemanden verletzen wollt und Rücksicht nehmen wollt, aber kümmert euch nicht konkret darum, dass ihr auch tatsächlich niemanden verletzt und rücksichtsvoll seid.

Oder ihr seid sogar so richtige Edgelords und sagt, dass wo gehobelt wird, auch Späne fallen. In der harten Welt da draußen musst du ja auch überleben, sagt ihr, und deshalb versucht ihr uns auch gar nicht erst zu respektieren. Ihr glaubt, das Alice Schwarzer oder Kathleen Stock doch schon auch ein bisschen Recht haben bei dem Genderthema, und das sagt ihr auch.

Ihr lest oder schreibt seit Jahren Texte über das Geschlechterverhältnis, aber ignoriert dabei routiniert, dass es nicht nur Männer und Frauen gibt. Oder ihr erkennt sie auch an, die komischen, die »sich selber als nichtbinär verstehen«. So wie islamistische Herrscher Minderheiten ›anerkennen‹.

Manche von euch reden über Antisemitismus, und das ist gut. Aber ihr habt euch nie gefragt, was er mit Transfeindlichkeit zu tun hat. Warum der Jude in der Dolchstoß-Propaganda solche Brüste hat. Ihr nehmt nicht einmal das Wort Transfeindlichkeit ernst.

In eurer symbolischen Struktur klafft eine ungeheure Lücke.

Aber ihr glaubt, etwas vom Verhältnis von Natur und Gesellschaft zu verstehen.

Ihr sagt Materialismus und meint Biologismus.

Ihr redet darüber, wie wichtig euch Frauenrechte sind, aber euer Begriff von Frauen ist biologistisch und entmündigend. Viele von den Männern unter euch sind selber Täter oder gut befreundet mit Tätern, von denen sie auch wissen, dass sie Täter sind.

Aber ihr seid der Meinung, dass trans Frauen Frauenräume unsicher machen.

Ihr redet von euren »Freundinnen und Freunden« und haltet euch für modern und weltoffen.

Ihr sagt wie selbstverständlich »du als Mann« oder »dir als Frau« zu Menschen, die beides nicht sind.

Ihr findet ›cis‹ ein komisches Wort.

Ein Kind sagt euch seine neuen, richtigen Pronomen und ihre ignoriert es. Ihr wisst nicht, was ihr tut. Ihr redet von männlichen und weiblichen Kindern. Von männlichen und weiblichen Säuglingen und Embryos. Ihr nennt sie so selbstverständlich ›Jungen‹ und ›Mädchen‹, wie ihr über das Wetter redet.

Wenn ihr so redet, zieht sich in uns alles zusammen. Vielleicht erstarren wir oder dissoziieren. Ihr bekommt nichts davon mit.

Für uns ist es Gewalt, die wir überlebt haben. Für euch ist es höchstens eine Eigentümlichkeit, die euch vielleicht mal auffällt bei euren »Freundinnen und Freunden«, die Eltern sind. Ihr fragt euch vielleicht auch mal, ob ihr das nicht aus politischen Gründen problematisch finden solltet. In euch zieht sich nichts zusammen.

Wir fühlen uns nicht sicher. Nicht mit euch. Nicht in euren Räumen, nicht mit euren Freunden und Freundinnen, nicht mit eurer politischen Praxis.

Wir ziehen uns vor euch zurück und ihr merkt es nicht.

Euch ist das ›wir‹ und ›ihr‹ zu krass. Das spaltet doch, sagt ihr. Angesichts des drohenden Faschismus müssen wir doch zusammenhalten, maßregelt ihr.

Aber wer spaltet hier was?

Und warum?