Höchstes Gericht in Leipzig beschließt: Benni ist nicht der Tatverdächtige

Letzte Woche, am 27.08.24 kam die nächste alles verändernde Nachricht vom Landgericht Leipzig:
Alle Anklagepunkte bis auf den Landfriedensbruch wären haltlos. Die Indizien reichen nicht aus, um die Anklagepunkte des versuchten Mordes, Körperverletzung etc. aufrechtzuerhalten und die Anklage darf demnach nur für Landfriedensbruch am Amtsgericht eröffnet werden. Das ist derselbe Vorwurf, der alle Eingekesselten betrifft, zu denen Benni auch gehörte. Hierbei geht es nicht um individuelle Tathandlungen sondern lediglich um die vermeintliche moralische Unterstützung der gewalttätigen Masse durch Tragen von schwarzen Klammotten. Ob dies haltbar ist, wird sich in einer Verhandlung zeigen, aber fest steht, dass alles was hier rauskommen könnte, Benni schon abgesessen hätte, mindestens.

Die Staatsanwaltschaft hatte Benni mit konstruierten und vor allem politisch ausgelegten (vermeintlichen) Beweismitteln als Tatverdächtigen ausgemacht. Trotz Selbststellung und den offensichtlichen Zweifeln an der Argumentation der Soko LinX haben sich sowohl Staatsanwaltschaft als auch die Ermittlungsrichterin dafür entschieden, Benni fast 6 Monate lang in Untersuchungshaft zu stecken und sich mit der Anklageschrift gehörig Zeit zu lassen. Da diese Anklage so maßlos übertrieben ausfiel, mit zweifach versuchtem Mord und 18-fach versuchter Körperverletzung, ging die Zuständigkeit an eine hohe Schwurkammer des Landgerichts. Diese hat schnell entschieden, dass die Untersuchungshaft unbegründet ist. Danach haben sie zehn Wochen lang intensiv die Akten studiert und mit einer 40-seitigen Begründung klargestellt, dass die Indizienkette offensichtlich willkürlich ist.
So gibt es immer wieder Widersprüche in den Aussagen der Tatbeobachter*innen, die selbst „zwei völlig unterschiedliche Personen“ sicher als dieselbe wiedererkennen wollen. Unterbrechungen in der Befragung führen ganz zufällig zur Wiederrufung von Aussagen. Mal behaupten sie, dass eine Jeans und mal, dass eine dunkle Hose getragen worden sein soll. Das von dem Einen als ein auffälliges Merkmal beschriebenes orangefarbenes Kapuzenband wird von dem Anderen nicht erwähnt. Dabei geben sie immer wieder selbst an, dass eine eindeutige Zuschreibung und Verfolgung von Personen an diesem Tag nicht möglich war. Eine schwarze Jacke mit organgefarbenen Bändeln wurde zudem nicht nur einmal, sondern von mindestens 30 Personen getragen. Ein Tatbeobachter beschreibt, er habe das Gefühle gehabt, „dass an dem Tag ein Modell gekauft worden sei“. Das Gericht verweist an der Stelle auf einen Beschluss von 2019 des Landgerichts Berlin, nach dem schwarze Jacken, dunkle Hosen, Standardturnschuhe und Handschuhe nicht als individuelle Merkmale ausreichen, um einen hinreichenden Tatverdacht zu begründen. Auch die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Gangbildanalysen sind laut Gericht „nur sehr eingeschränkt nachvollziehbar“ und ergaben jeweils unterschiedliche Körpermaße mit einem Abstand von bis zu 13cm. Eine Kripobeamtin will außerdem Benni als vermeintlichen Super-Recognizerin anhand von Augenbrauen, Beinstellung und einer schlanken Gestalt erkannt haben. Eine Kenntnis darüber, ob sie überhaupt Super-Recognizerin ist, besteht jedoch nicht und selbst das Gericht betont, dass Super-Recognizing als Konzept überhaupt nicht wissenschaftlich belegt ist. Hinzukommt, dass ein in der durchsuchten Wohnung gefundener Bunsenbrenner von der Staatsanwaltschaft als vermeintliche „Tatwaffe“ zurechtgelegt wird, der jedoch eine andere Farbe und ein völlig anderes Ernscheinungsbild als auf den Vergleichsfotos aufweist. Die Staatsanwaltschaft scheint sich in ihren unhaltsamen Mutmaßungen also gehörig verannt zu haben.

Gegen diese ganz klare Absage an die politisch motivierten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hat diese jetzt ohne Begründung offiziell Beschwerde beim Oberlandesgericht eingelegt. Mit einer Entscheidung ist vermutlich in den nächsten Monaten zu rechnen. Es reicht offenbar nicht, unserem Freund und Gefährten ein halbes Jahr seines Lebens zu rauben. Sie wollen ihm auch noch die Zeit in Freiheit durch Jahre der Unsicherheit und lange, teure Gerichtsprozesse stehlen. Das Ganze nur um an ihren so absurden wie gefährlichen Konstruktionen festzuhalten, um die eigene Gewalt an Tag-X öffentlich hinter politisch instrumentalisierten Mordanklagen zu verstecken und gleichzeitig Antifaschist*innen und ihre Umfelder ohne Urteil zu bestrafen. Manchmal wäre es würdevoller, klare Zurechtweisungen anzunehmen, gerade wenn sie von den eigenen Justiz-Kolleg*innen kommen.

Wir als Soligruppe sind erstmal einfach glücklich, dass ein zügigeres Ende der Tortur zumindest in Aussicht ist. Davon kriegt Benni das halbe Jahr zwar auch nicht zurück, aber der Blick kann wieder nach vorne gerichtet werden. Es wird mal wieder offensichtlich mit was für einem wahnhaften Eifer sich die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft mit Soko-Linx-Unterstützung auf die autonome Szene in Leipzig stürzen. Wo etwas nicht passt, wird es passend gemacht. Wenn sich Menschen erfoglreich der Strafverfolgung entziehen, werden willkürlich Menschen gekesselt oder ihre Häuser durchsucht. Auch jetzt reicht das Urteil eines der höchsten Gerichte Sachsens nicht aus, sondern diese Farce wird uns potentiell noch lange beschäftigen. Wir können und wollen auf nichts in diesem Justizapperat vertrauen und müssen auf uns selbst zählen. Egal was noch an Wendungen in diesem Verfahren kommt, wir bleiben an Bennis Seite und stehen weiterhin solidarisch mit allen verfolgten Antifaschist*innen.

Freiheit für alle Gefangenen!