L’Antifa Toujours! – Kritischer Redebeitrag anlässlich der Hand-in-Hand-Demonstration am 08.06.
Hallo liebe Demonstrationsteilnehmer*innen! Wir sind die AVL, eine antifaschistische Vernetzung linksradikaler Gruppen aus Leipzig. Wir freuen uns, dass heute viele Menschen auf die Straße gehen, um sich gegen die faschistische AfD zu positionieren. Es war und ist überfällig, dass dieser Partei wie auch allen anderen Faschist*innen konsequent begegnet wird.
Wir empfinden allerdings auch Unbehagen, wenn wir uns das Demonstrationsgeschehen heute und zu Beginn des Jahres genauer anschauen. Konkret: Es macht uns wütend, wenn Parteien und Politiker:innen die Demonstration gönnerhaft loben und für ihren Wahlkampf nutzen, während sie (militanten) Antifaschismus verurteilen und verfolgen und in den Parlamenten längst die Forderungen der AfD umsetzen.
Auf Lokalebene unter anderem mit dem Streichen der Finanzmittel von Projekten wie Sisters*, dem einzigen BIPoC-Mädchenprojekt auf dem sächsischen Land, der Rosalinde, die queere Bildungsarbeit macht oder dem Fallenlassen des Dachverbandes der Sächsischen Migrantenverbände. Offensichtlich braucht es keine starke AfD, damit wirksame Initiativen und Projekte platt gemacht werden. Auch die anderen Parteien versuchen längst, die sächsische rechte Seele zu anzusprechen.
Auf Bundesebene etwa mit dem „Rückführungsverbesserungsgesetz“, der Abschottung und den Morden an den EU-Außengrenzen sowie verschärften Abschiebehaftsbedigungen. Beinahe alle hier zur heutigen Demo aufrufenden Parteien sind daran beteiligt. Für diesen staatlich manifestierten Rassismus braucht es nicht erst eine AfD in Regierungsverantwortung. Die „Ausländer raus“-Rufe in derzeit allen Regionen sind für uns kein Skandal, sondern der deutsche Sommerhit schlechthin, der seit Jahren durch alle Parlamente hallt.
Wir denken nicht, dass sich der Faschismus mit Demonstrationen und der Wahl von „demokratischen“ Parteien aufhalten lässt. Die faschistische Bewegung in ganz Europa versteht es gut, sich die parlamentarische Demokratie anzueignen und diese für ihre Zwecke zu nutzen. Häufig wird ihnen die Macht wiederstandslos übertragen oder mit ihnen kooperiert. Der faschistischen Ideologie muss inhaltlich und mit solidarischen Alternativen zum Kapitalismus begegnet werden. Die Erweiterungen von linken Bündnissen um Organisationen, die in Migrant*innen billige Arbeitskräfte zum Erhalt des Wohlstands der Reichen sehen, finden wir daher abzulehnen wie jegliche Form des „Nützlichkeitsrassismus“, wie er hier etwa von der IHK vertreten wird. Als Antifaschist*innen solidarisieren wir uns mit allen von Gefängnis und Abschiebung bedrohten Menschen, egal welchen Pass sie besitzen und wie viel sie für andere erwirtschaften könnten!
Die Geschichte zeigt uns, dass man sich im Kampf gegen Neonazis niemals auf den Staat und seine Organe verlassen darf. Wir dürfen uns nicht mit der stillen Hoffnung zufriedengeben, dass die Politiker*innen und Wirtschaftsvertreter*innen, die heute hier sind, im Kampf gegen Nazis und deren Ideologie eine wirkliche Stütze sind. Den Kampf gegen strukturellen Rassismus in Staat und Gesellschaft, gegen alle autoritären Kräfte – den müssen wir selbst organisieren. Es wird niemand für uns machen. Lasst euch nicht sagen, welche Mittel im Kampf gegen den rassistischen Normalzustand und Faschismus angemessen sind. „Nazi sein heißt Probleme kriegen“ – auf allen Ebenen und unter Abwägung aller Mittel.
Und natürlich bedeutet Antifaschismus auch weiterhin einen breiten, gemeinsamen Protest gegen die AfD wie hier und heute. Aber lasst uns dabei nicht aus den Augen verlieren, dass unser Problem nicht nur die AfD, sondern die autoritäre Formierung und Faschisierung der gesamten Gesellschaft ist. Breiter Protest muss nicht heißen, dass wir die Menschenfeinde aus CDU und Ampelparteien damit davonkommen lassen, dass sie bereits seit Jahren die Agenda der AfD mit umsetzen und antifaschistische Arbeit kriminialisieren. Der Kampf hat erst begonnen! Schließt euch zusammen und kämpft für eine echte solidarische Alternative – zu den völkischen Fantasien der AfD wie zum rassistischen Normalzustand, den die Regierung uns als menschenwürdig und demokratisch verkaufen möchte. Distanziert euch nicht vom militanten und autonomen Antifaschismus, denn Antifaschist*innen tun weltweit das, was geboten ist: Nazis konsequent begegnen und solidarisch mit jenen zu sein, die dafür mit Knast und Verfolgung bestraft werden. Das sollte unser aller Konsens sein.
Zu Boden mit den Rechten und dem autoritäten Staat!
Freiheit und Glück an alle Untergetauchten und an alle
Gefährt*innen im Knast!
Lang lebe die antifaschistische Aktion!