Warten auf die anarchistische Guerilla …
Frühjahr 2024, die Lage ist unerträglich. Nicht nur im vom deutschen Staat kontrolliertem Gebiet hat der Faschismus die Köpfe vieler Menschen erobert. Die Herrschenden scheinen in vielen Ländern auf einem wahren Todestrip zu sein, heiße Kriege zwischen Staaten, Kriege gegen Migration, Krieg gegen die Ressourcen des Planeten und der soziale Krieg befinden sich in einer Phase der Begeisterung für das Sterben, die an Beschreibungen kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs erinnert. Währenddessen klebt die Menschheit mit den Fingern an ihren Smartphones, betäubt vom Flackern der Algorythmen.
Was die heißen Kriege betrifft, verbleiben viele Anarchist*innen in der zuschauenden Position. In einem dieser Kriege gibt es gute Gründe sich den kurdischen Strukturen anzuschließen und sich aktiv gegen den Türkischen Staat und seine islamistischen Proxys zu betätigen. Es gibt auch gute Gründe dem Personenkult der PKK fern zu bleiben und stattdessen die Interessen Erdogans in Europa praktisch anzugreifen, indes sind hier die anfänglichen Aktionswellen stark abgeflaut. Auch gegen die maßgeblich verantwortlichen Staatensysteme der aktuellen Massaker – NATO/EU/Israel/Iran/Russland – (und ihre Profiteure) wird von den anarchistischen Szenen bisher keine Praxis entwickelt, die Einfluss auf den Lauf der Geschichte haben könnte.
Nun wirft ein am 2. März 2024 unter dem Titel »Developing Incisive Capacity: Making Actions Count«[1] veröffentlichter Text Fragen auf, die so ähnlich sicher viele Militante bewegen:
»What could equip anarchists to carry out more significant strikes, to hone a quality of action that goes beyond the symbolic? What are the current obstacles to anarchists developing a capacity for action on a significant scale, organized in small autonomous groups that can coordinate around a particular focus? In other words, what needs to happen for more anarchists to establish the necessary skills and a certain routine for attacking identified vulnerabilities?«
Antworten auf diese Fragen nicht nur auf theoretischer sondern auch auf praktischer Ebene geben zu können, setzt nichts anderes voraus als eine anarchistische Guerilla. Denn mit den in den letzten Jahrzehnten aus der autonomen Bewegung entwickelten Methoden sind wir nicht weiter gekommen als genau an den Punkt, an dem wir seit längerem verweilen. Um sich nicht in längeren Analysen zu ergehen, die kaum treffender sein könnten als die Ausgabe 2 der Zeitung »Antisistema«, Frühjahr 2024, sei auf die Lektüre eben dieser verwiesen.
Eine Guerilla, oder zumindest Guerillaaktivitäten, setzt unter anderem voraus, dass sich ein Personenkreis über einen längeren Zeitraum verbindlich organisiert. Schon hier tritt der erste Mangel der anarchistischen nicht-Organisierung auf, kurze Verweildauer in der Szene und mangelnde Verbindlichkeit. Die Entwicklung einer militanten Persönlichkeit dauert eine längere Zeit, als die Meisten in den linksradikalen Milieus der westlichen Metropolen verbringen. Zusammen mit der Fehlinterpretation der anarchistischen Perspektive bezüglich verbindlicher Organisierung, ergibt sich der historische Fakt, dass bis auf wenige Ausnahmen, die meisten Guerillagruppen eher kommunistisch waren und/oder nationale Befreiungen anstrebten. Als Beispiel für Commitment zur Subversion als Lebensaufgabe kann der Widerstand in Spanien gegen Franco betrachtet werden. Anarchistische, libertäre und kommunistische Militante führten von 1939 bis 1965 einen bewaffneten Kampf gegen die Diktatur, in dem die meisten von ihnen getötet wurden; statt sich in die Sicherheit des Exils nach Frankreich zu flüchten. Francesc Sabaté Llopart wurde zum Synonym für diese anarchistische Guerilla, deren tragisches Ende die Hinrichtung von Salvador Puig Antich 1974 markiert.
»Very little has been written about the scale of the armed struggle against Franco following the civil war. A thick blanket of silence has been drawn over the fighters, for a variety of reasons. According to Franco’s personal friend, Guardia Civil General Camilo Alonso Vega – who was in charge of the anti-guerrilla campaign for twelve years – banditry (the term the Francoists always used to describe the guerrilla activity) was of »great significance« in Spain, in that it »disrupted communications, demoralised folk, wrecked our economy, shattered our unity and discredited us in the eyes of the outside world«.
We have no reliable breakdown of the overall figures for guerrillas or for the casualties sustained by or inflicted upon the security forces and Army. If we are to have some grasp of what this unequal struggle against the Dictatorship was like, our only option is to turn to figures made public in 1968, according to which the Guardia Civil sustained 628 casualties (258 deaths) between 1943 and 1952.«[2]
Für die Definition, was Guerilla eigentlich bedeutet, bieten sich die Realitäten an, mit denen Menschen in scheinbar aussichtslosen Kriegen konfrontiert waren.
Andrew Mack stellte fest: »Der stärkere Akteur verliert asymetrische Kriege, weil sein Interesse und damit sein Wille, den Krieg zu gewinnen, aufgrund eines Bedrohungsdefizits weniger ausgeprägt ist als jener des schwachen Akteurs.«, was auf den Krieg der algerischen FLN gegen Frankreich zutrifft.
Und Ivan Arreguín-Toft: »Der stärkere Akteur verliert asymetrische Kriege, weil er gegenüber dem schwachen Akteur die falsche Strategie verwendet. Die Konzentration der staatlichen Streitkräfte auf die symetrische Staatenkriegsführung hat zur Folge, dass der starke Akteur auf asymetrische Strategien des schwachen Akteurs mit der falschen Strategie reagiert.« Die antikolonialen Guerillagruppen gewannen, weil sie nicht verloren. Sie vereitelten, dass der stärkere Akteur die Hearts and Minds gewann.[3]
Übertragen auf die heutige Situation bedeutet das, dass die Militanten der anarchistischen Szenen in Europa und US eventuell aufgrund ihrer Klassenherkunft – mehrheitlich weiße Mittelschicht – nicht in der Lage sind ein ausreichendes Bedrohungsgefühl zu entwickeln (im Gegensatz zu den Gefährt*innen in Francos Spanien) und dieses Bedrohungsdefizit auch nicht durch Empathie mit den Betroffenen der europäischen Aggression ausgeglichen werden kann. Das vor dem Hintergrund, dass Europa seit der Landung von Columbus in »Amerika« 1492 ununterbrochen Krieg gegen den Rest der Weltbevölkerung führt.
Beim Zurückblättern in den alten Ausgaben von Interim und radikal oder dem Archiv von linksunten indymedia fällt auf, dass die insurrektionistischen Texte der letzten zwanzig Jahre keine Position bezogen haben, wie eine Organisierung mit den Beteiligten der wellenförmigen Aufstandszyklen erreicht werden kann. Das Konzept der Affinitätsgruppen war so flüchtig wie die vielen Revolten selbst. Mit dem dadurch ermöglichten Level der Sabotage kann derzeit keine asymetrische Kriegsbeteiligung erreicht werden. Das meint nicht zwangsläufig den Einsatz von Waffen sondern das Schaffen von Bedingungen, welche das Verwenden der als notwendig erachteten Mittel ermöglichen. Momentan befindet sich die anarchistische Gegengewalt in einem reaktiven Verhältnis zur staatlichen Gewalt. Wir verwenden die Mittel, von denen wir annehmen, dass Staat und Gesellschaft uns dafür nicht auslöschen werden. Momentan verschiebt der Staat den Diskurs bezüglich Gewalt gegen Nazis. Von »Verboten – aber es kommt halt vor« zu »Verboten – und dafür wirst du zur Strecke gebracht«. Der nächste Schritt müsste ein Paradigmenwechsel sein – die staatliche Gewalt dazu zwingen, auf unsere Gegengewalt zu reagiern. Oder ihrerseits den Verlust von Diskurshoheit und physischen Räumen hinzunehmen.
Nach dem Aufstand im Dezember 2008 in Griechenland riefen einige der Beteiligten dort dazu auf, die Stadtguerilla-Kriegsführung als maßgeblichen strategischen Kurs einzuschlagen. Diese Entwicklung war Thema einer intensiven Debatte, die anonym geführt wurde. Manche Leute meinten, dass die Ausweitung von Guerilla-Anschlägen zu schnell zu weit geht, dass die meisten Leute zu diesem taktischen Sprung nicht in der Lage seien oder ihn überhaupt nicht verstehen könnten. Weiter meinten sie, die Anarchist*innen würden isoliert und anfällig für heftige Repressionsmaßnahmen. Eine weitere Kritik war, dass die griechische Gesellschaft einige historische Bezüge zu spezialisierten linken Guerilla-Gruppen habe, dagegen gebe es kaum eine Tradition des anarchistischen Modells zerstreuter, nicht -avantgardistischer Gruppen. Da es an einem solchen Rahmen historischer Bezugspunkte fehle, so lautete ein Argument, werde es der neuen Strategie der formlosen und flexiblen Einheiten nicht gelingen, einen größeren Teil der Bevölkerung für die Beteiligung an Guerilla-Aktionen zu gewinnen. Jahre zuvor war eine Kritik der Organisation 17.November an einer antiautoritären Gruppe, dass das Auswählen alltäglicherer Ziele, die der Analyse der Anarchist*innen entsprachen, eher Furcht als Anerkennung in der Gesellschaft erzeuge, weil die Menschen nicht verstehen könnten, warum dieses bestimmte Ziel angegriffen werde. Es wurde als Problem angesehen, wenn die Strategie darauf beruht, dass mehr und mehr Leute ähnliche Attacken ausführen, weil die erforderliche Kapitalismuskritik nicht verbreitet ist. Es wurde weiter argumentiert, dass eine Strategie des klandestinen Guerillakrieges zur Spezialisierung führen würde und spektakulär sei. Sie verlange solch ein hohes Maß an Spezialisierung und Wissen, dass sich die große Mehrheit der Gesellschaft nicht beteiligen kann – im Gegensatz zu einem Aufstand, an dem jede/r auf ihre Art und Weise mitmachen kann. Spektakulär seien die Guerilla-Aktionen ihrer Natur nach wegen der geringen Zahl der Beteiligten, was dazu führe, dass Anschläge nur selten verübt werden, wodurch wiederum das Niveau der Vorbereitung und des Effekts in die Höhe getrieben werde. Ihr vorrangiges Ziel sei die virtuelle Realität. Die Art und Weise, wie sich eine städtische Revolte mitteilt, ist im wesentlichen unmittelbar ersichtlich. Klandestine Anschläge würden jedoch hauptsächlich durch das Auge der Medien erlebt. Daher würden Leute eher zu Zuschauer*innen des Kampfs als – wie bei Unruhen – zu Protagonist*innen. Indem sich die Speerspitze des Kampfes immer weiter von den Lebenswirklichkeiten der Menschen entferne, würden diese auf Dauer noch mehr in Zuschauer*innen verwandelt; zur selben Zeit verwandeln der Staat und die Medien ihrerseits die Anschläge ins Spektakel und machen sie zum Symbol des ganzen Kampfs. Der Staat könne schließlich den Kampf ganz einfach ausschalten, indem er die Medien anweist die Berichterstattung über Anschläge einzustellen. Auf diese Weise enthauptet, könnten die Überbleibsel des Kampfs zur Kollaboration mit der institutionellen Linken verlockt werden. Die Verfechter dieser Kritik verwiesen darauf, genau das sei in Deutschland und Italien in den siebziger und achtziger Jahren passiert. Noch einen darauf setzte die, von anarchistischen Wurzeln zum Kommunismus bekehrte Gruppe Ta Paidia Tis Galarias mit der Behauptung »Auf dieser Grundlage findet sich der bewaffnete Kampf im Bündnis mit dem Staat wieder: Beide werden von der proletarischen subversiven Aktivität herausgefordert, deren Fortsetzung das Überleben von beiden bedroht.« Die Befürworter*innen der Guerilla-Strategie hielten dagegen, ein Aufstand müsse, will er sich zur Revolution auswachsen, im bewaffneten Kampf mit dem Staat obsiegen – und dies könne er nicht unbewaffnet.[4]
Wie dem auch sei, mit dem Einschlafen des Klassenantagonismus in Griechenland verebbte auch die öffentliche Guerilla-Diskussion. Eine Lehre daraus für die Zukunft könnte sein, sich besser vorzubereiten für den Fall eines historischen Fensters. Denn gelegentlich gibt es diese Stunde Null, zum Beispiel am 25. April 1974 in Portugal, als die Diktatur durch den Movimento das Forças Armadas innerhalb weniger Stunden weggefegt wurde. Für die portugiesische Gesellschaft kam dieser Sturz überraschend und wurde nach den ersten Ansätzen einer Kollektivierung von Agrarland und einigen Betrieben schnell durch Druck der NATO in sozialdemokratische Bahnen gezwungen. Der bewaffnete Widerstand von kommunistischen Gruppen wie den Brigadas Revolucionarias konnte den Lauf der Dinge wenig beeinflussen. Zwar hatten die BR bereits 1971 damit begonnen NATO Einrichtungen in Portugal zu attackieren, sich mit der Polizei Schusswechsel zu liefern bei denen Beamte starben und Banken zu überfallen, die Gesellschaft nahm den Kampf gegen die NATO aber nicht auf. Nach dem die Kolonialkriege beendet wurden und damit auch das verheizen des eigenen Proletariats in diesen, war der innere Frieden stabil. Auch wenn die BR noch bis 1980 aktiv waren und mit der Polisario antikoloniale Kooperationen pflegten.
Die Vorbereitung auf historische Fenster ist so abwegig nicht, den bereits fünfzehn Jahre nach dem Sturz des Regimes in Portugal, lösten sich in Europa mit der DDR und Jugoslawien zwei Staaten völlig auf. In beiden Territorien wurde es aber von einem Erstarken nationalistischer Gewalt begleitet, in einer Phase der allgemeinen Depression linksradikaler Militanz durch den Zusammenbruch des Realsozialismus.
Sich auf eine plötzliche oder absehbare Situation vorzubereiten oder besser noch, eine Situation selbst zu schaffen, ist eine häufiger formulierte Idee. An dieser Stelle soll auf einige von der Zeitung Antisitema aufgeworfene Gedanken eingegangen werden. Auf die Frage, wie wir agieren wollen,(quantitativ oder qualitativ?), schreiben sie »Möglicherweise kann es interessant sein die drei oben erwähnten Bereiche – die Energienetze, die Mikrochipfabriken, sowie den Bergbau, insbesondere den Tiefseebergbau, unter die Lupe zu nehmen. … Vielleicht kann die Vervielfältigung unterschiedlicher Aktionsformen – folgenschwere Sabotagen, massenhafte Störungen, kleine reproduzierbare Angriffe – genährt mit einer radikalen Kritik auf der Straße und einer wachsenden Desillusionierung über die Politik dafür sorgen, dass sich die Möglichkeit des direkten Handelns gegen die Verantwortlichen für die industrielle Zerstörung verbreitet.«
In die selbe Richtung zielt auch ein Zine aus Frankreich mit dem Titel »Blackout – Controversy about meaning and efficiency of sabotage«. Dort wird es in Bezug auf die massenhafte Sabotage während des Covid Lockdowns so formuliert »How could we undermine technological control? Could we provoke a tipping point within this situation? What scenarios did these sabotages open up? How could we consider efficiency, organization and ethics altogether?«
Bekanntlich kommen in Frankreich viele Sabotagen nicht nur aus dem anarchistischen Spektrum und das Blackout Magazin misst der Auslegung von Effizienz einige Bedeutung zu: »Simultaneously, another proposal continues to take shape, one whose strategy is to reach the infrastructual field, which means the deep layers of power. The power of the war-research-industry complex is not unboltable, since it relies on diffuse infrastructures. To understand, identify and destroy key infrastructure is also to start considering radical change as possible once again. Although less spectacular, this way of acting holds a triple advantage: it is less seizable by repressive forces; it can concretely stop, even temporarily, the techno-industrial machinery; and it prevents the encroachment of any central direction, since it results from the work of a multitude of small, spread out and autonomous groups. What strategies emerge when we separate or combine anarchist, ecologist and techno-critical perspectives? How do these strategies integrate a now-decisive element: the war in Europe, which will guide and harden the grip of states on their populations.«
Zunächst müsste, um überhaupt von einer Strategie sprechen zu können, der Kampf längerfristiger angelegt sein, als es meistens der Fall ist. Wer alle paar Monate auf ein neues dringendes Thema reagiert, ist dann eben nur ein Faktor in der Strategie des Feindes, der selbst agiert. Veränderungen werden möglich, wenn sich ein Personenkreis findet, der verbindlich für einen längeren Zeitraum zu einem bestimmten Thema tätig sein will. Die anarchistische Guerilla definiert sich nicht über die Verwendung von Waffen und Bomben sondern über die Entscheidung, sich wirklich auf einen Teilaspekt der zahlreichen Kriege ernsthaft einzulassen. Die gegenwärtige Praxis, heute einen Nazi umzuklatschen, morgen einen Neubau einzuwerfen und nächste Woche ein Firmenauto anzuzünden, ist autonome Feuerwehrpolitik. Besser als nichts, aber nicht ausreichend um eine der weiter oben angerissenen Fragen zu beantworten. Die im letzten Jahr vollbrachte Verdichtung von weltweiten Angriffen zur Unterstützung des Hungerstreiks von Alfredo Cospito offenbarte das Wesen anarchistischer Militanz. Sie wird als taktisches Mittel verstanden – hier als Solidaritätsbekundung – verflüchtigt sich aber bevor sie materielle Auswirkungen im Lager des Feindes hinterlässt.
Entschlossenheit ist die stärkste Waffe unserer Feinde, nicht ihre Pistolen oder Panzer. Die Entschlossenheit der Bullen, Militärs und Securities, zu jeder Zeit ihr eigenes Leben und das Leben der Anderen wegzuwerfen, steht uns im Weg. Die anarchistische Guerilla wird das nicht mit dem gleichen Kadavergehorsam kontern, vielmehr mit der Entschlossenheit den anstrengenden Weg des Widerstands zu gehen: Konspirieren mit Gefährt*innen trotz zwischenmenschlicher Widersprüche, Verfolgen langfristiger Pläne, ewiges Recherchieren ohne schnelle Erfolge, sich in kalten Nächten durch Kamera verseuchte Städte bewegen usw.
»About the possibilities: Either in Paris during the lockdown or in Grenoble a couple days later, the step seems to have taken, moving beyond targets with low strategical value (since easily replaceable) towards multiple targets that, once coordinated, considerably increase the efficiency of an offensive action. Whether it is the 100 000 people deprived of internet and phone services in Paris, or in Grenoble where we learned that an additional antenna would have shut down the metropolis entire network. Not that the recipe is anything new, but I find it exciting that we allow ourselves to think it, to do it, to coordinate ourselves, to hit simultaneously, and to disappear. It is a step forward, from what can be considered as low intensity conflict to what could become an open conflict. Given the way things are going, with on one side an all-technological over-controlled system and on the other, the increasingly intense destruction of what we still dared to call nature not so long ago, I sincerely believe that we do not have time anymore. No time to hope that another social movement will become uncontrollable if we brake enough windows; a mass of increasingly servile people will become an angry mob. To me, not to have time anymore does not mean to rush behind every emergency (climate or social), nor to follow the increasingly rapid flux of the net, to be »present« in order to spread »counter-information«. No. It means planning meaningful operations, to dare think in terms of strategy. With our own temporality and not that of power.«[5]
Solange diese Form der Guerilla ausbleibt, wird der kurdische Apoismus weiterhin Anarchist*innen anlocken und andere werden sich im Delirium einer anarchistischen Kriegsbeteiligung im Dienst der ukrainischen Streitkräfte verlieren. Bevor die anarchistische Guerilla über den Einsatz von Waffen befindet, wird sie sich mit erfolgreichen Aufständen der Vergangenheit beschäftigen müssen. Zum Beispiel dem arabischen Aufstand gegen die Türkei 1916-1918.
Dessen maßgeblicher Initiator, Lawrence von Arabien, befand damals:
»Es sollte auf jede Art traditioneller Kriegsführung verzichtet werden und stattdessen ein Guerillakrieg geführt werden. Dieser besteht primär aus einer Negation des regulären Krieges. Die zentrale Vorstellung des regulären Krieges ist der »Begegnungskrieg«. Zwei Gegner treffen sich zu einem gegebenen Zeitpunkt, um durch das geordnete Aufeinandertreffen ihrer Armeen über Sieg und Niederlage zu entscheiden. Der Guerillakrieg erficht weder eine Entscheidung, noch versucht er eine Begegnung mit dem Feind herbeizuführen. Der Guerillakrieg ist ein »Krieg des Ausweichens«. Der Guerillakrieger versteckt sich vor dem Feind. Er sucht in sicherer Distanz die Stelle, an der der Gegner am schwächsten ist und greift dort an. Ohne eine Entscheidung zu erzwingen, zieht er sich wieder zurück und wiederholt die kleinen Angriffe an anderer Stelle. Er führt im engeren Sinne keinen Krieg, sondern er stört seinen Gegner durch die beständigen Nadelstiche des Hinterhalts, der Sabotage und des Überfalls, bis dieser, in jeder Hinsicht zermürbt, zusammenbricht.«
Begünstigend war laut Lawrence, dass Arabien ein Land der Offenbarungsreligion sei, die eine ungeheure Kraft der Sehnsucht nach Freiheit besitzt – quasi als Spiegelung der Kargheit der Wüste in den Geist. Lawrence nutzte die prophetische Kraft für den Aufstand mit einer
Strategie des permanenten Hinterhalts. Es kam weniger darauf an, Territorien zu erobern, als ein Verlangen nach Freiheit hervorzubringen.
Natürlich darf nicht ausgeblendet werden, dass Lawrence im Dienst der britischen Regierung handelte, der Drang der Aufständischen nach Freiheit war jedoch authentisch und ihre Entschlossenheit größer als die der türkischen Kolonialmacht.
Im Jahr 2024 sind Deutschland und Europa flächendeckend übersät von Einrichtungen, Installationen, Fahrzeugen und Verantwortlichen für die Massaker an den Grenzen, in der Ukraine, in Palästina, in Kurdistan, den Kolonialkriegen in den anderen Kontinenten …
Die Initiative »Switch off! The system of destruction« hat ein positives und realisierbares Beispiel für die Koordinierung eines Aktionsrahmens geliefert. To hone a quality of action that goes beyond the symbolic, wie es aus dem Atlanta Forest formuliert wird, braucht eine stärkere Bezugnahme aufeinander. Sowohl in den publizierten Texten, als auch in den informellen Kontakten zwischen anonymen Protagonist*innen. Um nicht in vorschnellen Frust über ausbleibende Veränderungen zu verfallen, sollte sich am Zeitrahmen der EZLN orientiert werden; bekanntlich bereiteten sie den bewaffneten Aufstand zehn Jahre lang im Dschungel vor.
Effiziente Schläge gegen die Kriegsmaschinerie auf eine militaristische Perspektive zu reduzieren, verhindert das Entstehen einer anarchistischen Guerilla. Bei aller Sympathie für den Widerstand in der Türkei und trotz der Anerkennung der wichtigen Angriffe auf das AKP-Regime, die Halkların Birleşik Devrim Hareketi (HBDH) wollen etwas anderes als wir, wenn »sie im Kampf der Völker in der Türkei und Kurdistans gegen den AKP/MHP-Faschismus die Avantgarde der Revolution ist. Die HBDH wird ihre Aufgabe als Wegbereiterin erfüllen. Sie wird das Bewusstsein der Werktätigen und Völker auf richtige Weise wecken. Sie wird sie bei der Organisierung unterstützen und anführen.« Ihre Utopie »sie wird Aktionen leiten, anregen und die Menschen dafür mobilisieren. Die HBDH ist eine vorkämpfende Kraft. Gegen den AKP/MHP-Faschismus stellt sie die Zukunft, Hoffnung, Willenskraft, Freiheit und Demokratie der Türkei dar. Die HBDH ist die Kraft, die diesen Faschismus stürzen wird.«[6], füllt das Vakuum der Abwesenheit einer anarchistischen sozialen und bewaffneten Praxis.
Ist also die realitätsverändernde Form des Widerstands gegen den Krieg nur um den Preis der linken Machtdialektik möglich, wie sie aus dem Mund der kurdischen Gruppen spricht?:
»Bei den Gesprächen mit Genoss:innen der drei Internationalisten stießen wir immer wieder auf das Thema der taktischen Bündnisse, die in Kriegssituationen oft unvermeidlich sind, um zu einer Kraft zu werden. Bawer, der Finbar noch aus Rojava kannte, zog Parallelen zu der Zeit, in der er in Raqqa an der Seite der kurdischen Bewegung kämpfte und beschrieb die Situation für Anarchist:innen in der Ukraine folgendermaßen:»Der Weg um eine eigene Einheit als Anarchist:innen aufzubauen erfordere nun einmal mit Kräften wie dem Staat oder unliebsamen Gruppen Hände zu schütteln. Es bedeutet jedoch nicht, dass man seine Prinzipien verliert. Diesen Widerspruch können viele westliche Linke nicht aushalten.«[7]
Widersprüche auszuhalten ist tatsächlich eine notwendige Voraussetzung um dem autonomen Kleingruppenaktionismus einen Schritt nach vorne zu ermöglichen. Die gegenwärtige Neigung in manchen Kreisen, jeden Widerspruch beiseite zu schieben, steht aber dem Erlangen der Freiheit nach dem Ende der Gewalt entgegen. Zwar ist es offensichtlich, dass der Krieg Israels gegen die palästinensische Bevölkerung einen bewaffneten Widerstand erfordert, aus der oft unkritischen Solidarisierung spricht jedoch die konsequenzenlose Nicht-Praxis der Anarchie mit ihrer mentalen Abwesenheit auf den Schlachtfeldern. Wo über Krieg, also über Leben und Tod, diskutiert wird, ist es nötig sich der eigenen Inhalte zu vergewissern. Wenn beispielsweise der Führer der Saraya Al-Quds – Tulkarem Brigade in einem Interview auf fünf Fragen acht Mal mit Gott antwortet[8], fordert das von uns im sicheren globalen Norden, eine echte Positionierung statt leerer Floskeln (wenn wir es mit der praktischen Solidarität ernst meinen).
Um eine Antwort auf die Eingangs zitierten Fragen zu geben, wird die Entwicklung einer anarchistischen Guerilla vorgeschlagen. Diese kommt ohne Gründungserklärung und Akronyme aus. Sie definiert sich nicht an der Frage der Bewaffnung oder der angestrebten Gewalteskalation, sondern zeichnet sich durch die Entschlossenheit der Beteiligten aus, auf lange Sicht verbindlich eine Struktur aufzubauen, die gegenüber dem Krieg von Oben handlungsfähig ist. Nur diese Kette von: Entschlossenheit – Verbindlichkeit – Organisierung in einer kollektiven Struktur, führt überhaupt zur den weiteren Fragen nach der Wahl der Mittel oder der strategischen Ausrichtung. Zu bekämpfen ist dabei ebenfalls der unglaubliche Erfolg, den das kapitalistische System täglich neu erringt, wenn es den Krieg im Bewusstsein der Massen als Krieg von Nationen und Religionen framed – und dabei sein wahres Wesen als Klassenkrieg verbirgt.
[1] https://scenes.noblogs.org/post/2024/03/02/developing-incisive-capacity-making-actions-count/[2] Antonio Téllez Solà, Armed resistance to Franco, 1939-1965
[3] Arreguín-Toft, I. (2003). The (f)utility of barbarism: Assessing the impact of the systemic harm of non-combatants in war. Mack, A. (1975). Why big nations lose small wars: The politics of asymmetric conflict.
[4] https://libcom.org/library/specialised-guerilla-diffuse-guerilla
[5] Blackout – Controversy about meaning and efficiency of sabotage, page 12
[6] https://anfdeutsch.com/hintergrund/kalkan-die-hbdh-als-avantgarde-der-revolution-26384
[7] https://anfdeutsch.com/hintergrund/gastbeitrag-zum-internationalen-gedenktag-an-anarchistische-gefallene-im-russisch-ukrainischen-krieg-41875
[8] https://abolitionmedia.noblogs.org/post/2024/04/22/tulkarem-brigade-commander-abu-shujaa-returns-alive-sending-palestine-into-celebration/