Immer mehr häusliche Gewalt – Sächsische Frauenhäuser überlastet: Lage in Leipzig für Frauen und Kinder besonders schlimm

Beleidigungen, Schläge, Stalking: Immer mehr Frauen in Deutschland werden Opfer von häuslicher Gewalt. In Leipzig sind die Zahlen besonders hoch. Das bringt Schutzeinrichtungen an ihre Grenzen.

Hohe Fallzahlen, wenig Kapazität: Immer mehr Betroffene von häuslicher Gewalt werden in Sachsen von Schutzeinrichtungen abgelehnt. Besonders schwierig sei die Situation in Leipzig, teilte die Koordinierungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking (KIS) auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. 242 Personen, bei denen es im ersten Halbjahr 2023 einen Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt gab, hätten von der KIS keine Beratung erhalten.

Ähnliches berichtete eine Mitarbeiterin eines Leipziger Frauenhauses der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist unser täglich Brot, dass wir Frauen ablehnen müssen“, erklärte sie. Von Januar bis Oktober habe die Zentrale Sofortaufnahme der Frauenhäuser in Leipzig 151 Frauen und 161 Kinder ablehnen müssen. Viele Mitarbeiterinnen seien psychisch und physisch überlastet, das führe zu hohen Krankenstandszahlen. „Es muss ganz dringend und schnell etwas passieren, weil ansonsten das System zusammenbricht“, sagte sie. Es brauche mehr Mitarbeiterinnen, mehr Schutzplätze und bezahlbaren Wohnraum.

Laut Landeskriminalamt verzeichnet der Freistaat Sachsen 2022 im Vergleich zu 2021 einen 10-prozentigen Anstieg der Fälle von häuslicher Gewalt. Besonders die Zahlen aus Leipzig stechen in der Statistik hervor: 20 Prozent mehr Fälle habe es 2022 im Vergleich zum Vorjahr gegeben.


Frank Döring 06.10.2023

Häusliche Gewalt: Zahl der Fälle in Leipzig um 20 Prozent angestiegen

Die Fälle von häuslicher Gewalt in Leipzig haben im vergangenen Jahr massiv zugenommen. Stadt und Polizei diskutierten bei ihrer Sicherheitskonferenz daher, wie Opfer besser unterstützt werden können.

Dieser Trend ist durchaus beunruhigend: Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Fälle von häuslicher Gewalt in der Stadt Leipzig um immerhin 20 Prozent angestiegen. Auch wenn die Ursachen dafür vielfältig sein mögen, haben Stadt und Polizei diese Entwicklung zum Thema der 44. Sicherheitskonferenz des Kommunalen Präventionsrates Leipzig (KPR) gemacht. „Angesichts gestiegener Fallzahlen ging es um die Kernfrage, wie Betroffene adäquat und zeitnah unterstützt werden können“, teilte das Rathaus im Anschluss mit.

Gewaltsame Übergriffe in Leipziger Haushalten waren in Zeiten der Corona-Krise und damit verbundener Lockdowns stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Damals hatte das sächsische Landeskriminalamt eine Sonderauswertung vorgenommen, um Fallzahlen zu ermitteln: Demnach wurden 2020 für Leipzig 2893 derartige Delikte erfasst, ein Plus von 165 im Vergleich zum Jahr zuvor. Hauptsächlich ging es um Körperverletzungen (1864) sowie Straftaten gegen die persönliche Freiheit (611). Eine Bewertung zur Tendenz, so hieß es, sei jedoch schwierig, da gerade in diesem Deliktbereich Fälle nicht immer sofort nach der Begehung angezeigt würden, sondern erst nach einem längeren Zeitraum.

Leipzig liegt deutlich über Bundesdurchschnitt

Gleichwohl liegt die Stadt Leipzig mit ihrem 20-prozentigen Zuwachs an Fallzahlen deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt. Nach einer Statistik des Bundeskriminalamtes waren im Jahr 2022 in Deutschland 240 547 Personen von häuslicher Gewalt betroffen, ein Plus von 8,5 Prozent zum Vorjahr.

Besonders im Fokus von Polizei und Beratungsstellen in der Stadt waren jene Übergriffe, bei denen die konkrete Gefahr der Begehung eines Tötungsdeliktes besteht, Betroffene beispielsweise mit Waffen oder gefährlichen Gegenständen bedroht werden oder sie wiederholt schwere Verletzungen erleiden. Im vergangenen Jahr gab es in der Stadt 43 solcher sogenannter Hochrisikofälle, die aus Sicht der Behörden eine sofortige Intervention zum Schutz der Betroffenen zwingend erforderten. Gerade diese Entwicklung sei bei den Akteuren im Leipziger Netzwerk gegen häusliche Gewalt und Stalking deutlich zu spüren, erklärte die Stadt. Die Koordinierungs- und Interventionsstelle (KIS) registrierte zudem 171 Kinder und Jugendliche als Mitbetroffene von häuslicher Gewalt, ein Anstieg um rund 23 Prozent.

Mehr Betroffene in Beratungsstellen für Leipzig auch positiv

Gleichwohl vermochten die Verantwortlichen der Entwicklung auch positive Aspekte abzugewinnen. „Es mag auf den ersten Blick widersprüchlich wirken, aber die Tatsache, dass sich mehr Betroffene an Beratungsstellen wenden, ist auch positiv zu bewerten“, so Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke). Für den Leitenden Kriminalinspektor Michael Ruschitschka spiegelt der Trend nicht zwingend ein größeres Gewaltpotenzial in Leipzig wider. Vielmehr sei durch Fortbildungen und Schulungen innerhalb der Polizeidirektion und durch den Einsatz des bundesweit eingeführten Erhebungsbogens „Odara“ eine Verbesserung bei der Erfassung der Fälle zu verzeichnen.

Um Betroffene besser beraten und betreuen zu können, ist nach Angaben der Stadt ein personeller und räumlicher Ausbau des seit 20 Jahren bestehenden Netzwerks gegen häusliche Gewalt geplant. Gemeinsam mit dem Land Sachsen arbeite man außerdem an Strategien zur Stärkung des Leipziger Hilfesystems.