Antisemitismus und tätliche Angriffe: Ofarim in 36 Fällen als Geschädigter geführt

Beim Prozess gegen Gil Ofarim in Leipzig werden verschärfte Sicherheitsvorkehrungen am Landgericht gelten. Den Verteidigern geht das nicht weit genug. Ihr Mandant sei in einer Vielzahl von Verfahren selbst Opfer.

Wie bedroht ist der Prozess gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim (41), der nächste Woche in Leipzig startet? Die Verteidiger des Sängers und Schauspielers treibt angesichts der aktuellen Situation im Nahen Osten und der Bedrohungslage für Juden auch in Deutschland die Sicherheitsfrage weiterhin um. „Dass die aktuelle politische Lage in Israel den bisweilen auch sehr offen ausgetragenen Hass auf jüdische Mitbürger in Deutschland auch gegenüber unserem Mandanten, einem bekennenden Mann jüdischen Glaubens, nicht unbedingt positiv beeinflussen wird, liegt doch auf der Hand“, erklärte der Münchner Rechtsanwalt Alexander Stevens gegenüber der LVZ.

Strafkammer führt zusätzliche Kontrollen ein

Das Landgericht Leipzig hatte bereits auf Sicherheitsbedenken der Verteidigung reagiert. Am Mittwoch änderte die zuständige 6. Strafkammer ihre sitzungspolizeiliche Anordnung. „Im Hinblick auf die ständig vorzunehmende Gefahreneinschätzung“, hieß es, sei diese in einzelnen Punkten neu gefasst worden. So beginnt der Einlass in den Sitzungssaal wegen zusätzlicher und verschärfter Zugangskontrollen früher. Verboten sind „Gegenstände, die geeignet sind, Personen zu verletzen“. Dazu zählen Messer und Glasflaschen ebenso wie Gegenstände, „die zum Schlagen oder Stechen genutzt werden können“, so das Gericht, auch explosive Stoffe sind nicht erlaubt. Untersagt ist ferner das Zeigen oder Tragen von „Symbolen oder bildlichen sowie textlichen Darstellungen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Bekenntnisse“.

Wichtig für Besucher des Prozesses: Auch elektronische Geräte wie Mobiltelefone, Diktiergeräte, Kameras, Computer und Tablets dürfen nicht mit in den Sitzungssaal genommen werden. Dies ist lediglich Verfahrensbeteiligten und Pressevertretern gestattet. Nicht zulässige Gegenstände müssen außerhalb des Saals zurückgelassen werden, so das Gericht.

Bis zum Prozessbeginn soll weiter geprüft werden, ob die Sicherheitsvorkehrungen angepasst werden müssen und beispielsweise noch mehr Wachpersonal an den zehn geplanten Verhandlungstagen vom 7. November bis 7. Dezember im Einsatz sein muss.

Anklage wegen falscher Verdächtigung und mehr

Für Rechtsanwalt Stevens und seine Kollegen ist es mit den Sicherheitsvorkehrungen im Gerichtssaal allein nicht getan. „Wie die Prozessbeteiligten überhaupt erst sicher zu Gericht gelangen und dieses im Anschluss auch wieder sicher verlassen können, ohne möglichen Gefahren ausgesetzt zu sein“, sei bislang noch ungeklärt, so der Verteidiger. Gil Ofarim werde derzeit in 36 Strafverfahren als Geschädigter von antisemitischen und sogar tätlichen Angriffen geführt. Nicht der Musiker selbst sorge sich um seine Sicherheit, stellte Stevens klar, „sondern wir als seine anwaltlichen Vertreter“.

Angeklagt ist Ofarim wegen falscher Verdächtigung in zwei Fällen, davon einmal in Tateinheit mit Verleumdung. Außerdem wird ihm falsche Versicherung an Eides statt in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Betrug und in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Betrug vorgeworfen. Anfang Oktober 2021 soll er in einem Video wahrheitswidrig behauptet haben, dass ein Mitarbeiter des Leipziger Hotels The Westin ihn aufgefordert habe, seine Kette mit Davidstern abzunehmen, damit er einchecken könne.